DIENSTAUFSICHT IN DER MATERIALWIRTSCHAFT – EINE GRUNDLAGE DER MATERIELLEN EINSATZBEREITSCHAFT

Für die Streitkräfte ist der effiziente Umgang mit Personal, Material und Haushaltsmitteln unabdingbar zur ordnungsgemäßen Auftragserfüllung. Beim Personal stehen die sachgerechte Auswahl, die nachfolgende Aus-, Fort- und Weiterbildung und ein sinnvoller Verwendungsaufbau im Vordergrund. Für Material sind geringe Investitionskosten, ein hoher Grad der Einsatzbereitschaft, eine lange Nutzungsdauer und niedrige Betriebskosten anzustreben; einfache Bedienung, geringe Anforderungen an Pflege und Wartung, lange Wartungsintervalle und niedrige Servicekosten ergänzen das idealtypische Anforderungsprofil.

Im Allgemeinen übt der Nutzer oder Bediener eines Geräts keinen direkten Einfluss auf die Investitionskosten aus, es sei denn, er wirkt bei der Beschaffung durch gezielte Empfehlung mit. Auch der Einfluss der Nutzer auf die reinen Betriebskosten ist begrenzt. Betrachtet man beispielsweise die zurückgelegte Wegstrecke eines Kraftfahrzeugs so kann jedoch der Kraftfahrer sehr wohl mit angemessener und vorausschauender Fahrweise und dadurch geringeren Treibstoffverbrauch die Betriebskosten senken. Auch die vom Patientenaufkommen beeinflussten Betriebsstunden eines Sanitätsgeräts oder die Nutzungszeiten bei IT-Gerät sind durch den Nutzer nur wenig beeinflussbar, allerdings lassen sich in Einzelfällen energieaufwändige stand-by Zeiten signifikant reduzieren. Schonender Umgang, gute Pflege und Wartung sowie das Einhalten bestimmter Fristen helfen bei der Einsparung von Instandsetzungskosten.

Pflichten, Kontrollen und Prüfungen

Den weitaus größten Einfluss haben Nutzer und Bediener auf den Grad der Einsatzbereitschaft und somit indirekt auf Nutzungsdauer und Instandsetzungskosten. Dem Kraftfahrer obliegt die Pflicht der Durchsicht des eingesetzten Kfz vor, während und nach der Fahrt. Vor der Fahrt sollen Mängel erkannt und beseitigt werden, die die Verkehrssicherheit negativ beeinflussen oder eine Schädigung des Materials nach sich ziehen können. Aufgabe des Kraftfahrers ist daher das Erkennen der defekten Glühbirne, das Überprüfen des Ölstandes zur Vermeidung von Motorschäden, im Winterhalbjahr das Überprüfen der Bereifung und die Kontrolle des Frostschutzes der Scheibenwaschanlage und der feste Sitz der Tragenhalterung im Krankenkraftwagen zum Schutz des beförderten Patienten und des Begleitpersonals, um nur einige Beispiele zu nennen.

Leider werden im Zuge der Technischen Materialprüfung (TMP) immer wieder Mängel - auch der oben genannten Art - festgestellt, die durch den Benutzer sehr oft erkennbar gewesen wären. Dabei wird ein Mangel als „erkennbarer Mangel“ definiert, wenn dieser durch den ausgebildeten oder eingewiesenen Bediener bei vorschriftsmäßiger Durchführung der Technischen Durchsichten bzw. beim Betrieb - und zwar ohne Einsatz spezieller Prüfmittel - hätte festgestellt werden können. Des Weiteren werden Mängel als erkennbar eingestuft, die eine nicht vorschriftsmäßige Durchführung des besonders angesetzten Technischen Dienstes erkennen lassen.

Beim Medizingerät ist auf sorgfältige Reinigung, ggf. sich anschließende Desinfektion nach Firmenvorschrift und zeitgerechten Ersatz von Verbrauchsmaterial zu achten. Besondere Aufmerksamkeit ist bei Rücklieferungen und Abgaben zur Instandsetzung angezeigt, insbesondere wenn Material aus den Einsatzländern nach Deutschland zurückgeführt werden soll. Hier mangelt es oft an Vollständigkeit und Sauberkeit. Prüfungen wie die der Schutzleiter sind ebenso von Bedeutung wie sachgerechtes, knickfreies Verlegen von Kabeln, um Sachschäden wie auch Unfälle zu vermeiden. Fristen anderer wiederkehrender Prüfungen wie die sicherheitstechnischen (stK) und medizintechnischen Kontrollen (mtK) sind durch den Nutzer/Bediener zu überwachen.

Einige Beispiele sollen hier stellvertretend genannt werden. Je nach Geräteart ist der Ausbau von Akkumulatoren beim Transport oder der Zustand bei stillgelegtem Gerät zu überprüfen. Versandbehältnisse sind vorschriftsmäßig zu kennzeichnen, Gefahrgut entsprechend zu verpacken. Bei Nichtgebrauch ist Wasser aus den Umlaufkühlern der Sterilisatoren und bei Ultraschallreinigungsgeräten zu entfernen. Kalibrierungsintervalle und Eichfristen sind einzuhalten. Verantwortlich ist in erster Linie der Benutzer oder Bediener.

Prüfungen greifen jedoch nicht nur im ausführlich geschilderten Bereich der Materialerhaltung, sondern sind für die Materialbewirtschaftung gleichermaßen unentbehrlich. Hier kommt es unter anderem darauf an, die Vollzähligkeit und Vollständigkeit des Wehrmaterials zu überwachen, die vorschriftsmäßige Führung des Bestandsnachweises sicherzustellen und den Zustand und die Einsatzfähigkeit des Materials festzustellen. Die Überwachung der Lagerung wie auch die Kontrolle der Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen ist ebenfalls Gegenstand der Prüfungen.

Die im Bereich der Materialbedarfsdeckung durchgeführten Prüfungen obliegen im Allgemeinen der Wehrverwaltung. Sie erstrecken sich mit Schwerpunkt auf das Gebiet der dezentralen Auftragsvergabe, insbesondere auf die Einhaltung bestimmter Beschaffungswertgrenzen und die Einschaltung der zuständigen Standortverwaltungen.

Dienstaufsicht

Dienstaufsicht ist ein wesentlicher Bestandteil der truppendienstlichen Führung und wird vorrangig und verantwortlich durch den Dienststellenleiter ausgeübt. Dienstaufsicht ist die Pflicht des militärischen Vorgesetzten, die ihm untergebenen Soldaten zu überwachen, um sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Dienstpflichten anzuhalten. Sie ist demnach eine Form der Kontrolle der Untergebenen. Die Pflicht des militärischen Vorgesetzten zur Dienstaufsicht ergibt sich aus § 12 Soldatengesetz. Ziel der Dienstaufsicht ist es, die Erfüllung eines erteilten Auftrages oder einer anderen Vorgabe sicherzustellen. Im Falle der Materialbewirtschaftung und -erhaltung kommt es darauf an, dass der Vorgesetzte sich ein aktuelles Lagebild über das Material der Einheit oder des Verbandes verschafft. Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass ein Untergebener Anspruch auf Dienstaufsicht hat und schuldhaftes Unterlassen der Dienstaufsicht ein Dienstvergehen darstellt.

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Formen der Dienstaufsicht sind mannigfach; sie unterscheiden sich in der Ebene der Durchführung wie auch in Form, Inhalt und Ausübung. Innerhalb der Einheit wird die Dienstaufsicht vorwiegend durch Anwesenheit, also unmittelbar ausgeübt. Die persönliche Anwesenheit des Vorgesetzten ist das wirkungsvollste Mittel der Dienstaufsicht. Der „Vor-Ort – Eindruck“ beim besonders angesetzten Technischen Dienst oder bei Pflege- und Wartungsarbeiten am Sanitätsgerät ist durch kein noch so ausgeprägtes Meldewesen oder Tabellenwerk zu ersetzen. Die Präsenz des Vorgesetzten mag bei allen Beteiligten zu Unsicherheiten und unbewussten Reaktionen führen und stellt sicher besondere Anforderungen an das Auftreten und Kritikverhalten des Vorgesetzten. Wird jedoch beachtet, dass neben der eigentlichen Sachverhaltsermittlung konkrete Hilfestellung, die Weitergabe von Erfahrungen und eine abschließende neutrale oder gar positive Bewertung das Ziel und Ergebnis jeder Dienstaufsicht sind, steht einem Dialog zwischen den Untergebenen und dem Vorgesetzten nichts entgegen. Dienstaufsicht ist im wahren Sinn des Wortes zunächst sehen, beobachten, Anteil nehmen und bewerten. In Inhalt und Form müssen Lob und Kritik überzeugen. Der Abstellung von Mängeln gilt das erste Augenmerk, in zweiter Linie sind eventuelle Konsequenzen zu überdenken. Beurteilungsnotizen und Aktenvermerke sind angezeigt und liefern der Personalführung möglicherweise weiterführende Erkenntnisse. Dienstaufsicht findet sich daher völlig zu Recht als Merkmal im Beurteilungsvordruck der Soldaten wieder.

Neben Lob und Anerkennung auf der positiven Seite müssen bei erkennbaren Mängeln oder Schwächen Ursachen für diese gefunden und abgestellt werden. Sehr oft sind nur mangelnde Kenntnisse vorhanden, die sich durch fehlende Ausbildung erklären lassen, welche jedoch durch geeignete Maßnahmen nachzuholen ist. In Einzelfällen sind förmliche Maßnahmen des Disziplinarrechtes oder die Prüfung auf Schadensersatzpflicht angezeigt. Zu einer angemessenen Reaktion des Dienstaufsichtsführenden gehört im Bedarfsfall eine umfangreiche Nachbereitung der gewonnen Erkenntnisse und wenn immer möglich die Kontrolle der Abstellung der Mängel nach einem angemessenen Zeitraum. Durch wiederholte persönliche Anwesenheit am Arbeitsplatz und ohne Ankündigung einer formellen Prüfung oder Dienstaufsicht wird der Dialog selbstverständlich und immer weniger als Kontrolle zu werten sein.

Oberhalb der Einheitsebene wird Dienstaufsicht zunehmend, jedoch keinesfalls ausschließlich, durch Auswertung bestimmter Unterlagen, im Meldewesen, durch andere organisatorische Maßnahmen oder durch Vergleich definierter Kennzahlen ausgeübt. Hierbei geht jedoch der helfende Aspekt der direkten Dienstaufsicht teilweise verloren, wenngleich auch eine Nachricht als Rückäußerung und ein Telefonat durchaus unterstützenden Charakter haben können. Je höher die Führungsebene, desto häufiger wird sich der Vorgesetzte des Sachverstandes von Fachleuten bedienen müssen, um Sachverhalte eindeutig bewerten zu können.

So wird im Sanitätsdienst ein Regimentskommandeur die Dienstaufsicht im Allgemeinen Kompanie-orientiert oder fachbezogen ausüben und ein Chefarzt eines Bundeswehrkrankenhauses sich mit Abteilungen oder Stationen befassen. Der Leiter einer Regionalen Sanitätseinrichtung wird die Dienstaufsicht innerhalb eines Funktionsbereiches ausüben oder eine seiner unterstellten Sanitätsstaffeln in der Gesamtheit berücksichtigen. Bei der Dienstaufsicht des Kommandeurs eines Sanitätskommandos oder vergleichbarer Ebene steht weniger die unmittelbare Kenntnisnahme und Abstellung eines Mangels im Vordergrund, vielmehr ist das „Mitnehmen von Problemen nach Hause“ sicher der bessere Weg gegenüber der subjektiven Wahrnehmung mit sich anschließender Bewertung und spontaner Lösungsfindung.

Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass im Sanitätsdienst besonders die Sanitätsoffiziere Arzt und Zahnarzt in den regionalen Sanitätseinrichtungen mit ihrem Unteroffizierskorps in der materiellen Dienstaufsicht an vorderster Front stehen, täglich gefordert sind und bei konsequenter Wahrnehmung auch den höchsten Wirkungsgrad haben. Die Erfahrungen aus den Einsätzen zeigen, dass die Thematik „Dienstaufsicht“ wegen der finanziellen Auswirkungen dringend breit gefächert in die Lehrgänge an der Sanitätsakademie einfließen muss.

Auf dem Gebiet der Materialwirtschaft stehen auf der Arbeitsebene geeignete Offiziere und Unteroffiziere innerhalb des Führungsgrundgebietes 4 (FGG 4) zur Verfügung, beispielhaft werden hier S4-Offiziere, Technische Offiziere, aber auch Gefahrgutbeauftragte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit genannt. Logistische Stabsoffiziere und Instandsetzungsstabsoffiziere bilden auf der Kommando- und Ämterebene die Führungsebene im FGG 4 im Sanitätsdienst ebenso ab wie die Sanitätsstabsoffiziere Apotheker. Letzteren kommt besondere Bedeutung zu, weil diese sowohl approbationsbezogene Fachaufsicht über die Bundeswehrapotheken als auch Dienstaufsicht in der Logistik in allen Einheiten und Verbänden ihres jeweiligen Kommandobereichs durchführen. Daher sind die Abteilungsleiter G4 im Sanitätsdienst der Bundeswehr in der Wehrpharmazie mit ihren Teilgebieten Pharmazie, Lebensmittelchemie und Sanitätsmaterialwirtschaft fest verankert.

Dienstaufsicht kann präventiv erfolgen, wenn große Vorhaben heran stehen. Sie kann mit entsprechender zeitlicher Verzögerung nach externer Prüfung stattfinden, um die Abarbeitung der festgestellten Mängel zu verfolgen. Sie kann planmäßig angesetzt werden oder spontan erfolgen, unmittelbar oder mittelbar ausgeübt werden. In allen Fällen ist sie das geeignete Instrument, um zu führen, zu bewerten und die Auftragserfüllung ebenso wie das Wohl der anvertrauten Soldaten und im Falle der Nutzung und Anwendung von Sanitätsgerät auch das Wohl der dem Sanitätsdienst anvertrauten Patienten im Auge zu behalten.

Dienstaufsicht wird ergänzt und unterstützt durch Prüfungen auf dem Gebiet der Materialwirtschaft, die durch speziell für die Durchführung von Prüfungen vorgesehenes Personal durchzuführen sind. Hierzu gehören die Prüfungen nach § 29 Straßenverkehrszulassungsordnung und nach § 78 Bundeshaushaltsordnung (BHO). Im weiteren Sinne ist ebenfalls der Personenkreis einzubeziehen, der im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgaben im Eigenvollzug innerhalb der Streitkräfte tätig ist. Der Dienstaufsichtsführende nimmt daher grundsätzlich an der Schlussbesprechung derartiger Überprüfungen teil und ist gut beraten, mit den Prüfungsorganen eng und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Durch konsequente, kompetente und helfende Dienstaufsicht auf allen Gebieten der Materialwirtschaft können daher im täglichen Dienstbetrieb Kosten reduziert, die materielle Einsatzbereitschaft erhöht, die Nachweisführung verbessert, die Lebensdauer von Gerät verlängert und nicht zuletzt die Patientensicherheit wie auch deren Zufriedenheit nachhaltig verbessert werden.

Datum: 01.01.2006

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2006/1

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