Unterschiede in der radiologischen Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten
Einfluss auf das klinische Stadium und die Therapie?
Angelina Straucha, Kai Nestler, Justine Schoch, Laura Kubitscheck, Stephan Waldeck, Hans Schmelz, Tim Nestler
Aktuelle Stagingempfehlungen in nationalen sowie internationalen Leitlinien zur Behandlung bösartiger Hodentumore sind nicht einheitlich. Sie unterscheiden sich sowohl in der Definition der radiologischen Messebene axial, sagittal, koronar als auch des Lymphknotendurchmessers (Kurzachsendurchmesser (short-axis diameter = SAD), Längsachsendurchmesser (long-axis diameter = LAD)) der retroperitonealen Lymphknotenmetastasen. Ziel dieser Studie war daher die Untersuchung des Einflusses der unterschiedlichen Lymphknotenmessungen auf das klinische Stadium (cS) sowie die Therapie der Patienten. Hierfür wurden retrospektiv 154 Hodentumorpatienten im cS I erfasst, welche zwischen 2000–2021 in der Klinik für Urologie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz mittels Ablatio testis ohne adjuvante Therapie behandelt wurden und von denen ein Follow-up von mind. 24 Monaten vorlag. Das cS I wurde über einen SAD < 10 mm in der Axialebene definiert. Der größte Lymphknoten im axialen SAD wurde in allen drei Messebenen im SAD sowie im LAD ausgemessen. Das Gesamtüberleben lag bei 100 %, 82 % der Patienten blieben in einer medianen Follow-up-Zeit von 83 Monaten rezidivfrei.
Basierend auf dem axialen SAD (gemäß RECIST1 1.1) wurden alle Patienten als cS I klassifiziert. Bei Ausmessung der retroperitonealen Lymphknoten im axialen LAD (gemäß DGU und SWENOTECA) oder im größten LAD in beliebiger Messebene (gemäß onkopedia, EAU, ESMO und AJCC) würden bereits signifikant mehr Patienten dem cS IIA (0 % vs. 38 % vs. 52 %) oder sogar dem cS IIB (0 % vs. 1 % vs. 25 %) zugeordnet (p < 0,001). Eine hypothetische Übertherapie würde für den axialen SAD, den axialen LAD sowie den größten LAD in beliebiger Messebene bei jeweils 0 % vs. 31 % vs. 61 % der Patienten vorliegen, eine Untertherapie würde entsprechend 18 % vs. 10 % vs. 2 % betreffen (p < 0,001). Die unterschiedlichen Leitlinien führen zu einer starken Diskrepanz der cS und Therapie der Hodentumorpatienten. Aufgrund des Gesamtüberlebens von 100 % sowie unter Berücksichtigung der Risiken der Über- und Untertherapie könnte die radiologische Lymphknotenausmessung gemäß RECIST 1.1 den bestmöglichen Messparameter für die Beurteilung der Lymphknotenmetastasen darstellen. Eine Validierung der Daten in einer prospektiven Studie ist dringend notwendig, sodass die Leitlinienempfehlungen entsprechend angepasst und die Patienten nach einem einheitlichen Staging therapiert werden können.
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Wehrmedizinische Monatsschrift 1-2 2025
Oberstabsarzt Angelina Strauch
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Klinik für Urologie
Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz
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