Pyodermie und Sinus pilonidalis
Diagnosestellung und Therapie
Die Pyodermie (Acne inversa) betrifft circa 1 - 4 % der Bevölkerung, wobei die Dunkelziffer auf Grund falscher und häufig verspäteter Diagnosestellung wahrscheinlich deutlich höher anzusehen ist. Beide Geschlechter sind betroffen, jedoch unterscheidet sich das Verteilungsmuster der Krankheitsherde.
Bei der Acne inversa handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung welche durch knotige Entzündungen der intertriginösen Areale sowie der Absonderung eines übel-riechenden Sekretes gekennzeichnet ist. Bei Frauen manifestiert sich die Erkrankung gehäuft genitofemoral, bei Männern perianal wobei alle Regionen mit sekundärer Geschlechtsbehaarung auf Grund der ursächlichen Entzündung der Terminalhaarfolikel betroffen sein können. [2,4]
Der Sinus pilonidalis, im anglo-amerikanischen Sprachraum auch als jeep’s disease bezeichnet, ist ebenfalls durch eine entzündliche Hautveränderung charakterisiert. Pathomorphologisch kommt es zur Ausbildung von, durch Plattenepithel oder Granulationsgewebe ausgekleideten Gängen, welche blind in und unter der Haut im Bereich der Rima ani enden. Hier zeigen sich im entzündungsfreien Intervall Öffnungen welche zum Teil Haare enthalten. Die Fremdkörperreaktion, welche die Haare induzieren, führt schließlich zur Entzündung mit Fistel- und Abszessbildung bis zur Perforation. [1,3]
Beide Krankheitsbilder führen, auch auf Grund des gehäuften Auftretens im 2. und 3. Lebensjahrzehnt zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Soziallebens im Kontakt mit anderen Menschen wie Lebenspartnern oder Kollegen. [1,3] Zudem ergibt sich hieraus ein entscheidender sozioökonomischer Aspekt durch schmerzhafte Beeinträchtigungen und hiermit verbundene krankheitsbedingte Ausfälle. Dies führt zu einem erhöhten Stresszustand, wobei Stress selbst den Krankheitsverlauf ebenfalls negativ beeinflussen kann. [2]
Auf Grund der epidemiologischen Häufigkeit in der 2. und 3. Dekade und dem Anstieg der Fallzahlen, insbesondere im Bezug auf statistische Erhebungen der Bundeswehr (30/100 000 1985 versus 240/100 000 Soldaten 2007), handelt es sich hierbei um Krankheitsbilder die, auch auf Grund der häufig verschleppten oder falschen Diagnosestellung von immenser Bedeutung sind und einer adäquaten Therapie bedürfen. [2] In der Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie/ Handchirurgie in Münster/Hornheide behandeln wir das gesamte Spektrum der plastisch-ästhetischen Chirurgie und haben uns in diesem Rahmen ebenfalls besonders auf die Behandlung der Acne inversa sowie des Sinus pilonidalis spezialisiert. 16% aller Patienten in der Bundesrepublik welche wegen diesen Krankheitsbildern operativ behandelt werden, werden in unserer Abteilung operiert.
Die Acne inversa betrifft einen nicht unerheblichen Patientenanteil bis zum 30. Lebensjahr. Die ärztliche Versorgung verteilt sich hierbei auf eine Vielzahl von Fachabteilungen (Allgemeinmediziner, Chirurgen, Dermatologen, Gynäkologen, Gastroenterologen/ Koloproktologen), so dass repräsentative Daten kaum vorhanden sind und die Diagnosestellung sowie die Einleitung einer adäquaten Therapie oft erst nach Jahren erfolgt. [2] Die Acne inversa weißt eine hohe familiäre Prävalenz, eine starke Assoziation mit dem Rauchen sowie mit Übergewicht auf. Darüber hinaus besteht ein gehäuftes Auftreten gemeinsam mit rheumatischen Erkrankungen und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Während eine Diät, Nikotinkarenz sowie regelmäßige lokale Desinfektion der Hautareale den Schweregrad minimieren können, fördern eng-anliegende Kleidung, gehäuftes Schwitzen sowie die Nassrasur die Erkrankung. Die inversen (apokrinen) Regionen sind fast ausschließlich betroffen, wobei in 90 % der Fälle eine Manifestation an mehreren Regionen vorliegt (90 % inguinal, 69 % axillär, 37 % parianal/perineal, 27 % gluteal, 18 % submammär). [2,4]
Circa 1/3 der Patienten ist zudem auch vom bereits genanntem Sinus pilonidalis betroffen. Tritt dieser solitär auf, wird er zunächst als unilokalisierter Typ der Acne inversa angesehen. Im Bezug auf den Sinus pilonidalis unterscheidet man hinsichtlich der Entstehungsursache zwei Theorien, die angeborene sowie die erworbene Form. Erstere, als Folge einer Fehlentwicklung der Schwanzsegmente und Hemmungsmißbildung des hinteren Neuroporus wird durch verschiedenste Studien inzwischen, insbesondere durch histologische Untersuchungen, in Frage gestellt. Kennzeichnender Befund des Sinus pilonidalis sind Fistelgänge welche, offenbar ohne Hautanhangsgebilde, mit Epidermis ausgekleidet sind und abgebrochene Haare enthalten. Der Pilonidalsinus stellt in seiner Entstehung wie die Acne inversa ein multifaktorielles Geschehen mit genetischer Disposition dar. Die bereits genannten abgebrochenen Haare werden durch Reibung in tiefere Hautareale bis ins subkutane Fettgewebe verschleppt und führen dort zu einer Fremdkörperreaktion welche durch Infektion zur Abszedierung führen kann. Eine Begünstigung der Erkrankung durch vermehrte Behaarung sowie erhöhtes Schwitzen und eine unzureichende Körperhygiene sind zu nennen. Die Dicke des präsakralen Fettgewebes sowie die Tiefe der Analfalte und auch sitzende Tätigkeiten scheinen die Erkrankung ebenfalls zu begünstigen. [1,3]
Diagnose und Therapie der Acne inversa
Zur Diagnosestellung ist neben der Erhebung der Familienanamnese insbesondere die Frage nach einem Nikotinabusus sowie der Bestimmung des BMI empfehlenswert. Klinisch erfolgt die Inspektion und Palpation sowie ggf. Fistelsondierung. Bei Verdacht auf Superinfektionen sowie rezidivierende und ggf. atypische Verläufe ist die Abstrichgewinnung aus tieferen betroffenen Gewebsarealen sinnvoll. Differentialdiagnostisch kommen insbesondere im perianalen Bereich eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (z. B. ein Morbus Crohn) aber auch ein periproktitischer Abszess sowie ein Sinus pilonidalis (als unilokulärer Typ) in Frage. Daher empfiehlt sich eine koloproktologische Diagnostik. [2,4] Zur Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung kann die Einteilung in drei Stadien nach Hurley erfolgen, für klinische Studien ist die Bewertung nach Sartorius besser geeignet, da sie eine dynamische Beurteilung der Krankheitsschwere zulässt. [2]Die Therapie der Acne inversa sowie des Sinus pilonidalis kann gehäuft durch Rezidive gekennzeichnet sein. Dies führt zu einer enormen Belastung des Patienten, so dass die Acne inversa zu einer der, die Lebensqualität am meisten senkenden Krankheiten zählt. [5] Retrospektive Studien zeigen, dass insbesondere die radikale chirurgische Exzision des befallenen Gewebes sowie die Exzision einzelner Läsionen empfehlenswert sind während die, häufig bei der Acne vulgaris angewandte, orale (systemische) Isotretinoin-Therapie nicht zu empfehlen ist. Von einer einfachen Inzision und Drainage der Abszesse sollte ebenfalls Abstand genommen werden, da die Rezidivrate hier enorm hoch ist. [2]
Wir haben uns in unserer Abteilung auf die chirurgische Sanierung der Pyodermieherde spezialisiert, da diese die tragende Säule der Therapie im Stadium II und III n. Hurley darstellt. Hierbei führen wir die komplette operative Exzision der erkrankten Areale mittels HF- Chirurgie teils bis epifaszial und wenn erforderlich auch tiefer (Grad II-III) sowie die totale Exzision einzelnen Knoten (St. I-II) leitliniengemäß durch. Hierbei sollten Fistelgänge an der Basis sowie randbildend dargestellt und komplett exzidiert werden. Dies kann intraoperativ durch Anfärbung erleichtert werden. Konservative kurative Therapieoptionen liegen nicht vor, so dass es sich hierbei um die Therapie der Wahl handelt. Die Radikalität der chirurgischen Therapie und die Rezidivquote sind hierbei umgekehrt proportional zueinander. Während die Inzision und einfach Drainage ein bis zu 100%ige Rezidivquote aufweisen, kann die Rezidivhäufigkeit bei radikaler Exzision auf bis zu 2,5 % gesenkt werden. [2] Im Anschluss an die Exzision erfolgt die Einleitung einer offenen Wundbehandlung welche nach Anleitung durch den Patienten selbstständig oder durch einen ambulanten Pflegedienst durchgeführt werden kann. Hierbei erfolgt der Verband mit entsprechenden Wundauflagen (z. B. Allginate) nach Ausduschen und Desinfektion der Areale. In der Folge ist eine Wundtherapie mit Basiscreme ausreichend. Ein primärer Wundverschluss ist nicht zu empfehlen und führt gehäuft zu Rezidiven. Trotz der, teils ausgedehnten, Wundareale sind die Patienten im Allgemeinen relativ schmerzarm und wenig beeinträchtigt so dass die zeitnahe Rückkehr in den Arbeitsalltag möglich ist. Der stationäre Aufenthalt beträgt in der Regel zwei Tage und ergibt sich insbesondere durch das bestehende Nachblutungsrisiko. Die kosmetischen Ergebnisse nach sekundärer Wundheilung sind gut, es sollte jedoch auf den bereits frühzeitigen Beginn von Bewegungs- und Dehnübungen geachtet werden, um die Ausbildung von Narbenstrikturen mit Bewegungseinschränkungen zu verhindern. In Einzelfällen ist bei ausgedehnten und tiefreichenden Exzisionsarealen nach ausreichender Wundgranulation eine Spalthauttransplantation als grobes Mesh erwägenswert.
Diagnose und Therapie des Sinus pilonidalis
Beim akut abszedierenden Sinus pilonidalis beklagen die Patienten Schmerzen, Schwellung sowie ggf. Pusentlerrung bei Spontanperforation paramedian der Rima ani. Bei chronischen Verläufen kommt es rezidivierend zur Absonderung von serös-putridem Sekret aus dem Primärporus sowie ggf. weiteren Pori. Analog zur Acne inversa erfolgt die Diagnostik durch Inspektion, Palpation und ggf. Sondierung.
Bei akuter Abszedierung ist die im Idealfall vollständige Exzision erforderlich. Alternativ wird der Abszess zunächst ausreichend eröffnet, um eine adäquate Drainage zu gewährleisten. Die definitive Versorgung des Sinus pilonidalis erfolgt dann sekundär nach Abschwellen und Abklingen der Entzündung (z. B. nach 10 - 14 Tagen). Die einfache Inzision und Drainage mit anschließender, definitiver Versorgung nach Abklingen des Infektes scheint langfristig ebenfalls mit einer niedrigen Rezidivrate assoziiert zu sein. [1] Eine Spontanheilung eines chronischen Sinus pilonidalis ist unwahrscheinlich so dass auch hier, entsprechender der Therapie der Acne inversa, eine radikale Exzision mittels HF-Chirurgie des gesamten Fistelsystems (ggf. nach vorheriger Anfärbung) mit anschließender Einleitung einer offenen Wundbehandlung in unserem Hause das Mittel der Wahl darstellt. Dies entspricht der national wie auch international am häufigsten angewendete Operationstechnik zur Therapie des Sinus pilonidalis. Die großen und zum Teil tiefen Wundareale sind wie bei der Acne inversa mit dem Risiko einer Nachblutung assoziiert so dass ebenfalls eine kurze stationäre Behandlung erforderlich ist.
Auch hier ist von einer relativ langwierigen offenen Wundbehandlung bei jedoch im Vergleich zur Mittelliniennaht deutlich geringeren Rezidivrate auszugehen. [1,3] Entsprechend der Therapie der Acne inversa erfolgt auch beim Sinus pilonidalis das regelmäßige Ausduschen der Wunde mit anschließender Desinfektion und Verbandsanlage mit Allginatverbänden, hier in der Regel durch einen Pflegedienst. Begleitend erfolgt eine, insofern notwendige, Therapie mit Analgetika.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass es sich bei der Acne inversa sowie dem Sinus pilonidalis um Krankheitsbilder handelt, welche zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Soziallebens der Betroffenen führen, jedoch häufig (insbesondere bei der Acne inversa) verspätet einer adäquaten Therapie zugeführt werden. [5] Eine kurative Behandlung der Acne inversa sowie des Sinus pilonidalis kann langfristig nur durch chirurgische Intervention erreicht werden. Hierbei hat sich in unserer Abteilung die radikale Exzision mittels HF-Chirurgie und anschließender Einleitung einer offenen Wundbehandlung bewährt. Dies entspricht den aktuellen Empfehlungen und führt zu einer verkürzten stationären Verweildauer sowie zu einer Senkung der Reizidivhäufigkeit. Daneben ist die Ausschaltung prädisponierender Faktoren wie Nikotinabusus und Übergewicht sowie eine regelmäßige lokale Desinfektion der Hautareale sinnvoll. Eine stadiengerechte Behandlung der Acne inversa reduziert neben der klinischen Beschwerden auch die erhebliche soziale und damit psychische Beeinträchtigung der Patienten. Zudem können langfristige Komplikationen wie Lymphödeme, Narbenstrikturen aber auch Fistelbildungen, insbesondere pararektal und paraurethral verhindert werden. Die mögliche, wenn auch seltene, maligne Entartung ist ein weiterer Grund die Diagnosestellung sowie Therapieeinleitung konsequent zu verfolgen. Hierfür empfiehlt sich die Vorstellung der Patienten in spezialisierten Kliniken/ Zentren wie unserer Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie/ Handchirugie in Münster/Hornheide.
Literatur bei den Verfassern.
Datum: 31.03.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/1