DIE GESUNDHEITSVERSORGUNG BUNDESWEHR IM INTEGRIERTEN PLANUNGSPROZESS

„Planung als die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handelns zur Vorbereitung von Entscheidungen konkretisiert das politische Ziel (das „Was?“), zeigt den Weg auf (das „Wie?“) und verbindet dies mit den absehbaren verfügbaren Mitteln (das „Womit?“).“
Vizeadmiral Joachim Georg Rühle, Abteilungsleiter Planung im BMVg, wt „Wehrtechnik“ VI/2012.

Mit dem Dresdner Erlass vom 21. März 2012 wurde die Verantwortung für die Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung einschließlich der Planung und der Weiterentwicklung sowie für die Führung der Streitkräfte dem Generalinspekteur der Bundeswehr übertragen. Gleichzeitig regelt der Erlass die besondere fachliche Zuständigkeit des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in sanitätsdienstlichen Angelegenheiten. Aufbauend auf dem Dresdner Erlass wurde zur Optimierung der Zusammenarbeit im Planungsprozess am 29. November 2012 die „Vereinbarung über das Zusammenwirken zwischen BMVg Abteilung Planung, Abteilung Führung Streitkräfte und dem Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Rahmen der zugehörigen Prozesse“ geschlossen. 

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Abb. 1: Die Organisation der Abteilung Planung.

Die Konzeption der Bundeswehr vom 1. Juli 2013 gibt vor, dass sich das Leistungsprofil der Bundeswehr aus den Fähigkeiten und Kapazitäten der Streitkräfte und des zivilen Bereiches zusammensetzt. Die Zukunftsentwicklung der Gesundheitsversorgung Bundeswehr erfolgt durch die Abteilung Planung, im engen Dialog mit den Bedarfsträgern sanitätsdienstlicher Leistungserbringung. Dieses wird prozessual durch den Integrierten Planungsprozess (IPP) sichergestellt.
Der IPP führt die bisher getrennten Bereiche Bundeswehrplanung, Haushalt und Controlling zusammen. Die Planung ist bundeswehrgemeinsam ausgerichtet und orientiert sich jetzt noch stärker am finanziell Machbaren. Als ganzheitlicher Prozess beschreibt der IPP den Weg von der Idee bis hin zu ihrer Umsetzung im Haushalt. Dazu werden im Kern drei Fragen beantwortet: Was wollen wir erreichen? Wie wollen wir das gesteckte Ziel erreichen?Womit wollen wir das gesteckte Ziel erreichen?
Konsequent diesem Ansatz folgend, gliedert sich der IPP in die folgenden Geschäftsprozesse: »Zukunftsentwicklung«, »Fähigkeitsmanagement « und »Finanzbedarfsanalyse, Ressourcenplanung und Haushaltsaufstellung«. Der hieraus resultierende Aufgabenzuschnitt findet sich ebenfalls in der Organisation der Abteilung Planung wieder (Abb.1) und wird entsprechend in der Struktur des nachgeordneten Planungsamtes der Bundeswehr fortgeführt. Die Zukunftsentwicklung ist Teil der langfristigen Sicherheitsvorsorge im Sinne der politischen Vorgaben. Sie umfasst die konzeptionelle Gestaltung, Initiierung, Planung und fortlaufende Anpassung des Leistungsund Fähigkeitsprofils der Bundeswehr an neue Herausforderungen als lernende Organisation. Die Er- und Bearbeitung von Impulsen und Initiativen bilden den Anstoß zu einer Anpassung in allen Gestaltungsbereichen. Impulse haben dabei eine grundlegende und langfristig angelegte Zielsetzung, während Initiativen auf die Anpassung eines speziellen Handlungsvermögens der Bundeswehr abzielen. Die Ergebnisse der multinationalen Planungsprozesse von NATO und EU stehen dabei in enger Wechselwirkung mit dem IPP und seinen Produkten.

Die in der Verantwortung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr liegende Gesundheitsversorgung Bundeswehr beinhaltet (militärische) Fähigkeiten und (zivile) Kapazitäten (Abb. 2).

Planerische sanitätsdienstliche Belange werden in der Abteilung Planung durch die Referate Planung I 2 (Weiterentwicklung ziviler Aspekte der Bundeswehr; Wissenschaftliche Methoden; Vernetzte Sicherheit), Planung I 3 (Land, Sanität) und Planung II 5 (Unterstützung) bearbeitet.
Ziel ist es, innerhalb der Zukunftsentwicklung die planerische Weiterentwicklung der Bundeswehr in allen Gestaltungsbereichen als Ganzes fortzuführen. Dabei ist der Sanitätsdienst der Bundeswehr gemäß der fachlichen Vorgaben so zu gestalten, dass die Gesundheitsversorgung Bundeswehr – der sanitätsdienstlichen Maxime folgend – auch zukünftig gewährleistet wird.

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Abb. 2: Das Leistungsspektrum in der GesVersBw.
Das für Land und Sanität zuständige Dimensionsreferat Planung I 3 erarbeitet fähigkeitsbezogene konzeptionelle Grundlagen sowie Vorgaben und Rahmenbedingungen. Darüber hinaus harmonisiert und stimmt das Referat die konzeptionelle Weiterentwicklung auf biund multinationaler Ebene ab. Die Handlungsfelder (Abb. 3) des Referates begründen sich hierbei aus der Fähigkeitsbetrachtung. Sie lassen sich im Wesentlichen aus zwei Bereichen ableiten: zum einen die Erstellung von konzeptionellen Grundlagendokumenten, insbesondere auf Basis einer „prognostizierten Zukunft“ bzw. einer zukünftigen Szenarlandschaft, zum anderen die Auswertung und entsprechende Ableitung aus technologischen Entwicklungen/Trends mit hohem Potenzial für die Leistungserbringung des Sanitätsdienstes.

Schwerpunkt der Zukunftsentwicklung des Referates Planung I 3 ist die einsatzorientierte Steigerung der Leistungsfähigkeit sanitätsdienstlicher Einsatzsysteme und Fähigkeitsträger. Sie betrachtet im Wesentlichen die Weiterentwicklung von Behandlungseinrichtungen und Verwundetentransportmitteln im Hinblick auf Mobilität und Schutz. Darüber hinaus sind auch Felder zu untersuchen, in denen ein hohes Entwicklungspotential und ein Fähigkeitsgewinn für das Verbundsystem der Gesundheitsversorgung Bundeswehr zu erwarten sind. Ansatzpunkte liegen hier insbesondere in der Miniaturisierung, E-Health und Robotik.

Impulse und Initiativen zu sanitätsdienstlichen Kapazitäten der Bundeswehr, die durch das Referat Planung I 2 bearbeitet werden, leiten sich in der Regel nicht aus der Fähigkeitsbetrachtung ab. Vielfach ergibt sich ihr „Ob“ und „Wie“ aus der hohen Abhängigkeit von verbindlichen normativen Regelungen des zivilen Gesundheitssystems, den steigenden Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit sowie dem Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung. Die Impulse und Initiativen zu Kapazitäten können im Wesentlichen Ressourcenbausteine bestehend aus Personal, IT sowie Infrastruktur und Dienstleistungen umfassen.

Darüber hinaus werden auch besondere Aspekte der wehrmedizinischen und -pharmazeutischen Forschungszusammenarbeit mit Hochschulen und Instituten in die planerische Betrachtung einbezogen. Berücksichtigung findet dabei die bereits bestehende Vernetzung mit den Leistungserbringern im zivilen Gesundheitssystem, die Synergien für alle Beteiligten erschließen soll. Kooperationen leisten ihrerseits einen positiven Beitrag zum Bild der Bundeswehr in der Gesellschaft. Zwar ist die Gesundheitsversorgung Bundeswehr im „Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ nicht expressis verbis aufgeführt, jedoch stehen viele der darin genannten Maßnahmen mit ihm in Wechselwirkung. Dies sind insbesondere die Personalgewinnung und -bindung, Aus- und Fortbildung, Nutzung ziviler Qualifikationen sowie materielle und soziale Rahmenbedingungen. Ziel der planerischen Weiterentwicklung ist daher ein auf der Sozialgesetzgebung beruhendes und an der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherren ausgerichtetes Gesundheitssystem der Bundeswehr, in dem Attraktivität, Leistungsvermögen und Finanzierbarkeit innerhalb der Zukunftsentwicklung Bundeswehr berücksichtigt und mitgestaltet wird. Besondere Bedeutung, gerade auch im Hinblick auf die Attraktivität der Bundeswehr, dürften dabei das Leistungsangebot der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung wie auch krankenhausspezifische Dienstleistungen zum Wohle unserer Soldatinnen und Soldaten erlangen.
Positiv bewertete und als Vorhaben Mittelfristplanung aufgenommene Initiativen werden von der Zukunftsentwicklung zur weiteren Bearbeitung an das Fähigkeitsmanagement übergeben. Gleichzeitig erfolgt mit der Abbildung in der Mittelfristigen Zielsetzung die Einsteuerung in den zyklischen Anteil des IPP und somit die finanzplanerische Berücksichtigung. 

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Abb. 3: Handlungsfelder Plg I 3 im Bereich Sanität.

Das Fähigkeitsmanagement der Bundeswehr ist in Fähigkeitsdomänen als ein „Ordnungskriterium“ gegliedert. Die Fähigkeiten der Bundeswehr zur bundeswehrgemeinsamen Weiterentwicklung in den Domänen Führung, Aufklärung, Wirkung und Unterstützung leitet sich aus dem Battle Cycle „Detect - Decide - Destroy“ ab.
Die aus den Teilaufgaben der Bundeswehr abgeleiteten Funktionalen Bausteine sind jeweils einer Domäne zugeordnet. Dabei findet sich der überwiegende Teil der Funktionalen Bausteine des Sanitätsdienstes in der Domäne Unterstützung wieder, einzelne auch bei Aufklärung oder Führung.
Funktionale Bausteine verbinden die sanitätsdienstlich genutzten Ressourcen (z. B. Personal, Material, Infrastruktur) logisch mit den Teilaufgaben der Bundeswehr.
Das Fähigkeitsmanagement umfasst die Schließung von Fähigkeitslücken, aber auch die Betrachtung zum Erhalt oder Abbau von Fähigkeiten. Dazu wird künftig die Fähigkeitslage als zentrales „Werkzeug“ des Fähigkeitsmanagements das SOLL-Fähigkeitsprofil, das IST-Fähigkeitsprofil und den Weg vom IST- zum SOLL-Fähigkeitsprofil auf der Zeitachse darstellen. Nach Identifizierung eines sanitätsdienstlichen Fähigkeitsdeltas und dem Entschluss, dieses auszugleichen, werden die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet.
Mit Blick auf eine materielle Lösung für den Sanitätsdienst wird gemäß CPM (nov.) im Planungsamt der Bundeswehr ein Integriertes Projektteam zur Beschreibung der „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung (FFF)“ eingerichtet. Die Beauftragung dazu erfolgt durch das Domänenreferat Planung II 5. Durch die enge Einbindung des Bevollmächtigten Vertreters des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Integrierten Projektteam wird der besonderen Rolle des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gemäß Dresdner Erlass Rechnung getragen.
In der FFF ist eine lösungswegneutrale Ableitung funktionaler Forderungen zu beschreiben. Mit Zeichnung der FFF ist der Teil 1 der Analysephase abgeschlossen. Die weitere Bearbeitung folgt den Verfahrensbestimmungen des CPM (nov.). Mit Vorliegen der erarbeiteten Lösungsvorschläge geht die Federführung wieder in den Bereich der Planung über, um die Auswahlentscheidung durch den Generalinspekteur der Bundeswehr herbeizuführen.
Sanitätsdienstliche Projekte, die bereits im CPM 2010 begonnen waren, wurden im letzten Jahr mit der Umklappstrategie in den CPM (nov.) überführt und damit die verzugslose Fortführung sichergestellt. Dies bedeutete im Einzelnen die gemeinsame Bewertung jedes Projektes durch die jeweiligen verantwortlichen Referate in der Abteilung Planung und der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnologie und Nutzung mit dem Ziel der Erarbeitung einer Empfehlung an die beiden Abteilungsleiter. Projekte, deren Fortführung im CPM (nov.) nicht möglich gewesen ist, können mittels einer Initiative erneut in den IPP eingebracht werden.
Das Fähigkeitsmanagement verantwortet im CPM (nov.) die Analysephase Teil 1 bis zur Erstellung der FFF sowie das Treffen der Auswahlentscheidung für die Projekte. Darüber hinaus begleitet das Fähigkeitsmanagement diese bis zur Einleitung der Beschaffung. Auch nach der Realisierung von Projekten erfolgt im IPP eine kontinuierliche Fähigkeitsbetrachtung im Sinne eines Soll-Ist-Vergleiches. Damit ist sichergestellt, dass sanitätsdienstliche Belange in allen Phasen des IPP durch fachkompetente Sanitätsstabsoffiziere gewahrt und bestmöglich umgesetzt werden.

Datum: 31.03.2014

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/1

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