UNTERSUCHUNG DER DOSIS-WIRKUNGSBEZIEHUNG VON NIEDRIG- VERSUS HOCHENERGIE-STOßWELLENTHERAPIE AUF DIE KUTANE MIKROZIRKULATION
Implikationen für das prä- und postoperative Weichteiltraumamanagement?
Vinzent Forstmeier
Zusammenfassung:
Hintergrund
Traumatische Weichteilschäden von Soldaten im Auslandseinsatz und deren Folgezustände bestimmen wesentlich die Prognose komplexer Verletzungsmuster und somit auch die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.
Es ist bekannt, dass die verletzte Muskulatur und die kontusionierten Weichteile im Allgemeinen nur langsam und häufig unvollständig ausheilen, mit dadurch verbleibender Funktionseinschränkung. Bereits in großem Umfang wird die Extracorporale Stoßwellentherapie (ESWT) für die multimodale Therapie von z. B. Frakturen, Osteonekrosen des Femurkopfes und Tendinopathien eingesetzt. Sie scheint somit ein weites Spektrum von zellulären und biomolekularen Funktionen zu beeinflussen, wobei präzise Wirkungsmechanismen noch weitgehend unverstanden sind. Eine Dosis-Wirkungsbeziehung verschiedener Stoßwellenenergien auf die kutane Hämodynamik konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Hypothese
Hochenergetische ESWT beeinflusst die kutane Mikrozirkulation unterschiedlich gegenüber niedrigenergetischer ESWT im Tiermodell.
Methoden
30 anästhesierte Sprague-Dawley-Ratten wurden auf zwei Gruppen randomisiert verteilt1. Die Tiere beider Gruppen wurden mit fokussierter Stoßwelle (Storz Medical Duolith SD-1 “T-Top”) im Bereich der Wadenmuskulatur am linken Hinterlauf behandelt (Abbildung 1), wobei in Gruppe A niedrigenergetische Stoßwelle (0,1 mJ/ mm2, 5 Impulse/s, 1000 Impulse gesamt, Gesamtenergie 0,981 J) und in Gruppe B hochenergetische Stoßwelle (0,3 mJ/ mm2, 4 Impulse/s, 1000 Impulse gesamt, Gesamtenergie 10 J) appliziert wurde. Vor Beginn sowie über 20 Minuten nach Ende der Stoßwellenbehandlung erfolgte die Messung der kutanen Mikrozirkulation im Bereich des Behandlungsgebietes durch kombinierte Laser- Doppler und Photospektrometrie (Abbildung 2).
Ergebnisse
Die kutane Sauerstoffsättigung in Gruppe B erhöhte sich signifikant um 12,1 % gegenüber Gruppe A (A: 17,3 % vs. B: 29,4 %; p=0,003) und verblieb auf einem signifikant erhöhten Niveau bis zum Ende der Messperiode. Die kutane Blutflussgeschwindigkeit im Bereich der behandelten Körperregion stieg in Gruppe B signifikant um 39,9 % gegenüber Gruppe A an (A: -22,1 % vs. B: 17,8 %; p=0,045) und verblieb ebenfalls auf einem höheren Niveau als in Gruppe A über 20 Minuten. Der postkapilläre venöse Füllungsdruck in Gruppe B stieg signifikant um 23,0 % mehr an als in Gruppe A (A: 2 % vs. B: 25 %; p=0,014), wobei der venöse Füllungsdruck in Gruppe A über 20 Minuten signifikant unter der Ausgangsmessung persistierte.
Schlussfolgerung
Hochenergetische ESWT beeinflusst signifikant die Parameter der kutanen Mikrozirkulation im Bereich der behandelten Körperareale. Direkt nach Anwendung kommt es im Tiermodell zur Erhöhung der Gewebesauerstoffsättigung, des postkapillären venösen Füllungsdruckes sowie der Blutflussgeschwindigkeit als Ausdruck einer erhöhten Gebeperfusion mit verbesserter Gewebesauerstoffsättigung. Demgegenüber erhöht niedrigenergetische ESWT die Gewebesauerstoffsättigung in einem geringeren Maße, jedoch unter Abfall der Blutflussgeschwindigkeit sowie des postkapillären venösen Füllungsdruckes als Ausdruck einer verminderten Gewebeperfusion und verbessertem venösen Abstrom bei aufrechterhaltener Gewebesauerstoffsättigung. Möglicherweise kann ein ausgewähltes Konzept der ESWT im Rahmen einer multimodalen Behandlung von Soldaten mit Weichteiltrauma aus Auslandseinsätzen zur Prä- oder Post(operativen) konditionierung des Weichteilgewebes beitragen.
1 Durchführung in Form eines durch das LALLF Mecklenburg-Vorpommern gemäß §8 Abs. 1 TierSchG genehmigten Tierversuchsvorhabens am Institut für Experimentelle Chirurgie der Universität Rostock
Abb. 1: ESW-Applikation auf den linken Hinterlauf (Bild: V. Forstmeier)
Abb. 2: Kontinuierliche Messung der kutanen Mikrozirkulation nach der ESW-Applikation (Bild: V. Forstmeier)
Datum: 28.11.2014
Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/10-11