Aus einer Fliegerarztdienststelle

Alltag in einem multinationalen Verband

Es ist hinreichend bekannt, dass in Geilenkirchen der NATO E-3A-Verband beheimatet ist. Was viele jedoch nicht wissen ist, dass die Component einzigartig in der Militärgeschichte ist. Sie ist der erste und einzige international vollintegrierte, fliegende Verband der NATO.

Bereits Anfang der 70er Jahre wurde durch die obersten NATO Befehlshaber erkannt, dass ein luftgestütztes Frühwarn-Radarsystem (AEW- bzw. Airborne Early Warning System) die Luftverteidigungsfähigkeit der NATO erheblich verbessern würde. Diese Erkenntnis führte dazu, dass Anfang der 80er Jahre das größte, gemeinsam finanzierte Beschaffungsprogramm ins Leben gerufen wurde, welches jemals von der NATO durchgeführt worden ist: 

Die NAEW&CF Frühwarnflotte (NATO Airborne Early Warning and Control Force)

Diese setzt sich aktuell aus zwei operationellen Einsatzverbänden zusammen. Die E-3D Component, deren Besatzung ausschließlich aus Personal der Royal Air Force besteht, ist in Waddington, Großbritannien beheimatet. Die multinationale E-3A Component befindet sich in Geilenkirchen, Deutschland. 

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Abb. 1: Die verschiedenen Nationen des `AWACS`-Programms von 1982 bis heute. Bild: © PAO/VMGK

Mit der Unterstützung von anfangs zwölf Nationen wurde 1982 der Flugbetrieb des Verbandes in Geilenkirchen als `Main Operation Base` (MOB) aufgenommen. Weitere vorgeschobene Einsatzflugplätze (`Forward Operation Bases/Locations` – FOB/Ls) befinden sich in Trapani (Italien), Aktion (Griechenland), Konya (Türkei) und Ørland (Norwegen).

Zum jetzigen Zeitpunkt beteiligen sich insgesamt 16 Nationen mit finanziellen Mitteln und der Bereitstellung von Militärpersonal am `AWACS`-Programm (Airborne Warning and Control System). Dazu gehören: Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg (stellt kein Militärpersonal), die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, die Tschechische Republik, die Türkei, Ungarn und die USA (s. Abb. 1).

Der multinationalen Luftfahrzeugbesatzung stehen für ihren Auftrag 16 Flugzeuge vom Typ Boeing 707 E-3A (s. Abb. 2) zur Verfügung. Die hochqualifizierten Spezialisten, die u.a. für den Betrieb der komplexen Bordsysteme verantwortlich sind, setzen sich aus einer fliegenden und einer taktischen Besatzung zusammen. Die Cockpit-Besatzung besteht aus zwei Piloten, einem Navigator und einem Bordtechniker. Die taktische Besatzung umfasst einen taktischen Einsatzleiter (Tactical Director), einen Chef-Jägerleitoffizier (Fighter Allocation Officer), zwei Jägerleitoffiziere, einen Luftlageoffizier, drei Radarflugmelder, einen `ESM`-Offizier (Electronic Support Measures Officer), einen Kommunikationstechniker, einen Radartechniker sowie einen Systemtechniker. Abhängig vom jeweiligen Auftrag kann die Gesamtanzahl der Besatzungsmitglieder zwischen 16 und 29 variieren.

Die Hauptaufgabe der `NAEW&CF`-Flotte besteht in der Luftraumüberwachung, die sie aus ca. 9 150 m (30 000 Fuß) wahrnimmt. In einem Umkreis von mehr als 400 km können über digitale Datenverbindungen Informationen mit Bodenbefehlshabern und Befehlshabern von Seestreitkräften ausgetauscht werden. Die Fähigkeiten der NATO E-3A-Luftfahrzeuge können jedoch auch für Aufgaben der taktischen Gefechtsführung genutzt werden, so z. B. im Rahmen der Operation `Afghan Assist` zur Unterstützung der ISAF-Einsatzflugzeuge bzw. generell zur Unterstützung und Leitung eigener Luftfahrzeuge bei offensiven und defensiven Operationen.

Die `Medical Branch`

Bedingt durch die Besonderheiten des NATO E-3A-Verbandes unterscheidet sich auch der Fliegerarztbereich, hier `Medical Branch` genannt, in Personalstärke, Struktur und Aufgabenspektrum deutlich von einem herkömmlichen Fliegerarztbereich der Bundeswehr.

Unter der Leitung von Frau OFA Dr. Borchert arbeiten hier neben vier zweiten Fliegerärztinnen, einem Betriebsarzt und einem Zahnarzt, 28 weitere Angestellte (s. Abb. 3), um den Kernauftrag sicherzustellen. Unter den Mitarbeitern der Medical Branch sind sowohl Soldaten als auch Zivilisten.

Zentrale Aufgaben sind neben der Sicherstellung der fliegerärztlichen und zahnärztlichen Versorgung des multinationalen, fliegenden Personals und des `Air Traffic Control` (ATC)-Personals, auch die betriebsärztliche Versorgung der Component, sowie die jährliche ärztliche Untersuchung der NATO Zivilbediensteten, das sogenannte `Annual`.

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Abb. 2: Eine Boeing 707 E-3A `airborne`. Bild: © PAO/VMGK
Aktuell setzt sich das Personal des NATO E-3A-Verbandes aus ca. 2 000 internationalen Soldaten und zivilen Mitarbeitern zusammen, sodass jährlich weit über 6 000 Patientenkontakte zu Stande kommen. Hiervon entfallen ca. 730 Untersuchungen auf internationale `Flight Physicals` und zahlreiche deutsche Tauglichkeitsuntersuchungen (wie z. B. Untersuchung auf Wehrfliegerverwendungsfähigkeit, Verwendungsfähigkeit für den Flugsicherungskontroll-, Einsatzführungs- und flugsicherungstechnischen Dienst etc.).

Eigene NATO-Vorschriften sind Grundlage für die jährliche Tauglichkeitsuntersuchung der fliegenden Besatzungen und der Zivilangestellten ohne dabei nationale Regularien außer Acht zu lassen.

Ein weiteres Charakteristikum ist, dass die `Medical Branch` aus eigenen Kräften die Flugunfallbereitschaft stellt. Die `Crash Crew` besteht aus einem Rettungssanitäter, einem Rettungsassistenten und einem Fliegerarzt, die während der Flugbetriebs- bzw. der Platzöffnungszeiten den sanitätsdienstlichen Anteil der Flugunfallbereitschaft sicherstellen.

Im Übrigen arbeitet die `Medical Branch` sehr eng mit den medizinischen Einrichtungen der US Air Force und dem Sanitätsversorgungszentrum Geilenkirchen zusammen. Im Rahmen der gegenseitigen Unterstützung werden eine Vielzahl von Sachleistungen von Seiten der `Medical Branch` für die Bundeswehr erbracht.

Aufgrund der Komplexität des Verbandes und den damit einhergehenden, nicht ausschließlich flugmedizinischen Aufgaben ist die `Medical Branch` in unterschiedliche Teilbereiche gegliedert, die im Folgenden näher dargestellt werden.

Der erste Fliegerarzt und die Tätigkeit als `Medical Advisor` der NATO E3A-Component

Dem `Senior Flight Surgeon` (SFS) bzw. ersten Fliegerarzt des Verbandes fällt neben der Leitung der `Medical Branch` (Schwerpunkt hier fliegerärztliche Betreuung des internationalen, fliegenden Personals und Bereitstellung der Flugunfallbereitschaft) v. a. auch die Tätigkeit als `Medical Advisor` des NATO E3A-Verbandes zu.

Die Tätigkeit als `Medical Advisor` beschränkt sich nicht allein auf die Beratung des Component Commanders Brigadegeneral Stoye in allen sanitätsdienstlichen Fragestellungen, sondern erstreckt sich auch auf die Betreuung der zahlreichen zivilen Mitarbeiter, den sogenannten `NICs` (NATO International Civilians). Im Bereich der NATO E3A-Component verrichten zurzeit ca. 680 `NICs` ihren Dienst verteilt auf die verschiedenen Fachbereiche (z. B. Technik, Logistik, Verwaltung etc.). Wobei ein Großteil der zivilen Mitarbeiter im Bereich Technik angesiedelt ist.

Im Falle einer längeren, erkrankungsbedingten Abwesenheit (≥ 3 Wochen) sehen NATO-Regularien vor, dass sich der erkrankte Mitarbeiter bei dem `Medical Advisor` vorstellt. Bei diesen Terminen geht es primär darum, der Component-Führung bzw. den jeweiligen Vorgesetzten - unter besonderer Kenntnis der Arbeitsbedingungen des Mitarbeiters - eine Einschätzung zu geben, ob und wenn ja wann der Mitarbeiter seine Tätigkeit voraussichtlich wieder aufnehmen kann. Je nach Krankheitsbild und -verlauf kann in Absprache mit dem Patienten und ggf. mit seinem Vorgesetzten ein Reintegrationsplan erstellt werden. Dabei sind dem Gestaltungsspielraum des `Medical Advisors` hinsichtlich der Arbeitszeit, aber auch hinsichtlich des Tätigkeitsprofils kaum Grenzen gesetzt. So können, wie auch bei der Begutachtung von Soldaten, im Zweifel Einschränkungen festgelegt werden (z. B. kein Schichtdienst, keine Auslandsdienstverwendungsfähigkeit etc.). 

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Abb. 3: Das Team der `Medical Branch`. Bild: © PAO/VMGK

Bei einer schwerwiegenden Erkrankung eines NATO-Zivilisten, die eine Rückkehr an den Arbeitsplatz unwahrscheinlich werden lässt bzw. möglicherweise zu einer Berufsunfähigkeit führt, kann gemäß der `NCPRs` (NATO Civilian Personnel Regulations) durch den Patienten selbst bzw. durch den `Medical Advisor` ein sogenanntes `Invalidity Board` einberufen werden.

Das `Invalidity Board` besteht gemäß den `NCPRs` aus drei Ärzten. Der Patient wählt einen Arzt seines Vertrauens, der seine Angelegenheit vertritt. Die Interessen der Component werden in der Regel durch den `Medical Advisor` vertreten. Der Arzt des Patienten und der `Medical Advisor` müssen sich nun innerhalb einer festgelegten Frist auf einen dritten, unabhängigen Arzt/Gutachter einigen. Dieser ist gehalten den Patienten hinsichtlich seiner Erkrankung, der in Frage stehenden Berufsunfähigkeit und dem möglichen Vorliegen einer Berufskrankheit zu begutachten.

Am Ende des Begutachtungsprozesses entscheidet dieses Board mit einfacher Mehrheit zunächst, ob eine Berufsunfähigkeit bezüglich der Tätigkeit in der Component vorliegt oder nicht. Falls ja ist ergänzend festzustellen, ob diese Berufsunfähigkeit durch eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall entstanden ist.

Diese Sonderstellung als `Medical Advisor` lässt erahnen, dass sozialmedizinische Aspekte einen großen Teil der Tätigkeit einnehmen. Vor dem Hintergrund, dass dem seit mittlerweile 33 Jahren bestehenden Verband zum ersten Mal tiefgreifende personelle Einschnitte bevorstehen, wird der Stellenwert dieser sozialmedizinischen Gesichtspunkte umso deutlicher. Bis zum Frühjahr bzw. Sommer 2016 sollen insgesamt 177 zivile Stellen sowie 489 militärische Dienstposten abgebaut werden.

Dies erfordert ein Höchstmaß an Professionalität, Effektivität und Einsatzbereitschaft aller verbleibenden Mitarbeiter, da sich das Aufgabenspektrum in Zeiten zahlreicher Krisen und schwelender Konflikte nicht verringert hat.

Um es sowohl den Component-Angehörigen als auch der Führung zu erleichtern, mit den anstehenden Veränderungen umzugehen, besteht ergänzend zu den vorhandenen Ressourcen eine enge Zusammenarbeit mit einem externen Unternehmen, welches psychologische Betreuung und Coachings anbietet.

Die zweiten Fliegerärzte

Die Hauptaufgabe der vier Fliegerärztinnen besteht, wie in allen fliegerärztlichen Dienststellen, in der täglichen sanitätsdienstlichen Versorgung des fliegenden Personals und des `ATC`-Personals. Ein besonderes Kriterium ist die Multinationalität, welche spezielle Herausforderungen mit sich bringt.

Die Arbeitssprache innerhalb der Component ist selbstverständlich Englisch. Da Englisch für einen Großteil der Component-Angehörigen nicht Muttersprache ist, muss sich regel­mäßig mit Sprachbarrieren auseinandergesetzt werden. Gerade wenn es um Krankheiten oder Beschwerden geht, fällt es häufig nicht leicht, sich in einer fremden Sprache zu verständigen. Zusätzlich kommen ggf. auch soziokulturelle Unterschiede und ein anderer Umgang mit Gesundheit und Krankheit zum Tragen.

Die bereits genannten Tauglichkeitsuntersuchungen des militärischen und zivilen Personals dominieren den Alltag. In diesem Zusammenhang werden ergänzend sport- und ernährungsmedizinische Diagnostiken mit anschließender Beratung angeboten.

Zur besseren Anbindung des fliegenden und des `ATC`-Personals an den Fliegerarztbereich und zur Förderung einer vertrauensvollen Kommunikation, ist den drei fliegenden Staffeln sowie dem `ATC`-Personal jeweils eine der vier Fliegerärztinnen als Hauptansprechpartner zugeordnet. Dies soll die Ansprechbarkeit des Fliegerarztbereiches erleichtern, persönliche Betreuung gewährleisten und zu einer größeren Verbundenheit führen.

Dies wird u. a. auch dadurch gefestigt, dass sowohl die Fliegerärztinnen wie auch das Assistenzpersonal der `Medical Branch` die Staffeln regelmäßig bei Übungsvorhaben und `Deployments` begleiten und sanitätsdienstlich versorgen. So lassen sich nach einem elf-Stunden-Flug mit der `AWACS` die speziellen psychophysischen wie auch physikalischen und physiologischen Belastungen, die auf die fliegende und taktische Besatzung einwirken, viel besser nachvollziehen.

Außerdem tragen die Fliegerärzte/Fliegerärztinnen regelmäßig über flugmedizinische und flugphysiologisch relevante Themen vor.

Wie bereits zuvor erwähnt ist die Anwesenheit eines Fliegerarztes/ einer Fliegerärztin während der Platzöffnungszeiten zur Vervollständigung der `Crash Crew` essentiell, was durchaus dazu führen kann, dass sich der reguläre Arbeitstag schnell auf bis zu 16 Stunden ausdehnt. Gutes Personalmanagement und eine regelhafte Stellenbesetzung spielen aus diesem Grunde eine entscheidende Rolle für einen reibungslosen Betrieb.

Das `Flight Surgeon´s Office` (FSO)

Das Fliegerarztgeschäftszimmer oder auch kurz `FSO` genannt (hier nicht zu verwechseln mit dem Flugsicherheitsoffizier) stellt den Dreh- und Angelpunkt der Fliegerarztdienststelle dar und repräsentiert damit das Bindeglied zwischen dem fliegenden Personal und dem Fliegerarzt. Diese umfangreiche und verantwortungsvolle Aufgabe wird von einem Team aus zwei Zivilangestellten und vier Soldaten wahrgenommen.

Sie unterstützen die Fliegerärzte/Fliegerärztinnen entscheidend in der sanitätsdienstlichen Betreuung sowie der fliegerärztlichen Überwachung des fliegenden Personals und des Flugsicherungspersonals.

Von hier aus findet die gesamte Organisation, Koordinierung und Aktenführung des multinationalen, militärischen Personals sowie weiterer zugeteilter Bereiche statt. Insgesamt fallen etwa 700 Patienten aus 16 Nationen in den Zuständigkeitsbereich des Fliegerarztgeschäftszimmers.

In enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Institutionen wie z. B. der Fachabteilung II, Begutachtungszentrum des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, der US-amerikanischen Klinik (ebenfalls im Bereich der NATO E-3A Component angesiedelt), zivilen und militärischen Krankenhäusern, diversen Facharztpraxen und Kurkliniken, erfolgt in Absprache mit den Fliegerärzten eine möglichst optimale und individuell angepasste Patientenversorgung, sowie die Vor- und Nachbereitung der durch die Fliegerärzte/Fliegerärztinnen durchgeführten `Flight Physicals`. Auch die Beantragung und Planung von Kuren zum Erhalt der Wehrfliegerverwendungsfähigkeit fällt in den Verantwortungsbereich des `FSO`.

Neben den vielfältigen patientenassoziierten Verpflichtungen fallen weitere nationale sowie NATO interne Aufgaben an, die in der Summe ein Höchstmaß an Koordinierungstalent erfordern.

Das Behandlungszimmer

Im Bereich der Behandlung sind eine Krankenschwester, ein Rettungsassistent sowie zwei geschulte Arzthelferinnen mit diversen Zusatzausbildungen eingesetzt. In diesem Bereich wird u. a. die Funktionsdiagnostik, welche im Rahmen der `Flight Physicals`, `Annuals` und den betriebsmedizinischen Untersuchungen notwendig ist, durchgeführt. Dazu gehören neben Audiogrammen, Sehtests und Perimetrien, EKGs und Ergometrien, Lungenfunktionstests auch Langzeit- Blutdruckmessungen zur erweiterten Abklärung.

Des Weiteren gehört es zum Aufgabenbereich der Behandlung, den Impfstatus der anvertrauten Soldaten und zivilen Mitarbeiter zu überprüfen, diesen in der dafür vorgesehenen Datenbank zu aktualisieren, und Impfungen gemäß Vorgabe der Ärzte/Ärztinnen durchzuführen.

Selbstverständlich ist das Personal in die Primärversorgung von Notfallpatienten eingebunden und unterstützt die Fliegerärzte/Fliegerärztinnen bei kleineren operative Eingriffen, Wundversorgungen und Verbandwechseln.

Das Labor

Das medizinische Labor ist seit Bestehen der NATO E-3-A Component ein fester Bestandteil der Medical Branch und ist in dieser Form in keinem anderen deutschen Fliegerarztbereich zu finden. Zwei Medizinisch-technische-Laboratoriumsassistentinnen gewährleisten einen durchgehend hohen Qualitätsstandard, der durch interne und externe Qualitätskontrolle nach den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) gesichert wird.

Das Labor bietet ein breites Spektrum diagnostisch relevanter Untersuchungen an:

Klinische Chemie, Hämatologie, Serologie, Urindiagnostik und das breite Feld der Mikrobiologie.

Dieses Spektrum ermöglicht es uns, dass alle für die Tauglichkeit und Untersuchungen erforderlichen Laborwerte in der Regel im eigenen Haus durchgeführt werden können. Dies bietet ein Höchstmaß an Flexibilität und Unabhängigkeit und garantiert eine gute Vergleichbarkeit der erhobenen Werte bei Folgeuntersuchungen.

Die Bereitstellung der Laborergebnisse noch am selben Tag bietet einen großen Vorteil bei der Behandlung der Patienten und ermöglicht einen zeitnahen Abschluss der jeweiligen Untersuchungen.

Die `Dental Section`

Der Fliegerarztbereich der Component verfügt ebenfalls über eine eigene `Dental Section`, die aus einem Zahnarzt und drei Zahnarzthelferinnen besteht.

Die Hauptaufgabe der `Dental Section` besteht in der zahnmedizinischen Überwachung der Flugtauglichkeit im Rahmen der `Flight Physicals` und der zahnmedizinischen Versorgung des multinationalen, fliegenden und des `ATC`-Personals. Ausgenommen hiervon sind die US amerikanischen Soldaten, denen eine eigene zahnmedizinische Klinik im Bereich der Component zur Verfügung steht.

Zum Aufgabenfeld der `Dental Section` gehören ebenfalls die zahnmedizinische Vorsorge im Rahmen der `Annuals` sowie die Unterstützung der deutschen Zahnarztgruppe des im gleichen Hause angesiedelten Sanitätsversorgungszentrums mit einem zusätzlichen Betreuungsumfang von ca. 750 Patienten.

Die `Supply Section`

Die `Supply Section` der `Medical Branch` verwaltet das gesamte Equipment der Einheit, überwacht die Wartungsintervalle der vorgehaltenen medizinischen Geräte und stellt die Versorgung mit Arzneimitteln und Sanitätsmaterial sicher.

Abweichend von anderen medizinischen Einrichtungen der Bundeswehr erfolgt die Beschaffung jedoch als “zahlender Kunde” über ein jährlich festgesetztes NATO-Budget. Aus diesem Budget werden u. a. auch Kostenforderungen von zivilen medizinischen Einrichtungen, die im Rahmen der flugmedizinischen Untersuchung beauftragt werden, beglichen. Auch die Gutachten, die im Rahmen der bereits erwähnten `Invalidity Boards` angefordert werden, werden aus dem Budget der `Medical Branch` bezahlt.

Des Weiteren versorgt die `Supply Section` den gesamten E-3A Verband mit dem erforderlichen Ausbildungs- und Sanitätsmaterial, wie zum Beispiel Erste-Hilfe-Sets für Luftfahrzeuge, Einsatzfahrzeuge und Gebäude oder aber auch mit automatischen externen Defibrillatoren (AEDs).

Die `Medical Training Section`

Um die Weiterbildungsanforderungen der Component sicherzustellen, ist dieser Bereich mit drei Unteroffizieren und einem Zivilbediensteten besetzt.

Im Bereich der `Medical Training Section` liegt die Verantwortung für die Durchführung des medizinischen Anteils der Component eigenen einsatzvorbereitenden Ausbildung. Diese umfasst ein viertägiges „Pre-Deployment Training“ (IDT – Individual Deployment Training), welches alle vier Jahre absolviert werden muss sowie ein eintägiges „Refresher Pre-Deployment Training“ (ICCS – Individual Common Core Skills), welches jährlich zu durchlaufen ist. Im letzten Jahr durchliefen insgesamt 1 281 Teilnehmer (zivil wie militärisch) diese Trainings.

Darüber hinaus zeichnet die `Training Section` für das eintägige `First Aid Training` der Component verantwortlich. Das `First Aid Training` entspricht der Ausbildung zum betrieblichen Ersthelfer und muss alle zwei Jahre aufgefrischt werden. An diesem Training nehmen alle zivilen Mitabeiter teil, die die o. g. Ausbildungen (IDT und ICCS) nicht durchlaufen müssen.

Überdies übernimmt die `Training Section` auch die Planung und Organisation der hausinternen, wöchentlichen Fortbildung.

Insgesamt kommen so jährlich ohne Vor- und Nachbereitung mehr als 400 Trainingsstunden zusammen.

Bedingt durch die Multinationalität wird ein Großteil der Kurse und Trainings in englischer Sprache abgehalten.

Zusätzlich zu dem bereits genannten Spektrum ist die `Medical Training Section` auch in die Planung, Durchführung und Evaluierung von Übungsvorhaben der Component involviert und fungiert beratend hinsichtlich santitätsdienstlicher Fragestellungen.

Der Betriebsarzt

Ein weiteres Spezifikum der Component ist der eigenständige betriebsärztliche Dienst, der aus einem hauptamtlichen Betriebsarzt und zwei arbeitsmedizinischen Fachangestellten, allesamt langjährige NATO-Zivilangestellte, besteht. Sie stellen die gesamte arbeitsmedizinische Betreuung des militärischen und zivilen NATO-Personals in einer Stärke von derzeit ca. 2 000 Personen sicher.

Die NATO als überstaatliche Organisation verfügt über eigene legislative Befugnisse. So gilt für den Großteil der Zivilbeschäftigten das gesamte deutsche Arbeitsrecht mit einer Vielzahl von Gesetzen (wie z. B. das Arbeitszeitgesetz, das Personalvertretungsgesetz, Sozialgesetzbücher und die Berufskrankheitenverordnung) nicht. Die Normsetzung erfolgt hier über die jeweiligen NATO-Dokumente.

Für den Bereich des originären Arbeitsschutzes jedoch existieren hingegen keine einschlägigen praxisrelevanten NATO-Vorschriften. Hier tritt subsidiär und gemäß dem `Host-Nation`-Prinzip das deutsche Regelwerk mit seinen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien in Kraft. Sie bilden die Basis für die Tätigkeit von Sicherheitsingenieur und Betriebsarzt, werden allerdings wiederum ergänzt um NATO-spezifische Bestimmungen.

Neben den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (ca. 2000 jährlich) fallen die quartalsmäßigen Arbeitssicherheitsausschusssitzungen und die insgesamt ca. sechs Wochen umfassendenen Arbeitsplatzbegehungen auf der `MOB` Geilenkirchen sowie auf den genannten `FOBs` mit den Aufgabenbereich.

Ebenso gehörte zwischen 2011 und 2014 der durch den Verband im Rahmen des ISAF- Einsatzes genutzte Teil des Feldlagers Mazar-e-Sharif zum Betreuungsumfang.

Die Einzigartigkeit des Verbandes eröffnet interessante Perspektiven des gesamten betriebsmedizinischen Spektrums.

Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse können schnell in die Praxis umgesetzt werden. Hier zum Beispiel unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes: Eine lückenlose Erfassung der Belastung des fliegenden Personals durch kosmische Strahlung wird bereits seit 2005 mittels des Systems `PCAire` (Predictive Code for AirCrew Radiation Exposure) betrieben. Für Einsätze unter extremen klimatischen Bedingungen existiert ein detailliertes Handbuch, welches sich im Wesentlichen auf die sogenannte `apparent temperature` (gefühlte Temperatur) stützt, die vom verbandseigenen meteorologischen Dienst für jeden Punkt der Erde ermittelt und vorhergesagt werden kann. Dem militärischen Führer vor Ort wird hierdurch eine wertvolle Entscheidungshilfe gegeben.

Arbeitsmittel, Arbeitsbekleidung und Maschinen bis hin zum Großgerät werden vom Verband in eigener Verantwortung beschafft. Der betriebsärztlichen Beratung in ergonomischen Fragen kommt daher eine hohe Bedeutung zu und nimmt entsprechend breiten Raum in der täglichen Arbeit ein.

Wie in der Gesamtbevölkerung gibt es im Hinblick auf die Ursachen krankheitsbedingter Fehlzeiten wie auch vorzeitiger Berentungen eine deutliche Verschiebung hin zu orthopädischen und psychologisch/psychiatrischen Krankheitsbildern. Diese Tendenz zeichnet sich auch im Bereich der Component ab. Daher erhalten Mitarbeiter mit entsprechendem Gefährdungspotenzial am Arbeitsplatz eine praktische Unterweisung in rücken- und gelenkgerechter Lastenhandhabung, welche in 3-jährigem Turnus verpflichtend ist. Zur Erfassung und Bewertung der subjektiven Arbeitsfähigkeit sowie mentaler Beanspruchungen kommen die standardisierten Instrumente WAI (Work Ability Index) und ­COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire) zum Einsatz.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei der Medical Branch, dem Fliegerarztbereich der NATO E-3A-Component in Geilenkirchen, um eine außergewöhnliche Dienststelle handelt. Man findet hier vor Ort zwei verschiedene Welten (Bundeswehr und NATO) in einem Punkt vereint.

Die Struktur der Medical Branch trägt einerseits dem umfangreichen Aufgabenspektrum Rechnung. Hier ist insbesondere nochmals die eigenständige Erbringung der Flugunfallbereitschaft hervorzuheben, welche zu 100 % durch eigenes Personal getragen wird. Dieses besondere Merkmal erklärt vor allem auch den hoch erscheinenden Personalschlüssel.

Andererseits wird der Aufbau der Medical Branch aber auch den Besonderheiten eines großen, internationalen Verbandes gerecht.

Ein hoher Organisationsgrad ist hier genauso unverzichtbar, wie ein zuverlässig eingespieltes Team mit engem Kontakt zu den zu betreuenden Patienten und detailliertem Wissen um deren Arbeitsbedingungen.

Datum: 12.01.2016

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