Der Internist im Einsatz – ein „Einsatzinternist“?
Aus den Abteilungen für Allgemein,- Vizeral- und Thoraxchirurgie1 (Leiter: Flottenarzt Dr. W. Rost) und Innere Medizin2 (Leiter: Oberstarzt Dr. C. Busch) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz) und der Abteilung Innere Medizin3 (Leiter: Oberstarzt Dr. U. Baumgarten) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin (Chefarzt: Admiralarzt Dr. K. Reuter)
Eine Umfrage zu bestehenden und benötigten fachlichen Voraussetzungen sowie der Umsetzung einer strukturierten Einsatzvorbereitung für Internisten der Bundeswehr
Internists in Military Deployments
A survey to assess existing and required skills and the implementation of a structured deployment preparation programme for Bundeswehr internists
Zusammenfassung
Einleitung: Im Rahmen von Einsätzen ist der Sanitätsstabsoffizier Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin nahezu immer alleinverantwortlich tätig und muss dabei ein breit ge-fächertes Spektrum der gesamten Inneren Medizin be--herrschen. Im Inland hingegen spielt durch die zunehmende Subspezialisierung der „internistische Generalist“ eine immer geringere Rolle. Ausbildung und Kompetenzerhalt von Internisten für Einsätze erfolgen zurzeit auf der Grundlage eines von der Konsiliargruppe Innere Medizin im Jahre 2006 herausgegebenen Ausbildungskatalogs.
Dieser Artikel beschreibt die Ergebnisse einer Umfrage unter einsatzerfahrenen Internisten über deren Einschätzung der fachlichen Vorbereitung und Erfordernisse in den Einsätzen. Ziel dabei war es, eine Grundlage für die zukünftige Ausbildung von „Einsatzinternisten“ zu erhalten.
Methodik: Im Rahmen einer anonymen, fragebogenbasierten Erhebung zur Selbsteinschätzung von fachlichen Kompetenzen und Einsatzvorbereitung in allen Bundeswehrkrankenhäusern und regionalen Sanitätseinrichtungen wurden, neben demographischen Merkmalen, auch Angaben zur Erfahrung und Anwendung diagnostischer und interventioneller Maßnahmen im Inland und im Einsatz erfragt. Die Auswertung erfolgte deskriptiv und stratifiziert nach Alter und Einsatzerfahrung, die Signifikanztestung erfolgte mittels Chi-Quadrat-Test.
Ergebnisse: Es wurden 42 Fragebögen ausgewertet. 19 % der Befragten waren weiblich, 79 % männlich. 83,3 % der Befragten waren subspezialisiert ausgebildet. 33 % waren 1 - 3, 31 % 4 - 6, 33 % 7 - 9 und 2 % über zehn Mal in Einsätzen.
Zu den häufigsten Untersuchungen im Inland/Einsatz gehörten Abdomensonographien (93 %/98 %), Echokardiographien (69 %/69 %) und Gastroskopien (57 %/64 %), die mit einem hohen Maß an Sicherheit durchgeführt wurden. Selten erfolgte tropenmedizinische Diagnostik (29 %/24 %), bei der sich nur 26 % der Internisten in der Durchführung sicher fühlten. Als auf den Einsatz „voll und ganz“ vorbereitet sahen sich 12 %, 14 % fühlten sich und „eher unzureichend“ vorbereitet. 60 % der Befragten verneinten eine strukturierte Einsatz-Ausbildung, 26 % berichteten von Ausbildungen im Rahmen von Rotationen, Checklisten oder Freistellungen vom Dienst. 52 % gaben an, dass ihre Ausbildung auf Eigeninitiative beruhte. Weder Alter, Zeitraum nach Abschluss der Facharztanerkennung oder Anzahl der Einsätze erbrachten signifikante Unterschiede in der Einschätzung der Qualität der fachlichen Vorbereitung.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass Defizite in den einsatzbezogenen Fähigkeiten der Internisten bestehen und eine curriculare einsatzbezogene Ausbildung nicht flächendeckend implementiert ist. Gleichwohl besitzen die Befragten in ihrer klinischen Arbeit im Inland große klinische Handlungssicherheit. Insbesondere sind notfallmedizinische Kompetenzen vorhanden, jedoch fehlt es an Sicherheit in tropenmedizinischer Diagnostik.
Fazit: Die Ausbildung zum „Einsatzinternisten“ sollte zukünftig einem festen Curriculum folgen und vorgegebene Qualifikationen für einen Kompetenzerhalt regelhaft wiederholt werden. Im klinischen Alltag kann dies jedoch nur gelingen, wenn der zusätzliche Zeitansatz in der Personalplanung berücksichtigt wird.
Schlüsselwörter: Internisten, Einsatz; Sanitätsdienst; Ausbildung; Einsatzbelastung
Summary
Background: On deployment the medical specialist for internal medicine (internist) is mostly solely responsible as the only non-surgical consultant. He must have the capability to cover the whole spectrum of internal medicine and disciplines beyond. This role of a generalist in internal medicine on deployment is in contrast to the increasing (sub-)specialization if internists in civilian German hospitals. Pre-deployment training for internists of the Bundeswehr medical service is based on “Recommendations for training, education and practical skills for internists being deployed” issued in 2006. This paper describes the results of a survey among mission experienced internists of the Bundeswehr medical service regarding their perception of pre-deployment training as well as skills and capabilities needed on deployment aiming to define a new baseline for future training.
Methods: A Questionnaire based survey to assess self-evaluation of functional competencies and preparedness for -deployments was conducted in all military hospitals and regional medical centres of the Bundeswehr. Besides demographic data the survey focussed on experience and application of diagnostic and medical interventions during deployments and at home. Data analysis was done in a descriptive way and stratified to age and deployments experience for testing of significance in the assessment of deployment preparedness.
Results: 42 questionnaires were analysed showing a balanced age pattern (50 % above and 50 % below 45 years). 19 % of all respondents were females, 79 % male (1 missing), 83,3 % were subspecialized. 33 % had been on 1 - 3, 31 % on 4 - 6, 33 % 7 - 9 and 2 % on more than 10 deployments. The most frequent performed diagnostic procedures on deployment/at home were abdominal ultrasound (93 %/98 %), echocardiography (69 %/69 %) and gastroscopy (57 %/64 %); all these procedures are executed with a high level of confidence. Tropical medicine diagnostics is conducted rarely (29 %/24 %) with only 26 % of good confidence. 12 % feel “thoroughly” and 14 % feel “rather inadequate” prepared for deployment. 60 % of all respondents deny participation in a structured deployment training, 26 % report about rotating and/or checklist based training as well as duty leave for individual preparation. 52 % report that pre-deployment preparation is based on their individual initiative. Neither age, years of being a medical specialist nor number of deployments correlates with significant differences regarding self-assessment of preparedness.
Discussion: Results show deficits in professional capabilities needed for deployments and a lack of curricular based medical pre-deployment training. However, the majority of all respondents have great confidence in conducting diagnostic and interventional procedures in their domestic clinic. Especially in emergency medicine high competencies exist, but less confidence is stated in tropical medicine.
Conclusions: Pre-deployment training of internists should be based on an agreed curriculum and needed competencies should be trained repeatedly. This can only be obtained if additional training time for these purposes is considered in human resource planning.
Keywords: Internal medicine; foreign deployment; Medical Service; Training program; strain of military deployments of the Joint Medical Service
Einleitung
Das Einsatzspektrum im Sanitätsdienst der Bundeswehr hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Aufgrund der aktuellen Veränderungen des militärstrategischen Umfeldes stellt der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in seiner Jahresweisung für das Jahr 2017 die sanitätsdienstliche Unterstützung von Großverbänden („Larger Formations“) unter Refokussierung auf die Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung im multinationalen Setting wieder stärker in den Vordergrund [10]. Auch zukünftig werden dabei die Auslandseinsätze der Bundeswehr den Sanitätsdienst als integrativen Bestandteil des Gesamtkonzeptes fordern.
Dem Internisten im Einsatz kommt hierbei insofern eine besondere Rolle zu, da er an allen aktuellen Einsatzorten fachspezifisch alleine tätig ist und damit vor Ort nur bedingt auf fachlichen Austausch mit Kollegen (fernmündlich über Konsiltelefonate in der Heimat, in wenigen Bereichen auch Telemedizin), jedoch gar nicht auf deren personellen Ressourcen zurückgreifen kann. Eine breit gefächerte und zugleich spezialisierte internistische Medizin, wie sie durch Teambildung an Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs) oder im Facharztverbund der Regionalen Sanitätseinrichtungen (RegSanEinr) besteht, ist somit nicht möglich – der im Einsatz befindliche Sanitätsoffizier ist fast ausschließlich alleinverantwortlich tätig.
Der Internist im Sanitätsdienst der Bundeswehr muss daher im Einsatz auf ein umfassendes medizinisches Aufgabenspektrum in seinem Fachgebiet vorbereitet sein und komplexe internistische Fragestellungen lösen können.
In Zeiten einer zunehmenden Subspezialisierung der Inneren Medizin hat sich die zivile Gesundheitsversorgung, ähnlich wie in den chirurgischen Fachdisziplinen, weitestgehend vom „internistischen Generalisten“ verabschiedet. Für den ausgesprochenen Grundsatz des „unbedingten Festhaltens an höchsten fachlichen Standards“ [10] auch im Einsatz ist es jedoch notwendig, breit angelegte Kenntnisse auf dem gesamten Gebiet der Inneren Medizin zu besitzen und diese dauerhaft in Übung zu halten. Das Herstellen der Vereinbarkeit zwischen einer hochspezialisierten internistischen Medizin im Inland und dieser breiten Fachkenntnis im Einsatz ist eine große Herausforderung. So muss im Einsatz der Hämato-Onkologe auch eine obere gastrointestinale Blutung versorgen können oder der interventionell tätige Kardiologe die tropenmedizinische Diagnostik und Therapie einer Malaria beherrschen, gleichzeitig im Inland aber auch seiner Subspezialisierung vollumfänglich gerecht werden.
Die Erlangung und der Kompetenzerhalt dieser Fähigkeiten und Kenntnisse für den Einsatz sollte daher strukturiert erlernt werden und an die besonderen Erfordernisse eines Einsatzes angepasst erfolgen. Aus ganz ähnlichen Erwägungen heraus wurde im Fachgebiet der Chirurgie eine an die Einsatzversorgung angepasste Ausbildung in Form des sogenannten „DUO-plus“-Ausbildungskonzeptes eingeführt, mit dem Chirurginnen und Chirurgen der Bundeswehr nach Erlangung des Facharztes für Allgemeinchirurgie eine zweite Facharztausbildung entweder zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie oder Viszeralchirurgie erhalten [3, 11, 12, 13]. Weitere Inhalte der Ausbildung „plus“ sind u. a. gefäßchirurgische und neurochirurgische Ausbildungskurse. Dieses Ausbildungskonzept für chirurgisch tätige Ärzte der Bundeswehr ist seit 2009 umgesetzt und verpflichtet zur Erlangung zweier chirurgischer Facharztkompetenzen.Im Januar 2006 erarbeitete die Konsiliargruppe Innere Medizin im „Teilkatalog Klinische Innere Medizin“ Kriterien für Ausbildung und Kompetenzerhalt von „Einsatzinternisten“ [7]. Hier wird die Rotation in die einsatzrelevanten internistischen Schwerpunkte Gastroenterologie, Kardiologie, Hämato-Onkologie und Intensiv-/ Notfallmedizin sowie ein Kompetenzerwerb in den Gebieten Dermatologie, Neurologie und Gynäkologie gefordert. Als feste curriculare Ausbildungsbestandteile sind im Besonderen ein 4-wöchiges Praktikum auf einer Intensivstation, eine 2-wöchige Hospitation in einer Endoskopieabteilung sowie jeweils eine 1-wöchige Hospitation im Bereich Echokardiografie und Duplexsonografie gefordert. Diese sind alle drei Jahre zu wiederholen. Für Fachärztinnen und Fachärzte mit Schwerpunktbezeichnung entfallen auf ihrem Fachgebiet die Hospitationen, sofern der Kompetenzerhalt regelhaft im Tagesdienstgeschäft erfolgt.
Während die US-amerikanischen Streitkräfte der Besonderheit von internistisch-fachlicher Ausbildung vor dem Hintergrund militärischer Einsätze in Form mehrtägiger Lehrgänge Rechnung tragen, ist in der deutschsprachigen Literatur bisher über benötigte fachliche Kompetenzen von Internisten im militärischen Einsatz kaum berichtet worden [2, 5, 9].
Mit einer Befragung von einsatzerfahrenen Internisten sollten vorhandene Kompetenzen und eine Selbsteinschätzung der Sicherheit bei Interventionen evaluiert werden mit dem Ziel, so die Grundlagen für die zukünftige einsatzbezogene fachliche Ausbildung zu schaffen.
Methodik
Zur Erhebung der Einsatzerfahrungen und der Selbsteinschätzung der Kompetenzen der Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin wurde eine fragebogenbasierte Erhebung als Instrument der quantitativen empirischen Forschung gewählt, um möglichst umfangreiche Informationen in kurzer Befragungszeit zu erhalten. Der Fragebogen wurde im „Portable Document Format“ (PDF) mit digital ausfüllbaren Formularfeldern erstellt und per Mail (Lotus Notes®, Firma IBM) versandt. Innerhalb des Dokumentes wurden mittels JavaScript-Programmierung Regeln in den Formularfeldern hinterlegt, welche inhaltliche und formale Inkonsistenzen verhindern sollten. Der Fragebogen enthielt einen digitalen Button, der den direkten Rückversand via E-Mail ermöglichte. Ebenso war ein auch die Einsendung eines ausgefüllten Ausdrucks im Postversand möglich.
Einschlusskriterien waren Facharztstatus und mindestens 1 Einsatz als Facharzt für Innere Medizin. Neben demographischen Fragen nach Alter und Geschlecht, wurden Zeitraum nach Abschluss der Facharztweiterbildung, die Subspezialisierung (wenn vorhanden), die Einsatzerfahrung, die Erfahrung mit diagnostischen/interventionellen Maßnahmen im Inland und in den Einsätzen sowie die Einschätzung der eigenen Sicherheit bei Durchführung dieser Maßnahmen erfragt. Schließlich wurde die Art der medizinisch-fachlichen Vorbereitung auf die Einsätze eruiert. Insgesamt bestand der Fragebogen aus 14 Items, davon 2 in Form einer Likert-Skala mit vorgegebenen Antworten (Abbildung 1). Am Ende konnten die Befragten Kommentare als Freitext angeben. Alle Fragebögen wurden anonymisiert ausgewertet.
Die Auswertung des Fragebogens erfolgte deskriptiv sowie stratifiziert nach Alter (29 - 45 Jahre vs. >46 Jahre), Dauer der bisherigen Facharztzeit (1 - 5 Jahre vs. >6 Jahre), Einsatzerfahrung (1 - 3 Einsätze vs. >4 Einsätze) und Durchlaufen einer Ausbildung vor Auslandseinsätzen (Ja vs. Nein). Die Ergebnisse wurden auf Signifikanz (Yates-korrigiertes Chi-Quadrat) in Bezug auf die Einschätzung der fachlichen Einsatzvorbereitung („voll und ganz/im Wesentlichen Ja/ausreichend“ vs. „eher unzureichend/absolut unzureichend“) getestet.
Ergebnisse
Zum Zeitpunkt der Befragung befanden sich in der Bundeswehr 62 „einsatzfähige“ Internistinnen und Internisten [schriftliche Mitteilung durch den Einsatzplaner Innere Medizin vom 3. März 2017], die über ihre jeweilige Dienststellenleitung angeschrieben wurden. Es konnten 42 Fragebögen ausgewertet werden (Rückläuferquote 68 %). Mit jeweils 21 (50 %) Teilnehmern in den Altersgruppen 29 - 45 bzw. 46 - 55 Jahre zeigte sich die Altersverteilung ausgeglichen. 33 (79 %) der Befragten waren männlich, 8 (19 %) weiblich; auf einem Fragebogen fehlte die Geschlechtsangabe. Der Zeitraum seit Erwerb der Facharztbezeichnung betrug bei
- 17 (40,5 %) weniger als fünf Jahre,
- 4 (9,5 %) zwischen sechs und zehn Jahren und bei
- 20 (47,6 %) mehr als zehn Jahre.
Die häufigste Subspezialisierung bestand im Fach Kardiologie (n = 11 (26,2 %)), die seltenste im Fach Pulmologie (n = 5 (11,9 %)). Sieben Teilnehmer (16,7 %) verfügten über keine Subspezialisierung.
Bei der Frage nach der Einsatzhäufigkeit wurden folgende Angaben gemacht:
- 1 - 3 Einsätze: 14 (33,3 %),
- 4 - 6 Einsätze: 13 (31 %) und
- 7 - 9 Einsätze (14 (33,3 %).
Ein Befragter (2,4 %) hatte an mehr als 10 Einsätzen teilgenommen.
Die Verteilung der Einsatzgebiete[1] sah wie folgt aus (Mehrfachnennungen möglich):
- KFOR/SFOR: 32 (76,2 %),
- ISAF/RSM: 35 (83,3 %),
- EUTM Mali: 6 (14,3 %),
- UNIFIL: 2 (4,8 %) und
- andere: 14 (33,3 %).
Regelmäßig durchgeführte medizinische Untersuchungen im Inland/Einsatz
Die Antworten auf die Frage, welche Diagnostik/Intervention regelmäßig im Inland bzw. konkret im Einsatz durchgeführt wurde, sind in Tabelle 1 dargestellt.
Tab. 1: Gegenüberstellung der Angaben zur regelmäßigen Durchführung von Interventionen/Maßnahmen im Inland und deren konkreter Durchführung im Einsatz.
Intervention/Maßnahme | Inland | Einsatz |
Sonographie | 39 (92,9 %) | 41 (97,6 %) |
Notfallversorgung/ | 33 (78,6 %) | 28 (66,7 %) |
Echokardiographie | 29 (69 %) | 29 (69 %) |
Gastroskopie | 24 (57,1 %) | 27 (64,3 %) |
Sigmoido-/Koloskopie | 19 (45,2 %) | 9 (21 %) |
Punktion seröser Höhlen | 30 (71,4 %) | 4 (9,5 %) |
Tropenmedizin (Diagnostik) | 12 (28,6 %) | 10 (23 %) |
Einschätzung der Sicherheit in der Durchführung der Untersuchungen
Die Einschätzung der eigenen Sicherheit in der Durchführung der diagnostischen Maßnahmen mit der Beurteilung „absolut sicher/sicher“ ergab folgendes Bild:
- Gastroskopien: 23 (54,7 %),
- Sigmoido-/Koloskopien:17 (40,5 %),
- Sonographien: 39 (92,9 %),
- Echokardiographien: 29 (69,1 %),
- Punktionen seröser Höhlen: 35 (83,3 %),
- Notfalldiagnostik: 37 (88,1 %),
- tropenmedizinische Diagnostik: 11(26,2 %).
Bewertung der Einsatzvorbereitung
Auf die Frage, wie sie sich auf den jeweiligen Einsatz vorbereitet gefühlt hätten, antworteten
- „voll und ganz“: 5 (11,9 %),
- „im Wesentlichen Ja“: 23 (54,8 %),
- „ausreichend“: 8 (19 %) und
- „eher unzureichend“: 6 (14,3 %)
der befragten Internisten.
Zur fachlich-internistischen Vorbereitung auf den Einsatz geben 25 (59,5 %) der Befragten an, dass es keine strukturierte Ausbildung gegeben habe; sechs (14,3 %) machten hierzu keine Angaben und elf (26,2 %) hatten eine Ausbildung durchlaufen. Von diesen elf Sanitätsstabsoffizieren berichteten zwei, dass diese in Form von Rotationen erfolgt sei; ein Befragter gab an, dass er eine Checkliste „abgearbeitet“ habe. Eine Freistellung vom Dienst für die Einsatzvorbereitung haben neun (21,4 %) Internisten erhalten. Mehr als die Hälfte der Befragten (22 (52,4 %)) gab an, dass die Ausbildung auf Eigeninitiative beruhte, und über ein Viertel (elf (26,2 %)) sieht im laufenden Dienstbetrieb keine Möglichkeit der Teilnahme an einer auf den Einsatz vorbereitenden Ausbildung.
Einfluss von Alter, Berufs-, Einsatzerfahrung und fachlicher Ausbildung auf die Einschätzung der Vorbereitung
Stratifiziert nach Alter, Zeitraum seit Facharztanerkennung, Anzahl der Einsätze und Vorhandensein einer Ausbildung vor dem Einsatz, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Einschätzung der persönlichen fachlichen Einsatzvorbereitung:
- Alter (p = 1,000 (Odds Ratio (OR) 1,118; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,150 - 8,333)),
- Zeitraum seit Facharztanerkennung (p = 1,000 (OR 0,700; 95 % KI 0,076 - 5,43),
- Einsatzerfahrung (p = 0,161 (OR 5,200; 95 % KI 0,651 - 49,916)),
Vorhandensein Ausbildung p = 0,977 (OR 0,525; 95 % KI 0,019 - 6,401)).
Neben den strukturierten Fragen bestand die Möglichkeit zur Angabe von Kommentaren, darunter auch auf die Frage „Was würden Sie sich vor ihrem nächsten Auslandseinsatz als fachliche Voraussetzung im Besonderen wünschen?“. Hierauf äußerten zwölf Sanitätsstabsoffiziere den Wunsch nach mehr Endoskopie-Erfahrung, insbesondere zur Blutungsstillung, elf wünschen sich mehr Ausbildung in Tropenmedizin und sieben in Echokardiographie. Einzelne Antworten beinhalteten Wünsche nach Rotationen in Abteilungen für Hals,- Nasen- und Ohrenheilkunde und/oder Urologie, strukturierte Checklisten, Bronchoskopietraining; aber auch „Medical English“ als Vorbereitungswunsch wurde genannt.
In den Freitextkommentaren wird in vier Aussagen die Notwendigkeit einer strukturierten Ausbildung genannt. Die militärische Vorausbildung wird von zwei Befragten als zu umfangreich bezeichnet und sollte gekürzt werden. In diesem Zusammenhang bemerkt ein Sanitätsstabsoffizier: „[man] benötigt […] für eine Einsatzdauer von acht Wochen teilweise schon eine Gesamtvorbereitungszeit von mehr als vier Wochen. Mit einer einsatzvorbereitenden [internistisch-medizinischen] Rotation steht die Vorbereitungszeit irgendwann nicht mehr im Verhältnis zur Einsatzdauer.“
Weiterhin werden einmal eine veraltete Sonographietechnik, die „dem Anspruch wie im Inland“ nicht mehr gleichkomme, sowie der Wunsch mit der Person des Internisten auch das ihm bekannte Assistenzpersonal („eingespieltes Team“) zu entsenden, genannt.
Ausgewählte Ergebnisse der Befragung sind in den Abbildungen 2 bis 6 grafisch dargestellt.
Diskussion
Limitierungen
Die strukturierte Befragung wurde durchgeführt, um ein umfassendes Bild der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Einsatzinternisten zu erhalten sowie mögliche Problemfelder zu ermitteln. Dabei ist kritisch anzumerken, dass die Erhebung aufgrund der Anonymität und der damit fehlenden Zuordnung der Dienststellen als nur bedingt repräsentativ zu werten ist. Insbesondere aus den RegSanEinr kamen nur wenige Rückläufer. Dennoch gehen die Autoren dieses Artikels davon aus, dass die erhobenen Daten mehr als einen Trend darstellen und in jedem Fall Optimierungspotenziale aufzeigen, da die 42 teilnehmenden aktiven und einsatzerfahrenen Sanitätsstabsoffiziere einen Großteil der einsatzfähigen Internisten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr darstellen.
Sicherheit im Umgang mit Interventionen und Diagnostik
Ein deutliches Verbesserungspotenzial sehen die Befragten in der aktuell fehlenden Sicherheit bei Maßnahmen im Rahmen der tropenmedizinischen Diagnostik. Hier geben mehr als 50 % an, dass sie diese nur teilweise beherrschen oder unsicher sind. Obwohl 31 % der Befragten angeben, regelmäßig tropenmedizinische Diagnostik durchzuführen, fühlen sich nur elf (26,2 %) „absolut sicher“ oder „sicher“ auf diesem Gebiet. Den Kontrast hierzu bildet die Notfallmedizin, in der sich 37 (88 %) der Befragten „sicher“ oder „absolut sicher fühlen“. Dabei kann jedoch die Notfallmedizin bei der überwiegenden Mehrheit nicht als Alltagsaufgabe betrachtet werden, sind doch die meisten Befragten (33 (76,2 %)) nicht arbeitstäglich in Rettungsstellen oder auf dem Notarzteinsatzfahrzeug eingesetzt. Dennoch scheint der starke Fokus der Bundeswehrausbildung auf die Notfallmedizin und die regelhafte Einbindung der Internisten in den Rettungsdienst der BwKrhs hier zu einer ausreichenden Sicherheit zu führen.Weiterhin wird auch in der Echokardiographie ein Optimierungsbedarf gesehen, sind doch diese Untersuchungen im Inland hauptsächlich den Kardiologen vorbehalten.
Bei den Gastroskopien gibt lediglich 1/7 der Befragten an, die Maßnahme nur teilweise zu beherrschen bzw. unsicher zu sein, was vor dem Hintergrund der immer wieder auftretenden oberen gastrointestinalen Blutungen [8] in den Einsätzen als relativ gut, aber nicht zufriedenstellend zu bewerten ist. Dabei sollte jeder im Einsatz tätige Internist in der Lage ist, eine obere gastrointestinale Blutung zu stillen. Durch die Verfügbarkeit von Hemospray® (hemostatic powder TC-325) beispielsweise gibt es eine effektive Methode, deren Einsatz von HADDARA et al. an über 200 Patienten erfolgreich getestet wurde. Dabei beschrieben 87,1 % der anwendenden Ärzte den Gebrauch als „easy“ oder „very easy“ [4]. Hemospray® ist bereits in den Einsatzlazaretten verfügbar und jeder Bundeswehrinternist sollte mit dem Umgang vertraut sein [8]. Rund 65 % der Befragten führten in den Einsätzen Gastroskopien durch.Strukturierte Einsatzausbildung
Ungeachtet der Empfehlungen der Konsiliargruppe Innere Medizin [7] zu regelmäßigen Ausbildungen und Rotationen, geben nur 26 % der Befragten an, eine Ausbildung vor einem Einsatz erfahren zu haben. Davon sind jedoch lediglich 2 Befragte im Rahmen strukturierter Rotationen ausgebildet worden, während die anderen über Freistellungen vom Dienst für selbst definierte Optimierungspotenziale berichten. Über die Hälfte der Befragten gibt an, ihre Ausbildung obliege der Eigeninitiative und über 25 % bemängeln fehlende Zeit für eine Ausbildung bei laufenden Dienstgeschäften (Abbildung 6). Diese Ergebnisse zeigen, dass eine strukturierte Ausbildung in den meisten Dienststellen nicht durchgeführt wird. Der Modus der „selbstgewählten“ Ausbildung, sofern sie denn überhaupt möglich ist, schlägt sich auch nicht in einer signifikanten Einschätzung der eigenen Sicherheit im Vergleich zu den Nicht-Ausgebildeten nieder.
Dagegen zeigen die Erfahrungen der US-amerikanischen Streitkräfte, dass bereits ein strukturierter Dreitageskurs Sicherheit und Wissen deutlich steigern kann [5]. Eine weitere Erhebung unter Internisten der US-amerikanischen Streitkräfte aus 2011 beschreibt das breite fachliche Spektrum der militärischen Internisten und sieht die Notwendigkeit zu regelmäßigen Simulationstrainings gegeben [6].
Schlussfolgerungen
Die Ausbildung zum „Einsatzinternisten“ sollte einem festen Curriculum, ggf. mit Rotation in die jeweiligen Funktionsbereiche, folgen. Dieses Vorgehen wurde bereits 2006 durch den damaligen Inspekteur des Sanitätsdienstes auf Rat der Konsiliargruppe Innere Medizin im „Katalog der einsatzbezogenen medizinischen Ausbildungs- und Inübungshaltungsziele für Sanitätsoffiziere“ [7] festgelegt. Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen jedoch, dass die Umsetzung der Festlegung nur selten stringent erfolgt ist. Kompentenzerhalt für vorgegebene Qualifikationen der Sanitätsstabsoffiziere Internist erfordert eine regelmäßige Wiederholung, um diese in die Lage zu versetzen, sich auch neuen Herausforderungen im Einsatz stellen zu können [2] und im Fall kurzfristig angeordneter Einsätze jederzeit abrufbar zu sein.
Dies kann im klinischen Alltag jedoch nur gelingen, wenn der zusätzliche Zeitansatz in der Personalplanung berücksichtigt wird, da eine fundierte Ausbildung zum „Einsatzinternisten“ bzw. der Kompetenzerhalt im laufenden Alltagsgeschäft der BwKrhs und RegSanEinr derzeit nicht sichergestellt werden kann. Dabei sollte in der Ausbildung vor allem auf ein breit angelegtes Basiswissen mit entsprechenden einsatzrelevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten fokussiert werden. So wird der Internist im Einsatz kaum ein „Tissue Doppler Imaging“ in der Echokardiographie oder eine Polypektomie während der Koloskopie durchführen müssen, während er jedoch durchaus in der Lage sein muss, echokardiographisch Klappenfunktion und Ejektionsfraktion abzuschätzen sowie Blutbilder zu differenzieren und Parasiten im Ausstrich zu erkennen. Zusätzliche Kurse, wie vom Fachbereich Tropenmedizin des BwKrhs Hamburg am Bernhard-Nocht-Institut bereits angeboten, könnten das curriculare Ausbildungskonzept unterstützen. Erfolgreich wird bereits der „Einsatzchirurgie-Kurs“ der Bundeswehr seit 1998 durchgeführt und in einer jüngst publizierten Selbsteinschätzung der Kursteilnehmer als eine wertvolle Vorbereitung eingeschätzt [1]. Hier besteht für die Innere Medizin Nachholbedarf.
Der „Arbeitskreis konservativ tätiger Sanitätsoffiziere“ (ARKOS) in der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. kann Impulse für ein umfassendes Ausbildungskonzept für „Einsatzinternisten“ schaffen. Dies wurde von der Konsiliargruppe Innere Medizin bereits initiiert. Zudem können in den BwKrhs Simulationsmöglichkeiten eingerichtet werden, in denen vor dem Einsatz fehlende oder nicht ausreichend vorhandene „Skills“ trainiert werden können.
Kernsätze
- Der zunehmenden Subspezialisierung im Fachgebiet Innere Medizin steht der Bedarf an „internistischen Generalisten“ in Einsätzen gegenüber.
- Trotz bestehender Defizite in der sicheren Beherrschung einsatzrelevanter internistischer Fähigkeiten ist eine curriculare einsatzbezogene fachliche Ausbildung in den meisten Dienststellen bisher nicht implementiert.
- Die Mehrzahl der Befragten sieht bei sich einen deutlichen Mangel an Sicherheit bei der Durchführung tropenmedizinischer Diagnostik im Gegensatz zu einer umfassenden Sicherheit im Bereich der Notfallmedizin.
- Die Ausbildung zum „Einsatzinternisten“ sollte einem festen Curriculum folgen, und vorgegebene Qualifikationen für einen Kompetenzerhalt müssen regelhaft wiederholt werden.
- In Bezug auf die zukünftige Sicherstellung von fundierter Ausbildung und Kompetenzerhalt von „Einsatzinternisten“ besteht Handlungsbedarf.
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Interessenkonflikt:
Die Verfasser erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Zitierweise:
Henke O, von Schassen C, Baumgarten U, Müller N: Der Internist im Einsatz – ein „Einsatzinternist“? - Eine Umfrage zu bestehenden und benötigten fachlichen Voraussetzungen sowie der Umsetzung einer strukturierten Einsatzvorbereitung für Internisten der Bundeswehr. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61(7): 166 - 172.
Citation:
Henke O, von Schassen C, Baumgarten U, Müller N: Internists in Military Deployments – A survey to assess existing and required skills and the implementation of a structured deployment preparation programme for Bundeswehr internists. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61(7): 166 - 172.
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Nicole Müller
Abteilung für Innere Medizin am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Lesserstrasse 180, 22049 Hamburg
E-Mail: Nicole6 mueller@bundeswehr.org
[1] Erklärung der Missionsabkürzungen:
KFOR = Kosovo Force ; SFOR = Stabilization Force (Bosnien und Herzegowina); ISAF = International Security Assistance Force (Afghanistan); RSM = Resolute Support Mission
EUTM Mali = European Union Training Mission; UNIFIL = United Nations Interim Force in Lebanon
Datum: 02.08.2017
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2017/7