KINO – Kurs für invasive Notfalltechniken am Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Lehrrettungszentrum schult ärztliche und nichtärztliche Mitarbeiter in der Durchführung maximal invasiver Notfallmaßnahmen

C. Rothe

„Don‘t pump an empty heart“ schreibt das European Resuscitation Council (ERC) in seinen Reanimationsleitlinien 2020/21 und unterstreicht damit, dass die simultane Behebung reversibler Ursachen beim traumatischen Herzkreislaufstillstand (TCA) Priorität vor den Thoraxkompressionen hat. Bei Betrachtung des Algorithmus zeigt sich, dass neben Standardmaßnahmen wie Atemwegssicherung und Anlage eines Tourniquets oder einer Beckenschlinge, die alle RettungsdienstmitarbeiterInnen beherrschen sollten, auch sehr invasive Interventionen, wie Entlastung einer Perikardtamponade oder proximaler Aortenverschluss, notwendig sein können. Bei der Entscheidung zur Notfallthora­kotomie finden die 4 E (Expertise, Equipment, Environment und Elapsed time) Anwendung, wobei Environment und Elapsed time vom Einsatz abhängig sind und nur bedingt beeinflusst werden können.

Equipment: Seit 2020 sind alle notarztbesetzten Rettungsmittel in Berlin mit dem sogenannten C-Set ausgestattet, in welchem sich Material für die Durchführung von Koniotomie, Thoraxdrainage und Notfallthorakotomie befindet. Auch ein mobiles Sonographiegerät findet sich seitdem auf jedem Notarzteinsatzfahrzeug. 

Simulierte Pericardpunktion
Simulierte Pericardpunktion
Quelle: Bundeswehr/Thilo Pulpanek

Expertise: Zumindest was maximal invasive Interventionen wie Notfallthorakotomie oder REBOA (Resuscitative Endovascular Ballon Occlusion of the Aorta) betrifft, fehlt den meisten NotfallmedizinerInnen in Deutschland derzeit die Expertise. Die Berliner Feuerwehr formulierte in ihren medizinischen Handlungsanweisungen 2020 mit der Standard Operating Procedure (SOP) „Clamshell-Thorakotomie“ bereits eine praktische Anleitung zur Durchführung dieser Maßnahme im Rahmen des TCA. 

Als Teil der Berliner Notfallrettung an deren SOP fachlich gebunden und in logischer Konsequenz aus den Reanimationsguidelines des ERC ergab sich eine klare Notwendigkeit, die MitarbeiterInnen des Rettungsdienstes am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin in der Durchführung invasiver Notfalltechniken zu schulen. Zudem erfordert die Beteiligung an der Berliner Luftrettung den Nachweis eines Kurses für invasive Maßnahmen. Eine Marksichtung zeigte, dass aufgrund von begrenzten Plätzen in zivilen Angeboten eine zeitnahe Schulung aller unserer MitarbeiterInnen nicht umzusetzen war. Das Projekt „KINO“ wurde daher ins Leben gerufen. In enger Kooperation der Kliniken II, X und XIV bildete sich ein Planungsteam, dass folgende Kernpunkte festlegte: Interdisziplinarität (Ausbildung durch erfahrene EinsatzchirugInnen und AnästhesistInnen), Interprofessionalität (gemeinsame Schulung von NotärztInnen und NotfallsanitäterInnen mit dem Ziel der Expertise für das gesamte Rettungsteam) und Praxisorientierung (der Hauptanteil des Kurses findet als fallbasiertes praktisches Training in Kleingruppen á vier Personen statt, theoretische Hintergründe werden simultan zur praktischen Ausbildung und in Form von optionalem Precourse Learning vermittelt).

Ergebnis

Am 10./11.12.2021 fand der erste „Kurs für invasive Notfalltechniken“ (KINO) in der Liegenschaft des BwKrhs Berlin und zum Teil in den Räumlichkeiten des chirurgisch anatomischen Trainingszentrums des Campus Mitte der Charité statt. Dabei wurden folgende Maßnahmen fallbasiert und am Modell bzw. kryokonservierten Humanpräparat geschult und der Schwerpunkt auf die Möglichkeiten und Grenzen dieser Interventionen gelegt: intraossärer Zugang, Koniotomie, Thoraxentlastungspunktion, Thoraxdrainage, ultraschallgestützte Perikardpunktion, Notfallthorakotomie mit anschließenden Maßnahmen (u. a. Entlastung einer Perikardtamponade, das Vorgehen bei Herzwandverletzungen, offene Herzdruckmassage, Abklemmen großer Gefäße) sowie REBOA. Insgesamt konnten zwölf ärztliche und sieben nichtärztliche MitarbeiterInnen des Berliner Rettungszentrums sowie drei Ärzte der Berliner Feuerwehr geschult werden. Das Feedback war durchweg positiv und gelobt wurde v. a. die Interprofessionalität aber auch die große Praxisorientierung des Kurses. Für 2022 sind weitere Lehrgänge in Planung. 


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