Renale Sympathikusdenervation als innovative Therapie des -resistenten Hypertonus – eine Bestandsaufnahme
Aus der Abteilung I – Innere Medizin – (Abteilungsleiter: Oberstarzt Dr. U. Baumgarten) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin1 (Chefarzt: Admiralarzt Dr. K. Reuter), der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum der Universität Leipzig2 (Klinikdirektor: Prof. Dr. G. Schuler) und der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie, Campus Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin3 (Kommissarischer Klinikdirektor: Prof. Dr. K. Stangl)
Zusammenfassung
Hintergrund: Bluthochdruck hat aufgrund des großen Einflusses auf die kardiovaskuläre Mortalität eine hohe Bedeutung für das zivile und militärische Gesundheitssystem. Die effektive Behandlung der arteriellen Hypertonie hat daher sowohl in Bezug auf präventive wie auch unter therapeutischen Gesichtspunkten einen hohen Stellenwert. Obwohl eine Vielzahl medikamentöser Therapien verfügbar ist, gibt es einen signifikanten Anteil von Patienten, die unverändert persistierend erhöhte Blutdruckwerte im Sinne einer therapieresistenten arteriellen Hypertonie aufweisen.
Der Stellenwert der renalen Sympathikusdenervation (RSD), bei der mittels eines Katheters von transluminal sympathische Nervenfasern entlang der Nierenarterien verödet werden, wurde als innovative Behandlungsoption in diesen Fällen auch im Hinblick auf eine mögliche wehrmedizinische Relevanz analysiert.
Methodik: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed unter besonderer Berücksichtigung randomisierter, prospektiver und kontrollierter Studien. Darüberhinaus wurden Ergebnisse eigener Forschung am Herzzentrum Leipzig und eines Konsensuspapiers der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology; ESC) aus dem Jahre 2013 ausgewertet.
Ergebnisse: Der anfängliche Enthusiasmus nach den ersten beiden kleineren klinischen Studien wurde durch eine -negative randomisierte Studie (SYMPLICITY HTN-3) stark gebremst. Danach folgten allerdings weitere ebenso randomisierte Untersuchungen, welche unverändert die Wirksamkeit der Denervation nachweisen konnten. Was jedoch alle Studien eint, ist ein gewisser Anteil an Patienten, welche nicht adäquat auf eine Denervation, gemessen an einer Blutdruckreduktion, ansprechen. Ziel aktueller Forschung ist es daher, einerseits durch Weiterentwicklung technischer Aspekte (z. B. durch innovative Katheterverfahren) eine gesteigerte prozedurale Effizienz der Denervation zu erlangen, andererseits Patientenkollektive zu identifizieren, welche besonders von einer RSD profitieren. So gibt es Hinweise, dass vor allem Patienten mit geringeren Gefäßwandveränderungen (gemessen anhand der arteriellen Gefäßsteifigkeit) von einer Denervation profitieren könnten.
Diskussion: Neben dem Wirksamkeitsnachweis rückt die Erforschung von effektiveren Ablationserfahren und die richtige Patientenauswahl weiter in den Mittelpunkt aktueller Forschung. So sind die Patientenauswahl und die Indikationsstellung ein möglicher Schlüssel für einen optimalen Therapieerfolg.
Fazit: Die RSD scheint für ein ausgewähltes Patientenkollektiv mit therapieresistenter arterieller Hypertonie eine innovative, interventionelle Therapieoption dar. Nach bisheriger Studienlage ist anzunehmen, dass sich dieses Kollektiv auch innerhalb der Bundeswehr widerspiegeln kann, sodass hier die Anbindung dieses Behandlungsansatzes an ein Bundeswehrkrankenhaus mit Hypertonie-Sprechstunde und Möglichkeit zur Denervation sinnvoll erscheint.
Schlagwörter
Therapieresistenter Hypertonus, renale Sympathikusdenervation, Prädiktoren, Kathetersysteme, arterielle Gefäßsteifigkeit
Summary
Background: Due to its relevant impact on cardiovascular mortality arterial hypertension is a highly relevant issue in public health and even in military medicine. Effective treatment of arterial hypertension plays an important role from a preventative as well as from a therapeutical view.
Despite availability of huge number of antihypertensives in a significant proportion of patient’s blood pressure elevation persists – a condition called resistant hypertension.
The relevance of renal sympathetic denervation (RSD) using a catheter based system for ablation of sympathetic nerve -fibers located in the adventitia of the renal arteries as an innovative therapeutic option for those patients, even from the perspective of military medicine, was analyzed.
Methods: A selective PubMed literature research focusing on randomized, prospective and controlled studies was performed. Furthermore, results of own lab research at the -Centre for Heart Diseases in Leipzig/Germany and a consensus paper of the European Society of Cardiology published in 2013 were evaluated.
Results: The initial enthusiasm resulting from two smaller successful trials slowed down due to negative results of the bigger SYMPLICITY HTN-3 trial. Nevertheless, subsequently promising trials were published showing positive effects of RSD. But all studies commonly show that a certain part of patients regarding reduction of their blood pressure are not responding adequately to RSD. Consequently, actual research is focusing on improving the efficiency of the procedure, by using better ablation catheters e. g., and optimizing patient selection. Due to current literature, it can be assumed that patients with less vascular remodeling (represented by a low pulse wave velocity) can benefit most from RSD.
Discussion: In addition to the proof of evidence, enhanced ablation techniques and optimized patient selection is in the focus of actual research. Patient selection and correct indication play a key role for optimal therapy results.
Conclusion: RSD seems to be an innovative interventional therapy option for selected patients suffering from resistant arterial hypertension. Regarding actual study results those patients can be expected among Bundeswehr military personell. Therefore, RSD capability to treat patients probably should be established at a Bundeswehr hospital in conjunctions to a specialized hypertension clinic.
Keywords: resistant hypertension, renal sympathetic denervation, predictor, ablation systems, arterial stiffness
Hintergrund
Arterieller Hypertonus ist, als wohl wichtigster kardiovaskulärer Risikofaktor, von immens hoher gesundheitlicher Relevanz [1]. Ein Teil der daran leidenden Patienten – die Angaben schwanken zwischen 5 und 30 % aller Hypertoniker – leidet an therapieresistentem Bluthochdruck [1]. Hierunter versteht man eine arterielle Hypertonie, die trotz adhärenter Therapie mittels drei Antihypertensiva, einschließlich eines Diuretikums, nicht auf Normalwerte gesenkt werden kann [1]. Dieser therapieresistente Hypertonus ist mit einem um 50 % höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse als ein medikamentös behandelbarer Bluthochdruck vergesellschaftet [2].
Genauere Daten zur Prävalenz des Hypertonus bei Bundeswehrsoldaten fehlen. Allerdings lässt sich aus Untersuchungen an zivilen Populationen ableiten, dass Bluthochdruck auch als eine wehrmedizinisch relevante Erkrankung anzusehen ist.
So wurde in einer Studie von MEISINGER et al. die unterschiedliche Prävalenz von Bluthochdruck in Deutschlands untersucht. In der Aufschlüsselung nach Altersklassen zeigten sich bei Betrachtung der für die Bundeswehr relevanten Altersgruppen (25 - 64 Jahre) Prävalenzen von 16 - 73,3 % bei Männern und 4,2 - 60,7 % bei Frauen. Etwa ein Fünftel der hypertensiven Patienten aller Altersgruppen nahmen dabei mindestens drei antihypertensive Medikamente ein [3]. Eine Studie aus den amerikanischen Streitkräften, an der über 15 000 Soldaten im Alter von 17 - 65 Jahren teilnahmen, zeigte eine Hypertonie-Prävalenz von durchschnittlich 13 %, wobei in der Altersgruppe zwischen 40 - 65 Jahren der Anteil sogar bereits 27,2 % betrug [4].In Anbetracht dieser Daten sowie eigener Erfahrungen aus dem klinischen Alltag in einem Bundeswehrkrankenhaus lässt sich so die wichtige Rolle einer optimalen Hypertoniebehandlung auch innerhalb der Bundeswehr sicher ableiten. Diese dient einerseits einer individuellen Gesunderhaltung des einzelnen Soldaten und andererseits auch der Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Ganzen. Auf Grund fehlender Datenlage können konkrete Aussagen zum Anteil von Soldaten mit therapierefraktärem Hypertonus leider nicht getroffen werden.
Bei etwa 50 % der Patienten mit therapieresistentem Hypertonus ist eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems nachweisbar, insbesondere in den sympathischen Fasern entlang der Nierenarterie [5]. Die erhöhte Sympathikusaktivität führt zu einer gesteigerten Renin-Ausschüttung und damit zu einer vermehrten Natriumretention [6]. Dieser Zusammenhang ist seit langem bekannt und führte erstmals 1938 zu einer hochinvasiven, chirurgischen Splanchniektomie bei Patienten mit ausgeprägtem Hypertonus [7]. Abbildung 1 zeigt eine Übersicht der Auswirkungen einer erniedrigten renalen Sympathikusaktivität.
Durch einen minimalinvasiven, katheterbasierten Eingriff ist es heute jedoch möglich, diese Nervenfasern in der Adventitia der Nierenarterien interventionell und damit schonend zu veröden, um so die sympathische Aktivität zu senken. Dieses Verfahren nennt sich „Renale Sympathikusdenervation“ (RSD).
Die RSD hat sich in den letzten Jahren als eine Therapieoption für Patienten mit therapieresistentem Hypertonus entwickelt. Der initiale Enthusiasmus, basierend sowohl auf präklinischen [8 - 10] als auch auf klinischen Studien [11 - 14], ist jedoch einer eher abwartenden, zweifelnden Position gewichen. Grund ist das negative Resultat der bisher größten randomisierten, verblindeten, kontrollierten Studie (SYMPLICITY HTN-3). Hier wurden 535 Patienten im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhielten entweder eine RSD (n = 364) oder eine Scheinprozedur (also nur eine Nierenangiographie) (n = 171). Dabei konnte kein Vorteil der RSD in Bezug auf einer Blutdruckreduktion festgestellt werden [15, 16]. Das Studienergebnis, mögliche Ursachen und methodische Schwächen wurden in Fachgesellschaften und auf Kardiologiekongressen ausführlich diskutiert [17]. Studien mit nachgewiesener Blutdruckreduktion und SYMPLICITY HTN-3 sowie nachfolgenden Studien gemeinsam ist jedoch ein gewisser Anteil an Non-Respondern auf eine RSD [13, 15, 18].
Daher steht die Patientenselektion im Mittelpunkt aktueller wissenschaftlicher Anstrengungen, um die Population, welche am meisten von einer RSD profitieren könnte, und Faktoren, die das Ablationsergebnis beeinflussen, zu identifizieren.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zu geben.
Methodik
Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed unter dem Suchbegriff „renal denervation“. Randomisierte, prospektive, kontrollierte Studien wurden besonders berücksichtigt.
Ebenso konnte auf eigene Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe um DESCH und LURZ am Herzzentrum Leipzig zurückgegriffen werden.
Es ist anzumerken, dass in dieser Übersichtsarbeit davon ausgegangen wird, dass bei den Patienten ein primärer Hypertonus vorliegt. Über das diagnostische Vorgehen beim Verdacht auf das Vorliegen eines sekundären Hypertonus wird auf aktuelle Übersichtsarbeiten verwiesen [37].
Ergebnisse
Unter dem Suchbegriff „renal denervation“ fanden sich insgesamt 3 803 Treffer (Stand 22.12.2016) im Zeitraum von 1935 bis 2016. Hiervon wurden englisch- und deutschsprachige Arbeiten berücksichtigt. Es erfolgte zudem eine konsekutive Literaturrecherche in den Literaturangaben von Original- und Übersichtarbeiten, welche eigenhändig aufgesucht wurden. Hierbei wurden die klinischen Studien nach 2009 besonders berücksichtigt. Tier- und experimentelle Studien wurden ebenfalls in die Literaturrecherche einbezogen. Es wurden insbesondere Arbeiten herangezogen, welche in einem Peer-Reviewed-Verfahren in einem Journal mit Impact Factor veröffentlicht wurden. Einbezogen wurden ebenfalls Stellungnahmen der Euro-päischen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.
Prozedurale Aspekte der Renalen Sympathikusdenervation
Der blutdrucksenkende Effekt der RSD hängt maßgeblich davon ab, wie erfolgreich das Ablationsverfahren an sich verläuft. So zeigt sich in der Untersuchung von KANDZARI et al. [20], dass die Blutdruckreduktion mit der Anzahl der beim Patienten individuell durchgeführten Ablationen korreliert. Dies spricht für die Wichtigkeit einer technisch effektiven Prozedur und erscheint pathophysiologisch plausibel. Kenntnisse bezüglich der Anatomie der Nervenfasern sind hierzu unerlässlich. In der Obduktionsstudie von ROY konnte dargestellt werden, dass 77 % der Nervenfasern des Sympathikus in einem Abstand zwischen 0,5 und 2,5 mm (gemessen von transluminal) innerhalb der Nierenarterienwand verlaufen, 22,5 % in einem Abstand zwischen 2,5 und 4 mm. Ebenso zeigten sich die Nervenfasern umso größer, je weiter sie vom Lumen entfernt waren [21]. SAKKURA et al. wiesen eine Abnahme der Dichte der Nervenfasern von proximal nach distal nach. Nervenfasern, welche sich weiter distal befanden, lagen jedoch näher am Lumen der Nierenarterie [22]. Im Gesamtdurchschnitt waren 75 % der Nervenfasern innerhalb von 4,28 mm (von transluminal gemessen) lokalisiert.Hieraus ergeben sich womöglich relevante, neue Aspekte bezüglich der Platzierung der Ablationskatheter, mit der sich besonders effiziente Prozeduren und Techniken identifizieren lassen könnten. Beispielhaft ist hier eine Platzierung des Symplicity-Katheters dargestellt (Abbildung 2).
Neben der Anwendung von Radiofrequenzenergie mittels einer „Single-point-Läsion“ (Abbildung 2) haben sich mehrere verschiedene Techniken entwickelt. So sind auch Katheter verfügbar, welche mit mehreren Elektroden besetzt sind, wie etwa das EnligHTN-System (St. Jude Medical, St. Paul, MN, USA) [23] oder das Symplicity Spyral-System von Medtronic (Min-neapolis, MN, USA) (Abbildung 3) [24]. Ebenso ist eine einmalige, zirkumferenzielle Ablation mittels des Paradise-Systems (ReCor Medical PARADISE® Inc., Palo Alto, CA, USA) möglich. Hierbei handelt es sich um einen gekühlten Ballon mit Nutzung von Ultraschall als Energieform, um die sympathischen Nervenfasern zu veröden [25]. Daneben gibt es noch weitere, weniger verbreitete und weniger erforschte Methoden, wie etwa die Kryoablation [26] oder die Denervation mittels perkutanem Ultraschall [27]. Randomisierte Studien, welche die verschiedenen Systeme in Bezug auf die resultierende Blutdruckreduktion testen, existieren derzeit noch nicht. Bisher wurden allerdings zwei Studien publiziert, bei denen sich ein blutrucksenkender Effekt durch eine zweite Prozedur mit einer anderen Energieapplikationsform zeigte [26, 28].Ebenso scheint auch die Erfahrung der Untersucher, welche sich in der Platzierung der Läsion widerspiegeln kann, eine Rolle zu spielen [20].
In Bezug auf den Einfluss der Lokalisation der Ablation zeigten MAHFOUD et al. bei Untersuchungen an Schweinen, dass die Durchführung der Denervation im Bereich der distalen Nierenarterie und der Seitenäste die effektivste Methode zur Senkung der renalen (kortikalen) Noradrenalinwerte darstellt [29].
Patientenauswahl
Neben den Bestrebungen, den technischen Ablationserfolg zu verbessern, ist es unumgänglich, Patientenpopulationen zu identifizieren, die in besonderen Maße von der RSD profitieren. Aus einer retrospektiven Analyse der SYMPLICITY HTN-3-Studie ergaben sich einige patientenbezogene Faktoren für ein gutes Ansprechen auf die RSD. So konnte nachgewiesen werden, dass Patienten mit hohen Office-Blutdruckwerten am meisten von einer RSD profitieren [20]. Auch wenn dieses zwar durchaus plausibel klingen mag, ist es wahrscheinlicher, dass dies mit dem statistischen Phänomen der Regression zur Mitte zu erklären ist. Dahingegen wurde in der Studie von DESCH et al. gezeigt, dass auch Patienten mit mildem Hypertonus (in der Intention-to-treat-Analyse) von einer RSD profitieren, ebenso bezüglich des Blutdruckes unter Belastung [13, 30].Die Arbeitsgruppe von OTT et al. und die Arbeitsgruppe um LURZ/DESCH et al. untersuchten die These, dass Patienten mit erhöhter arterieller Steifigkeit („arterial stiffness“) weniger von der RSD profitieren. OTT et al. konnten dies anhand des Pulsdruckes (systolischer Druck – diastolischer Druck) nachweisen [31]. Der Pulsdruck ist ein Marker der „arterial stiffness“ (einhergehend mit einem isolierten, systolischen Hypertonus). Die Pulswellengeschwindigkeit jedoch stellt den Goldstandard zur Evaluation der Arterial Stiffness dar. In einer Arbeit aus Leipzig zeigte sich, dass Patienten mit erhöhter Pulswellengeschwindigkeit weniger von einer RSD (gemessen an der Blutdruckreduktion in einer ambulanten Langzeitblutdruckmessung) profitieren (Abbildung 4) [32]. Ob die erhöhte arterielle Steifigkeit eine Folge oder eine Ursache des Bluthochdruckes – insbesondere des therapieresistenten Hochdruckes – ist, wird in der aktuellen Forschung diskutiert [33]. Dazu kongruente Ergebnisse konnten auch MAHFOUD et al. vorweisen, die bei Patienten mit isoliertem systolischen Hypertonus ein schlechteres Ansprechen auf RSD zeigten [34].
Als weitere Ursache für das negative Abschneiden der HTN-3 Studie wurde auch der Einschluss von Afroamerikanern diskutiert. Diese erhielten einerseits signifikant mehr Vasodilatatoren, andererseits konnte auch ein sehr hoher Blutdruckabfall in der Sham-Gruppe unter Afroamerikanern verzeichnet werden [15, 20]. Ursächlich hierfür wurden möglicherweise eine etwas andere Pathophysiologie diskutiert, als auch eine Verzerrung durch eine veränderte Medikamenten-Compliance [15]. Allerdings ist die Medikamenten-Compliance ein grundsätzlicher Faktor, welcher die Interpretation nahezu aller Denervationsstudien erschwert.
Des Weiteren wurden bei verschiedenen Biomarkern (sFLT-1, ICAM-1 und VCAM-1) Korrelationen zum klinischen Ansprechen gefunden [35]. Diese Biomarker sind aber in der Regel noch nicht in der klinischen Praxis verfügbar und darüber hinaus auch durch Medikamenteneinnahmen beeinflussbar [36], so dass sie aus Sicht der Autoren zum aktuellen Zeitpunkt keinen klinischen Nutzen aufweisen.
Diskussion
Die in präklinischen und experimentellen Untersuchungen erreichten blutdrucksenden Erfolge der RSD konnten in einer großen randomisierten Studie nicht bestätigt werden. Nach dem (überraschend) negativem Ergebnis der SYMPLICITY HTN 3-Studie [15, 16] erfolgte so eine intensive Suche nach mög-lichen Ursachen für das Versagen sowie nach Prädiktoren und Faktoren für eine erfolgreiche RSD.
Es lassen sich zwei große, jedoch nicht immer genau zu trennende Themenfelder zusammenfassen: einerseits technische, prozedurale Aspekte der RSD an sich (nicht jede RSD verläuft zwangsläufig erfolgreich hinsichtlich einer vollständigen Denervation), einschließlich der anatomischen Gegebenheiten, und andererseits die Frage nach der optimalen Patientenauswahl.
Neben den reinen technischen Innovationen in Bezug auf die Katheter selbst ist eine standardisierte Ablationstechnik unerlässlich, um einen ausreichenden technischen Ablationserfolg, der ja die Voraussetzung für ein mögliches klinisches Ansprechen ist, sicherzustellen. Eine Limitation der SYMPLICITY HTN 3-Studie ist sicher der große Anteil an unerfahrenen Untersuchern, da 30 % der Behandler nur eine Ablation durchführten, und eine Messung des Ablationserfolges unmittelbar nach der Therapie nicht möglich ist. Auch scheint die Anzahl an Ablationspunkten sowie die Lokalisation entscheidend für deren Effektivität zu sein [20, 29].
Vielversprechender erscheint den Autoren aber eine gezieltere Patientenauswahl zu sein. Dabei ist die Bedeutung der Messung der arteriellen Steifigkeit besonders herauszuheben. In ersten kleineren Studien gibt es bereits stabile Hinweise, dass Patienten mit geringerer Gefäßsteifigkeit eher von der RSD profitieren. Diese Patienten sind jünger, haben eine geringere Prävalenz von isoliertem systolischen Blutdruck und weniger häufig Diabetes mellitus als Patienten mit vermehrter Gefäßsteifigkeit [32]. Insgesamt sprechen diese Ergebnisse für ein geringer vorhandenes arterielles Remodelling der Gefäße und passen damit auch zu dem negativen Ergebnis der SYMPLICITY HTN-3-Studie, bei der über 25 % der Patienten bereits eine koronare Herzerkrankung und 45 % einen Diabetes mellitus hatten und somit eher nicht die Patientenpopulation mit weniger ausgeprägten Gefäßwandveränderungen repräsentieren. Genau aber diese Patienten mit geringer ausgeprägtem Remodelling sind mutmaßlich in einem vermehrten Maße unter den Soldatinnen/Soldaten der Bundeswehr zu finden, so dass hier die RSD perspektivisch einen Stellenwert in einer potenziellen kausalen Behandlung eines therapierefraktären Bluthochdrucks gewinnen kann.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Auch wenn in der bislang größten randomisierten kontrollierten Studie (SYMPLICITY HTN-3) in Bezug auf die Blutdrucksenkung kein signifikanter Unterschied zwischen einer Ablation und einer Sham-Prozedur festgestellt wurde, sollte die RSD als innovatives Verfahren zur Behandlung des therapieresistenten Hypertonus nicht aus dem Blick verloren werden. Hierfür geben Untersuchungen mit Fokus auf die Ablationstechnik und insbesondere auf die Frage der Auswahl geeigneter Patienten zahlreiche Hinweise.
Die weitere Anwendung der renalen Sympathikusdernervation wird sicher von noch ausstehenden randomisierten Studien abhängen. Es scheint sich jedoch herauszukristallisieren, dass die RSD bei einem ausgewählten Patientenkollektiv eine effektive Therapieoption darstellen könnte. So gibt es aktuell zwei große laufende Studien (SPYRAL HTN-OFF MED Study [NCT02439749] und SPYRAL HTN-ON MED Study [NCT02439775]). Hier werden insgesamt 240 Patienten (100 in HTN ON-MED; 120 in OFF-MED) 1:1 zwischen einer RSD und einer Sham-Prozedur randomisiert. In HTN ON-MED sollen die Partizipanten ein Thiazid, einen Calcium-Kanal-Blocker und einen ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Blocker einnehmen. So soll mittels der Standardisierung eine mögliche Verzerrung, wie etwa die unterschiedliche Einnahme von Vasodilatatoren bei Afroamerikanern und Nicht-Afriamerikanern in HTN-3, vermieden werden. Damit wird der Einfluss der RSD bei bestehender Medikation bei einem strikten Studiendesign abschließend untersucht. Bei HTN OFF-MED hingegen werden interessanterweise vor der Denervation die antihypertensiven Medikamente abgesetzt, währenddessen werden die Patienten klinisch engmaschig kontrolliert. Sollte der systolische Blutdruck (Office-Messung) unter 180 mmHg bleiben, erfolgt die Randomisation. Nach 3 Monaten wird in beiden Gruppen, wenn nötig, eine antihypertensive Medikation wieder begonnen. Diese Studienform hatte unter anderem die FDA (Food and Drug Administration, USA) gefordert. Bei diesem Design kann der alleinige Effekt der RSD auf den Hypertonus untersucht werden, unabhängig von möglicherweise veränderter Compliance zu der antihypertensiven Therapie. Mit diesem strikten Studiendesign sollen Schwächen der vorher gelaufenen Studien vermieden und die in Frage gestellte Wirksamkeit der RSD bei therapieresistentem Hypertonus abschließend geklärt werden.In wehrmedizinischer Hinsicht sollte die weitere Entwicklung der RSD als eine mögliche Therapieoption für Soldatinnen/Soldaten mit therapieresistentem Hypertonus beobachtet werden.
Kernaussagen
- Die Behandlung eines Bluthochdruckes als kardiovaskulärem Risikofaktor ist auch bei Angehörigen der deutschen Streitkräfte eine häufige und relevante Fragestellung.
- Seit einigen Jahren steht zusätzlich zur medikamentösen Therapie das innovative interventionelle Verfahren der -Renalen Sympathikusdenervation (RSD) für Patienten mit therapieresistentem Bluthochdruck zur Verfügung.
- Nach anfänglichem Enthusiasmus erfuhr das Verfahren in Folge einer negativen Studie eine skeptische Zurückhaltung.
- Aktuelle Untersuchungen scheinen allerdings Patienten zu identifizieren, welche besonders von einer RSD profitieren können. Hierzu gehören vermutlich Patienten mit bislang nur gering ausgeprägten Gefäßwandveränderungen, wie sie auch vermehrt in der Population der Bundeswehrsoldaten zu finden sein dürften.
- Die Schaffung der Fähigkeit zur Durchführung einer RSD in einem Bundeswehrkrankenhaus mit Hypertonie-Sprechstunde sollte bei positiven Ergebnissen der nächsten großen Studien erwogen werden.
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Erklärung zum Interessenkonflikt
Es liegen seitens der Autoren keine Interessenskonflikte vor.
Bildquellennachweis
Abbildungen 1 und 2: Stabsarzt Dr. Thomas Okon, BwKrhs Berlin und Herzzentrum Leipzig
Abbildung 3: Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Sebastian Spethmann, BwKrhs Berlin und Charité Berlin, Campus Mitte
Abbildung 4: Adaptiert an Abb. 2 aus Okon et al., EuroIntervention, 2016 [32]
Zitierweise:
Okon T, Fengler K, Wenke B1, Baumgarten U, Spethmann S: Renale Sympathiksdenervation als innovative Therapie des resistenten Hypertonus – eine Bestandsaufnahme. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61(5): 94 - 98.
Citation:
Okon T, Fengler K, Wenke B, Baumgarten U, Spethmann S: Renal Denervation as an Innovative Treatment of Resistant Hypertension – a Survey. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61(5): 94 - 98.
Für die Verfasser:
Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Sebastian Spethmann
Abteilung I – Innere Medizin, Sektion Kardiologie und Angiologie,
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-Mail: sebastianspethmann@bundeswehr.org
Datum: 01.06.2017
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2017/5