10.04.2015 •

Hyperhidrosis: Klinisches Bild und Therapiemöglichkeiten

Ein im truppenärztlichen Alltag häufiger anzutreffendes medizinisches Problem ist die Hyperhidrosis – also dass vermehrte Schwitzen. Hyperhidrosis kann sich sowohl umschrieben (z. B. Hände, Füße, Axillen) als auch generalisiert das gesamte Integument betreffend, äußern. Ihre Ausprägung kann dabei von einem subjektiven Ärgernis wie Schweißflecken bis hin zu medizinisch relevanten, die soldatische Dienstfähigkeit beeinträchtigenden Symptomen variieren.

So groß wie die klinische Bandbreite ist, so vielfältig sind auch die therapeutischen Möglichkeiten, welche individuell an die Erfordernisse des betroffenen Patienten angepasst werden sollten.

Dieser Artikel soll daher dem Truppenarzt bei der eigenen Entscheidungsfindung und bei der Patienteninformation als Hilfestellung dienen.

Ursächlich liegt der Hyperhidrosis eine Überfunktion der ekkrinen Schweißdrüsen zugrunde, welche sowohl genetisch determiniert (primäre H.) als auch die Folge einer systemischen Erkrankung (sekundäre H.) sein kann. Zu letzteren zählen neben einer Überfunktion der Schilddrüse und der Hypophyse auch ein Diabetes mellitus und das Phäochromozytom. Eine Basisdiagnostik vor Diagnosestellung einer anlagebedingten generalisierten Hyperhidrosis sollte daher zumindest die Bestimmung der Schilddrüsenparameter und des Nüchternblutzuckers beinhalten.

Häufiger als eine sekundäre Hyperhidrosis bei Grunderkrankungen ist aber das konstitutionelle Schwitzen. Umschrieben tritt es besonders in den Axillen, an Handflächen und Fußsohlen auf. Angaben in der Literatur schwanken zwischen einer Häufigkeit von 1 - 2 % der erwachsenen Bevölkerung in der westlichen Welt. Der Beginn der Symptomatik liegt oft schon im Kindes- bzw. Jugendalter.

Folge eines vermehrten Schwitzens kann eine chronische Durchfeuchtung der Haut sein, wobei deren Barrierefunktion beeinträchtigt wird. Das wiederum ermöglicht ein leichteres Eindringen von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen und führt zu typischen Krankheitsbildern wie z. B. dem Fußekzem (Abb. 1). Hier wäre auch die klassische Tinea pedum zu nennen, welche durch Schuppung in den Zehenzwischenräumen, Rötung und Juckreiz gekennzeichnet und häufig mit ekzematösen Reaktionen der Haut vergesellschaftet ist. Ein weiteres im truppenärztlichen Alltag oft beobachtetes Krankheitsbild ist das Keratoma sulcatum der Fußsohlen (Abb. 2). Hierbei klagen betroffene Personen über brennende Schmerzen bei mechanischer Belastung (Märsche!) und oft resultiert auch eine olfaktorische Beeinträchtigung des Patienten sowie seiner Umgebungspersonen. Gerade bei zum Leben in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichteten Soldaten kann das kameradschaftliche Verhältnis hierdurch gestört und eine möglicherweise erhebliche psychische Belastung durch negative Beeinflussung der sozialen Kontakte ausgelöst werden.

Für den Grad der Ausprägung der Hyperhidrosis kommt hinzu, dass bei Soldaten Besonderheiten in der Dienstbekleidung (längeres Tragen von Stiefeln, Schutz- und Kampfmittelwesten etc.) gerade in den Sommermonaten und in klimatisch anspruchsvollen Einsatzgebieten (Afghanistan) noch die Sekretion aus den Schweißdrüsen fördern und eine Aggravation des Krankheitsbildes bewirken.

Die Behandlungsmöglichkeiten unterteilen sich in konservative und operative Therapien, wobei die konservativen topisch oder systemisch angelegt sind.

Zu den Basismaßnahmen gehören die Verwendung von Woll- bzw. Baumwollbekleidung und wann immer möglich die Meidung okkludierender Kleidung aus Kunststofffasern und Schuhsohlen aus nicht „atmenden“ Materialien wie Gummi. Auch der Verzicht auf Lebensmittel wie Kaffee, alkoholische Getränke und scharf gewürzte Speisen kann positive Auswirkungen haben.
Bei nur gering ausgeprägten, eher subjektiv als objektiv wahrgenommenen Beschwerden können aufklärende Gespräche und der Hinweis auf die o. g. Basismaßnahmen sich bereits als ausreichend erweisen.

Wird eine medikamentöse Therapie erforderlich, ist bei fokalem Schwitzen die topische Applikation von aluminiumchlorid-hexahydrathaltigen Lösungen einmal täglich häufig erfolgreich. Für den Axillarbereich kann eine Abfüllung in Deo-Roller die Anwendung erleichtern. Der Erfolg dieser Therapie ist jedoch - wie bei den meisten anderen Vorgehensweisen auch – temporär auf die Phase der Anwendung beschränkt. Als häufigste Nebenwirkung sind Reizzustände (Rötung, Brennen) der Haut zu nennen, welche gelegentlich zum Abbruch der Behandlung führen. Ein Gewöhnungseffekt mit nachlassender Wirkung wird üblicherweise nicht beobachtet.

Speziell an Händen und Füßen gut einsetzbar ist die sogenannte Leitungswasseriontophorese. Hierbei werden Handflächen und/oder Fußsohlen in getrennte wassergefüllte Schalen gelegt (Abb. 3) und mittels eines zwischen diesen Schalen fließenden Gleichstroms eine Reduktion der Schweißproduktion erzielt. Die Behandlung erstreckt sich über mehrere Sitzungen und erzielt einen mehrmonatigen Effekt. Wiederholte Zyklen nach Restitution der Hyperhidrosis sind möglich. Die notwendigen Geräte sind jedoch nicht in allen dermatologischen Praxen bzw. Ambulanzen verfügbar, was ihren Einsatz einengt. Bei unsachgemäßer Anwendung können Stromverbrennungen auftreten.

Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist die Anwendung von Botulinumtoxin (Botox®). Dieses von Bakterien produzierte Gift blockiert die Erregungsübertragung in den die Schweißdrüsen stimulierenden Synapsen. Typische Anwendung ist die axilläre intrakutane Applikation, wobei vereinzelt auch über positive Ergebnisse einer – allerdings sehr schmerzhaften – Injektion in Handflächen und Fußsohlen berichtet wird. Die zu behandelnden Areale mit verstärkter Schweißproduktion werden zuvor durch den Jod-Stärke-Test sichtbar gemacht (Abb. 4). Der Erfolg der Behandlung hält für ca. 4 - 6 Monate an und anschließend kann diese wiederholt werden. Ein einsetzender Gewöhnungseffekt reduziert im Verlauf oft zunehmend die symptomfreien Intervalle und führt somit zu einer Verkürzung der Zyklen bis hin zum Wirkungsverlust. Die Therapie ist relativ kostenintensiv (ca. 500 Euro/Sitzung) und wird nicht überall angeboten.

Zu den systemischen Therapien zählen Methantheliniumbromid (Vagantin®) und Bornaprinhydrochlorid (Sormodren®), welchen erst nach unzureichendem Ansprechen der topischen Behandlungen in Erwägung gezogen werden sollten. Vorteil dieser Präparate ist die Wirkung auf den gesamten Körper und damit die positive Beeinflussung auch generalisierter Hyperhidrosis-Varianten. Die Einnahme kann als Dauertherapie oder bedarfsadaptiert (ca. 30 - 60 Minuten bis Wirkungseintritt) erfolgen und bietet sich damit vor allem auch für Patienten mit streßinduziertem, anfallsweisen Schwitzen an. Als wichtige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Miktions- und Akkomodationsstörungen sowie Müdigkeit zu nennen. Eine Behandlung von Glaukompatienten mit den o.g. Präparaten sollte vermieden werden. Auch Personen, die beruflich Kraftfahrzeuge führen, sollten von der Therapie ausgenommen werden. Wenn topische und systemische Lokaltherapien versagen bzw. kontraindiziert sind, kann eine operative Herangehensweise gewählt werden. Hierdurch ist auch eine dauerhafte Besserung der Hyperhidrosis möglich – unter Inkaufnahme von Operationsrisiken. Zum Einsatz in der stationären dermatologischen Routine gelangt dabei vor allem die Kürettage bzw. auch Saugkürettage der axillären Schweißdrüsen. Nach Identifizierung der zu behandelnden Areale durch den Jod-Stärke-Test werden üblicherweise in Tumeszenzlokalanästhesie die Schweißdrüsen an der „Innenseite“ der Haut weggekratzt und ggf. abgesaugt (Abb. 5). Über einen kleinen Schnitt in der Axilla erfolgt das Einführen der Instrumente und hinterlässt daher postoperativ meistens wenig kosmetisch-beeinträchtigende Narben. Allerdings sind Perforationen der Haut durch zu traumatisierendes Vorgehen möglich. Langfristig kann es zur Reduktion der Axillarbehaarung kommen. Studien konnten die wirksame dauerhafte Schweißreduktion dieser Therapie belegen. Alternativ können auch offene operative Verfahren erwogen werden, wobei das ausgewählte Areal durch ausgedehnte Schnittführungen zugänglich wird und anschließend Schweißdrüsen mittels z. B. Schere abgetragen werden. Nachteil ist hier die umfangreichere Narbenbildung und das höhere Risiko von Wundheilungsstörungen. In der Literatur werden desweiteren Verfahren mit subkutanem Einsatz von Lasersystemen erwähnt, deren Effektivität jedoch erst noch in weiterführenden Studien bestätigt werden muss.

Nicht mehr zu den dermatologisch angewandten Verfahren zählen Eingriffe am Sympathikus, also am Grenzstrang. Die endoskopisch-transthorakale Sympathektomie erfordert einen Eingriff am Thorax in Allgemeinanästhesie und ist damit den chirurgischen Kollegen vorbehalten. Mit dem Eingriff verbundene, erhebliche intraoperative und postoperative Risiken sollten diese therapeutische Möglichkeit als „ultima ratio“ erscheinen lassen und erst nach einer zuvor ausgeschöpften konservativen und/oder lokal operativen Therapie in Betracht gezogen werden.

Fazit: In der truppenärztlichen Sprechstunde kommt es häufig zu Kontakten mit Patienten, welche unter einer lokalisierten oder generalisierten Variante der Hyperhidrosis leiden und die dadurch sowohl im dienstlichen als auch privaten Bereich mit teilweise erheblichen Problemen belastet sind. Die Basisdiagnostik kann helfen, zugrundeliegende Erkrankungen zu identifizieren oder auszuschließen. Für den Fall einer konstitutionell bedingten Hyperhidrosis können einfache Maßnahmen wie die Wahl geeigneter Bekleidung sowie die topische Anwendung von Aluminiumchlorid-Hexahydrat häufig bereits einen effektiven Lösungsansatz bieten. Therapieresistente Fälle sollten im Verlauf in einer dermatologischen Ambulanz vorgestellt werden, um die Indikation für systemische und/oder invasive Verfahren zu klären.

Datum: 10.04.2015

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/1

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