20.06.2022 •

Rehabilitation und Familienbetreuung am Gesundheitsstandort Damp

J. F. Näthke

S. Brügmann

Vorbemerkungen

Fast fünf Jahrzehnte existiert schon ganz oben im Norden der Gesundheitsstandort Damp nicht zuletzt durch die besonders enge Kooperation mit der Bundeswehr. In dieser Zeit bildete die Rehabilitation und Prävention neben der kurativen Medizin, Pflege und Familienbetreuung eine zentrale Säule der sozialmedizinischen Versorgung für unsere zivilen und militärischen Patienten. Gleichzeitig leistete die Wiederherstellung von Gesundheit in ihren verschiedenen Ausprägungen einen maßgeblichen Beitrag zur Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach Unfällen und schwerwiegenden Erkrankungen. Unabdingbar wird die übergeordnete Aufgabe, deren Bedeutung 2001 durch das SGB IX in Deutschland traditionell von mehreren Akteuren des sozialen Sicherungssystems festgeschrieben wurde, insbesondere auch von der Bundeswehr wahrgenommen.  In den zurückliegenden Jahren sind eine Vielzahl von Erfolgsgeschichten geschrieben worden, die den beiderseits gewinnbringenden Nutzen einer zivil-militärischen Kooperation auf dem Gesundheitscampus Damp unterstreichen.

Historischer Rückblick

Der US-Amerikaner Howard A. Rusk begründete 1950 als Erster ein Institut für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin. Bereits 1942 trat er als Medical Officer in die US Air Force ein, wo er ein Rekonvaleszenzprogramm für die Kriegsteilnehmer des Zweiten Weltkrieges hinsichtlich „physical and psychological disabilities“ entwickelte. Rusk überzeugte Präsident Roosevelt von seinen Rehabilitationsmaßnahmen, sodass alle Teilstreitkräfte seine Programme übernahmen.

Seit einiger Zeit entwickelt sich fortlaufend auch dieser Gedanke zur Rehabilitation von im Einsatz versehrten Soldaten in der Bundeswehr.

1985 war es Oberstarzt d. R. Prof. Dr. Jörg Haasters, Kommandeur des Lazarettregiments 71, der als Ärztlicher Direktor der Ostseeklinik Damp eine Kooperation mit der Bundeswehr ins Leben rief, die bis heute existiert.

Aktueller allgemeiner Überblick

Die Medizin von heute befindet sich in einer so tiefgreifenden Übergangsphase, wie sie durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der bisherigen Geschichte noch nicht zu verzeichnen war. Das Smart Hospital ist an Universitätskliniken bereits umfassend im Betrieb, und auch eine „Smart hospitalisierte Rehabilitation“ hat sich in vielen Anwendungsbereichen, wie z. B. der digitalen Nachsorge, etabliert. In vielen Bereichen erleben wir einen ungeahnten Paradigmenwechsel von der analogen zur digitalen Medizin.

Das klassische Modell des typischen Medizinalltags mit seinen althergebrachten Strukturen befindet sich ebenfalls im Umbruch. Die Zukunft, so hört man, möge mehr und mehr der personalisierten Medizin gehören. Dennoch sind nach wie vor kardiovaskuläre und tumoröse Erkrankungen sowie psychische Krankheitsbilder, beispielsweise Burnout, Alkohol-, Nikotin- und Drogenabusus, auf dem Vormarsch. Seit Beginn der aktuellen Coronapandemie rückte zusätzlich der Post-COVID-Symptomkomplex in den Fokus der Mediziner. 

Im zeitgemäßen Selbstverständnis unserer Gesellschaft hat sich die Haltung durchgesetzt, dass in Rehabilitationseinrichtungen ein krankhafter Zustand des Körpers bzw. des Geistes mit multifaktoriellen Behandlungsmöglichkeiten zu beheben sei. Zurecht wird heute oft die Rehabilitation als 3. Dimension der Medizin bezeichnet. Schwerpunkte sind dabei mobilisierende, trainierende, kompensierende, kosmetische sowie alle funktionsverbessernde Maßnahmen. 

Die Arbeitswelt war in den letzten 50 Jahren einem enormen Wandel unterzogen. Nur wenige Generationen haben in der Vergangenheit in ihrem Arbeitsleben in so kurzer Zeit so tiefgreifende Veränderungen erlebt. Verschiedene Megatrends, wie z. B. die Digitalisierung und die voranschreitende Technisierung, die sich zunehmend auf die geistigen Tätigkeiten auswirken, werden diese Entwicklungen in den kommenden Jahren noch weiter beschleunigen. Die Arbeit wird über kurz oder lang eine andere sein, als wir sie heute kennen. Durch die Auswirkungen des Wandels im zivilen und militärischen Arbeitsalltag befindet sich unser berufliches Umfeld im Umbruch. Mitarbeiter altern schneller, Arbeitsanforderungen werden komplexer, Arbeitsformen flexibler. Wie, was und wie viel bzw. wie lange wir künftig arbeiten, wird sich grundlegend ändern. Unterstützungsangebote zur Förderung, zum Erhalt und zur Wiederherstellung von Gesundheit und Teilhabe gewinnen vor diesem Hintergrund zunehmend an Bedeutung. Eine nachhaltige berufliche (Re-)Integration erfordert dabei zunehmend die Verzahnung der Unterstützungsangebote mit Leistungen aller Versorgungsbereiche, so auch mit den Dienststellen der Bundeswehr. Die Zukunft ist keine feste Größe, aber es gibt Entwicklungen, deren Auswirkungen berechenbar sind. 

Die Veränderungen, die mit dem Alltagsleben einhergehen, gehören dazu. Fakt ist, dass wir in einer sich ändernden Gesellschaft leben, was zu einer Zunahme an chronischen Erkrankungen und steigenden Rehabilitationsbedürfnissen führen wird. Die spannende Frage lautet: Wie kann berufliche Rehabilitation diesen Veränderungen gerecht werden?

Im Laufe der Zeit hat es auch auf dem Gesundheitscampus Damp einige Anpassungsprozesse gegeben. Ausgehend von der ein­fachen postoperativen Nachbehandlung wurden die erweiterte Physiotherapie sowie die Behandlung von psychosomatischen Erkrankungen aber auch Familienbetreuungsprogramme in die Rehabilitationsangebote aufgenommen.

Zur Erfüllung der Qualitätsansprüche unsere Behandlungsmethoden räumen wir dem Qualitätsmanagement eine große Beachtung bei.

Gesundheitscampus Damp
Gesundheitscampus Damp
Quelle: Henrik Matzen

Instrumente, Zahlen, Daten und Fakten

Vor diesem Hintergrund nimmt die Qualitätssicherung von therapeutischen und adjuvanten Behandlungsmaßnahmen bei uns eine besondere Bedeutung ein, sodass auch neueste Erkenntnisse aus dem Psychotraumazentrum der Bundeswehr am Bundeswehrkrankenhaus Berlin für einer bedarfsgerechte Rehabilitation fachlich umgesetzt werden. 

Nach unserem standardisierten Qualitätsmodell muss eine gute Qualitätssicherung stets drei Aspekte berücksichtigen: Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Das Profil und die Organisation unserer Reha-Einrichtung werden durch die Erhebung der Strukturqualität ermittelt (z. B. Einrichtungsdaten, Personal, technische und räumliche Ausstattung, Reha-Konzepte, interne Abläufe, Qualitätsmanagement, etc.). Die Prozessqualität wird durch das Peer-Review Verfahren mit sozialmedizinischen Experten stichprobenartig anhand der Entlassungsberichte bewertet, sowie durch die Klassifikation der therapeutischen Leistungen (KTL) und die Umsetzung der Reha-Therapiestandards (RTS) überprüft. Am Ende wird als eine wichtige Form der Patientenorientierung die Qualität aus Sicht der Patienten mit der Beurteilung der durchgeführten Rehabilitation und des subjektiven Behandlungsergebnisses erfragt. Physiotherapeutische Maßnahmen werden nach anerkannten Methoden erbracht. 

Die Damper Physiotherapeuten sind in den verschiedensten Be­handlungsformen professionell ausgebildet und entwickeln gemeinsam mit den Fachärzten individuelle Übungspläne, um den Patienten den Weg zum selbständigen Trainieren zu zeigen. Grundsätzlich wollen wir durch spezielle Techniken das ganzheitliche Zusammenspiel von Nerven, Muskulatur und Atmung fördern. Zum Aufbau von Muskeln, Kraft und Ausdauer stehen Patienten unter anderem ein modern ausgestatteter Trainingsraum und ein Schwimmbad mit 33 °C warmen Meerwasser zur Verfügung. Für die richtige Haltung sorgen spezielle gerätegestützte Trainings- und Rückenprogramme.

Selbstverständlich nutzen wir die Lage direkt am Strand zum Thalasso- und Terraintraining sowie Nordic Walking. Es ist uns wichtig, allen Patienten sportliche Aktivitäten zu vermitteln, die sie bis ins hohe Alter ausüben können. Dazu bieten wir Atemgymnastik, Kardiotraining, Beckenboden-/Wirbelsäulen-/Hockergymnastik, Rückenschule sowie Gymnastik im Bewegungsbad und gerätegestützte Krankengymnastik an. Unsere Therapeuten setzen dabei u. a. Manuelle Therapie, Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) und das Bobath-Konzept ein.

In den letzten Jahren ist der Bedarf an Physiotherapie stetig gestiegen. Vor dem Hintergrund der hohen Anzahl an Betten hat sich unser Patientenspektrum vom jungen Soldaten hin zum multimorbiden älteren Patienten gewandelt. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise in den Bereichen der Neurologie, Orthopädie, Unfallchirurgie und auf den internistischen Stationen vermehrt intensive Behandlungsverfahren, z. B. auf neurophysiologischer Basis, gefordert werden. 

Patienten der psychosomatischen Station wird ein breites Angebot der Physio- und Ergotherapie angeboten. Entspannungs­methoden, medizinische Bäder, verschiedene Massageformen, Trainingstherapie und Qigong, all diese Verfahren sind ein wesentlicher Bestandteil der Therapie vor allem von psychisch traumatisierten Soldaten. Je nach individuellem Bedürfnis wird das Angebot auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten. Unser Trainingstherapieraum kann unter Anleitung eines Therapeuten nach einer Einweisung auf die Geräte auch selbstständig genutzt werden. Auf Wunsch wird ein individueller Trainingsplan erstellt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die vielschichtigen Aufgabenstellungen der Rehabilitation bedingt das Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Fachdisziplinen, Berufsgruppen und allen Teilen unserer Gesellschaft. Nach wie vor kommt es darauf an, die richtigen zeitgemäßen therapeutischen Maßnahmen anzuwenden. Der ganzheitliche Ansatz unserer weiteren Planungen auch vermehrt auf die Familienbetreuung in der Freizeit zu setzen, gibt uns die Möglichkeit, mit dem sozialen Netzwerk der Bundeswehr zu kooperieren. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen zivilen und militärischen Experten für Gesundheitsprävention und Rehabilitation ist hier von enormer Bedeutung, um gelungene Beispiele von „Physical and Mental Fitness“ auch auf den Bereich der Familie übertragen zu können. Eine solche ablauforganisatorische Wechselwirkung zwischen medizinischen Fachabteilungen und Freizeitmanagement wäre ein vielversprechender neuer Baustein für die kontinuierliche evidenzbasierte Zusammenarbeit und Entwicklung.

Eine derartige Kooperation ist nicht immer leicht zu verwirklichen. Wenn jedoch die Bereitschaft zu Teamarbeit vorhanden ist, wird man bald feststellen können, dass dieser Gemeinschaftsgeist die DNA für den Heilungserfolg der zu rehabilitierenden Patienten ist. 


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