Ressortforschung und evidenzbasierte -Wissensvermittlung zur -Förderung von Gesundheit, Fitness und -Einsatzbereitschaft

Chancen durch das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

Die wirkungsvolle Förderung der Gesundheit und Fitness von Bundeswehrangehörigen ist angesichts der körperlichen und psychischen Einsatzbelastungen nicht nur alternativlos, sondern wird auch zunehmend dringlicher [7, 14, 15]. Seit geraumer Zeit wird immer wieder von körperlich überforderten Soldatinnen und Soldaten berichtet, die den Anforderungen der Grundausbildungen nicht gewachsen sind [10]. Trotz jahrzehntelanger Ausbildungserfahrungen wird es schwieriger, Rekruten ausreichend auf die Aufgaben und Belastungen im Einsatz vorzubereiten. Dieser Trend überrascht nicht, da sich in den letzten 25 Jahren nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Rahmenbedingungen militärischer Ausbildung (höhere Anforderungen, abnehmende tatsächlich nutzbare Ausbildungszeit und sinkendes Leistungsniveau) deutlich verändert haben [8 - 11]. So haben stundenlanges Dauersitzen in Schule, Beruf, Verkehr und Freizeit, häufig gepaart mit Sportabstinenz, Fehlernährung und anderen gesundheitlich ungünstigen Lebensgewohnheiten, dazu geführt, dass die körperliche Fitness in der Bevölkerung sinkt und persönliche Stressgrenzen oft dauerhaft überschritten werden [2, 3, 5, 12]. Schon vor Jahren wurden vergleichbare Entwicklungen auch in NATO-Streitkräften beobachtet und darauf hingewiesen, wie wichtig ein Umdenken und ein Paradigmenwechsel mit Blick auf die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen, Ausbildungskonzepten und dem Erreichen einer ausreichenden Einsatzbereitschaft ist [4, 14, 15].

Angesichts der im Einsatz erforderlichen Belastbarkeit, des Durchhaltevermögens und der Leistungsfähigkeit wird es da-rauf ankommen, möglichst viele Bundeswehrangehörige zu einem gesundheits- und leistungsfördernden Lebensstil zu motivieren und die Kompetenz zu vermitteln, diesen langfristig in ihrem Alltag zu etablieren. Dies lässt sich nicht einfach „von oben anordnen“, sondern verlangt Rahmenbedingungen, Strukturen und Investitionen, die eine Umsetzung der Gesundheits- und Fitnessförderung in die Fläche ermöglichen [4].

Aufbau des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr

Mit der Gründung des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) im Oktober 2017 ist ein wichtiger Schritt erfolgt. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die Teilstreitkräfte Heer und Streitkräftebasis, in denen die meisten Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten ihren Dienst tun, über keine eigenen Ressortforschungseinrichtungen verfügen (im Gegensatz zu Luftwaffe, Marine oder diversen ausländischen Streitkräften). Eine evidenzbasierte und zeitnahe Weiterentwicklung aktueller leistungs- und einsatzrelevanter Heraus-forderungen (wie z. B. bei der Neukonzeption der Grund-ausbildung) ist daher nur eingeschränkt möglich. Das neue -InstPrävMedBw kann insofern zu einer wichtigen Einrichtung für Heer und Streitkräftebasis (z. B. bei trainingsphysiologischen und präventivmedizinischen Fragen) werden. Das Institut ist aus dem ehemaligen „Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr“ und der Ressortforschungsabteilung „Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie“ des „Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz“ hervorgegangen. Es verfügt über Millionen personenbezogener Gesundheitsakten, wissenschaftliche Daten sowie Erfahrungen mit einer Vielzahl von Forschungsmethoden und interdisziplinärem Domainwissen.

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Abb. 1: Aufbau des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr
Die Abteilung B „Gesundheitsinformation“ ist das zentrale Langzeitarchiv medizinischer Daten, die mit definierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozessen und unter strenger Beachtung des Datenschutzes analysiert werden. Auf diese Weise werden ärztliche Individualauskünfte wie auch belastbare evidenzbasierte Gesundheitsinformationen für das Ressort erstellt. Die zunehmende Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung wird auch hier zu massiven Veränderungen führen. Für fundierte Entscheidungshilfen und Beratungsleistungen (epidemiologische Analysen, Registeraufbau u.v. m.) ist die zeitnahe Bereitstellung hochwertiger Daten unerlässlich. Momentan wird im Verbund mit anderen IT-Arbeitsgruppen an tragfähigen Konzepten und Prozessen zur digitalen Archivierung und Nutzung von Gesundheitsdaten gearbeitet. Darüber hinaus wird in einem eigenen Fachbereich die nachgehende arbeitsmedizinische Vorsorge ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr, die im aktiven Dienst krebserregenden Stoffen und Strahlung ausgesetzt waren, initiiert und koordiniert.

Die Abteilung A „Gesundheits- und Leistungsförderung“ führt praxisnahe Forschungen für das Ressort durch und generiert Transferwissen für militärische und zivile Entscheidungsträger, Dienststellen und die Truppe. Die fünf Fachbereiche untersuchen in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit, auch mit anderen renommierten Forschungseinrichtungen, präventivmedizinische Fragestellungen im Kontext von Gesundheit, Arbeit und Leistung. Ziel ist das Schließen der Wirkungskette von der Forschung bis zur praktischen Anwendung in der Fläche (wie z. B. beim Basis-Fitness-Test).

Beispiele zur Notwendigkeit präventiv-medizinischer Ressortforschung: „Hitzeprävention“ und „Neukonzeption der Grundausbildung“

Zur erfolgreichen Umsetzung von Gesundheits- und Fitnessförderung in der Bundeswehr sind hochwertige wissenschaftsbasierte Erkenntnisse und praxisnahe Ressortforschung notwendig [16]. Dies kann mittelfristig dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit von Bundeswehrangehörigen zu sichern bzw. zu steigern und gleichzeitig gesundheitliche Risiken zu reduzieren. Ressortforschung muss allerdings zeitnah und flexibel gestaltet werden können, um auch bei dringlichen Fragestellungen belastbare Daten, anwendungsbezogenes Wissen und Empfehlungen generieren zu können [17].

Die Hitzezwischenfälle im Rahmen der Rekrutenausbildung im Sommer 2017 wie auch Berichte über „körperlich überforderte“ Soldaten [1, 10] haben u. a. dazu geführt, dass in Koblenz bereits im April 2018 ein internationales präventivmedizinisches Symposium durchgeführt wurde. In der vorliegenden Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift sind die Vorträge als wissenschaftliche (Kurz-)Artikel sowie Erfahrungsberichte aus der Truppe und der Wehrmedizin veröffentlicht. Als außerordentlich positiv für die Umsetzung wissenschaftsbasierter Dienstleistungen und beispielgebend für die Zusammenarbeit zwischen Ressortforschung und Truppe sind die zahlreichen Maßnahmen und Entwicklungen einzustufen, die im Anschluss an das Symposium erfolgten (siehe auch [6, 13]). Allerdings gelang dies nur aufgrund glücklicher Umstände, da es für zeitkritische Ressortforschungen derzeit noch kein Verfahren gibt, mit dem innerhalb von wenigen Wochen bzw. Monaten die Aufnahme notwendiger Forschungsarbeiten (ggfs. auch mit externen Forschungseinrichtungen) möglich ist.

Ausblick

Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr hat den Auftrag, wissenschaftsbasierte Dienstleistungen zu erbringen und Verlaufsforschung, Transferleistungen sowie Beratungen für Entscheidungsträger und die Truppe durchzuführen. Es wird vom Wissenschaftsrat evaluiert und steht im internationalen Wettbewerb mit anderen Forschungseinrichtungen. Dies verlangt in vielerlei Hinsicht Qualität, Flexibilität und Effizienz.

Literatur

  1. Faisst C: Überforderung in der Bundeswehr: Beschwerdedienst: www.swp.de/politik/inland/beschwerdedienst-24995759.html (last accessed on 28 August 2018).
  2. Höfler M: Resilienzförderung. Ein kurzer Überblick zum aktuellen Stand der Resilienzforschung. Präv Gesundheitsf 2018; 13 (1): 7 -11.
  3. Leyk D, Erley O, Gorges W, et al.: Körperliche Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im mittleren und höheren Lebensalter. Wehrmed Mschr 2007; 51 (5 - 6): 148 - 152.
  4. Leyk D, Franke E, Hofmann M, et al.: Gesundheits- und Fitnessförderung in der Bundeswehr. Von ressourcenorientierter Präventionsforschung zur Umsetzung in die Fläche. Wehrmed Mschr 2013; 57 (7): 162 - 166.
  5. Leyk D, Harbaum T, Schoeps S: Warum bleiben Menschen gesund und leistungsfähig? Ein wichtiger Forschungsbereich des künftigen Institutes für Präventivmedizin der Bundeswehr. Wehrmed Wehrpharm 2016; 16 (4): 93 - 94.
  6. Leyk D, Rohde U: Valide Erfassung und Dokumentation der körperlichen Fitness – Voraussetzung zur Neukonzeption von Grundausbildung und Einsatzvorbereitung. Wehrmed Mschr 2018; 62 (10): 372 - 373.
  7. Leyk D, Rohde U, Harbaum T, Schoeps S: Körperliche Anforderungen in militärischen Verwendungen: Votum für ein „Fitness-Register Ausbildung und Einsatz“. Wehrmed Mschr 2018; 62 (1 - 2): 2 - 6.
  8. Leyk D, Rüther T, Wunderlich M, et al.: Sportaktivität, Übergewichtsprävalenz und Risikofaktoren. Querschnittstudie mit mehr als 12.500 Teilnehmern im Alter von 16 bis 25 Jahren. Dtsch Ärztebl 2008; 105 (46): 793 - 800.
  9. Leyk D, Witzki A, Gorges W, et al.: Körperliche Leistungsfähigkeit, Körpermaße und Risikofaktoren von 18 - 35-jährigen Soldaten: Ergebnisse der Evaluierungsstudie zum Basis-Fitness-Test (BFT). Wehrmed Mschr 2010; 54 (11 - 12): 278 - 282.
  10. Persikowski L: Zielsetzung und Rahmenbedingungen militärischer Ausbildung am Beispiel der Offiziersausbildung im Heer. Wehrmed Mschr 2018; 62 (10): 356 - 357.
  11. Rohde U, Erley OM, Rüther T, Wunderlich M, Leyk D: Leistungsanforderungen bei typischen soldatischen Einsatzbelastungen.Wehrmed Mschr 2007; 51 (5 - 6): 138 - 142.
  12. Santtila M, Kyröläinen H, Vasankari T, et al.: Physical fitness profiles in young Finnish men during the years 1975 - 2004. Med Sci Sports Exerc 2006; 38 (11): 1990 - 1994.
  13. Schoeps S: Editorial. Wehrmed Mschr 2018; 62 (10): 345.
  14. NATO: TR-HFM-080: Optimizing operational physical fitness. Final report of task group 019. https://bit.ly/2BUKjq6 (last accessed on 28 August 2018).
  15. NATO: TR-HFM-178: Impact of lifestyle and health status on military fitness. Final report of task group HFM-178. https://bitly/2MTuKmO (last accessed on 28 August 2018).
  16. Wissenschaftsrat (ed.): Stellungnahme zur Laborabteilung IV „Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie“ des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Koblenz. Saarbrücken: Wissenschaftsrat.
  17. Wissenschaftsrat (ed.): Übergreifende Stellungnahme und Empfehlungen zu den wehrmedizinischen Bundeseinrichtungen mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Aachen: Wissenschaftsrat.


Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Dieter Leyk
E-Mail: dieterleyk@bundeswehr.org

Datum: 23.10.2018

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