Möglichkeiten der Prozessoptimierung an militärmedizinischen Einrichtungen
Darstellung der Implementierung eines Aufnahmeelementes chirurgischer Fächer am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Innerhalb des Gesundheitswesens besteht ein ausgesprochener Wettbewerb um die vorhandenen Ressourcen. Als zentrale und begrenzte Ressourcen können hier der Patient, das eigene Personal, die Materialausstattung sowie die räumliche Struktur betrachtet werden.
Insbesondere die wirtschaftlich orientierten Anbieter am Gesundheitsmarkt zeigen eine rasche und zielgerichtete Strukturanpassung in Bezug auf das eigene Personal, die Infrastruktur, den Materialeinsatz, die Patientenbindung und die damit verbundenen Prozessstrukturen.
Eine vergleichbar schnelle Anpassungsnotwendigkeit und Anpassungsfähigkeit bestehen für die Bundeswehrkrankenhäuser, begründet in einem differenten Unternehmensziel mit nachrangiger Gewinnoptimierung nicht. Langfristig geltende Organisationsgrundlagen zu der Personalstärke ohne kurzfristige Anpassungsmöglichkeit an gestiegenen Personalbedarf bei gleichzeitig gedeckeltem Personalpool ist ein weiterer wesentlicher Unterschied. Auch ist das auf der Grundlage von Materialprogrammen vorhandene und ggf. sehr weit im Voraus geplante Material selten abteilungsübergreifend organisiert. Eine ähnliche Problematik besteht für die Anpassung des Raumbedarfs. Hier findet sich in der Regel ein ausschließlich an den Abteilungsstrukturen orientiertes Raumnutzungssystem, welches interdisziplinäre, zeitoptimierte Raumnutzung bisher nur selten umsetzt. Insgesamt ergibt sich aus einer derartigen Organisationsstruktur mit nachfolgenden Prozessstrukturen ein eher parallel verlaufendes, zögerlich veränderliches und nur ansatzweise für die interdisziplinäre Nutzung vorgesehenen System.
Dennoch besteht unstrittig die Notwendigkeit der Prozessoptimierung, zumindest jedoch der regelmäßigen Prozessanpassung.
Prozessanpassungen und -optimierungen werden immer dann erforderlich, wenn erkannte neue Anforderungen oder gar Qualitätsmängel eine Reaktion erfordern. Diese ergeben sich primär aus den Erfordernissen vor Ort und Entwicklungen einer Abteilung bzw. eines Hauses. Bei Veränderung etablierter Prozesse müssen die Abteilungserfordernisse und Abteilungsschwerpunkte unbedingt Eingang finden. Sie betreffen den Raum- und Materialbedarf sowie in besonderer Weise den Einsatz des zu Verfügung stehenden Personals. Die Notwendigkeit zur kontinuierlichen Prozessoptimierung ist für alle in einem Krankenhaus tätigen Mitarbeiter unstrittig. Sie sollte regelmäßig erfolgen und strukturiert kontrolliert werden.
Eigene Ausgangsüberlegungen
Ein zwingend notwendiger und in der Regel für jedes Fachgebiet abteilungsintern standardisiert ablaufender Prozess innerhalb eines Bundeswehrkrankenhauses ist die prästationäre und stationäre Aufnahme eines eingewiesenen, elektiven Patienten. Der Patient, der in diesen Prozess eingebracht wird, ist in der Regel über die Indikationssprechstunde bekannt und terminiert. Der Prozess der elektiven Patientenaufnahme verlief typischerweise und durchaus tradiert für jede Abteilung parallel und zeitgleich in dislozierten Bereichen, je nach gewachsener Zuordnung in der fachärztlichen Untersuchungsstelle oder auf der Station ab.
Die Aufnahmeorganisation als Prozess
Der Aufnahmeprozess läuft arbeitstäglich in allen elektiv aufnehmenden Abteilungen nach jeweils eigenen aber dennoch vergleichbaren Standards ab. Hierbei wird typischerweise auf abteilungseigenes Personal, Material und eigene Räumlichkeiten, wie z. B. fachärztliche FU-Stelle oder Station zurückgegriffen. Der Patientenaufnahmeprozess liegt traditionell in der Organisationsverantwortung der einzelnen Abteilungen. Es ergaben sich jedoch multiple Überschneidungen mit sehr ähnlichen Prozessen anderer Abteilungen. Die Patientenbewegungen im Haus wiesen in der Regel Überschneidungen und nur wenig gesteuerte Schlüsselstellen auf. Regelmäßig kam es hier zu Überlagerungen und Konflikten mit dem parallel ablaufenden Prozess der Patientenentlassung, dies insbesondere dann, wenn Aufnahme und Entlassung über den Stationsbereich organisiert sind. Unkalkulierbare Wartezeiten und ein erheblicher Personalaufwand waren die negative Folge. Es entstanden unkoordinierte Patientenbewegungen zu verschiedenen im Haus verteilten Untersuchungsorten (EKG, Prämedikationsambulanz, Röntgen). Im Vergleich der Abteilungen existierten multiple Standards für einen sehr ähnlichen Prozess.Prozessanalyse
In der Analyse handelte es sich um einen jeweils singulären Abteilungsprozess, der multipel, parallel, disloziert und nicht abgestimmt durchgeführt wurde. Insbesondere die genauere Betrachtung des Personaleinsatzes ergab redundante Aufgaben durch unterschiedliches Personal an unterschiedlichen Orten. Prozessqualität und Transparenz waren bei ausgeprägten und sich überschneidenden Patientenbewegungen mit schlecht steuerbaren Wartezeiten günstigenfalls als nicht erkennbar einzustufen. Der Grad der Interdisziplinarität des Aufnahmeprozesses war auf Grund der parallel verlaufenden Strukturen ungünstig und lies dadurch durchaus Potential zur verbesserten Nutzung von Ressourcen. Dies wirkte sich aus unserer Sicht in einem deutlichen Maß auf die Patientenzufriedenheit und die Personalzufriedenheit aus. Ein negativer Einfluss auf die Qualität des Prozesses bei fehlender Interdisziplinarität und multiplen Schnittstellen zur Informationsgewinnung war anzunehmen
Ziele
Nach Identifizierung des Aufnahmeprozesses als einen Teilbereich der Krankenhausorganisation mit erheblichem Optimierungspotential, erfolgte die Festlegung der teilnehmenden Abteilungen. Hier wurden zunächst die operativen Abteilungen Allgemein- und Viszeralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie und Urologie identifiziert. Die Gründe für diese Vorauswahl lagen in der besten Vergleichbarkeit der innerklinischen Prozesse dieser operativen Abteilungen.
Als Ziele einer erforderlichen Prozessanpassung wurden definiert:
- Optimierung des Personaleinsatzes durch Zusammenfassung von Parallelstrukturen,
- Optimierung und Verkürzung von Wartezeiten durch eine zentrale Patientensteuerung,
- Identifikation von interdisziplinären Prozessen zur Verringerung der Anzahl von parallelen Strukturen,
- Minimierung von Patientenbewegungen. Grundstruktur: Örtliche Zentralisierung der Leistungserbringung am Patienten,
- Räumliche und strukturelle Zusammenfassung des Prozesses mit Entlastung des Personals, gleichbedeutend mit der Gewinnung von Personalressourcen durch frei werdende Kapazitäten,
- Ausbildungsoptimierte oder Arbeitszeiterfordernissen angepasste zeitliche Strukturierung des Aufnahmeprozesses,
- Verbesserung der Ergebnisqualität und damit der Prozesssicherheit. Dies fokussiert sowohl auf den Patienten als auch auf die beteiligten Mitarbeiter.
Durchführung
Die tatsächliche Prozessanpassung erfolgte durch die Implementierung eines Aufnahmeelementes chirurgische Fächer innerhalb des Bundeswehrkrankenhauses. Hierzu wurden in einem ersten Schritt mögliche Räume zu strukturellen Aufbau des Aufnahmeelementes identifiziert. Im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg bot sich hierzu ein, auf Grund der Abteilungsstrukturen innerhalb des Baukörpers, nicht genutztes Stationscockpit mit den umliegenden Patienten – bzw. Funktionsräumen an (Abb. 1). Die primär beteiligten Abteilungen Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie/Orthopädie und Urologie sowie die Prämedikationsambulanz definierten den für ihren Prozess erforderlichen Raumbedarf. Im Anschluss erfolgte die Erstellung von abteilungsspezifischen Aufnahmestandards. Diese konnten in ihrer Schnittmenge zu einem gemeinsamen Aufnahmestandard für die beteiligten Abteilungen zusammengefasst werden. Die sich so darstellenden Abteilungsbesonderheiten konnten identifiziert und in den Prozess integriert werden. Eine besondere Bedeutung nahm die Einbeziehung der Prämedikationsambulanz ein. Durch Aufnahme der Prämedikationsambulanz in das Aufnahmeelement konnte ein zentraler Prozess der Patientenbehandlung zentralisiert werden. Dies ist gleichbedeutend mit einer erheblichen Einsparung an Patientenwegen und nähert sich dem Prinzip der punktuellen Informationsgewinnung und Weitergabe. Insbesondere die Colozierung von stationärem Aufnahmeprozess und Prämedikationsambulanz (Abb. 2) führte zu fast gänzlich ausbleibendem Informationsverlust und durch frühzeitige Absprache über eventuell notwendige Zusatzuntersuchungen zu einem deutlichen Zeitgewinn.
Nach Identifikation des Raumbedarfes und der Erstellung der Standards konnten die informationstechnischen Ausstattungen der Räume erfolgen. Vorhandene Untersuchung- und Behandlungsräume konnten direkt genutzt werden. Vormalige Patientenzimmer ließen sich ohne größeren Aufwand mit IT-Technik und Behandlungsmöbeln ausstatten (Abb. 3).
Eine Besonderheit stellte die Besetzung mit geeignetem Personal dar. Das Ziel einer ausbildungsgerechten Einordnung des Personals einerseits und der Umsetzung von arbeitsrechtlichen Erfordernissen bei leistungsgewandeltem Personal konnte durch eine „smarte“ Personalplanung erreicht werden. Zugunsten von Arzthelferinnen konnten vollschichtfähige Pflegekräfte aus dem stationären Aufnahmeprozess entbunden und zusätzlich nur im Tagdienst einsetzbares Pflegepersonal ausbildungsgerecht eingebunden werden.
Zusammenfassend können die erforderlichen Aktionen wie folgt beschrieben werden:
- Lokale Informationsgewinnung durch Identifizierung von geeigneten Räumen,
- Erstellung gemeinsamer Standards aller beteiligten Abteilungen mit gleichzeitiger Identifizierung von abteilungsspezifischen Erfordernissen,
- Planung eines effizienten Personaleinsatzes durch Identifikation geeigneten Personals und ausbildungsangepassten Einsatzes,
- Zentrale Steuerung der Patientenbewegungen um Wartezeiten und Prozesskreuzungen zu vermeiden,
- Etablierung eines IT-gesteuerten Patientensteuerungsmoduls im KIS-System (Nexus) mit validem Zeitmanagement,
- Etablierung einer Führungsstruktur, die im zwölf Monatsrhythmus im Kollegialsystem durch die Abteilungen rotiert,
- Planung eines monatlichen Evaluationsprozesses zur Identifikation von Nachsteuerungsbedarf,
- Dokumentation von Schlüsseldaten wie Patientenaufkommen, Wartezeiten und Behandlungsdauer.
Beurteilung
Nach einer zwölfmonatigen Probephase konnte die ablauforganisatorisch umgesetzte Prozessoptimierung bewertet werden.
Das Ziel einer interdisziplinären Funktionseinheit zur Abbildung des Prozesses elektive Patientenaufnahme am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg zu etablieren konnte erreicht werden. Die Leistungszahlen des Aufnahmemoduls zeigen, dass eine unmittelbare Übernahme des kompletten Prozesses erreicht wurde (Tabelle 1).
Durch die zentrale Patientensteuerung über das Modul Cockpit mit unmittelbarer Angliederung der aufnehmenden und unterstützenden Abteilungen ließen sich sehr kurze Patientenwege etablieren. Bereits während der Planungsphase zeigte sich eine enge Abstimmung der beteiligten Abteilungen und der Prämedikations-Ambulanz.
Die gemeinsame Nutzung von Medizintechnik (z. B. Sonographiegeräte) und eine interdisziplinäre Raumnutzung führte zu einer effizienteren Nutzung.
Die gleiche Einschätzung kann für die Stationen gegeben werden: Durch Abgabe des Prozesses der Patientenaufnahme an das Aufnahmemodul konnte eine erhebliche Entlastung des Pflegepersonals und damit eine Konzentration auf die Kernaufgaben der Pflege erreicht werden.
Der Personaleinsatz im Aufnahmemodul erfolgt ausbildungsgerecht und nach den aktuellen Arbeitszeitvorgaben.
Daraus ergibt sich im Rückschluss ein relativer Personalgewinn für den Rest des Hauses.
Die deutliche Entlastung der beteiligten Abteilungen ist im Prozess spürbar. Interdisziplinarität sowie Prozessverkürzungen und -vereinfachungen führen zu einer Qualitätssteigerung und mutmaßlich zu einer nachfolgenden Risikoverminderung im Sinne des Qualitätsmanagements.
Als problematisch erweist sich die Ausstattung mit belastbaren KIS-Systemen. Das aktuelle Krankenhausinformationssystem ist weiterhin (noch?) nicht in der Lage Wartezeiten in einer auswertbaren Art und Weise zu dokumentieren. Eine für bestimmte Zertifizierungen im Rahmen des Qualitätsmanagement geforderte Auswertung ist so leider nicht möglich, eine weitergehende Prozessoptimierung und ideale Steuerung ist daher bisher nicht umzusetzen.
Die weitere Planung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg sieht eine Ausphasung des Models auf die konservativen Abteilungen (Innere Medizin, Dermatologie, Neurologie) sowie die Abteilungen des im Hause bereits etablierten „Kompetenzzentrums Kopf“ (u. a. HNO, MKG) vor.
Als Fazit erscheint die Umsetzung eines Aufnahmemoduls, so wie es in einigen zivilen Krankenhäusern bereits als zentraler Leistungserbringer etabliert ist, auch in einem Bundeswehrkrankenhaus grundsätzlich und gewinnbringend möglich. Voraussetzung hierfür ist eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Abteilungen, mit festen Willen zugunsten der Interdisziplinarität und Qualitätssteigerung abteilungseigene Strukturen, Personal und Material einzubringen und auf tradierte „Besitzansprüche“ zu verzichten.
Datum: 23.04.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/2