WAS IST "GUTE" ÄRZTLICHE WEITERBILDUNG?
DIE HERAUSFORDERUNG EINER MEHRDIMENSIONALEN KOMPLEXITÄT
Problemstellung: Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Ärztekammern in Deutschland mit der Frage Qualität der ärztlichen Weiterbildung. Die bundesweiten Evaluationen in den Jahren 2009 und 2011 zeigten erhebliche Unterschiede zwischen Weiterbildungsstätten und teilweise ein deutliches Optimierungspotential.
Die Weiterbildungsausschüsse an den jeweiligen Ärztekammern beschäftigen befassen sich seither intensiv und häufig sehr kontrovers mit der Frage, wie Weiterbildung gestaltet werden könnte, um eine hohe Qualität zu erreichen.
Einer der wichtigsten Aufträge der Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs) ist es, ärztliches und nichtärztliches Sanitätspersonal qualitativ so auszubilden, dass es in alle Einsätze der Bundeswehr gesandt werden und dort die Maxime des Sanitätsdienstes, nämlich ein Behandlungsergebnis zu erzielen, welches mit dem in Deutschland vergleichbar ist, sicherzustellen kann . Aus diesem Grund erfordert verdient hier die Qualität der ärztlichen Weiterbildung die bevorzugte Aufmerksamkeit der Abteilungs- und Krankenhausführung. Am BwKrhs Hamburg hatten sich in der Vergangenheit nicht alle Fachabteilungen an der o. a. Evaluation der Ärztekammern beteiligt, gleichzeitig war aus den Reihen der Weiterbildungsassistenten zu hören, dass es im Hause erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Fachabteilungen darin gebe, wie die Bemühungen um die ärztliche Weiterbildung umgesetzt würden. Im Jahr 2013 wurde deshalb innerhalb des BwKrhs Hamburg eine eigene Umfrage unter den Weiterbildungsassistenten gestartet, deren Ergebnis die o. g. Unterschiede bei der Bewertung der Weiterbildung im Sinne einer erheblichen Streuung deutlich unterstrich. So lagen die vergebenen Noten bei der Globalbewertung der Weiterbildung zwischen 1,5 und 4,67 (Schulnotensystem, Durchschnitt 2,67). Während die Weiterbildung eine hohe Priorität bei allen Assistenten genießt (Durchschnitt 1,92) wird die Ausrichtung der Abteilungen auf Weiterbildung sehr unterschiedlich bewertet (zwischen 2,00 und 4,93, Durchschnitt 3,17). Ein identisches Bild zeigt sich bei den Fragen nach der Balance zwischen normalem Arbeitseinsatz und Weiterbildung sowie der Häufigkeit der Unterordnung der Weiterbildung unter die Zwänge alltäglicher Arbeiten. Zusammenfassend ergab diese Befragung die Bewertung, dass es auch am BwKrhs Hamburg Optimierungsbedarf gibt, selbst wenn gerade durch Seiteneinsteiger häufig von viel gravierenderen Mängeln in zivilen Kliniken berichtet wurde.
Bei der eingehenden Beschäftigung mit diesem Thema durch Literaturstudium, bei Gesprächen mit Weiterbildungsassistenten, durch Diskussionen im ständigen Weiterbildungsausschuss der Ärztekammer Hamburg, bei Besprechungen einer hausintern eingeführten Arbeitsgruppe zur Optimierung der Weiterbildung am BwKrhs Hamburg und im Austausch mit wissenschaftlichen Mitarbeitern der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr aus dem Bereich Erwachsenenbildung, ergab sich rasch die Einsicht, dass es sich hier um die gewaltige Herausforderung einer mehrdimensionalen Komplexität handelt, für die keine einfache und schnelle Lösung existiert. Im Folgenden sollen einige der Dimensionen angerissen werden, ohne Anspruch auf Vollzähligkeit und umfassende Darstellung.
Vom Wissen zur Kompetenz
Viele Jahre vor der hiesigen Thematisierung der Qualität ärztlicher Weiterbildung begann im anglo-amerikanischen Raum bereits die kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es wurde herausgearbeitet, dass Wissen und Können nicht ausreichen für eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit als Facharzt, denn hierzu ist es notwendig, kompetent zu handeln. Übertragen auf die Tätigkeit eines Sanitätsoffiziers im Einsatz, wo jeder rasch zum fachlichen „Einzelkämpfer“ werden kann und seine Kompetenz im Vordergrund stehen muss, wird klar, dass dies ganz besonders auch auf die Bundeswehr zutrifft. Seitens des US-amerikanischen Accreditation Council for Graduate Medical Education (ACGME) (1)sowie im Rahmen von Weiterbildungsprogrammen des CanMedsFramework in Canada (2) sowie Good Medical Practice (3) in UK wurden neben fachlichen Wissen und Können weitere Kompetenzen definiert, wie z. B. Sorge um Patienten, Praxisbasierte eigene Weiterentwicklung, Interpersonelle Kommunikationsfähigkeit, Professionalität im ärztlichen Alltag und optimiert-praktisches Verhalten innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen des Systems (cf. ACGME). Es gibt in Deutschland bereits erste Ansätze vereinzelter Weiterbildungsbefugter, diese Herangehensweise auf die hiesige Weiterbildung zu übertragen, so z. B. in der Anästhesie (4) angelehnt an die Prinzipien der ACGME und in der Chirurgie (5) angelehnt an CanMedsFramework. Auch am BwKrhs Hamburg gab es in der Anästhesie den Versuch, die Prinzipien der ACGME anzuwenden und durch die zusätzlichen Schlüsselkompetenzen für Sanitätsoffiziere zu ergänzen: Ausbildung (von Mitarbeitern), Anforderung Auslandseinsatz und Führung (eines therapeutischen Teams) (Abb. 1)
Stellenwert der ärztlichen Weiterbildung
Im deutschsprachigen Raum ist die ärztliche Weiterbildung aus historischer Entwicklung geprägt durch eine praktische Alltagstätigkeit unter Anleitung und Überwachung eines hierarchisch über dem Assistenten stehenden Arztes. Formal verfügt in fast allen Fällen der Abteilungsleiter über die Weiterbildungsberechtigung der jeweiligen Ärztekammer und sollte gemäß seiner Verantwortung als Weiterbildungsberechtigter die Weiterbildung persönlich durchführen. Allerdings wird in der Realität die Anleitung und Überwachung der Assistenten vorwiegend von Oberärzten und Altassistenten durchgeführt, der Abteilungsleiter kann sich wegen zunehmender anderweitiger Aufgaben und Pflichten nur noch eingeschränkt persönlich um die Weiterbildung kümmern. Ebenso entsteht bei vielen Weiterbildungsassistenten in manchen Krankenhäusern der Eindruck, dass Assistentenstellen primär zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens geschaffen werden und die Weiterbildung überwiegend nebenbei und nachrangig zur Erledigung der Alltagstätigkeit läuft. Die Weiterbildung wird überwiegend nach Zeiten strukturiert, in denen das Erreichen von Richtzahlen den Erwerb spezifischer praktischer Fertigkeiten sicherstellen soll. Seit einigen Jahren müssen bei den Ärztekammern mit dem Antrag auf Weiterbildungsbefugnis Curricula und Rotationspläne vorgelegt werden, die allerdings ebenfalls auf Erwerb der vorgeschriebenen Zeiten und Richtzahlen ausgerichtet sind. Bei den Prüfungen zum Facharzt werden einerseits diese formalen Voraussetzungen und andererseits im Rahmen des Prüfungsgespräches vorwiegend fachliches Wissen überprüft, eine Bewertung der umfassender zu begreifenden Kompetenzen eines Facharztes stehen weder während der Weiterbildung noch bei der Prüfung im Fokus. Im englischsprachigen Raum, besonders im Vereinigten Königreich gilt, es gewissermaßen als „…Königsdisziplin in einer fachlichen Laufbahn, junge Ärzte ausbilden zu dürfen…“, die damit deutlich enger während ihrer Weiterbildung betreut würden, wie ein ziviler Kollege anlässlich eines Pilot-Workshops der Ärztekammer Hamburg zum Thema „Die Rolle des Weiterbildungsbefugten“ aus eigener Erfahrung äußerte. Die dortige Einstellung zum Stellenwert der Weiterbildung zeigt sich unter anderem darin, dass z. B. die chirurgischen Weiterbildungsassistenten im feierlichen Rahmen ein in Leder gebundenes persönliches Weiterbildungsbuch zur Dokumentation aller Weiterbildungsschritte überreicht bekommen, während der Weiterbildungsassistent in Deutschland darauf angewiesen ist, sich das betreffende Logbuch von der Homepage der jeweiligen Ärztekammer in einem technischen Akt von herunterzuladen. Für die BwKrhs, deren vordringliche Aufgabe u. a. die ärztliche Weiterbildung ist, stellt sich nun die Frage, ob es nicht zielführender wäre, trotz Einbindung in das deutsche System mit der oben skizzierten Wahrnehmung des Stellenwertes der Weiterbildung, genau an dieser Stelle einzuhaken und, und eine Aufwertung auch im formalen Umgang mit dem Thema „Weiterbildung“ vorzunehmen.
Die Weiterzubildenden
Mit der Veränderung der Generationen verändert sich auch die Situation der Weiterzubildenden. Ein Weiterbildungsplatz muss heute attraktiv sein, findet ein junger Berufsanfänger doch ein vielfältiges Angebot an Möglichkeiten. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance mit ausreichender Berücksichtigung der Bedürfnisse der Familien und im sozialen Umfeld ist heute selbstverständlich und wird zu einem entscheidenden Bewertungsfaktor in der Attraktivität des Arbeitsplatzes. Das spezielle Weiterbildungsangebot innerhalb der Abteilungen wird durchaus kritisch analysiert und hinterfragt, nicht zuletzt in Verbindung mit den Arbeitszeitregularien gemäß den EU-Arbeitszeitrichtlinien. Innerhalb dieses Rahmens, so zeigt die eigene Erfahrung am Bwkrhs Hamburg, sind die betroffenen jungen Weiterbildungsassistenten hoch engagiert, um sich in ihrem vorgesehenen Fachgebiet möglichst gut zu qualifizieren. Nicht wenige von ihnen beteiligen sich bereitwillig und intensiv abteilungsintern an der Weiterentwicklung des jeweiligen Weiterbildungsangebotes. Kritisch wird jedoch jede Situation gesehen, in der die Weiterbildungsorientierung dem Druck der Alltagserfordernisse zum Opfer fällt. Glücklicherweise gehören die Zeiten mit bis zu 36 Stunden Dienst im Krankenhaus ohne entsprechenden Zeitausgleich und mit dem Damoklesschwert einer deutlich eingeschränkten Berücksichtigung bei nur begrenzt vorhandenen aber notwendigen Ausbildungsprozeduren (wie z. B. Operationen in chirurgischen Fachgebieten) bei „unbotmäßigem“ Verhalten weitestgehend der Vergangenheit an. Jedoch gilt es die Frage zu stellen, wie innerhalb des zeitlichen Verfügungsrahmens und der zunehmenden Arbeitsverdichtung in Patientenversorgung und zugehöriger Dokumentationspflicht die von den Assistenten eingeforderte Weiterbildungsorientierung und gründliche Weiterbildung möglichst innerhalb der Mindest-Weiterbildungszeit möglich gemacht werden kann.
Die Weiterbilder
Die für die Weiterbildung Verantwortlichen und die Weiterbildungsbefugten gehören einer Generation an, zu deren Sozialisierung neben den o.g. überlangen Dienstzeiten ganz überwiegend die Leistungsorientierung beiträgt, heutzutage „modern“ gekennzeichnet durch Begriffe wie Patientenzahlen, Case Mix Index, Verweildauer und Budgetverhandlungen. Typischerweise wird eine Weiterbildungsbefugnis überwiegend vom Leiter einer Abteilung oder vergleichbaren Organisationseinheit, der hierzu auf Grund seiner fachlichen oder wissenschaftlichen Reputation benannt wurde, beantragt und ihm von der zuständigen Ärztekammer nach Prüfung formaler und struktureller Voraussetzungen erteilt. Der Antrag auf wird gestellt, weil dies einerseits der Verpflichtung gegenüber dem Krankenhausträger nachkommt, und außerdem die Möglichkeit besteht, über Assistentenstellen zusätzliche Arbeitskräfte zu generieren. Sicherlich gibt es unter den Weiterbildungsbefugten durchaus begeisterte und pädagogisch kompetente „klinische Lehrer“, eine strukturierte Vorbereitung auf diese Tätigkeit existiert jedoch faktisch nicht, und eine entsprechende Kompetenz ist im Umkehrschluss nicht die Voraussetzung für die Befugnis, Assistenten weiterbilden zu dürfen. Die einzigen Erfahrungen, worauf die meisten Weiterbildungsbefugten zurückgreifen können, sind die während der eigenen Weiterbildung gewonnenen subjektiven Eindrücke. Dies führt nicht selten mangels weiterer Kenntnisse oder fehlenden Interesses einfach zur Weitergabe der selbst früher erfahrenen Weiterbildungsrealität, gepaart mit denselben Erwartungen an die Assistenten, die einem selbst entgegengebracht wurden. In Verbindung mit der administrativen Arbeitsverdichtung durch Führungsaufgaben, Druck zu höherer Leistungsentwicklung der Abteilung und Überlassen der eigentlichen Weiterbildungsaufgabe an Oberärzte und Altassistenten führt dies keineswegs zur Verbesserung der Weiterbildungsqualität und zu mehr Attraktivität.
Ergänzend beschleicht viele Weiterbildungsbefugte das Gefühl, wie aus persönlichen Gesprächen zu erfahren, dass bei der begrenzt zur Verfügung stehenden Arbeitszeit eine umfassende Weiterbildung nicht mehr möglich scheint. Dienstausgleich und begrenzte Wochenarbeitszeit beschränken in Kombination mit der Anzahl der durch die Weiterbildungsassistenten betreuten Patienten bei deren gleichzeitig verkürzter Verweildauer die zum Kompetenzerwerb notwendige Verlaufsbeobachtungen und den Erfahrungserwerb. Aus fehlender eigener (historischer) Erfahrung heraus nimmt ferner mancher Weiterbildungsbefugte nicht wahr, dass seine eigentliche Aufgabe hier darin bestehen sollte, Mittler von Kenntnissen und Fertigkeiten, Entwickler von Kompetenz, Förderer von individuellen Talenten und Coach zur reifen Facharztpersönlichkeit zu sein und dabei die Eigenverantwortung der Weiterbildungsassistenten einzufordern sowie innerhalb der Abteilung entsprechende Strukturen für eine gelungen Weiterbildung zu ermöglichen.
Struktur der Weiterbildung
Wie bereits dargestellt ist die Weiterbildung überwiegend zeitlich strukturiert und mit Richtzahlen unterfüttert. Die von den Weiterbildungsbefugten vorzulegenden Curricula spiegeln typischerweise diese Kriterien wider. In der Weiterbildungsordnung geforderte jährliche Weiterbildungsgespräche können innerhalb der BwKrhs glücklicherweise mit den dort vorgesehenen Beurteilungszwischengesprächen verbunden werden, so dass daraus z. B. im BwKrhs Hamburg eine hohe Erfüllungsquote resultiert. Über diese Vorgaben hinaus gibt es keine vorgegebenen Strukturen in der Weiterbildung. Ausgestaltung der jeweiligen Weiterbildung, Angebote an abteilungsinternen Fortbildungen, patientenbezogenen Fallbesprechungen, strukturierter Empfehlung für weiterbildungsbegleitendes Literaturstudium, Mentorgespräche und viele Ideen mehr werden innerhalb der Abteilungen von engagierten Oberärzten und Assistenten erarbeitet, wenn sie überhaupt existieren. Sind aber derartige Strukturen vorhanden, schneiden z. B. bei der o. g. Befragung zur Weiterbildung innerhalb des BwKrhs Hamburg diese Abteilungen signifikant besser ab als diejenigen ohne derartige Strukturen. Aber selbst in diesen besser bewerteten Fachbereichen ist es nicht konsequent möglich, adäquate zeitliche Freiräume für Weiterbildungsangelegenheiten sicherzustellen, weil auch in unserem Hause nicht selten die arbeitstägliche Arbeitsdichte eine Konzentration hierauf zu Lasten von Weiterbildungsangelegenheiten erzwingt. Weiterbildungsstrukturen aber können hilfreich sein, immer wieder auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam zu machen und Kurskorrekturen zu ermöglichen.
Von Theorie und Praxis
Engagierte Sanitätsoffiziere unterschiedlicher Abteilungen des BwKrhs Hamburg haben sich bereits vor wenigen Jahren mit Möglichkeiten zur Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung beschäftigt und auch erste Erfahrungen gesammelt. In einer Abteilung z. B. wurde nach der Evaluation der ärztlichen Weiterbildung durch die Ärztekammern 2011 mit viel Engagement von Oberärzten und Weiterbildungsassistenten unter wissenschaftlicher Begleitung ein Curriculum entwickelt, in dem das Mentorenprinzip mit enger persönlicher Begleitung der Weiterzubildenden umgesetzt wurde. Im Laufe der Zeit fiel dieses Programm, welches einen nicht unerheblichen zusätzlichen Aufwand in Kontinuität und Organisation erforderte, in großen Teilen der täglichen Arbeitsverdichtung in der Patientenversorgung und ärztlichen Dokumentation zum Opfer. In der Anästhesieabteilung wurden Betreuer für die Assistenten in Rotation für die ATN „Rettungsmedizin“ etabliert, wobei die Betreuungshäufigkeit auf Grund von dienstlicher Verfügbarkeit von Betreuer oder Trainees erheblich hinter der von allen Beteiligten gewünschten Intensität zurückblieb und letztlich weitestgehend eingestellt wurde. Auch wurde mit viel Engagement unter Beteiligung von Oberärzten und Weiterbildungsassistenten ein kompetenzorientierten Curriculum etabliert, welches das Erreichen bestimmter Kompetenzen innerhalb eines Ziel-Zeitraums und die nachweisliche Überprüfung der entsprechenden Kompetenz durch Oberärzte zum Inhalt hatte. Letztlich ist auch dieses Kompetenzcurriculum auf Grund der notwendigen Priorisierung des täglichen Arbeitsanfalls „eingeschlafen“. Zusammenfassend ergibt sich hieraus die Erkenntnis, dass nicht die enthusiastische Unterstützung einer in der Theorie hervorragenden Weiterbildungsstruktur zum Erfolg führen wird, sondern in der täglichen Praxis anwendbare Veränderungen notwendig sind. Veränderungen des Status Quo auch in der Weiterbildung haben meines Erachtens nur dann eine „Überlebenschance“, wenn sie keinen (oder nur einen geringen) Zusatzaufwand beinhalten oder im günstigsten Falle sogar für Weiterzubildende und ihre Ausbilder einen „Mehrwert“ aufweisen.
Bei der Etablierung der im BwKrhs Hamburg seit Anfang 2014 durchgeführten curricularen Vorbereitung auf die truppenärztliche Tätigkeit wurde die Zielgruppe der Assistenten im ersten klinischen Weiterbildungsjahr mit der Erstellung dieses Curriculums beauftragt. Die Übertragung der Verantwortung auf Vertreter Zielgruppe zeigt eine deutliche positive Wirkung, weil sich sehr viele Assistenzärzte im ersten klinischen Abschnitt in der (Weiter-)Entwicklung dieser Ausbildungsreihe engagieren. Allerdings ist hier ein weiteres Phänomen in der Weiterbildung zu beobachten: Die Erstellung des Curriculums und die Durchführung der Unterrichte wird unisono von der Zielgruppe begrüßt: Allerdings nehmen an den wöchentlichen Veranstaltungen teilweise weniger als 30 % der Zielgruppe teil. Aus den Erfahrungen mit diesem Weiterbildungsangebot ergibt sich die Erkenntnis, dass die Übertragung von Verantwortung auf die Zielgruppe einen deutlich positiven Aspekt hat, unterstützt er doch das Autonomiebestreben der jungen Generation von Ärzten. Andererseits muss akzeptiert werden, dass selbst ein allseits euphorisch begrüßtes Angebot nicht unbedingt auch von jedem wahrgenommen wird. Dem hierin ausgedrückten Bedürfnis nach Eigenbestimmung gegenübergestellt muss konsequenterweise seitens der für die Weiterbildung Verantwortlichen die Eigenverantwortung eingefordert werden.
Ergebnisqualität der Weiterbildung?
Wenn es gelingen soll eine wirklich „gute“ ärztliche Weiterbildung zu gestalten, die von der Zielgruppe mit entwickelt, anerkannt und tatsächlich auch genutzt wird, stellt sich letztlich die Frage, wie die Ergebnisqualität im jeweiligen Fachgebiet überhaupt gemessen werden kann. Noch existieren kaum entsprechende Kennzahlen, die über die reine Summe der Ausgebildeten und die Übersicht ihrer durchgeführten praktischen Ausbildungsprozeduren hinausgeht. Allerdings ist die Messung der Ergebnisqualität dringend notwendig, um im Rahmen eines Ausbildungscontrollings die Güte der ärztlichen Weiterbildung konsequent zu überwachen und gezielt nachzusteuern. Daher wird die Initiative der Sanitätsakademie zur grundsätzlichen Entwicklung von Ausbildungskennzahlen sehr begrüßt in der Hoffnung, diese so bald als möglich auch an die ärztliche Weiterbildung in den Bundeswehrkrankenhäusern anpassen zu können.
Weiteres Vorgehen am BwKrhs Hamburg
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine „gute“ ärztliche Weiterbildung mehrere Dimensionen berücksichtigen muss. Diese beinhalten den Stellenwert, der der Weiterbildung zugemessen wird, was sich auch in Organisationsstrukturen niederschlagen muss, beinhalten Situation und Blickwinkel sowohl der Weiterzubildenden als auch der Weiterbilder, umfassen Fragen zu optimierte Weiterbildungsstruktur inklusive Curriculum und Angeboten, schließen die verantwortliche Einbindung der Zielgruppe ein und müssen sich auch langfristig als praxis- und alltagstauglich erweisen. Da die Aufgabe einer Optimierung der ärztlichen Weiterbildung also keine einfache Aufgabe mit raschen Lösungen ist, wurde eine abteilungs- und funktionsübergreifende ärztliche Arbeitsgruppe aller Ausbildungsstufen etabliert, die sich derzeit mit der Erhebung des aktuellen Ist-Zustandes und ersten Ideen zur Weiterentwicklung beschäftigt. Begleitet wird dies durch Diskussionen und Gespräche mit verschiedenen wissenschaftlichen Vertretern der nahegelegenen Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr (HSU). Frau Dr. Petersen aus der HSU skizziert in diesem Heft die pädagogische Sicht auf die ärztliche Weiterbildung. OStArzt Dr. Wulfert et al beschreiben in ihrem Beitrag „iSurgery“ ein kompetenzbasiertes, innovatives Weiterbildungscurriculum für den Common Trunk Chirurgie, in dem nicht nur moderne Ausbildungsmedien eingesetzt, sondern auch auf die Erwartungen der heutigen Generation von Weiterbildungsassistenten eingegangen wird. Die Weiterentwicklung der ärztlichen Weiterbildung, einem Hauptauftrag der Bundeswehrkrankenhäuser, wird im BwKrhs Hamburg auch in Zukunft durch die eingerichtete Arbeitsgruppe vorangetrieben werden.
Literatur
- Freeman J, Dobbie A, ACGME Outcomes Project: Selling our experience, Fam Med 2004; 36(6): 164-167
- http://www.royalcollege.ca/portal/page/portal/rc/canmeds/framework, Aufruf am 19.10.14
- http://www.gmc-uk.org/guidance/good_medical_practice.asp, Aufruf am 19.10.14
- Siebolds M, Facharztweiterbildung in der Anästhesie, in: Eckart, Jaeger, Möllhoff (Hrsg) Anästhesiologie, Kapitel 20.1, 13. Erg. Lfg, 07/2009,
- Kadmon M, Busemann A, Euteneier A, Gawad K, Gröne J, Berberat P, Modulare Weiterbildung in der Chirurgie-ein nationales Konzept der Zukunft, Zentralbl Chir 2012; 137:138-143
Legende zur Abbildung:
Schlüsselkompetenzen gemäß ACGME, CanMeds Framework und Good Medical Practice sowie Vorschlag der Ergänzung von Schlüsselkompetenzen für Sanitätsoffiziere der Bundeswehr
Datum: 07.04.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/4