24.11.2022 •

Q-Fieberausbruch im Kosovo

S. Ruhl

Die Gesundheitsüberwachung von Soldaten im Einsatz ist ein entscheidender Punkt zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft. Sie kann dazu beitragen, sowohl den Kommandeur als auch das medizinische Personal angemessen über die epidemiologische Situation des Kontingents zu informieren, um im Falle eines Krankheitsausbruchs rechtzeitig einzugreifen. Bei NATO-Einsätzen nutzen die meisten Nationen zwei Public Health-Überwachungssysteme: ein nationales für meldepflichtige Krankheiten und das sogenannte EpiNATO-2-System, um Gesundheitsdaten im Einsatz zu erfassen. Beide Systeme gewährleisten keine zeitnahe Ausbruchserkennung, weshalb eine zusätzliche Überwachung nahezu in Echtzeit erforderlich ist. Die Notwendigkeit eines solchen Systems soll anhand eines Q-Fieberausbruchs im Kosovo aufgezeigt werden.

Einschränkungen der derzeitigen Überwachungssysteme
Einschränkungen der derzeitigen Überwachungssysteme
Quelle: Bundeswehr/Silke Ruhl

Im März 2016 wurde eine Häufung von Influenza-A- und -B-Virus-­Fällen im deutschen Feldkrankenhaus in Prizren diagnostiziert. Im April stellten sich weiterhin Soldaten mit den gleichen klinischen Symptomen vor, jedoch konnte keine Influenza bestätigt werden. Die meisten dieser Fälle zeigten eine radiologisch bestätigte atypische Lungenentzündung. Auf Grund des klinischen Erscheinungsbildes und der bekannten Endemizität seines Erregers (Coxiella burnetii) in der Balkanregion wurde die Verdachtsdiagnose Q-Fieber gestellt.

Nach dem Ausbruch wurden die aktuell bestehenden Überwachungssysteme auf Grundlage von Zahlen und Informationen basierend auf diesem Q-Fieberausbruch im Jahr 2016 kritisch überprüft und Verbesserungsmaßnahmen definiert.

Deskriptive Analyse

Die beiden Systeme funktionierten sowohl technisch als auch verfahrenstechnisch, zeigten jedoch Fehlklassifizierungen und waren nicht in der Lage, die Fälle zu Beginn des Ausbruchs zu erkennen. Sie zeigten neben dem typischen saisonalen Influenza Peak eine zusätzliche Häufung bei den Fallmeldungen der Erkrankungen der oberen Atemwege. Allerdings gab es leichte Unterschiede in den beiden Systemen. Ein wahrscheinlicher Grund für die höhere (ca. doppelte) Inzidenz im nationalen System im Vergleich mit EpiNATO-2 ist das Wissen des medizinischen Personals über die Erkrankung Q-Fieber. Die teilweise zeitliche Überschneidung der Influenza- und der Q-Fieber-Fälle ist wahrscheinlich auf die anfängliche Fehldiagnose „Influenza“ zurückzuführen. Erst die Durchführung der radiologischen Diagnostik mittels Thoraxaufnahmen führte zur Diagnose „atypische Pneumonie“ und schließlich zur Differentialdiagnose Q-Fieber. Die Diagnose wurde durch die Analyse von Serumproben im Reach-Back-Labor bestätigt. Dies führte im Endeffekt zu einer qualitativ hochwertigen, jedoch zeitlich verzögerten Enddiagnose, die für Frühwarnzwecke nicht mehr einsetzbar war.

Qualitative Analyse

In beiden Systemen führten Fehlklassifizierungen aufgrund mangelnder Ausbildung/Qualifikation sowie Unvollständigkeit der Daten zu wesentlichen Einschränkungen in der Handhabung (Tabelle). Insgesamt traf dies auf das nationale System in größerem Maße zu als auf EpiNATO-2. Die Hauptprobleme waren die Schwierigkeiten bei der Klassifizierung der Erkrankungen, das Fehlen eines Feedback Reports, um das Personal zur Dateneingabe zu motivieren, und die unzureichende Automatisierung des nationalen Systems. Diese Punkte können zu schwerwiegenden Problemen in der Datenqualität führen.

Beide Systeme wurden entwickelt, um die Belastung der öffentlichen Gesundheit durch Krankheiten und Verletzungen zu bewerten, jedoch nicht für die Früherkennung von Ausbrüchen, da sie nur wöchentliche Berichte verwenden und sich auf die Meldung klinischer Diagnosen mit der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung stützen. Um die Fähigkeitslücke zur rechtzeitigen Erkennung eines Ausbruchs zu schließen, sollte zusätzlich eine syndromische Überwachung verwendet werden, die aus den elektronischen Patientenakten der Primärversorgung gespeist werden könnte.

Eine weitere Herausforderung für beide Systeme ist die zuverlässige Codierung. Die beobachteten Fehlklassifizierungen können die Früherkennung eines Ausbruchs einschränken und indirekt militärische Operationen beeinflussen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Reduktion von Fehlklassifizierungen ist die Qualifikation der Anwender und die Bereitschaft, diese auch in entsprechender Weise einzusetzen. Die Akzeptanz eines Systems wird auch durch entsprechendes Feedback erhöht, bei dem die Benutzer eine Reaktion auf ihre Bemühungen sehen.

Ergebnis

Beide hier beschriebene Überwachungssysteme können aufgrund ihres Designs nicht als echtzeitfähiges Überwachungssystem betrieben werden. Um diese Funktionalität hinzuzufügen, sollten sie durch ein funktionales, zeitnahes System (z. B. Syndromic Surveillance) ergänzt werden. Um die Benutzer-Compliance zu verbessern, sollten die beiden Systeme in die medizinische Patientenakten integriert werden. Dort können die benötigten Daten automatisch erfasst und für epidemiologische Analysen und Rückmeldungen übertragen werden.


Verwandte Artikel

THW im Hochwassereinsatz

THW im Hochwassereinsatz

Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) ist ein unverzichtbarer Partner im Bevölkerungsschutz und bei Katastrophen aller Art, so auch bei Hochwasserkatastrophen. Damit war das THW in dem ersten Halbjahr 2024 besonders gefordert.

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2024

Sanitätsmaterial für den Einsatz

Sanitätsmaterial für den Einsatz

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr genießt zu Recht einen ausgezeichneten Ruf im In- und Ausland. Dieser ist jedoch ohne eine hochwertige Ausrüstung nicht erreichbar.

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2024

Einsatzanästhesie – Keyplayer in der Einsatzmedizin

Einsatzanästhesie – Keyplayer in der Einsatzmedizin

Seit dem Jahr 2014 ist die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm eng mit der Combat Medical Care Conference (CMC-Conference) verbunden.

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2024

Meist gelesene Artikel