ABTEILUNGSLEITER CHIRURGIE AM BUNDESWEHRKRANKENHAUS HAMBURG
Oft sind es zufällige Begegnungen im Leben, die entscheidenden Einfluss gewinnen können.
Gerade innerhalb der Bundeswehr ist eine große Anzahl von vorbildhaften und anleitenden Begegnungen möglich, so dass trotz zunächst unüberwindbar scheinender Hindernisse Ziele erreicht und Aufträge erfüllt werden können.
Wenn nun der ehrenvolle und gleichzeitig ambivalente Auftrag ergeht, rückblickend den eigenen Werdegang zu beleuchten, wird die Vielzahl der Wegbegleiter deutlich, deren Einfluss wichtig war und noch immer ist. Die berufliche und persönliche Entwicklung kann nur über diese Mentoren verständlich werden. Insbesondere dann, wenn der berufliche Lebenslauf durchaus gebrochen und in der Mitte der 1980er Jahren eigentlich ohne große Perspektiven begann.
Mit dem ursprünglichen Ziel, nautischer Schiffsoffizier zu werden und geprägt von einem eher romantischen Bild der Seefahrt begann im Sommer 1985 eine Ausbildung an Bord von Containerschiffen der Firma Hapag-Lloyd in Hamburg. Die Fahrtgebiete Nord- und Mittelamerika sowie Südost Asien sind als Abiturient der erste Blick in die ganz weite Welt. Dennoch desillusioniert und zunächst um jede berufliche Perspektive beraubt, endet die zivile Seefahrt bereits sechs Monate später, erneut in Hamburg. Die Einberufung zum Januar 1986 wirkte in dieser Situation wie eine Befreiung und ist Zeitgewinn zur Orientierung. Im Panzerartilleriebataillon 205 in Dülmen ist der heutige Kommandeur der Sportschule der Bundeswehr, Herr Oberst Grygiel, damals Kompaniechef. Seine Ausbildungskonzepte, Führungsverhalten, Vorbildhaftigkeit gepaart mit sportlicher Herausforderung, führte schnell zur Verpflichtung als Reserveoffizieranwärter. Eine konträre Welt zur zivilen Seefahrt. Eine Zeit, die zur Identitätsfindung dringend erforderlich war und in der Artillerieschule Idar-Oberstein wiederholt die Begegnung mit Herrn Oberst von Rohr, aktuell Protokollchef im Verteidigungsministerium, ermöglichte. Auch hier waren es die Persönlichkeit, die Ausbildung und die Vorbildfunktion, die den weiteren Weg in die Bundeswehr öffneten.
In dieser Zeit reifte der Gedanke an eine Medizinerkarriere. In Ermangelung von Informationen, zunächst streng zivil geplant. Erst der eher zufällige Hinweis auf die Möglichkeit der Sanitätsoffizieranwärterlaufbahn durch Herrn Oberst Coenen, damaliger Kommandeur des Artillerieregiments in Dülmen, macht auf diesen militärischen Weg aufmerksam. Mit den positiven Erfahrungen der Artillerietruppe im Hintergrund erfolgte zeitnah der Laufbahnwechsel und der hoffnungsvolle Neuanfang an der Sanitätsakademie in München.
Das Studium der Humanmedizin konnte wunschgemäß in Hamburg begonnen werden.
Schulische Angstgegner wurden glücklich überwunden und schon vor dem Physikum greift der Wunsch nach chirurgischer, „handwerklicher“ Tätigkeit Raum. In diese Zeit fiel die Begegnung mit Prof. Dr. W. Lierse, Ordinarius des Anatomischen Institutes am Universitätsklinikum Eppendorf. Er eröffnete die Möglichkeit zur Promotion über den strukturellen, histologischen Aufbau gelenknahen Knochens. Die ideale Anleitung und Führung durch die Höhen und Tiefen der Basiswissenschaft wurde jedoch plötzlich und völlig unerwartet unmittelbar vor Abschluß der Arbeit durch den Tod von Herrn Prof. Dr. W. Lierse beendet. Drei Jahre histologischer Laborarbeit schienen umsonst gewesen zu sein. Die sich anschließende „Schockstarre“ wurde jedoch durch das Interesse und Bemühen von Herrn Prof. Dr. V. Wening, Chefarzt der unfallchirurgischen Klinik am AK Altona durchbrochen. Der Zufall, als einziger Student in Hamburg eine freiwillige, abendliche chirurgische Vorlesung zu besuchen, stellte den Kontakt her. Er wurde der neue Doktorvater und Mentor. Herrn Prof. Dr. V. Wening ist der erfolgreiche Abschluß der Arbeit zu verdanken.
Die Stadt Hamburg, nicht zuletzt wegen der enormen Anziehungskraft der Wassersportmöglichkeiten, wurde nach Abschluß des Studiums auch erster Einsatzort. Oberstarzt a. D. Dr. K. Albrecht, Flottillenarzt a. D. B. Litzau und Oberfeldarzt M. Nowak leiteten die ersten hoffnungsvollen chirurgischen Gehversuche an. Die damals kategorisch vorgetragene Information, der zu erwartende Enddienstgrad könne den Oberstabsarzt nicht überschreiten wurde einfach ignoriert. Erheblich demotivierender wirkte dagegen die Darstellung, eine chirurgische Facharztausbildung sei im Prinzip ausgeschlossen. Es bestehe kein Bedarf an Chirurgen. Dennoch blieb es bei dem Entschluss, der durch dem ersten Einsatz im ersten SFOR Kontingent in Sarajevo noch bestärkt wurde.
Die Truppenarzteinplanung führte vor dem Hintergrund der Seefahrervergangenheit zum ungeplanten und überraschende Angebot einer Schiffsarztstelle. Diese wurde nach kurzer Rücksprache mit der Familie angenommen und der Dienstantritt auf der Fregatte „Schleswig Holstein“ erfolgte, quasi zeitgleich mit dem Wechsel der Teilstreitkraft. Schiffsarzt, Senior Medical Officer, Vertretungen des damaligen Leiter des Sanitätsdienstes der Zerstörerflottille, Herrn Flottenarzt Dr. V. Hartmann und mehr als 60 000 Seemeilen waren Herausforderung, Ausbildung und Erfahrung zugleich. Militärisch, seemännisch und medizinisch prägend bleiben dabei sieben Monate Einsatz als Senior Medical Officer im Ständigen Einsatzverband der NATO im Nordatlantik.
Der nun folgende klinische Einsatz, erforderte Ende der 1990er Jahre neue Chefs. Eine weitere Beurteilung könnte nun doch den Weg zum Facharzt Chirurgie ebnen. Das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz bot herausragende Möglichkeiten über die Verbrennungsmedizin und Unfallchirurgie, unter der Leitung von Flottenarzt a. D. Dr. Gritze die Grundlagen für eine einsatzchirurgische Laufbahn zu legen.
Tatsächlich konnte zum Ende dieser zwei Jahre eine Übernahme zum Berufssoldaten erfolgen, dies gleichbedeutend mit der ersehnten Zusage zur Facharztausbildung Chirurgie.
Der Wechsel in die Allgemein- und Viszeralchirurgie, ein zunächst durchaus wenig geliebtes chirurgisches Fach, wurde schnell zur Leidenschaft. Oberstarzt Prof. Dr. Becker und sein leitender Oberarzt, Oberfeldarzt a. D. Dr. Schöneich gelang es in kürzester Zeit, aus einem notwendigen Übel das eigentliche Ziel aller Bemühungen zu machen. Der Unterstützung, Förderung und ausgeprägte Anleitung durch beide ist der gelungene und dauerhafte Richtungswechsel zu verdanken.
So gelang es, den Facharzt für Allgemeinchirurgie in Koblenz abzuschließen und zu feiern. Dennoch blieb der Zug in den Norden bestehen und mit der Möglichkeit, die Stellvertretende Leitung der Abteilung II Chirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg zu übernehmen, war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Oberstarzt a. D. Dr. Gatzka eröffnete hier die besondere Möglichkeit, Führungsaufgaben zu übernehmen und eigene Vorstellungen einzubringen. Eine nicht selbstverständliche Vorgesetztensituation, die aber schnell zu großem Vertrauen und großer Handlungsfreiheit führte.
Dennoch musste die weitere Fachausbildung in Richtung Viszeralchirurgie geplant werden. In Hamburg lag es nahe, eine Klinik zu nutzen deren Patientenvolumen, Patientengut und Expertise geradezu ideal für eine Militärchirurgenausbildung war. Die 1. Chirurgische Klinik der Asklepios Klinik Hamburg Altona unter der damaligen Führung von Herrn Prof. Dr. W. Teichmann mit seiner einzigartigen Erfahrung im Bezug auf komplexe Bauchprobleme, onkologische Chirurgie, Peritonitis und Trauma. Tatsächlich ist es sein Verdienst, dass wesentliche Behandlungsgrundsätze des aktuellen militärchirurgischen Vorgehens bei schwer bauchverletzten Soldaten im Einsatz auf seiner Etablierung, seinen Erkenntnissen und Erfahrungen zur Systematik der Etappenlavage beruhen. Die Ausbildungsleistung, die unbändige Energie, Schaffenskraft und Kreativität, der Einsatz für seine Patienten sind Ansporn und ein nicht erreichbares Vorbild. FOTO 1 PRO. TEICHMANN Nach dem Abschluss der Weiterbildung zum Facharzt für Viszeralchirurgie konnte nun die Entwicklung der Heimatabteilung mit einem inzwischen gestärkten Team vorangetrieben werden. Die Möglichkeiten der Metropolregion nutzend, konnte das operative Spektrum und die Fallzahlen entsprechend der nun ausgeweiteten Qualifikationen im Team genutzt werden. Expertisengewinn und Vernetzung in der Stadt ergaben sich zwangsläufig. Nicht nur durch die regelmäßigen Wehrübungen von Flottillenarzt d. R. Prof. Dr. K. Oldhafer (Chefarzt Viszeralchirurgische Klinik, Leberzentrum, Asklepiosklinik Barmbek) und Stabsarzt d. R. Prof. Dr. S. Debus (Chefarzt Herzzentrum, Gefäßmedizin Universitätsklinikum Eppendorf). Die Schwerpunkte der aktuellen Abteilungsentwicklung liegen in der Optimierung der Patientenversorgung und der Fortentwicklung der Ausbildungsqualität. Hier sind die Weiterentwicklung des Minimal Invasiven Spektrums, der Akut- und Tumorchirurgie genauso gefragt, wie die Etablierung von innovativen, internetgestützten Ausbildungssystemen. Die Erfahrung aus 14 Auslandseinsätzen bildet hier die Basis, um als verantwortlicher Weiterbilder das eigene Personal auf den Einsatz vorzubereiten. Generalarzt Dr. J. Hoitz, Chefarzt Bundeswehrkrankenhaus Hamburg ist hier Fürsprecher und Förderer des oft kreativen und energiegeladenen chirurgischen Teams. FOTO 2 OP KUNDUZ GER/US
Mit der Pensionierung von Herrn Oberstarzt a. D. Dr. Gatzka, erfolgte die zeitnahe Personalentscheidung zur Übernahme der Abteilungsführung. Diese Berufung wird vom Team der Abteilung II als Aufforderung zur Fortsetzung des eingeschlagenen Weges
verstanden und gemeinsam umgesetzt. FOTO TEAM 3 und 4
Datum: 18.03.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/4