14.08.2013 •

ALS CJ MED OPS (COMBINED JOINT MEDICAL OPERATIONS) IM STAB RC NORTH IM 29. ISAF*

Aus dem Lazarettregiment 11 (Kommandeur: Oberfeldarzt Dr. A. Müller) des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung

(Kommandeur: Generalstabsarzt Dr. M. Tempel).



Arne Müller

Im Zeitraum 13.07. bis 05.12.2012 befand sich der Autor im Afghanistaneinsatz in oben genannter Verwendung im Internationalen Stab Regional Command (RC) North.

Die Tätigkeit im Internationalen Stab war gerade bei CJ Med von Internationalität geprägt (Abb. 1). So waren neben dem deutschen Vertreter, einem niederländischen Planungsstabsoffizier und dem US-amerikanischen Verbindungselement auch Belgier, Norweger und Schweden sowie ein niederländischer NCO in der Patient Evacuation Coordination Cell (PECC) zugegen.

Die CJ Med – Branch ist nach CJ 8 die kleinste Abteilung des Stabes RC North, dennoch wird im täglichen Geschäft sehr schnell deutlich, dass Finanzen und Medizinische Unterstützung zu limitierenden Faktoren der Operationsführung werden können. Vakant war der Dienstposten des Prev Med. Dieses konnte kompensiert werden, da im Stab DEU SanEinsVbd Fachexpertise vor Ort war, auf die bedarfsweise zurückgegriffen werden konnte.
Neben der Routinestabsarbeit mit den nationalen und internationalen Meldeverpflichtungen (unter anderem EPINATO, Medical Assessment Report, AFG Casualties), der Arbeit an den Standards of Procedures (SOP) und den Briefings von Besuchergruppen waren im Schwerpunkt als zwei große Themenfelder einerseits militärische Aspekte der sanitätsdienstlichen Unterstützung zu bearbeiten, andererseits zivil-militärische Kooperationen zu bewältigen.
Daneben galt es, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, dass DEU Rettungsmediziner auf USA Blackhawk-Helikoptern im Rahmen des Forward Air Medical Evacuation (AirMedEvac) eingesetzt werden konnten, um so die luftgebundene Behandlungsqualität verletzter ISAF-Soldaten zu steigern.
Gerade vor dem Hintergrund der im 29. Kontingent  durchgeführten Aufgabe der Standorte Meymanneh im Westen und Feyzabad im Osten mit einhergehenden Truppenreduzierungen im Verantwortungsbereich und Konzentration auf die Zentralregion um Mazar-e-Sharif und Kunduz/Khilegey, gab es große planerische und konzeptionelle Herausforderungen. Nur so konnte der Primärauftrag der Abteilung CJ Med, nämlich die Koordination und Sicherstellung der sanitätsdienstlichen Versorgung der im RC North eingesetzten ISAF-Soldatinnen und -Soldaten gewährleistet werden.

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Abb. 1: Abteilungen des Stabes RC North (2. v. l. Oberfeldarzt Dr. Arne Müller).

Ein Blick auf die Landkarte zeigt (Abb. 2), dass derzeit nicht mehr alle Regionen im RC North gemäß der Vorgabe der „ISAF-60-min-timeline“ notfallchirurgisch versorgt werden können. Der durch den Kommandeur Headquarters (HQ) ISAF vorgegebene Zeitrahmen besagt, dass ein verwundeter/verletzter/erkrankter Soldat mit der Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention so zu transportieren ist, dass er spätestens 60 Minuten nach Eingang der Alarmmeldung bei der Helikopter-Crew auf dem Hubschrauberlandeplatz in der Nähe der Behandlungsebene 2/3 zu sein hat. Dieses ambitionierte Ziel führte zu ­Herausforderungen in der Planungsarbeit, insbesondere bei kurzfristigen Operationen in den Gebieten ohne ISAF-Präsenz.
Im Fokus stand daher, die Behandlungsqualität Damage Control Surgery als ein sehr mobiles, leichtes und flexibles Element zu etablieren, das die eingesetzte Truppe überall kurzfristig unterstützen kann. Hierzu wurden in enger Abstimmung mit den maßgeblichen Stellen in der Heimat, aber auch im Rahmen internationaler Absprachen mit den US-Amerikanern, Lösungsansätze erarbeitet. Diese reichten vom Rückgriff auf amerikanische Forward Surgical Teams (FST) über die Vorstationierung von Sanitätshelikoptern bis hin zur Kreation einer zeltgestützten „Role-2-very light“. Letzteres Modell wurde im Rahmen einer gemeinsamen Übung mit dem Sanitätsdienst der afghanischen Armee im Januar 2013 aufgebaut und getestet.

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Als weitere Aufgabe erforderte die Beratung des Korpsarztes des 209th Afghan National Army (ANA) Corps mit all seinen Facetten eine hohe interkulturelle Kompetenz und wurde regelmäßig im Camp Shaheen durchgeführt.
Ein Meilenstein war die im Oktober durchgeführte Medical Shura mit multinationalen Vertretern des Sanitätsdienstes. Immerhin war es die erste Veranstaltung, bei der neben Vertretern aus dem ISAF-Sanitätsdienst nicht nur der Sanitätsdienst des afghanischen Militärs, sondern auch die polizeilichen Sanitätsdienste des Landes anwesend waren (Abb. 3). Die ANSF bestehen aus ANA (Afghan National Army) plus diversen Polizeikörpern (AUP, ABP, ANP, ANCOP, etc.). Im Rahmen mehrerer Großschadensereignisse konnte der afghanische Sanitätsdienst bereits seine eigenständige Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Es gilt, die Kooperation dieser Elemente zu forcieren. Zukünftig sind bereits gemeinsame Trainingsprogramme geplant und die medizinisch stationäre Versorgung im Regional Military Hospital im Camp Shaheen umfasst auch die Versorgung afghanischer Polizisten.

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Ein weiteres Augenmerk lag auf der Behandlung von Zivilpatienten und der ­Entwicklung des ­zivilen Gesundheitssektors. Noch immer werden viele afghanische Dauerpatienten und Notfälle im Einsatzlazarett in Mazar-e-Sharif behandelt. Ob ein afghanischer Patient zu behandeln ist, wird algorithmisch in der SOP 1149 (Medical Rules of Eligibility) gebahnt. Der Commander (COM) RC North entscheidet darüber sodann nach Empfehlung seines Medical Advisors (MedAd), der im Vorwege die qualitativen und quantitativen Behandlungsmöglichkeiten prüft.
Das afghanische Gesundheitswesen entwickelt sich kontinuierlich, auch durch finanzielle und ausbildungstechnische Unterstützung der NATO-Staaten. Vor dem Hintergrund der geplanten ISAF-Truppenreduzierung ist es nunmehr notwendig, das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des eigenen Gesundheitswesens so zu stärken, dass Behandlungen in stationären ISAF-Einrichtungen auf ein Minimum zu beschränkt werden können.
Die Tätigkeit als CJ Med Ops war umfangreich, kurzweilig, erforderte eine hohe soziale Kompetenz sowie gute englische Sprachkenntnisse in Wort, Schrift und Vortrag.

Bildquelle: Oberfeldarzt Dr. Arne Müller

Datum: 14.08.2013

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2013/7

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