Sanitätsdienstliche Versorgung im maritimen UN-Einsatz am Beispiel UNIFIL
Als einer der ältesten friedenserhaltenden Einsätze der UN beteiligt sich die Marine seit 2006 auf Grundlage einer UN-Resolution am UNIFIL-Einsatz (United Nations Interim Force in Lebanon).
Als einer der ältesten friedenserhaltenden Einsätze der UN beteiligt sich die Marine seit 2006 auf Grundlage einer UN-Resolution am UNIFIL-Einsatz (United Nations Interim Force in Lebanon).
Mit maritimen Operationen vor der libanesischen Küste, die in den vergangenen Jahren von einer Korvette, Minensuchbooten, Minenjagdbooten, Fregatten, Tendern und Schnellbooten durchgeführt wurden, soll der Waffenschmuggel an die Hisbollah unterbunden werden. Dabei erstreckt sich die Area of Maritime Operation (AMO) bis zu 50 Seemeilen westlich der libanesischen Küste. Weiterhin wird der libanesischen Marine militärische Ausbildungsunterstützung geleistet, um diese auf die Übernahme der alleinigen Verantwortung für die territorialen Gewässer vorzubereiten. Das deutsche UNIFIL-Einsatzkontingent besteht gegenwärtig aus ca. 150 Soldaten, die aufgrund der einsatzbedingten Rahmenbedingungen entweder auf den seegehenden Einheiten, auf dem libanesischen Festland im UN-Headquarter in Naqoura an der Grenze zu Israel, oder an der Jounieh Naval School bei Beirut, sowie im Basislager in der Hafenstadt Limassol auf Zypern stationiert sind. Die Gewährleistung der sanitätsdienstlichen Versorgung der deutschen Kontingentangehörigen, die sich über Distanzen von bis zu
400 km auf zwei Staaten verteilen, stellt dabei eine der wesentlichen Herausforderungen für den Leitenden Sanitätsoffizier (LSO) dar.
Grundsätzlich liegt die sanitätsdienstliche Versorgung der deutschen Kontingentsoldaten in nationaler Zuständigkeit. Dabei führt der LSO das ihm unterstellte Sanitätspersonal fachdienstlich und stellt für das deutsche Einsatzkontingent die notfallmedizinische und truppenärztliche Versorgung sicher. In Limassol steht ihm dafür ein Sanitätscontainer in der Role 1 zur Verfügung, im Rahmen von medizinischen Notfällen oder bei entsprechender Indikation wird auf den auf Zypern sehr gut ausgebauten Host Nation Support als Role 2 und 3 zurückgegriffen. Die medizinische Behandlung durch den zypriotischen Host Nation Support entspricht weitestgehend westeuropäischem Standard. Im Rahmen der Kooperation mit dem zypriotischen Gesundheitssystem fanden in der vergangenen Zeit auch regelmäßige Blutspendeaktionen des deutschen Einsatzkontingentes für die zypriotische Bevölkerung statt. Unterstützt wird der LSO auf Zypern von einem Rettungsassistenten, der unter anderem die Facharzttermine von Soldaten und den entsprechenden Transport dorthin koordiniert sowie die Bewirtschaftung des Kontingents mit Sanitätsmaterial sicherstellt. Für die Betreuung von tauchmedizinischen Unfällen steht eine Taucherdruckkammer in Larnaca auf Zypern zur Verfügung.
Die Role 1 der seegehenden Einheiten des Einsatzkontingentes wird an Bord von einem Sanitätsmeister abgebildet, der ausgebildeter Rettungsassistent ist. Auf einer Korvette steht dem Sanitätsmeister dazu ein Schiffslazarett zur Verfügung, welches Patienten notfallmäßig stationär betreuen kann und über eine medizinische Zusatzausstattung wie beispielsweise ein SonoSite-Gerät oder eine kleine Laboreinheit verfügt. Bei Notfällen auf See mit der Notwendigkeit eines schnellen Patiententransports in eine geeignete medizinische Einrichtung kann auf einen zypriotischen SAR-Hubschrauber zurückgegriffen werden. Die in Beirut stationierten Soldaten werden allgemein- und notfallmedizinischen durch den libanesischen Host Nation Support versorgt. Die im UN-Headquarter in Naqoura befindlichen deutschen Soldaten werden primär durch einen österreichischen Sanitätsoffizier truppenärztlich betreut. Es steht zudem ein indisches Field Hospital (Role 2) mit einer Chirurgengruppe bereit. Die medizinischen Einrichtungen des libanesischen Host Nation Support werden bei Dienstreisen in den Libanon regelmäßig von dem LSO besucht und reevaluiert. Der LSO steht auch mit dem FMO (Force Medical Officer) in Naqoura in Kontakt und informiert diesen über vorgenommene Repatriierungen im Rahmen des STRATAIRMEDEVAC, welches jedoch in nationaler Verantwortung durchgeführt und in der Regel über die zypriotischen und libanesischen Flughäfen abgewickelt wird.Neben der Sicherstellung der sanitätsdienstlichen Versorgung aller Kontingentsoldaten wird durch den LSO und seine Rettungsassistenten für die Ausbildung der libanesischen Marine auch ein sanitätsdienstlicher Beitrag im „Ausbildungskommando Libanon“ geleistet.
Weitere Nebenaufgaben des LSO sind die Sicherstellung der Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene im Einsatz, die Bewirtschaftung des Kontingents mit Sanitätsmaterial und Arzneimitteln sowie die Umsetzung von arbeitsmedizinischen Maßnahmen. Er stellt für den Kontingentführer einen Ansprechpartner in allen sanitätsdienstlichen Angelegenheiten dar und steht auch in engem Kontakt zum Einsatzführungs- und Marinekommando.
Der UNIFIL-Einsatz zeichnet sich durch sein vielfältiges Aufgabenspektrum aus. Die von See- und Luftfahrtverkehr stark frequentierte AMO eröffnet immer wieder Möglichkeiten, dass sowohl die seegehenden Einsatzeinheiten als auch das an Land eingesetzte Personal mit unvorhersehbaren Ereignissen konfrontiert werden. Die größte maritime und sanitätsdienstliche Hilfsleistung fand 2009 statt, als vor der libanesischen Küste der Landviehtransporter Danny FII in schwerer See sank und sich die deutschen Einheiten an einer seemännischen Rettungsaktion beteiligten. Unter widrigen äußeren Bedingungen wurden damals 25 Crewmitglieder der Danny FII lebend geborgen. Kleinere Hilfsaktionen fanden auch 2014 statt, als bei einem schweren zivilen Verkehrsunfall durch das zufällig vorbeifahrende Sanitätspersonal Erste Hilfe geleistet wurde und als die Korvette Braunschweig im Oktober 2014 bei einer Bergungsaktion nach einem Flugzeugabsturz Unterstützungsarbeit beim Suchen und Bergen der Wrackteile leistete. (Abb. 3)
Seit nunmehr neun Jahren trägt die deutsche Marine durch ihre Beteiligung am UNIFIL-Einsatz zur Stabilität des Libanon im Krisengebiet Nahost bei. Durch die maritimen Operationen in der AMO wurden die Daten sämtlicher Schiffe in den libanesischen Hoheitsgewässern überprüft und auffällige Schiffe im Verdachtsfall durch die libanesische Behörde kontrolliert, so dass insgesamt der Waffenschmuggel in der Region deutlich minimiert werden konnte. Der libanesischen Marine wird unermüdlich eine auf ihren individuellen Fortschritt zugeschnittene Ausbildungsunterstützung gewährleistet, um sie perspektivisch auf die alleinige Übernahme der militärischen Operationen vorzubereiten. Obwohl sich durch die Dislozierung von Kontingentanteilen unterschiedliche sanitätsdienstliche Versorgungskonzepte ergeben, hat der Marinesanitätsdienst für das deutsche Einsatzkontingent eine dem deutschen Standard entsprechende medizinische Versorgung etabliert. Darüber hinaus konnte durch die Präsenz der deutschen Marine im östlichen Mittelmeerraum im Betrachtungszeitraum mehreren havarierten Handelsschiffen und weiteren Einheiten Seenothilfe mit medizinischer Versorgung von Besatzungsmitgliedern geleistet werden.
Datum: 30.10.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/3