STRUKTURIERTES INNERKLINISCHES NOTFALLMANAGEMENT IM BUNDESWEHR-ZENTRALKRANKENHAUS
AKTUELLE ANSÄTZE IN PRÄVENTION, SCHULUNG UND SIMULATION
Aktuell ereignen sich circa 60% aller Herz-Kreislaufstillstände in Deutschland in Krankenhäusern. Mit einer Überlebensrate von nur 11% innerhalb der Krankenhäuser sind die Aussichten des Patienten, diesen ohne weitere Schädigung zu überstehen ähnlich wie zu Hause.
Daher empfiehlt das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR), das innerhalb von Kliniken in ALLEN Bereichen ein “collapse-to-shock Intervall“ von unter 3 Minuten zu erreichen ist . Diese Zeit soll auch nach den aktuellen Guidlines 2010 gehalten werden.
In den 2005 erschienen Leitlinien der American Heart Association (AHA) und des European Resuscitation Council (ERC) wird eindeutig der Stellenwert der Qualität der mechanischen Reanimation betont, sowie eine frühe Defibrillationsmöglichkeit gefordert, welche auch von nicht-ärztlichem Personal durchgeführt werden soll. Beispiele, wie das Aushängen öffentlich zugänglicher Automatischer Externer Defibrillatoren (AED), prägen in den letzten Jahren die hierzu geführte Diskussion und zeigen, dass auch nicht ausgebildetem Personal und Laienhelfern diese Fähigkeit zugesprochen wird . Die seitdem erweiterte Studienlage konnte diese Auffassung nur bestätigen, vor allem wenn Personal mit einem innerklinischen Herz-Kreislaufstillstand konfrontiert wird, bei dem es nicht zur Routine gehört.
Bisher wurden in den Bundeswehrkrankenhäusern innerklinische Notfälle meist durch Personal der Intensivstationen behandelt. Einheitliche Notrufnummern in den Krankenhäusern erleichtern die schnelle Anforderung. Trotz all dieser Bemühungen bleibt weiterhin die Frage, in wieweit eine sich anbahnende vitale Gefährdung der uns anvertrauten Patienten vorhergesagt werden kann.
Hierzu hat das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz eine Fachgruppe internes Notfallmanagement gebildet, deren Aufgabe es ist, die vorhandenen Fähigkeitslücken zu identifizieren und Handlungsabläufe zu optimieren. Gemäß Chefarztbefehl sind folgende Aufgabenbereiche definiert:
Fachgruppe Internes Notfallmanagement (FIN)
- betreut die aufzustellenden AED im BwZK,
- berät Chefarzt und S4 Offz bei Beschaffung und Unterhalt der vorhandenen Notfallwagen,
- führt AED und BLS - Schulungen aller Zivilbediensteten und Soldaten des BwZKrhs innerhalb von 2 Jahren durch, • plant Schulungen in Zusammenarbeit mit S3 Fw,
- erarbeitet mit Chefarzt und den Abteilungen I und X ein Konzept zur Etablierung eines Critical Care Support / Medical Emergency Team zur besseren Betreuung potentiell überwachungspflichtiger Patienten auf Normalstationen, • führt ACLS Schulungen der Intensivstationen durch,
- stellt sicher, dass sämtliche Schulungen auf dem neusten Stand gemäß den Empfehlungen der American Heart Association,
- optimiert in Zusammenarbeit mit PDL die Überwachungskonzepte von Patienten durch Etablierung eines Early Warning Scores.
Die Fachgruppe internes Notfallmanagement ist wie folgt aufgebaut:
Beratender Arzt: Facharzt für Anästhesiologie
Koordinatoren: Fachpfleger für Anästhesie / Intensivmedizin
Ausbilder: Fachpfleger und Krankenpfleger, die über einen aktuellen ACLS-Provider Kurs verfügen. Ziel ist es, alle als Heart-Saver, BLS und ACLS Instruktoren der American Heart Assiciation (AHA) auszubilden.
Prävention
Im Rahmen der Prävention ist es erklärtes Ziel, die Anzahl der Herz-Kreislauf-Stillstände in unserem Krankenhaus zu reduzieren. Hierzu soll eine Implementierung eines Early- Warning-Score erfolgen. Studien haben gezeigt, dass sich ein Herz-Kreislaufstillstand bis zu 6 Stunden vorher durch schleichende Verschlechterung ankündigt. Ziel des Early- Warning-Scores ist es, anhand von physiologischen Parametern dieses Patientenklientel, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch auf Normalstation befindet, frühzeitig zu detektieren und therapieren (Abb. 1).
Abhängig von dem erreichten Punktwert ergibt sich für das Pflegepersonal eine Handlungskonsequenz:
1-2 Punkte: Halbierung des bisher angeordneten Überwachungsintervalls
3-4 Punkte: Information des Stationsarztes 5 und mehr Punkte: Information des Critical Care Supportes, d.h. ein erfahrener Intensivmediziner kommt in Begleitung einer Fachpflegekraft für Anästhesie und Intensivmedizin auf die Normalstation, um dem Stationsarzt beratend zur Seite zu stehen und ggf. Therapievorschläge zu machen. Ziel ist es, zum einen eine weitere Verschlechterung zu vermeiden, zum anderen eine ungeplante Zuweisung auf die Intensivstation zu verhindern, bzw. frühzeitig planen zu können. Ungeplante, notfallmäßige Zuweisungen auf eine Intensivstation gefährden nicht nur den aufzunehmenden Patienten, sondern auch einen möglicherweise im Gegenzug zu verlegenden Patienten, der eigentlich noch auf der Intensivstation bleiben sollte. Um den Critical Care Support zu optimieren haben wir in unserer apparativen Konzeption Wert auf ein entsprechendes Equipment gelegt.
Das Team soll mit einem Defibrillator ausgestattet sein, der auch über 12-Kanal EKG, Pulsoxymetrie, NIBP, etCO2, arterielle RRMessung und Temperatur verfügt. Zudem wird ein Notfallrucksack mitgeführt, der mit allen gängigen Notfallmedikamenten ausgestattet ist und alle Mittel zur Atemwegssicherung beinhaltet (Abb. 2).
Schulung
Die Schulung aller Mitarbeiter, egal ob Verwaltungsangestellte oder Fachärzte erfolgt nach den Richtlinien der AHA. Wir haben uns auf diesen Standard geeinigt, da die Sanitätsakademie der Bundeswehr nach diesen Richtlinien unterrichtet. In 2011 wird das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz offizielle Traings-Site der AHA, der Sanitätsakademie als Trainings- Center der AHA angegliedert. Somit können wir einen einheitlichen Standard innerhalb der Bundeswehr fortführen und vermeiden Reibungsverluste in der Abstimmung zwischen Arzt und Pflegepersonal. Für die High-Care Bereiche (Intensivstationen, Intermediate-Care, Notaufnahme, Rettung, Anästhesie) ist eine Advanced- Cardiac-Life-Support- Provider Schulung nach den Richtlinien der AHA zweijährlich verpflichtend.
Bisher wurde rund 700 Mitarbeiter des BwZK geschult. Jede BLS Schulung wird von der Bezirksärztekammer mit 5, jeder ACLS-Kurs mit 24 Fortbildungspunkten zertifiziert (Abb. 3).
Apparative Ausstattung
In den Krankenhäusern der Bundeswehr werden Soldaten und zivile Patienten nach einem hohen fachlichen Standard behandelt. Ziel ist die baldige Rekonvaleszenz unter Gewährleistung einer der aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen folgenden Therapie. Hierzu zählen auch eine gute notfallmedizinische Ausstattung der einzelnen Funktionsbereiche wie OP, Intensivstationen, Notaufnahme, peripherer Stationen und den Fachuntersuchungsstellen. In weiten Teilen sind diese mit Akut-Behandlungswagen ausgestattet, welche größtenteils 1998 angeschafft wurden.
Hierzu wurde von uns eine Neuentwicklung eingeleitet, indem nach intensiver Literaturrecherche, Marktsichtung und Auswertung der eigenen innerklinischen Verhältnisse eine „Qualifizierte Initiative“ und ein KVP-Vorschlag erarbeitet wurden. Hier liegt die Betonung auf Einfachheit, Effizienz und Kompatibilität. Ziel ist es, dass die eingesetzten Defibrillatoren untereinander kompatibel sind, so dass es zu keinen Zeitverzögerungen kommt, wenn das Reanimationsteam in die laufende Reanimation einsteigt und sukzessive die Leitung übernimmt.
Zum anderen müssen die Gerätschaften den Anforderungen der Bereiche genügen, in denen sie verwendet werden. In den sog. High- Care Bereichen müssen die Defibrillatoren über ein größeres Leistungsspektrum verfügen, als auf den Normalstationen. Frühe Defibrillation – Wiederbelebung plus Defibrillation innerhalb von 3 - 5 Minuten nach dem Herz-Kreislaufstillstand erhöht die Überlebensraten auf 49% bis 75%. Jede Minute Verzögerung vor der Defibrillation vermindert die Wahrscheinlichkeit des Überlebens bis zur Entlassung aus der Klinik um 10% -12%, nach den neuen Guidlines des ERC von 2010. Neben Effizienz und Kompatibilität spielt auch das Gewicht und die Größe der Ausrüstung eine Rolle, damit auch eine Benutzung in beengten Raumverhältnissen erfolgen kann. Ebenfalls kommt den Gerätschaften bei Verlegung oder Transport von überwachungspflichtigen Patienten zu Untersuchungen oder Therapien Bedeutung zu. Hier ist es das Ziel, dass sie problemlos an das Patientenbett angebracht werden können und den Transport nicht weiter behindern. Vorgeschlagen sind folgende Komponenten:
AED Pro der Firma Zoll (Abb. 4)
Dieses Gerät verfügt als einziger auf dem Markt befindliche AED über real CPR help und see-thru CPR. Dies bedeutet, dass der Anwender vom Gerät ein feed-back über die Qualität seiner Herz-Druck-Massage erhält. Das Gerät wertet die Drucktiefe und die Frequenz aus und gibt dem Anwender einen akustischen und optischen Hinweis über die CPR, ob die Drucktiefe gut ist, tiefer gedrückt oder mehr entlastet werden soll. Hierzu ist ein Beschleunigungssensor in den CPR statt pads eingearbeitet.
Durch die see-thru Technologie kann der Anwender ein von CPR-Artefakten bereinigtes EKG sehen, welches ihm ein frühzeitiges Reagieren auf Rhythmusänderungen erlaubt. Ebenfalls verfügt der AED PRO über eine 3-Kanal Ableitung zur Überwachung von Patienten. Man kann ebenfalls problemlos diesen AED als Halbautomaten, aber auch halbautomatisch mit manueller Bedienung und voll manuell verwenden.
Die E-Serie, welche vom Reanimationsteam und vom Critical-Care-Support genutzt werden sollen verfügt ebenfalls über die real CPR help und die see-thru CPR Technologie. Somit kommt es zu keiner Zeitverzögerung durch Umstellung vom AED PRO auf die E-Serie im Rahmen der laufenden Reanimation. Ein weiterer Vorteil der see-thru CPR Technologie ist, dass die Analyse des Rhythmus während der laufenden CPR erfolgt, unabhängig ob eine halbautomatischer oder ein manueller Modus gewählt wurde und somit die Defibrillation kein diagnostisches Fenster ohne CPR erfordert. Lediglich während der Schock - abgabe muss die CPR kurzfristig unterbrochen werden, was aber zeitgleich zum Wechsel der kardiokomprimierenden Person genutzt werden kann.
Über die aufgeklebten Pads kann eine Kardioversion, aber auch ein externes Pacing erfolgen. Das vorhandene 12- Kanal EKG ermöglicht es, im Anschluss an eine erfolgreiche Reanimation eine weitere Diagnostik zeitnah und verzugslos durchzuführen, damit der Patient ggf. zügig einer weiteren interventionellen kardiologischen Diagnostik zugeführt werden kann. Die Kapnometrie ermöglicht es, bei intubierten und beatmeten Patienten die Tubuslage zu verifizieren und gibt indirekt Rückschlüsse über die Qualität der CPR. Ebenfalls verfügt das Gerät über eine automatische NIBP-Messung und eine Pulsoxy - metrie. Außerdem können Anwendungen retrospektiv über eine USB-Schnittstelle ausgewertet werden und somit zur Qualitätssicherung beitragen.
Beide Defibrillatoren geben einen biphasischen Impuls bei der Defibrillation ab, welcher dem monophasischen Impuls des bisher verwendeten Defiguard 2002 überlegen ist (Abb. 5).
Medumat Easy CPR der Firma Weinmann (Abb. 6)
Der MEDUMAT Easy von Weinmann als Beatmungsgerät in Kombination mit einer 2l Aluminium O2-Flasche in einem Rucksack. Dazu eine O2-Inhalation mittels des OXYWAY Fast II, einem T-Stück zum Anschluss an eine zentrale Gasversorgung. Ebenfalls enthalten ist eine Absaugeinheit, die ACCUVAC Basic mit Wandhalterung zur Anbringung an den Gerätewagen.
Der MEDUMAT Easy ist ein einfach und sicher zu handhabendes Beatmungsgerät, welches eine kontrollierte Beatmung mit der Möglichkeit eines Demand-Flow anbietet. Durch die Umschaltmöglichkeit zwischen Masken und Tubusbeatmung wird automatisch eine Drucklimitierung vorgenommen. Ebenfalls verfügt das Gerät über eine Sprachführung, welche dem ungeübten Anwender schnell und einfach die Bedienung erläutert und Fehler zu vermeiden hilft. Sein Gewicht mit 0,6 kg trägt zur Anwenderfreundlichkeit bei.
Durch die Positionierung des MEDUMAT Easy im RESCUE-PACK Notfallrucksack kann ein schneller Transport und eine zusätzliche Verwendung des Stauraums für Beatmungsutensilien ermöglicht werden. Ziel ist es, diesen Rucksack mit Larynxtuben der Größen 4 und 5, Güdel- und Wendltuben sowie dem Beatmungsbeutel auszustatten, so dass alles zum Airwaymanagement erforderliche Material in einem greifbar ist.
Die ACCUVAC basic ermöglicht es, nicht wie bisher auf Kosten des O2-Vorrates eine Absaugung von Sekret durchzuführen. Wichtig ist und die Verwendung von Einweg-Sammel-behältern für die Sekretabsaugung, damit hier kontaminiertes Material nicht aufwendig aufbereitet werden muss, sondern hygienisch einwandfrei entsorgt und durch neues ersetzt werden kann.
Zusätzlich ist das smartOx zur nicht-invasiven Messung der Sauerstoffsättigung enthalten. Da auf Normalstation der AED PRO eingesetzt werden soll, dieser aber im Gegensatz zu der E-Serie nicht über eine SaO2 Messung verfügt, haben wir hierfür das smartOx vorgesehen. Ziel ist es wiederum ein Grundmonitoring des Patienten zu ermöglichen, das alle wesentlichen Parameter umfasst. Hierzu gehören neben der Herzfrequenz, dem EKG, dem Blutzucker, dem Blutdruck auch die Sauerstoffsättigung!
Weitere Ausstattung der Notfallwagen:
Larynxtuben der Größe 4 und 5. Verzicht auf Endotrachealtuben! Diese werden lediglich durch das Notfallteam zum Einsatzort gebracht, da die endotracheale Intubation dem höchstqualifizierten unter Beibehaltung der Cardiokompression vorbehalten bleiben sollte.
Standarddisierte, einheitliche medikamentöse Ausstattung aller Notfallwagen. Eine Schublade bleibt frei, damit jede Station auf individuelle Bedürfnisse zugreifen kann. So hat zum Beispiel eine HNO Station einen anderen Bedarf als eine dermatologisch Station.
Simulation
Seit alle Bundeswehrkrankenhäuser mit dem SimMan der Firma Laerdal ausgestattet wurden, hat sich im Bundeswehrzentralkrankenhaus die FIN bereit erklärt, diese Simulatoren zu betreuen und weitere Ausbildungsinhalte anzubieten. Der SimMan lässt eine Vielzahl unterschiedlicher Szenarien zu, die von den Anzeigen der vierschiedenen Vitalparameter inclusive pulmonal-arterieller Drücke, über die Auskultationmöglichkeit verschiedenre pulmonaler und kardialer Pathologika bis hin zur Simulation von Extre mitäten-Ab riss - verletzungen und Schussverletzungen reicht. Um diese Fähigkeiten gewinnbringend in die Ausbildung einfliessen zu lassen, wird regelmäßig ein Workshop für die Assistenzärzte der Abteilung X in der Behandlung und Therapie spezieller anästhesiologischer Krankheitsbilder in Narkoseeinleitung und perioperativer Betreuung angeboten. Hierzu werden gezielt abgelaufene Medikamente genutzt, unter anderem auch Dantrolen zur Simulation der malignen Hyperthermie.
Ebenfalls geplant ist die Nutzung im Bereich der Notaufnahme und Rettungsdienst. Hier sollen Schockraum-szenarien und Probleme bei Intensivtransporten simuliert werden (Abb. 7).
Zusammenfassung
In der Fachgruppe internes Notfallmanagement hat das Bundeswehrzentralkrankenhaus eine Gruppe hochmotivierter Mitarbeiter, die sehr um die Qualität und die Sicherheit der ambulanten und stationären Patienten verpflichtet ist. Alle Mitglieder dieses Teams sind freiwillig und nebenamtlich tätig. Im Rahmen der Joint Commision International-Zertifizierung wurde die Arbeit von der Prüfungskommision sehr positiv bewertet.
Ein Ausbringen dieser Fähigkeiten als Teileinheit der Anästhesieabteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser muss organisatorische und personelle Grundlage für das dauerhafte Bewältigen dieser komplexen Aufgaben sein.
Literatur beim Verfasser.
Datum: 29.08.2011
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2011/2