10.12.2015 •

Physische und psychische Auffälligkeiten von Bediensteten der Bundeswehr im Schichtdienst

Möglichkeiten der Prävention

Schichtarbeiter sind gezwungen, beim Schlaf-Wach-Rhythmus ihre innere Uhr zu ignorieren. Als Folge leiden viele unter Schlafstörung und unerwünschtem Wachsein, was auch als Schichtarbeiter-Syndrom bezeichnet wird. In der Nacht, während der Arbeitszeit, kämpfen Sie gegen die Müdigkeit und am Tag finden Sie keinen erholsamen Schlaf.

Außerdem kommt es häufig zu Magen-Darm-Beschwerden, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist bei ihnen höher, ebenso das Unfallrisiko während der Arbeitszeit. Jüngste Studien bringen Schichtarbeit auch mit einer höheren Diabetesinzidenz in Verbindung. Schließlich wird ein höheres Krebsrisiko - zumindest für einige Malignome - vermutet.  

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Einleitung

Feuerwehrbedienstete sind neben anderen Berufsgruppen während ihres gesamten Berufslebens im Schichtdienst eingesetzt. Generell klagt jeder vierte Schichtarbeiter über Schlafstörungen und gestörte Vigilanz-Syndrome, die Teil des sogenannten Schichtarbeitersyndroms sind. Zusätzliche Auswirkungen können eine erhöhte  Reizbarkeit sein,  aber auch physische Auffälligkeiten wie erhöhter Taillenumfang, BMI, Adipositas, Hypertonus, erniedrigte HDL-Werte oder auch erhöhte Triglycerid- Werte.

Der Lebensrhythmus eines Menschen wird sowohl von inneren (Körpertemperatur, Hormonspiegel, Aktivität der Gene) als auch von äußeren Faktoren (Temperatur, Tageslicht) geprägt, d. h., dieser Rhythmus ist nicht für alle Menschen gleich, denn es gibt verschiedene Chronotypen, also Menschen, bei denen sich der Zeitpunkt unterscheidet, zu dem sie am leistungsfähigsten sind. Einige sind morgens sehr leistungsfähig und verlieren ihren Elan im Lauf des Tages („Lerchen“), während andere erst gegen Nachmittag oder am Abend ihren Leistungsgipfel haben („Eulen“) Baudson, T. G., Seemüller, A. & Dresler, M. 2005). 

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Im Betreuungsbereich fiel in den letzten Jahren eine Verschlechterung der Leistungsergebnisse (Physical Working Capacity (PWC))bei der Vorsorge nach G 26.3 (schwerer Atemschutz) bei Feuerwehrbediensteten der Bundeswehr auf.  Dabei versteht man  die in Watt angegebene mechanische Leistung einer Person bei definierter Herzfrequenz.  Diese macht Aussagen über das Dauerleistungsvermögen der jeweilig getesteten Person. Eine leistungsbasierte Belastungsuntersuchung ist wesentlicher Bestandteil der sportmedizinischen Diagnostik (Fahrradergometrie). Die diagnostische Methode der Ergometrie hat seit langem Eingang in die praktische Kardiologie gefunden und ist in den letzten Jahren auch weitgehend standardisiert worden (JAEKEL 1994, LE. GALLAIS, 1999, PADILLA, 2000).

Voraussetzung für eine exakte Bewertbarkeit der registrierten physiologischen Antwortreaktionen ist die präzise Vorgabe oder Ermittlung der jeweiligen Ergometerleistung in Watt (NIKLAS, 1989).

Als Ursache konnte überwiegend ein Trainingsmangel und  Stoffwechseldysbalancen im Sinne eines metabolischen Syndroms  identifiziert werden.

Es wurde versucht, durch Identifizierung der Chronobiologie den Schlaftyp und die individuellen Leistungsphasen zu analysieren. Gleichzeitig wurde versucht, durch ein gezieltes individuelles Ernährungs- und Trainingsprogramm die kardiovaskulären Belastungsfaktoren zu reduzieren, um  damit auch die Ergebnis der G 26.3 positiv zu beeinflussen.

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Material und Methode

Die individuelle Gefährdungsanalyse der Platzfeuerwehren im Zuständigkeitsbereich zeigte angesichts der 24-Stunden-Schichtsysteme die Notwendigkeit, präventive Maßnahmen zur Reduzierung kardiovaskulärer Belastungssituationen zu identifizieren, um so die physische und psychische Leistungsfähigkeit betroffener Probanden zu verbessern. Daher wurden im Zeitraum Oktober 2012 - Oktober 2014 auf freiwilliger Basis Feuerwehrangehörige zweier Bundeswehr-Flugplatzfeuerwehren im norddeutschen Raum  untersucht. Als Kontrollgruppe wurden Feldjägern im 24 Stunden Schichtsystem Feldjägerdienststelle im norddeutschen Raum   auf freiwilliger Basis eine Untersuchung nach den fachlichen Grundsätzen des  der G 26.3 ermöglicht (Tab. 1 Zusammensetzung des untersuchten Kollektivs).

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Bei den vorgestellten Probanden wurde im Rahmen der G 26.3 – Vorsorge neben der Erhebung der allgemeinen Anamnese mittels BAPRO-Bogen (Anamnese BAsis-PROgramm für ar­beitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen) und ihrer Arbeitsanamnese ihre aktuelle physische und psychische Situation mittels Fragebögen anhand des Work Ability Index (Abb. 2), Freiburger Aktivitätsindex (Abb. 3) und eines chronobiologischen Fragebogens (Abb.5) auch die aktuellen Gesundheitsdaten (Gewicht, Taillenumfang, BMI) (Abb. 4) sowie im Rahmen der Ergometrie die Physical Working Capacity (PWC 150 (Herzfrequenz 150 /min durch die Masse des Probanden)) in Abhängigkeit des Altersdurchschnitts  erhoben. Als Laborparameter wurden Urinstatus, BSG, Blutbild, G-GT, GOT, GPT und der Nüchternblutzucker bestimmt.

Es wurden Impulsvorträge zu Ernährung, Ausdauer- und Krafttraining, Schichtarbeitersyndrom durchgeführt und eine Einweisung in die Fragebögen, die  im Rahmen der Studie verwendet wurden, gegeben (Abb. 1).

Jeder Proband erhielt eine  individuelle Ernährungsberatung sowie eine auf Grundlage des Freiburger Aktivitätsindex individuell  erstellt Trainingsberatung zum Kraft- und Ausdauertraining. Das vorgeschlagene Trainingsprogramm umfasste 120 Minuten. Es standen  davon  90 Minuten auf dem Dienstplan. 30 Minuten mussten zusätzlich durch die Teilnehmer durch Freizeitaktivitäten oder gezielten Sport in Eigenregie (s. o) erbracht werden (Abb. 2).

Monatlich wurden Kontrollen von Gewicht, Taillenumfang und BMI durchgeführt.

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Die Fragebogenerhebung bezüglich Work Ability Index, Freiburger Aktivitätsindex und Chronobiologieindex wurde am Ende des Beobachtungszeitraums  genauso wie die Ergometrie mit Bestimmung der altersabhängigen PWC wiederholt.

Ergebnisse

Bei Eingangsuntersuchungen des Feuerwehr- und Feldjägerkollektivs konnte festgestellt werden, dass die überwiegende Anzahl des Schicht-Typs „Eule“(Leistungshoch in den späten Abendstunden) gesundheitlich belastet im Sinne eines metabolischen Syndroms war.  Durch o. g. präventive kardio-protektive Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge konnten Risikofaktoren minimiert und die körperliche Leistungsfähigkeit nach den Kriterien des  G 26.3 erkennbar  verbessert werden (Abb. 4, 6, 7, 8). Eingangs- und Abschlussuntersuchungen des Feuerwehr- und Feldjägerkollektivs zeigten keine signifikanten abweichenden Untersuchungsergebnisse, so dass die Ergebnisse zusammen dargestellt werden konnten.

Diskussion

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Zwischen 20 und 30 Prozent der deutschen Erwachsenen erfüllen die Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms. Sie leiden, oft ohne es zu wissen, an einer Kombination aus Übergewicht, Insulinresistenz, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Zusammen bilden diese Risikofaktoren ein “tödliches Quartett“, da sie zu Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen (Jacob, S. et al. 2004).

Zeichen eines sogenannten metabolischen Syndroms (klinisch manifest) wiesen überwiegend ältere Feuerwehrleute im Status Beamter oder Angestellter oder Berufssoldaten der Feldjägertruppe mit noch längerer Stehzeit bis zum Dienstzeitende vom Schichttyp Eule auf.

Da es sich beim sogenannten metabolischen Syndrom um einen  schleichenden Prozess mit signifikanten Auswirkungen auf den gesamten Organismus mit Spätschäden an multiplen Organsystemen und einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit handelt, bedürfen die Betroffenen aufgrund des hohen Risikos einer besonderen Aufmerksamkeit.

Aus arbeitsmedizinischer Sicht kommt es daher darauf an, diesen Personenkreis mit präventiven Interventionen frühzeitig vor der Manifestation von Organschäden  zu schützen. 

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Motor des metabolischen Syndroms ist der viszerale Anteil des Bauchfetts, der sehr stoffwechselaktiv ist. Dieses Fettgewebe, das intraabdominal die inneren Organe umgibt, produziert freie Fettsäuren, Triglyceride, prokoagulatorische Substanzen und Entzündungsmediatoren (wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) und Interleukin 6). Über viele Zwischenschritte führt dies letztlich zur Artherosklerose und zur Insulinresistenz, die im Zentrum des metabolischen Syndroms steht.

Zusätzlich trägt die Insulinresistenz auch zur Entstehung einer arteriellen Hypertonie bei, da eine endothelvermittelte Vasodilatation, die durch Insulin bewirkt wird, abgeschwächt ist. Die Insulinresistenz beeinflusst ebenfalls entscheidend das Verhältnis der verschiedenen Lipoproteine, welches für die Entstehung der Artherosklerose eine wichtige Rolle spielt. Bei fehlender Insulinwirkung bauen Adipozyten vermehrt Fett ab. Die entstehenden freien Fettsäuren werden zur Leber transportiert, wo sie in Triglyceride umgewandelt werden. Dadurch steigt der VLDL-Spiegel (very low density lipoprotein), während durch einen Austauschprozess der HDL-Spiegel sinkt. Diese ungünstige Verteilung führt zu einer Dyslipidämie, bei der das Gefäßendothel vermehrt Lipoproteine geringer Dichte bindet. Entzündungsmediatoren locken Makrophagen an, die die oxidierten Lipide im Übermaß aufnehmen und zu Schaumzellen umwandeln. Aus ihnen entstehen artherosklerotische Plaque, die die Blutgefäße verengen. Zusätzlich ist die Gerinnung durch erhöhte Triglyceridspiegel und die gesteigerte Produktion von prokoagulatorischen Faktoren gestört. So bilden sich leichter Thromben und das Herz- und Schlaganfallrisiko steigt dramatisch an (Hoppichler, F. 2004, Hanefeld, M. 2006, Eckel, R. 2009).

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Am häufigsten sind ältere Menschen ab dem 60. Lebensjahr vom metabolischen Syndrom betroffen. In diesem Alter treten die Folgen von Bluthochdruck und Insulinresistenz deutlich zutage. Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Atherosklerose entwickeln sich jedoch über Jahrzehnte, ohne Beschwerden zu bereiten. Gerade auch jüngere Menschen  sind sich dieses Risikos oft nicht bewusst. Aufklärung und Prävention stehen daher an erster Stelle, um die Entstehung von Folgeerkrankungen wie Atherosklerose zu verhindern.  Dies gilt auch für den risikobelasteten Schichttyp Eule. Nach einer aktuellen Studie (Greer, S. M. et al. 2013) konnte eine hohe Aktivität der Mandelkerne (Amygdalae, corpora amygdaloideum) verbunden mit einer Vorliebe für Nahrungsmittel mit hoher Energiedichte festgestellt werden. Eine Vorliebe, die beim betroffenen Personenkreis unweigerlich zu einer Gewichtszunahme führen muss.

Schluss­folgerungen

Die  Studie  stellte eine gute Gelegenheit dar, die betroffenen Berufsgruppen  für das  Thema  Herz-Kreislauferkrankungen zu sensibilisieren.  Mit einfachen Mitteln konnten die wichtigsten Risikofaktoren bestimmt werden. Größe, Gewicht und Taillenumfang waren einfach und schnell ermittelt. Empfehlungen zur zeitnahen Reduzierung des Übergewichts, zur Schlafhygiene und zur Optimierung der Ausdauer mussten gegeben werden. Sichtbare Erfolge mit erheblicher Verbesserung der Leistungsfähigkeit sind schon kurzfristig nach einigen Wochen erkennbar gewesen und steigerten die Motivationslage der betroffenen Probanden. Durch kontinuierliche betriebsärztliche Kontrollen und intensive Begleitung die Studienklientel konnte eine längerfristige Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren erzielt werden. 

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Danksagung:

Dank an meine ehemalige Weiterbildungsassistentin OFA Dr. Rubina Roy für die tatkräftige Unterstützung  im Zeitraum 10/2012 - 02/2014 

Literatur beim Verfasser.

Datum: 10.12.2015

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