Reserve im Sanitätsdienst der Bundeswehr
Konzeption, Weiterentwicklung und Zielvorstellungen
S. Bölke
Die Bedeutung der Reserve und der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) zeigt sich fortwährend in der laufenden Covid-19-Pandemie. Die ZMZ ist hierbei die Schnittstelle zwischen dem zivilen Gesundheitswesen und dem Sanitätsdienst der Bundeswehr (SanDstBw). Von Beginn an waren Reservist*innen eine wichtige personelle Komponente in der Pandemiebekämpfung.
Langfristig und vor dem Hintergrund der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV), den damit einhergehenden Erfordernissen der Konzeption der Bundeswehr sowie der Strategie der Reserve ist der SanDstBw zur Erfüllung seiner Aufgaben auf eine fachlich qualifizierte Reserve angewiesen. Der Fokus liegt vor allem auf Reservist*innen mit medizinischen Qualifikationen, zum Beispiel einschlägigen militärischen oder zivil erworbenen Abschlüssen oder einem Studium. Ziel bleibt die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit des SanDstBw im gesamten Aufgabenspektrum, ohne dabei – das heißt bei Rückgriff auf zivile Ressourcen – das Gesundheitssystem zu beeinträchtigen.
Unter der Leitlinie „Reserve ist immer mitzudenken“ werden im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) derzeit Grundlagen und Strukturen für die Reserve im SanDstBw erarbeitet, ausgeplant und zukunftsfähig weiterentwickelt. Hinsichtlich der Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie und den konzeptionellen Überlegungen zur Reserve im SanDstBw werden dabei zwei wesentliche Bereiche betrachtet: Einsatz sowie Gewinnung, Qualifizierung und Inübunghaltung von Reservist*innen.
Einsatz von Reservist*innen
Im Verlauf der Covid-19-Pandemie wurden Reservist*innen vor allem in den Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs) und im Rahmen der erweiterten Amtshilfe eingesetzt. Die übergreifende Bearbeitung von Amtshilfeanträgen im Rahmen der ZMZ sowie die anschließende Koordination für den Einsatz von Reservist*innen im Kdo SanDstBw erfolgte aus dem Einsatzführungszentrum Sanitätsdienst, unterstützt durch den Fachbereich für Reservistenangelegenheiten IX 4. Im Bereich der Amtshilfen wurden vor allem Ärzte in Gesundheitsämtern, Pflegepersonal sowie Notfall- und Rettungssanitäter in Einrichtungen, die durch hohe Infektionszahlen nur noch eingeschränkt arbeitsfähig waren, eingesetzt. Neben der Bereitschaft zur Ableistung eines Reservistendienstes (RD) bei zivilberuflicher Abkömmlichkeit ist die Vorlaufzeit für die Bearbeitung von Anforderungen für einen RD ein zentraler Faktor für den Einsatz von Reservistendienstleistenden (RDL). Die Heranziehung zu einem RD bedarf aktuell einer Vorlaufzeit von mindestens acht Wochen. Dadurch wurde der Einsatz von RDL in der Amtshilfe deutlich erschwert. Dies führte vermehrt zu einem Einsatz in den BwKrhs.
Der Einsatz von Reservist*innen im SanDstBw richtet sich künftig wieder stärker an den Erfordernissen des sanitätsdienstlichen Beitrags im Rahmen der LV/BV sowie einer multinational angelegten kollektiven Verteidigung aus. Das bedeutet zugleich einen Paradigmenwechsel hin zum deutlichen Ausbau von Dienstposten in der Verstärkungsreserve, vor allem für die personelle Aufwuchsfähigkeit der BwKrhs sowie die Verstärkung der Rettungskette im Bereich der Behandlungsebenen 3 und 4. Darüber hinaus sind Reservist*innen in der ZMZ weiterhin ein wichtiges Bindeglied zur Zivilbevölkerung und zu Behörden. Die Verbindungskommandos Sanitätsdienst bei den Landeskommandos und Landesregierungen sowie die Kräfte in den Bezirks- und Kreisverbindungskommandos leisten hier eine flächendeckende, ebenen- und sachgerechte sanitätsdienstliche Beratung.
Gewinnung, Qualifizierung und Inübunghaltung von Reservist*innen
Als Blaupause des SanDstBw für die Weiterentwicklung der Reserve und den konkreten Bedarf dient das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr 2031. Ziel ist eine verlässliche Reserve im SanDstBw, bestehend aus examinierten Fachkräften einerseits sowie aus Kräften mit allgemein-militärischen Fähigkeiten andererseits. Daher ist die Gewinnung von Reservist*innen auch künftig eine wichtige Aufgabe auf allen Ebenen im SanDstBw.
Eine Säule bildet hier die ab Oktober 2021 beginnende Grundbeorderung aller wehrdienstfähig ausscheidenden Soldat*innen auf einem Dienstposten der Reserve. Darüber hinaus wird aber auch eine Gewinnung von geeigneten Reservist*innen aus dem Personenkreis der allgemeinen Reserve, von ehemaligen Berufssoldat*innen über 57 Jahren und den sogenannten Seiteneinsteigenden unerlässlich sein, um den angestrebten Beorderungstand zu erreichen. Besonders für die Aufgaben der ZMZ bedarf es regional ansässiger Reservist*innen. Für alle im SanDstBw beorderten Reservist*innen werden unter dem Aspekt der Attraktivität von RD und persönlicher Kompatibilität für die RDL Grundlagen für die laufbahn- und dienstpostenbezogene Qualifizierung und Inübunghaltung ausgearbeitet und in einem „Konzept der Reserve des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ niedergelegt.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2021
Oberleutnant d. R. S. Bölke
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Von-Kuhl-Str. 50, 56070 Koblenz
E-Mail: KdoSanDstBwReserve@bundeswehr.org