ALS PIONIER IM NEUEN MINISTERIUM

Interview mit dem UAL II der Abteilung Führung Streitkräfte im BMVg, Generalarzt Dr. Stephan Schoeps

Vor sieben Monaten hat Generalarzt Dr. Stephan Schoeps die Aufgaben als Unterabteilungsleiter II in der Abteilung Führung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung übernommen. Damit ist er der einzige Generalarzt des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, der einen ministeriellen Dienstposten bekleidet.

Im Interview spricht Generalarzt Dr. Stephan Schoeps über seinen Aufgabenbereich und die Herausforderungen, die vor ihm liegen. Das Interview führten Heike Lange, Geschäftsführerin des BETA Verlages und Oberstarzt Dr. Andreas Hölscher, Chefredakteur der “Wehrmedizin und Wehrpharmazie”.

WM: Herr Generalarzt, als Unterabteilungsleiter FüSK II sind Sie auf ministerieller Ebene verantwortlich für die personelle Einsatzbereitschaft, Innere Führung, Ausbildung und wesentliche Anteile des Prozesses Gesundheitsversorgung in der Bundeswehr. Können Sie Ihren Aufgabenbereich für die Leser der WM etwas skizzieren?

GenArzt Dr. Schoeps: Die Überschrift über dieser Unterabteilung könnte lauten: Sicherstellung der personellen Einsatzbereitschaft. Wir unterstützen dabei den Generalinspekteur der Bundeswehr in seiner neuen Rolle als truppendienstlicher Vorgesetzter der Inspekteure. Zuvorderst obliegt es der Unterabteilung II, dass sie sich um den Menschen kümmert: streitkräftegemeinsame Ausbildung, personelle Grundsatzforderungen, Innere Führung, Betreuung und Fürsorge. Und dann ist da eine Gesundheitsversorgung, die sich in dieses Spektrum angemessen eingruppiert. Das ist grob skizziert die Verantwortung der von mir geführten Unterabteilung in dem neu gebildeten Element Führung Streitkräfte.

WM: Es gibt eine neue Broschüre des Ministeriums, in der alle Abteilungen und Unterabteilungen vorgestellt werden. Wenn man sich mit den einzelnen Referaten ihrer Unterabteilung beschäftigt, dann ist offensichtlich, dass der für uns jetzt wichtige Sanitätsdienst „nur noch“ drei Referate hat, nämlich das Referat FüSK II 6, das sich mit Grundsatzangelegenheiten beschäftigt, das Referat FüSK II 7 mit den z. T. öffentlich-rechtlichen Fachaufgaben sowie das Referat FüSK III 5, zuständig im Wesentlichen für Sanitätsmaterialwirtschaft und sanitätsdienstliche Informationstechnologie. Wenn wir das mit dem ehemaligen Führungsstab des Sanitätsdienstes vergleichen, mit zwei Stabsabteilungen mit jeweils fünf oder sechs Referaten, reichen dann diese drei Referate aus, um die Gesundheitsversorgung in dieser Form ministeriell abzubilden?

GenArzt Dr. Schoeps: Das ist ein gutes Stichwort. Eine der Grundvoraussetzungen dieser neuen Struktur ist das Absteuern von Aufgaben in den nachgeordneten Bereich. Anders kann das nicht funktionieren.
Das, was der Minister angewiesen hat, ist die Beschränkung des Ministeriums auf  Kernaufgaben, d. h. Fachaufsicht, Lenken und Steuern. Alles, was das Tagesgeschäft beinhaltet, geht zum Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr in Koblenz. Diese neue Führungsebene, die aus dem überwiegenden Teil des Führungsstabes des Sanitätsdienstes, dem Sanitätsamt und dem Sanitätsführungskommando zusammengestellt wurde, nimmt in einer nach meiner Ansicht zukunftsweisenden Verquickung von Fachlichkeit und operativen Aufgaben  diese wesentlichen Aufgaben des Sanitätsdienstes wahr. Nur im engsten Schulterschluss mit diesem Kommando mit seinen rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern  ist es möglich, die bisherigen Aufgaben wahrzunehmen. Darüber hinaus ist das neue Ministerium prozessorientiert strukturiert. In der Regel sind die Prozessverantwortlichen dabei ministerielle Abteilungsleiter. In Abweichung von dieser Grundregel wird der Prozess „Gesundheitsversorgung“ durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr aus dem Kommando Sanitätsdienst verantwortet. Das, was wir früher im Führungsstab Sanitätsdienst gemacht haben, wird jetzt im Kommando Sanitätsdienst und in den verschiedenen Abteilungen des BMVg gemacht. Hier sitzen Sanitätsoffiziere, die diese Aufgaben häufig als Einzelkämpfer wahrnehmen. Da sie meist aber auch andere Aufgaben wahrnehmen, wird es schwer sein, eine einheitlich sanitätsdienstliche Meinung zu generieren. Das ist ein fundamentaler Unterschied zum alten System, bei dem im Führungsstab Sanitätsdienst der Inspekteur als Abteilungsleiter entsprechende Weisungen gab. Um dies auszugleichen, müssen die ministeriell abteilungsübergreifende sanitätsdienstliche Kommunikation und die mit dem Kommando Sanitätsdienst erheblich intensiviert werden. Das ist  das Konzept, nach dem wir bislang arbeiten.

WM: Verstehen Sie es auch als Ihre Aufgabe, die einzelnen Referenten für den Sanitätsdienst in großer Runde zusammenzuhalten?

GenArzt Dr. Schoeps: Das Referat FüSK II 6 ist das zentrale sanitätsdienstliche Element im Ministerium, welches die Koordination der sanitätsdienstlichen Arbeit im Ministerium in seinem Lastenheft hat. Es ist „die Spinne im Netz“ und wir versuchen gemeinsam, alle sanitätsdienstlichen Anstrengungen in die richtige Richtung zu bewegen. All dies muss sich erst einmal schütteln, weil das Kommando Sanitätsdienst als starkes ministerielles Unterstützungselement erst zum 01.10.2012 in Dienst gestellt wurde. Wenn alles eingespielt ist, wird es in dem Zusammenwirken dieser beiden neuen Elemente möglich sein, den Sanitätsdienst zu führen und fortzuentwickeln. Da jetzt mehr mit Zielvorgaben des Ministers gearbeitet wird, ist es eine besondere Herausforderung, diese über die Staatssekretäre, den Generalinspekteur und den Abteilungsleiter Führung Streitkräfte hin zum Inspekteur des Sanitätsdienstes zu transportieren. Dabei gilt es für den Sanitätsdienst, die richtigen Ziele festzulegen. Das ist eine Sache, die wir auf Ministerialebene abstimmen müssen. Die zweite Sache ist, dass in der neuen Struktur nicht mehr der Sanitätsdienst für Rüstung und Beschaffung verantwortlich ist. Dies macht die Abteilung Planung in einem sogenannten integrierten Planungsprozess, wobei die Finanzmittel durch die Abteilung Haushalt und Controlling bereitgestellt werden, die dann die neue Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung übernimmt. Alles das muss sich erst einmal einspielen. Hier gilt es zu allen Playern engsten Kontakt zu halten.

WM: Herr Generalarzt, Sie haben gerade die verschiedenen Prozesse angesprochen. In der neuen Struktur ist demnach alles prozessorientiert. Der normale Leser, der die ministeriellen Abläufe nicht genau kennt, stellt sich das so vor: Früher war alles in einer Hand, jetzt sind viele unterschiedliche Stellen involviert, auch außerhalb des Sanitätsdienstes. Muss man da nicht befürchten, dass durch diese Prozessorientierung Entscheidungen für den Sanitätsdienst aufgrund der Zielvorgaben, die einem bestimmten Ablaufmuster folgen, deutlich länger dauern, als es vielleicht noch in der alten Struktur war, obwohl die Zielvorgabe des neuen Ministeriums ist, effizienter und auch transparenter zu werden?

GenArzt Dr. Schoeps: Es ist schon so, dass es die Verfahren vereinfacht und auch beschleunigt, wenn man einen Prozess in einer Organisationsstruktur abbildet und Zuständigkeit und Verantwortung bündelt. Das gilt allerdings nicht für den Prozess „Gesundheitsversorgung“. Dieser ist, wie eben schon kurz angesprochen, nicht mit einem Spitzendienstgrad abgebildet und damit in einer Hand. Unser Prozessverantwortlicher sitzt nicht als Abteilungsleiter im Ministerium, sondern befindet sich im nachgeordneten Bereich und ist trotzdem für die gesamte Bundeswehr zuständig. Mit Letzterem unterscheidet sich unser Inspekteur aus meiner Sicht deutlich von den anderen Inspekteuren. Diese wirken zwar ebenfalls nur außerhalb des Ministeriums, aber in der Regel nicht für die ganze Bundeswehr, also nicht zivil und militärisch. Das ist eine Verantwortung, die unseren Inspekteur als Alleinstellungsmerkmal auszeichnet. Dabei war seine unmittelbare Nähe zur politischen Leitung, zur Spitze des BMVg, auch Ausdruck des Stellenwerts der Sorge für und um den Menschen. Dass er nun diese Aufgabe auch in den jetzigen Strukturen wahrnehmen kann, das ist unsere gemeinsame Herausforderung. Dieses strukturelle Manko kann durch gemeinsames Wirken auf allen Ebenen kompensiert werden und sollte deshalb baldmöglichst korrigiert werden.

WM: Ihr eigener Dienstposten ist in dieser neuen Struktur eine komplett neu geschaffene Verwendung. Sie sind als Sanitätsoffizier der erste im Generalsrang, der auf diesem Dienstposten verwendet wird, der aber auch von einem Truppengeneral besetzt werden kann. Bedeutet das, wenn Sie einmal eine andere Aufgabe übernehmen werden, dass Ihr Nachfolger zwangsläufig ein Sanitätsoffizier sein wird?

GenArzt Dr. Schoeps: Zwangsläufig sicher nicht, aber der Inspekteur wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass es auch in Folge so sein wird, dass die sanitätsdienstlichen Kernreferate FüSK II 6 und FüSK II 7 auch von einem Unterabteilungsleiter geführt werden, der die erforderliche fachliche Expertise besitzt. Auch deshalb sehe ich es als meine Aufgabe, zu zeigen, dass Sanitätsoffiziere sich dieser allgemein-militärischen Herausforderung erfolgreich stellen können.

WM: Sie leisten jetzt Pionierarbeit, wenn man das so nennen darf. Wie fühlt man sich als Pionier im neuen Ministerium?

GenArzt Dr. Schoeps: Pioniere gibt es, so glaube ich, in dem neuen Ministerium ganz viele. Fast alle Strukturen wurden „auf links“ gedreht, 1 000 Mitarbeiter wurden eingespart. Da müssen sich fast alle neu orientieren. Für einen Sanitätsoffizier ist es immer eine Herausforderung, wenn der überwiegende Teil seiner Mitarbeiter nicht dem Sanitätsdienst angehört. Wenn der Dienstherr also möchte, dass einige von uns solche Verwendungen wahrnehmen und dabei zwangsläufig auch den Sanitätsdienst vertreten, dann muss die Ausbildung für diese Sanitätsoffiziere angepasst werden. Derzeit besetzt der Sanitätsdienst eine Referentin beim Staatssekretär Beemelmanns und einen Referatsleiter im Organisations- und Revisionsstab. In vielen anderen Bereichen dienen Sanitätsoffiziere aller Approbationen, die dort nicht nur sanitätsdienstliche Aufgaben wahrnehmen und dabei Mitarbeiter führen, die nicht sanitätsdienstlich geprägt sind. An Führungs- und Einsatzerfahrung mangelt es vielen Sanitätsoffizieren bekanntlich nicht.

WM: Man könnte das auch von der  positiven Seite sehen. Man traut Sanitätsoffizieren in dieser neuen Struktur aufgrund ihrer Qualifizierung und ihrer  Erfahrungen aus den Einsätzen, aus anderen Verwendungen, Kommandobehörden, diese Aufgaben offensichtlich zu. Sonst würde man keine Sanitätsoffiziere auf Dienstposten setzen, die bisher klassischerweise Truppenoffizieren vorbehalten waren.

GenArzt Dr. Schoeps: Viele Sanitätsoffiziere verfügen über eine große Verwendungsbreite, über die manche Truppenoffiziere nicht verfügen. Mit diesem Hintergrund, und ich meine hier insbesondere die Einsatzerfahrung, muss man sich nicht verstecken. Das eigentliche Problem bei der Besetzung von Dienstposten durch Sanitätsoffiziere ist, dass diese in der Regel ganz wenig klassisch-militärische Ausbildung genossen haben. Darüber hinaus fehlen uns die auf der Basis gemeinsamer Ausbildung entstehenden Netzwerke, die für eine erfolgreiche Arbeit unerlässlich sind. Wir verfolgen immer noch das Prinzip des „Learning by doing“. Da wird nur der, der ein Naturtalent ist, obsiegen, viele andere werden aber unnötigerweise frustriert. Ich sage es noch einmal: Man muss unserem Führungspersonal durch solide Ausbildung die Chance geben, erfolgreich zu führen und auch im Wettbewerb mit Truppenoffizieren zu bestehen.

WM: Da besteht sicherlich Handlungsbedarf, aber es muss im Hinblick auf die Neuausrichtung insgesamt ein Umdenken erfolgen. Es ist sicher eine logische Konsequenz, hier auch die Vorbereitung von ausgewählten Sanitätsoffizieren für solche Führungsaufgaben zu überdenken und entsprechend zu modifizieren.

GenArzt Dr. Schoeps: Korrekt. Es gibt in diesem Zusammenhang einen zweiten Aspekt: Der Einsatz von Truppenoffizieren im Sanitätsdienst, und zwar zur Entlastung der kurativ Tätigen, aber auch zur Unterstützung der sanitätsdienstlichen Führung. Auch da, denke ich, müssen noch „dicke Bretter“ gebohrt werden. So könnte man eine eigene Ausbildungs- und Verwendungsreihe im Sanitätsdienst einführen, wo eine Karriere als Truppenoffizier vom Offiziersanwärter bis zum Oberst oder gar Brigadegeneral im Sanitätsdienst durchlaufen werden kann. Ich denke, damit haben viele Nationen seit Jahrzehnten gute Ergebnisse erzielt und damit würde man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man hätte Sanitätsoffiziere nach wie vor in der Führungsverwendung und diese wären mit der Unterstützung von leistungsstarken Truppenoffizieren auch besser für die kommenden Herausforderungen gewappnet.

WM: Können Sie sich denn vorstellen, in einigen Jahren den ersten Sanitätsstabsoffizier als Militärattaché eingesetzt zu sehen?

GenArzt Dr. Schoeps: Das ist jedenfalls eine Sache, die man nie ausschließen sollte, weil auch Sanitätsoffiziere über die unterschiedlichsten Talente verfügen. Sanitätsoffiziere, die gleichermaßen exzellente Führer, exzellente Stabsarbeiter und exzellente Ärzte sind, die sind an einer Hand abzuzählen und wären mir eigentlich unheimlich. Jeder von uns hat seine Stärken. Aufgabe von Organisation und Führung, also dem Management, ist es nach meiner Auffassung, den exzellent kurativ tätigen Ärzten die Arbeit zu erleichtern. Dafür brauchen diese aber auch exzellente Stabsarbeiter oder Führer, die Gefolgschaft bekommen. Wenn man das betrachtet, hat man als Sanitätsoffizier, dessen Herz für militärische Aufgaben oder das Management schlägt, eine riesige Bandbreite von Verwendungen, bei denen man seine Stärken einbringen kann und nicht gezwungen wird, ausschließlich kurativ tätig zu sein. Die große Organisation Bundeswehr lässt den gesamten Spielraum zu und wir wären schlecht beraten, wenn wir das exklusiv betrachten würden. Natürlich muss die Kuration im Vordergrund stehen, aber um es noch einmal zu sagen: Wir sind ein Expertensystem und ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir uns am besten selbst führen. Dann muss man, wie bereits erwähnt, allerdings auch den zweiten Schritt machen, die Ausbildung verbessern und die Leute entsprechend qualifizieren sowie Truppenoffiziere einwerben. Denn eines ist doch ganz klar: Es gibt nur wenige, die sich als Autodidakten gute Stabsarbeit beibringen können. Da muss man als Dienstherr durch Ausbildung unterstützen. Das ist, wie Sie sicher merken, für mich einer der ganz entscheidenden Punkte.

WM: Herr Generalarzt, gibt es aus Ihrem Bereich noch besondere Schwerpunkte, die Sie explizit für unsere Leser herausgestellt haben wollen?

GenArzt Dr. Schoeps: Neben den ministeriellen Aufgaben und der Sachwaltung für den Sanitätsdienst im BMVg liegt für mich der Schwerpunkt unserer zukünftigen Arbeit bei der Sicherstellung der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung. Und dort insbesondere in den Regionalen Sanitätseinrichtungen. Neben allen organisatorischen, personellen und materiellen Herausforderungen ist für mich das Entscheidende, dass das Bewusstsein „Dienstleister zu sein“ in unsere Köpfe hineingeht, so dass man als Patient in eine Sanitätseinrichtung eintritt und mit einem freundlichen „Wie können wir Ihnen heute helfen“ empfangen wird. Unsere Patienten müssen sich fachlich optimal angenommen und behandelt fühlen; durch gute Praxisorganisation müssen Wartezeiten minimiert und der allgemeine Service verbessert werden. Der Soldat, der ein Problem hat, muss dieses auch gelöst bekommen. Die Patienten müssen die Gewissheit haben, im besten Gesundheitsversorgungssystem Deutschlands behandelt zu werden. Wir sind ein Dienstleister und der Patient steht im Mittelpunkt – und nicht nur als Motto, sondern in der Realität. Gelingt uns das, dann haben wir den großen Wurf geschafft. Unser Inspekteur hat sich dieses als strategisches Ziel des Sanitätsdienstes auf die Fahne geschrieben.

WM: Das ist damit eine ganz klare klassische Führungsaufgabe.

GenArzt Dr. Schoeps: Ja, deswegen wird da ja auch der Schwerpunkt gesetzt. Wir müssen durch Steigerung der Attraktivität, durch zusätzliche Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Dienst und Familie unsere Mitarbeiter an den Sanitätsdienst binden und neue hinzugewinnen. Der Personalmangel muss beseitigt oder zumindest gemildert werden, da sonst die schönsten Konzepte ins Leere laufen. Hier gibt es einige gute Ideen und Entwicklungen. Ich nenne nur die Schlagworte „Fachkräftegewinnungsgesetz“ oder „Attraktivitätsprogramm“. Qualitätsmanagement wird wieder in den Fokus rücken. Wir müssen unsere Mitarbeiter schulen und ihnen den Betrieb einer Sanitätseinrichtung so beibringen, dass dieser wie eine zivile Arztpraxis oder ein medizinisches Versorgungszentrum funktioniert. Dies schließt Ausbildung in Sachen Patientenorientiertheit und Motivation mit ein. Denn auch im Zivilen kann man sich keine muffelige Annahme vorstellen, wo man im schlimmsten Fall erst einmal mit dem Satz „Wo ist denn ihre G-Karte oder ihr Krankenmeldeschein“ abgeschreckt wird.

WM: Herr Generalarzt, was Sie formuliert haben, sind zwei ganz zentrale Aufgaben. Sie haben zum einen gesagt, wir müssen Personal besser im Bereich der Führung schulen und Sie haben gesagt, wir wollen das Dienstleistungsbewusstsein stärken. Das sind Prozesse, die Jahre dauern, und enorme Herausforderungen, die Sie sich da vorgenommen haben.

GenArzt Dr. Schoeps: Ich bin froh, dass ich mit meiner Bewertung und Schwerpunktsetzung nicht alleine stehe. Ich weiß mich da im engsten Schulterschluss mit meinem Abteilungsleiter Fü SK und unserem Inspekteur. Ja, wir müssen jetzt beginnen, weil die Problemanalyse oder die Lagefeststellung an sich jedem klar sind. Nun müssen wir auch die Lösung des Problems anpacken, und die liegt, wie ich auch aus meiner früheren Verwendung als Kommandeur der Sanitätsakademie weiß, im Großen und Ganzen im Ausgleich der fehlenden Ausbildung. Wenn wir uns für die Qualifizierung nicht mehr Zeit nehmen, dann werden wir auch nicht besser werden. Wir müssen die Investitionsphase verstärken, und zwar in den Bereichen, in denen wir einen erkannten Mangel haben. Da ist die Sanitätsakademie, da gibt es die Lehrgänge. Wir müssen uns die Zeit nehmen, diese auch zu besuchen. Wir brauchen aber auch Teams, die begleiten und coachen, die vorbeikommen und sich die Abläufe anschauen, Verbesserungsempfehlungen geben und insbesondere die Dienstleistungsmentalität fördern. Da haben wir noch einen spannenden Weg vor uns, und ich denke, dass dann auch die Betrachtung des Sanitätsdienstes in Deutschland deutlich positiver wird, wenn die Leute merken, die kümmern sich um uns und sind immer für uns da. So wie wir das ja herausragend in den Einsätzen machen.

WM: Vielleicht noch zu einem ganz anderen Punkt, auch aus Ihrer Unterabteilung: Ein Referat, II 3, beschäftigt sich u. a. mit dem Themenkomplex Veteranenangelegenheiten, ein Thema, das sich der Minister höchstpersönlich auf die Fahnen geschrieben und auch in die Diskussion eingebracht hat. Könnten Sie uns dazu einen aktuellen Sachstand mitteilen, was zum Thema Veteranenangelegenheiten zu sagen ist?

GenArzt Dr. Schoeps: Die Veteranendiskussion startete vor ungefähr einem Jahr und wurde bislang sehr intensiv geführt, meiner Ansicht nach aber nicht so, wie es unser Minister beabsichtigt hatte. Er wollte die Diskussion über den Dienst des Soldaten und über seine Opfer, die er in den Einsätzen bringt, breit in die Gesellschaft tragen. Er wollte, dass man dort diskutiert und die Soldaten, die ihren Kopf für Recht und Freiheit herhalten und vom Parlament mandatiert in die Einsätze gehen, wertschätzt. Bisher haben sich mehrheitlich die Fachverbände, z. B. der Reservistenverband und der Bundeswehrverband, und die üblichen interessierten Kreise dazu geäußert. Ich denke, dass die Kommunikation im internen Kreise zu kurz springt. Dann ginge die Diskussion in eine falsche Richtung. Man denkt sofort, wo ist der finanzielle Vorteil, was hat man vom Status „Veteran“. Dabei geht es nicht um Geld, es geht nicht um den einen Euro Rabatt bei der Hamburger Kette, sondern es geht um Dinge, die nicht mit Geld zu bezahlen sind, es geht um den Respekt für den Dienst, den wir für die Gemeinschaft leisten. Aber indem man das direkt auf eine monetäre Ebene zieht, wird es schnell ins Lächerliche gezogen oder gesagt, die wollen ja bloß wieder Vergünstigungen haben. In diese Ecke wollen wir nicht. Wir wollen die breite Diskussion über den Dienst des Soldaten in der Gesellschaft haben. Das ist bisher leider nicht gelungen, das muss man ganz klar sagen. Unser Minister hat den Rahmen für die weiteren Diskussionen gesetzt: Veteran ist ein ehemaliger Soldat der Bundeswehr mit Einsatzerfahrung. Das ist die Basis für weitere Überlegungen. Ich denke allerdings, dass die Debatte auch noch einen anderen Aspekt hat. Wir verlangen von Anderen Respekt, sind aber oft genug nicht selber stolz auf das, was wir sind und tun. Das fällt mir immer wieder auf. Wir sind nicht präsent genug in dieser Gesellschaft. Wer ist schon in Uniform in der Stadt oder bei einer öffentlichen Veranstaltung? Dass wir mehr nach außen gehen und sagen, wir sind Soldaten und wir sind stolz auf das, was wir tun, das wäre ein Ansatz. Wir als Sanitäter sollten damit überhaupt kein Problem haben, da wir sehr privilegiert immer das Sinnhafte tun. Es sollte uns besonders leicht fallen, stolz zu sein. Wenn wir so aufträten, würden andere sagen, das ist ja attraktiv, die machen tolle Sachen. Dann bekommen wir auch den Respekt.

WM: Zum Schluss noch eine persönliche Frage, nicht nur an den Unterabteilungsleiter Generalarzt Dr. Schoeps, sondern auch an den Menschen Stephan Schoeps: Was wünschen Sie sich für Ihre Funktion als UAL für die nahe Zukunft und was wünschen Sie sich persönlich?

GenArzt Dr. Schoeps: In der Unterabteilung wird exzellente Arbeit geleistet. Hierfür bin ich allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr dankbar. Für die zukünftigen fordernden Aufgaben wünsche ich mir weiterhin diese engagierte Unterstützung, ohne die wir keinen Erfolg bei der Aufgabenbewältigung haben können. Die sanitätsdienstlichen Ziele habe ich bereits angesprochen. Zurzeit ist das Arbeitspensum für alle immens. Im nächsten Jahr werden sich die Abläufe hoffentlich einspielen und mehr Klarheit bei Zuständigkeiten und Strukturen herrschen. Dann wird die Arbeit auch wieder einfacher sein. Da schauen wir mit viel Optimismus in die Zukunft. Ich persönlich freue mich auf die vielen Herausforderungen. Ich bin froh, in interessanten Zeiten mitgestalten zu können.

WM: Da können wir uns nur als Redaktion für dieses sehr offene Gespräch ganz herzlich bedanken und wünschen Ihnen ganz persönlich, aber auch für Ihre Unterabteilung und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alles Gute und dass diese gemeinschaftlich gesetzten Zielvorgaben zum Wohle unseres Sanitätsdienstes möglichst schnell umgesetzt werden. Ganz herzlichen Dank.

 

Datum: 20.02.2013

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/4

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