10.07.2017 •

„Menschen mitnehmen, auch in die ­eigene Verantwortung“

Interview mit der Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Frau Generalstabsarzt Dr. Gesine Krüger.

WM: Frau Generalarzt, Sie haben vor genau einem Jahr das Kommando über die Sanitätsakademie der Bundeswehr übernommen. Zeit für ein kleines Resümee. Welche Ausgangslage hat sich Ihnen dargestellt, welche grundsätzlichen Weichenstellungen konnten Sie vornehmen und wie stellen Sie sich die Zukunft der Akademie vor?

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Die Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Frau Generalstabsarzt Dr. Gesine Krüger, im Gespräch mit dem Chefredakteur, Flottenarzt Dr. Volker Hartmann, und der Verlegerin, Heike Lange (Abb.: Beta Verlag)
Kdr’in SanAkBw: Die Sanitätsakademie hat seit ihrer Umgliederung 2013 doch einen sehr deutlichen Wandlungsprozess von einer Ausbildungseinrichtung zu einem international ausgerichteten Zentrum für Forschung, Entwicklung, Ausbildung und Lehre des Sanitätsdienstes vollzogen. Das ist vielen innerhalb und außerhalb des Sanitätsdienstes nicht immer so ganz offensichtlich. Als ich vor einem Jahr das Kommando übernahm, waren schon eine ganze Reihe der Maßnahmen für die Einnahme der dafür erforderlichen Aufbau- und Auflaufstrukturen umgesetzt. Ganz wesentlich für mich waren nun rasch die Auf­lösung der beiden Lehrgruppen und die Aufstellung einer neuen Abteilung D für die Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen auszuplanen. Hier sind wir große Schritte vorangekommen. Ziel ist es, zeitnah einen optimalen, effizienten und effektiven modernen Ausbildungsbetrieb sicherstellen. Ein zweites großes Projekt, bei dem wir unter der Leitung des Direktors Wissenschaft und Fähigkeitsentwicklung Sanitätsdienst große Fortschritte erzielt haben, ist das Wissens- und Forschungsmanagement des Sanitätsdienstes. Hier haben wir die „Gesundheitsforschung in der Bundeswehr“ (wehrmedizinische Forschung) in jüngster Zeit einer strategischen Neuausrichtung unterzogen. Ich bin mir sicher, dass die Sanitätsakademie zukünftig eine moderne international vernetzte Ausbildungs- und Wissenschaftseinrichtung des Sanitätsdienstes sein wird, die mit größter Fachkompetenz sowohl für die Bundeswehr aber auch für verbündete und befreundete Streitkräfte auf höchstem Niveau sanitätsdienstlich ausbildet, lehrt und forscht.

WM: Eine solche international vernetzte Bildungs- und Wissenschaftseinrichtung mit Standort München hat sicher auch den Anspruch, eng mit den zivilen und militärischen Institutionen des Wissenschaftsstandorts Mün­chen zusammenzuarbeiten.

Kdr’in SanAkBw: Beide Direktorate pflegen eine intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit mit verschiedenen hiesigen zivilen und militärischen Institu­tionen. Ich erinnere an das gemeinsame Forschungsprojekt mit der UniBw München zur Entwicklung eines Qualitätsmanagementsystems für die Ausbildung im Sanitätsdienst und die Erarbeitung eines Konzepts für ein Qualitätsmanagement im Bereich der Forschung und Entwicklung im Sanitätsdienst. Gerade mit der Bundeswehruniversität möchten wir noch enger zusammenarbeiten und werden demnächst eine entsprechende Kooperationsvereinbarung abschließen, die zu einer Vertiefung der gemeinsamen Zusammenarbeit führen soll. Erwähnen möchte ich auch das Engagement mit der in München ansässigen Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU), mit der wir ein sanitätsdienstliches Einsatzregister für die Bundeswehr erarbeiten und zudem auf dem Gebiet der Fortbildung bei speziellen einsatzbedingten Verletzungsmustern eng kooperieren.

WM: Auf welche Weise arbeiten die Institute des Medizinischen ABC-Schutzes mit zivilen oder militärischen Partnern zusammen?

Kdr’in SanAkBw: Natürlich sind die drei Institute international weit vernetzt und pflegen enge Beziehungen mit den Universitäten Münchens und mit vielen wissenschaftlichen Institutionen innerhalb und außer­halb Deutschlands. Nur einer kleiner Ausschnitt sei hier erwähnt: So bildet z. B. das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr seit 2010 gemeinsam mit der Technischen Universität, der Ludwig-Maximilians-Universität, dem Klinikum der Universität München, dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität sowie dem Helmholtz-Zentrum – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt den Partnerstandort München des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Diese sechs Institutionen stärken das DZIF mit ihrer langjährigen Erfahrung und Expertise im Bereich der Infektionsforschung und Therapieentwicklung. Auch zwischen unserem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr und dem Walther-­Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-­Uni­ver­sität München besteht eine institutionalisierte Zusammenarbeit. Seit 2007 besteht auch zwischen dem Institut für Radiobiologie der Bundeswehr und der Universität Ulm ein Kooperationsvertrag unter anderem im Gebiet der regenerativen Medizin. Zudem arbeitet das Institut eng mit dem Armed Forces Radiobiology Research Institute (AFRRI) in den USA und French Armed Biomedical Research Institute (IRBA) in Frankreich auf dem Gebiet der Weiterentwicklung der Akut-­Diagnostik und der Hochdurchsatzdiagnostik für das akute Strahlendsyndrom zusammen.

WM: Forschung und Entwicklung im Sanitätsdienst der Bundeswehr haben eine herausragende Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit unseres Sanitätsdienstes. Wie legen Sie die Forschungsschwerpunkte der Akademie fest und entwickeln dann die Forschungsprojekte?

Kdr’in SanAkBw: Den „bottom up“-Ansatz in der Forschungsplanung, in dem Interessenten unter Berücksichtigung der wehrmedizinischen Relevanz und der festgestellten Fähigkeitslücken Projektanträge einreichen konnten, die dann im Rahmen einer jährlich stattfindenden Forschungskonferenz bewertet, priorisiert und ggf. realisiert wurden, haben wir kürzlich reformiert. Zukünftig beginnt der Forschungsplanungsprozess mit einer Klausur „Strategie Wehrmedizinische Forschung“. Erstmalig haben wir diese Klausurtagung im März dieses Jahres an unserer Akademie abgehalten. Es galt zunächst den aktuellen Stand der Gesundheitsforschung Bundeswehr festzustellen und zu bewerten. Anschließend wurden Schwerpunkte innerhalb der einzelnen Forschungskorridore des Sanitätsdienstes der Bundeswehr festgelegt. Basierend auf diesen Schwerpunkten wird nun das Jahresprogramm Wehrmedizinische Forschung 2019 erstellt, welches dann als Grundlage für zukünftige Forschungsaktivitäten dient.

WM: Und welche Forschungsschwerpunkte verfolgt die Akademie zurzeit?

Kdr’in SanAkBw: Derzeit werden sieben Forschungskorridore beforscht. Dabei verfolgt die Sanitätsakademie einschließlich der hiesigen Institute im Schwerpunkt die wehrmedizinische Radiobiologie mit dem Medizinischen A-Schutz, die einsatzspezifische Mikrobiologie mit dem Medizinischen B-Schutz, die wehrmedizinische Pharmakologie und Toxikologie mit dem Medizinischen C-Schutz sowie die wehrmedizinische Bildungsforschung mit Modellbildung und Simulation. Exemplarisch für die in der Klausurtagung festgelegten Schwerpunkte möchte ich die Entwicklung prophylaktischer, diagnostischer und therapeutischer Verfahren zum Medizinischen ABC-Schutz sowie die Untersuchung der Effekte einer Strahlenexposition von potenziellen B-Agenzien bzw. chemischen Kampfstoffen nennen.

WM: Seit 2013 sind die drei Ressortforschungsinstitute des Medizinischen ABC-­Schutzes wieder der Sanitätsakademie der Bundeswehr unterstellt. Welche Bedeutung hat heute der fachliche Beitrag des Sanitätsdienstes mit den Instituten des Medizinischen ABC-Schutzes im Gesamtsystem ABC-Abwehr der Bundeswehr?

Kdr’in SanAkBw: Der Medizinische ABC-Schutz der Bundeswehr stellt im Grunde den fachlich-medizinischen Beitrag des Sanitätsdienstes zur ABC-Abwehrfähigkeit der Bundeswehr dar. Der Primärauftrag liegt in der Entwicklung von Verfahren und Maßnahmen zum Zwecke der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit von Bundeswehr-Angehörigen im Hinblick auf eine Exposition gegenüber ABC-Kampf und -Gefahrstoffen. Neben umfangreichen Ausbildungsaufgaben gilt es außerdem, feldverwendungsfähige Systeme und optimierte Verfahren zur Prophylaxe, Diagnose, Therapie und Nachsorge von ABC-Gesundheitsstörungen zu entwickeln. Und nicht zuletzt müssen wir diese Fähigkeiten auch durchgängig und kurzfristig abrufbar zur Verfügung stellen können. Unsere u. a. aus Experten der drei Institute zusammengesetzte „Task Force Medizinischer ABC-Schutz“ ist hierzu kurzfristig weltweit verlegbar und wird laufend in Übung gehalten. Mit diesem Spektrum an Expertise stellt der Medizinische ABC-Schutz im Sanitätsdienst der Bundeswehr wirklich eine singuläre nationale Ressource dar. Nur kurz möchte ich auf die enorme Bedeutung dieses Wissenschaftsbereichs, aber auch im Hinblick auf schwerwiegende internationale Vorfälle, wie die anhaltenden Giftgaseinsätze in Syrien, verweisen.

WM: Vor dem Hintergrund von limitierten Ressourcen und von gemeinsamen Einsatzerfordernissen stellt die internationale Zusammenarbeit der Sanitätsdienste der NATO / EU ein wichtiges Feld für die Zukunft dar. Können Sie einen kurzen Sachstand zu der Rolle der Sanitätsakademie im Rahmen internationaler Kooperation in der Lehre aufzeigen und Ihre Strategie zur weiteren Internationalisierung der Lehrgangslandschaft erläutern?

Kdr’in SanAkBw: Die Sanitätsakademie ist bereits heute auch international als kompetente und leistungsfähige sanitätsdienstliche Ausbildungseinrichtung anerkannt. Ich erinnere zunächst an die Einbindung in die Maßnahmen des bilateralen Jahresprogrammes des BMVg, durch die wir im letzten Jahr sowohl hier in München, aber auch vor Ort in Partnerländern, wie z. B. Ägypten, Niger, China, Japan und Vietnam, mit dem Fokus Ausbildung und Lehre involviert waren. Darüber hinaus pflegen wir mit unseren engsten Partnern, z. B. den USA, Frankreich, Ungarn oder Österreich einen regen Austausch sowohl auf der Führungs- als auch auf der Arbeitsebene, um die jeweiligen Schwerpunkte und Inhalte im Bereich der Ausbildung abzustimmen und Kooperationen mit Leben zu erfüllen. Wir haben vor, zusätzlich zu den bereits durchgeführten englischsprachigen Trainings in „Pre Hospital Trauma Life Support“ (PHTLS) schon kurzfristig weitere Lehrgänge in englischer Sprache für unsere Partnernationen anzubieten. Langfristiges Ziel ist es, auch vor dem Hintergrund unseres Anspruches als Anlehnnation bzw. „Framework Nation“ im Bereich Sanitätsdienst die Akademie zu einem „Internationalen Ausbildungszentrum Sanitätsdienst“ weiterzuentwickeln, in dem durch synergistisches Zusammenwirken ressourcensparend internationale Trainingsformate durchgeführt werden. Wichtige Schritte auf diesem Weg sind Kooperationen mit der NATO School in Oberammergau und mit dem MilMed COE (Centre of Excellence for Military Medicine) in Budapest, die kurz vor dem Abschluss stehen.

WM: Der Sanitätsdienst der Bundeswehr pflegt enge Beziehungen zum französischen Sanitätsdienst. Welche Art von Kooperation besteht zwischen der Sanitätsakademie der Bundeswehr zu französischen Wissenschafts- und Ausbildungseinrichtungen und wie sieht die idée de maneuvre für einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit aus?

Kdr’in SanAkBw: Mit dem französischen Sanitätsdienst pflegt die Sanitätsakademie seit Jahren eine enge und freundschaftliche Kooperation. Gegenseitige offizielle Besuche an der École de santé des armées in Lyon und der École du Val-de-Grâce in Paris, dienen dem Informationsaustausch und der Abstimmung inhaltlicher Themen. Im Bereich der Forschung besteht ein fruchtbarer wissenschaftlicher Austausch auf Ebene der französischen Forschungsinstitute mit unseren Instituten für den Medizinischen ABC-Schutz. Die gegenseitigen Einladungen zu den Leutnantsbeförderungen bzw. Inaugurationsfeiern nach München und Lyon unterstreichen diese gelebte vertrauensvolle Kooperation. Zur weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit ist ein regelmäßiger und gegenseitiger Austausch von Sanitätsoffizieranwärtern zwischen der Sanitätsakademie und der École de santé des armées geplant, der in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt initiiert wird.

WM: In der Gesellschaft ist die Methodik der Ausbildung im Umbruch. Welche innovativen Projekte, z. B. auf den Gebieten Digitalisierung, technologiegestützte Ausbildung und Simulation verfolgt die Sanitätsakademie?

Kdr’in SanAkBw: Sie sprechen einen der Schwerpunkte in meinen Überlegungen zur Zukunft der Akademie an. Ich glaube, dass wir schon jetzt hier sehr viel zu bieten haben und mit der technologiegestützten Ausbildung Treibkraft und Innovationsträger der Digitalisierung der sanitätsdienstlichen Ausbildung sind. Wir wollen in diesem Zusammenhang attraktive Rahmenbedingungen für ein wachsendes identitätsstiftendes Betreuungs- und Ausbildungsnetzwerk schaffen, um sanitätsdienstliches Personal frühzeitig auch in der digitalen Welt an den Sanitätsdienst zu binden. Und wir möchten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in alle virtuellen Ausbildungsprozesse aktiv und partizipativ einbinden. Ein zentrales Augenmerk liegt dabei auf dem San-Netz. Es ist seit 2016 für alle Angehörigen des Zentralen Sanitätsdienstes mit dienstlichen und privaten Endgeräten nutzbar und schafft somit attraktive Rahmenbedingungen für ein dienstgradübergreifendes sanitätsdienstliches Betreuungs- und Ausbildungsnetzwerk. Auf der Basis von Nutzerevaluationen ist das San-Netz zur Keimzelle weiterer Dienste – wie E-Learning-­Angeboten, einer virtuellen Bibliothek und einem interaktiven virtuellen Bundeswehrkrankenhaus geworden. Wir bieten hier auf einer ansprechenden, interaktiven Oberfläche mit echten, anonymisierten Patientenfällen aus. Neuland betritt der Sanitätsdienst im Bereich der virtuellen Simulation mit dem Projekt „SanTrain“, einer Machbarkeitsstudie aus dem Gebiet der „Serious Games“. Hier ist ein präsentabler Demonstrator entstanden, der im Rahmen eines Videospiels in einem Einsatzszenario die Versorgung von verwundeten Soldaten vor Ort simuliert. Zurzeit erfolgt auf nationaler und internationaler Ebene die Evaluation. Teile des Spiels werden bereits heute für Lageeinführungen in der Simulationsausbildung eingesetzt. Der Regelbetrieb des „Serious Game“ wurde als Projekt angestoßen, um das Spiel zukünftig in der einsatzvorbereitenden Ausbildung einsetzen zu können. So entstehen moderne attraktive Ausbildungsinstrumente im Sanitätsdienst, die das Potential haben, auch im Rahmen der Sanitätsausbildung für Nichtsanitätspersonal zukünftig auch querschnittlich in der Bundeswehr eingesetzt zu werden.

WM: In Bezug auf eine digitalisierte Ausbildung haben Sie einige interessante Beispiele genannt, welches „Handwerkszeug“ stellt die Sanitätsakademie ihren Soldatinnen und Soldaten in dieser Hinsicht zur Verfügung.

Kdr’in SanAkBw: Zunächst einmal betreiben wir eine virtuelle Bibliothek. Diese ist ein Dienst des San-Netzes und stellt Rechercheinstrumente sowie eine Vielzahl von fachlichen e-Books und e-Journals zur Verfügung. Um die Sanitätsakademie im heutigen IT-Zeitalter attraktiver zu machen, werden sowohl die Hörsäle als auch die Trainingsteilnehmer mit mobilen Endgeräten ausgestattet. Ziel soll sein, eine zeitgemäße und vernetzte Ausbildungsausstattung bereitzustellen, die auch lernortunabhängiges Lernen ermöglicht. Dies verändert die Ausbildungslandschaft grundlegend und stellt auch an die erfahrenen Ausbilder unserer Sanitätsakademie neue Anforderungen in der Ausbildungsdurchführung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die zeitaufwändige Überarbeitung und Anpassung der Ausbildungsunterlagen und die notwendige Einführung innovativer Lehrmethodiken.

WM: Zudem wird im Ausbildungssystem der Bundeswehr derzeit ein grundlegender Wechsel von der lernzielorientierten zur kompetenz­orientierten Ausbildung vorgenommen. Auf welche Weise positioniert sich hier die Sanitätsakademie der Bundeswehr?

Kdr’in SanAkBw: Wir werden in den nächsten Jahren einen grundsätzlichen Wandel von der lernzielorientierten zur kompetenzbasierten Ausbildung vollziehen, um die Akademie auch zukünftig kompatibel mit der zivilen Ausbildungslandschaft zu halten und die Lehrgangsteilnehmenden noch besser und umfänglicher auf die Herausforderungen ihrer Verwendung vorzubereiten. Die Ausbildungskonzeption muss deshalb vom Kunden her denken. Sie muss sich auch die Frage stellen, welche Tätigkeiten die einzelnen Auszubildenden später zu absolvieren haben und welche Kompetenzen sie dafür benötigen. Es gilt sie zu befähigen, auch in unklaren und unbekannten Lagen zweckmäßige Entscheidungen zu treffen, individuelle Handlungsstrategien zu entwickeln und im Sinne der Auftragserfüllung zu handeln. Unsere Ausbilder begleiten und moderieren die Ausbildung. Sie stellen den Rahmen, entwickeln Lernsituationen, beobachten und reflektieren die Handlungen gemeinsam mit den Teilnehmenden. Diese bestimmen dabei auch selbst den Weg und die Geschwindigkeit in der Ausbildung. Auch wenn wir in verschiedenen fachlichen Trainingsformaten schon heute kompetenzbasiert vorgehen, glaube ich, dass eine vollumfängliche Einführung und Durchführung sich auf viele Bereiche der Sanitätsakademie auswirken und diese aus meiner Sicht deutlich verändern wird. Wir bereiten uns deshalb auf diesen Paradigmenwechsel in der Ausbildung intensiv vor.

WM: Der weitere Ausbau der Sanitätsakademie der Bundeswehr wird derzeit durch die schwierige infrastrukturelle Situation in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne limitiert. Welche Projekte sind zur Verbesserung bzw. Erneuerung des hiesigen Wissenschafts- und Ausbildungsbetriebs eingebracht und wie sieht der Zeitplan zu ihrer Realisierung aus?

Kdr’in SanAkBw: In der Ernst-von-Bergmann-Kaserne haben wir die unglückliche Situation, dass zwar eine ausreichende Bestandsinfrastruktur vorhanden ist, jedoch nicht wirtschaftlich zur Deckung der ­erforderlichen Unterkünfte, Hörsäle und Diensträume angepasst werden kann. Die erforderlichen infrastrukturellen Maßnahmen wurden aber in den letzten beiden Jahren erfasst, eingeleitet und befinden sich bereits in der Realisierungsplanung. So soll noch in diesem Jahr mit dem Neubau von Unterkünften für 400 Lehrgangsteilnehmer im aktuellen Standard der Bundeswehr, Einzelunterbringung mit Duschbad, begonnen werden.

Darüber hinaus soll der Neubau von Hörsälen für die Sprachausbildung in der Fürst-Wrede Kaserne zeitnah realisiert werden.

WM: Im Rahmen der Attraktivitätssteigerung des Arbeitsgebers Bundeswehr bestehen heute auf dem Gebiet Vereinbarkeit Familie und Dienst grundlegende Erfordernisse. Wie bewerten Sie die Situation an der zentralen Ausbildungsstätte des Sanitätsdienstes der Bundeswehr auf diesem Gebiet?

Kdr’in SanAkBw: Das Thema und insbesondere seine Umsetzung hier vor Ort liegen mir wirklich sehr am Herzen. Denn die meisten militärischen und zivilen Beschäftigten wünschen sich, Familie und Dienst/Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Freilich sind dabei nicht immer die Forderungen des Dienstes ohne weiteres mit den familiären Belangen in Balance zu halten. Aber die Flexibilität des Arbeitgebers Bundeswehr gegenüber den Familienpflichten ist – wie ich glaube – ein grundlegendes Erfordernis. Vorgesetzte messen die Leistungen ihrer Soldaten und Soldatinnen sowie Zivilbeschäftigten zunehmend an Ergebnissen. Dass diese umso besser sind, je besser die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich um ihre Familien kümmern können, ist inzwischen ein anerkannter Fakt. Ich befasse mich inzwischen sehr häufig mit individuellen und flexi­blen Arbeitsmodellen wie individuelle Arbeitszeit, Telearbeit, Teilzeit und ortsunabhängiges Arbeiten. Wir Vorgesetzten an der Akademie versuchen uns somit bei der Gestaltung der Arbeitszeit aktiv auf die Bedürfnisse der Beschäftigten einzustellen. Des Weiteren wurden Eltern-Kind-Zimmer geschaffen, um den Lehrgangsteilnehmenden eine bessere Kinderbetreuung während der Ausbildung an der Sanitätsakademie zu ermöglichen. Sehr gefreut habe ich mich, dass wir im April dieses Jahres die Großtagespflege „Villa SchAberNAcK“ im Beisein der Beauftragten für Familie und Dienst des Verteidigungsministeriums eröffnen konnten. Hier haben nun sowohl Angehörige der Sanitätsakademie wie auch Lehrgangsteilnehmende die Möglichkeit, ihre Kinder während der Arbeitszeit oder der Ausbildung betreuen zu lassen. Auch für die Zukunft sehe ich die Verwirklichung von Vereinbarkeit von Familie und Dienst als festen Bestandteil meiner Führungsverantwortung und Schwerpunkt meiner Pflicht als Vorgesetzte. Weitere Maßnahmen sind auf diesem Gebiet erforderlich, denn nichts ist wichtiger als Berufszufriedenheit und Motivation zu bewahren und zu erhöhen. Daher habe ich veranlasst, dass die Sanitätsakademie mithilfe des Audit „Vereinbarkeit Familie und Dienst“ überprüft und bewertet wird, um weitere Handlungsfelder zu identifizieren. Und überhaupt: Mir war von Anfang an sehr daran gelegen, ins Gespräch mit den Lehrgangsteilnehmerinnen und – teilnehmern und meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kommen. Auch wenn es zeitlich schwierig ist, bemühe ich mich, möglichst viel zu informieren und offen zu kommunizieren. Denn Transparenz ist der Schlüssel zum Erfolg. Es gilt, den Menschen nicht nur die anhaltenden Veränderungsprozesse zu verdeutlichen, sondern genauso sie als Teil des Ganzen in die eigene Verantwortung zu nehmen.

WM: Frau Generalarzt, Sie sind nun seit über 30 Jahren als weiblicher Sanitätsoffizier im Sanitätsdienst der Bundeswehr tätig. Wie hat sich seither die Rolle von Frauen in unserem Org-Bereich geändert und welche Perspektiven sehen Sie für Frauen in der Bundeswehr auch in Hinsicht der Umsetzung von Aspekten des Diversity Managements?

Kdr’in SanAkBw: Seit meinem Eintritt in die Bundeswehr im Jahre 1987 verfolge ich diese Thematik aktiv. Damals dienten unter 495 000 Soldaten ca. 400 weibliche Sanitätsoffiziere. Frauen wurde mehr als Einzelpersonen wahrgenommen und natürlich gab es auch die Rechtsansprüche aus den arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen, wie Elternzeit oder Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, noch nicht. Durch die stetige Erhöhung des Frauenanteils im Sanitätsdienst der Bundeswehr, die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen vor nun mehr 16 Jahren und dem vermehrten Frauenanteil auch bei den Führungskräften, ist die Akzeptanz der Soldatinnen in der Bundeswehr in den Jahren sehr gestiegen. Hier können wir aber noch besser werden. Dazu trägt meines Erachtens auch das Mentoring-Programm des BMVg bei, welches die Förderung von talentierten Frauen, zivil und militärisch, in Führungs­ebenen zum Ziel hat. Das Diversity Management geht über die Gleichstellung von Männern und Frauen hinaus. Die Dimension der Vielfalt wie Alter, Geschlecht, Religionszuge­hörigkeit, Nationalität, sexuelle Identität und ­Orientierung ist sehr umfangreich und komplex. Daher halte ich es für wichtig, dass der Wert und das Potential der Vielfalt in der Bundeswehr erkannt und ausgeschöpft wird, ebenso wie es seiner Zeit bei der Öffnung der Bundeswehr für Frauen geschehen ist.

WM: Frau Generalarzt, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch, das Interview und die Einblicke, die Sie unseren Leserinnen und Lesern in die vielfältige Arbeit an der Sanitätsakademie der Bundeswehr gegeben haben.

Datum: 10.07.2017

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2017/2

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