PILOTSEMINAR ZUR PSYCHOLOGISCHEN EINSATZVORBEREITUNG FÜR SANITÄTSOFFIZIERE DES BAT-POOLS AM BUNDESWEHRKRANKENHAUS BERLIN

Aus der Abteilung VIB – Psychotraumazentrum (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. P. Zimmermann) am Bundeswehrkrankenhaus Berlin (Chefarzt: Flottenarzt Dr. W. Titius, MBA)



von Peter Zimmermann, Herbert Jacobs, Michael Benker und Jens T. Kowalski

Die zunehmende Zahl behandlungsbedürftiger psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr geht mit der Notwendigkeit einher, Verfahren zu entwickeln, mit denen Prävention und Therapie dieser Störungen verbessert werden können.

Methoden:

Das Psychotraumazentrum am Bundeswehrkrankenhaus Berlin hat eine intensivierte Form der psychologischen Einsatzvorbereitung für Sanitätsoffiziere der Beweglichen Arzttrupps (BAT) konzeptionalisiert, Mitte 2011 als Pilotseminar erstmals durchgeführt und qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse lassen auf eine positive Akzeptanz des Seminars durch die Teilnehmer schließen.

Schlussfolgerungen:

Weitere Studien unter Einschluss psychometrischer Verfahren im longitudinalen Design sind erforderlich. 

Pre-deployment psychological training for emergency care medical officers at the Bundeswehr Hospital Berlin – a pilot study

Summary

Background:

Due to the increased psychiatric treatment needs in the German Armed Forces the development of new preventive and therapeutic approaches is necessary.

Methods:

The Center of Mental Disorders at the Bundeswehr Hospital in Berlin has developed and evaluated a new conception of predeployment psychological training for emergency care deployable physician squads as pilot study.

Results:

The results point to a good acceptance of the training.

Conclusions:

Further longitudinal studies should include psychometric testing.

1. Einleitung

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr gehen mit einer zunehmenden Zahl an behandlungsbedürftigen einsatzbedingten psychischen Erkrankungen bei den beteiligten Soldaten einher [1, Einsatzstatistik des Psychotraumazentrums]. Zusätzlich leiden circa 25 % aller Soldaten an allgemeinen psychischen Krankheiten, was tendenziell der Prävalenz in der bundesdeutschen Allgemeinbevölkerung entspricht [unveröffentlichte Daten der Prävalenzstudie der Bundeswehr].

Diese Erkrankungsgruppe hat umfangreiche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen, aber auch auf deren Berufs- und Erwerbsfähigkeit. Dazu kommt eine hohe Inanspruchnahme ambulanter und stationärer medizinischer Versorgungssysteme [1, 2, 3, 4]. Derartige psychosoziale Zusammenhänge ließen sich auch in Studien an militärischen Patientenkollektiven feststellen. So schieden beispielsweise in einer Ein-Jahres-Kohorte amerikanischer Soldaten nach einer erstmaligen stationären psychiatrischen Klinikaufnahme 47 % binnen sechs Monaten aus dem Dienstverhältnis aus [5]. In der Bundeswehr sind vergleichbare Tendenzen bekannt. Im Jahre 2006 erfolgten 61 % aller gesundheitlich begründeten Entlassungen aus dem Dienstverhältnis aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung [Daten des Instituts für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen 2006].

Diese Daten machen deutlich, dass der Etablierung effizienter psychotherapeutischer Behandlungsstrukturen in den Bundeswehrkrankenhäusern, aber auch wirksamer Ansätze zur Primär- und Sekundärprävention psychischer Erkrankungen eine zunehmende Bedeutung zukommt. Insbesondere zur Primärprävention vor Auslandseinsätzen sind bislang im Gegensatz zu therapeutischen Ansätzen nur wenige wissenschaftlich evaluierte Erfahrungen gesammelt worden. Lediglich 14 Studien wurden weltweit zu der Thematik veröffentlicht [6].

Gemäß Rahmenkonzept der Bundeswehr zur Bewältigung psychischer Belastungen sind psychologische Präventionsmaßnahmen obligatorisch vor Auslandseinsätzen für alle Soldaten. Diese erfolgen in der Regel in Form von Gruppenunterrichten zum Thema Stress und Stressbewältigung, die durch die Mitarbeiter der psychosozialen Netzwerke durchgeführt werden, bislang allerdings nur wenig systematisiert und ohne Evaluation.

Im Hinblick auf einsatzbedingte psychische Belastungen stellt Sanitätspersonal eine besondere Risikogruppe dar [7]. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Betroffenen neben der Bedrohung der eigenen Sicherheit auch Verantwortung für ihre Patienten tragen, die unter oft erheblichem psychischem Stress wahrgenommen werden muss. Mit dieser Doppelbelastung gehen nicht selten auch Schuld- und Schamgefühle einher [8]. Bei Sanitätsoffizieren, die in den Bundeswehrkrankenhäusern dem Personalpool für Bewegliche Arzttrupps (BAT) angehören (= BAT-Pool), gesellt sich zu diesem Konfliktpotenzial noch eine hohe Zahl von Einsatztagen während ihrer dreijährigen Stehzeit, im Mittel circa 120 Einsatztage pro Jahr.

Aus diesem Grund wurde 2010 auf Initiative des Chefarztes des Bundeswehrkrankenhauses Berlin seitens des Sanitätsführungskommandos die Durchführung eines Pilotprojektes beschlossen, bei dem das Psychotraumazentrum der Bundeswehr am Bundeswehrkrankenhaus Berlin beauftragt wurde, eine strukturierte Intervention zu entwickeln, die in mehreren Modulen vor Beginn eines Auslandseinsatzes bei den Angehörigen des BAT-Pools durchgeführt und evaluiert werden sollte. Dieses Projekt wurde Mitte 2010 am BwKrhs Berlin erstmals umgesetzt.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Durchführung des Einsatzvorbereitungsseminars für Sanitätsoffiziere im BAT-Pool und den Inhalt der Einzelmodule zu beschreiben sowie die Ergebnisse der Evaluation darzustellen und zu diskutieren.

2. Methoden

2.1 Teilnehmer

Teilnehmer des Einsatzvorbereitungsseminars waren fünf Sanitätsoffiziere des BAT-Pools am Bundeswehrkrankenhaus Berlin, die kurz vor einem Auslandseinsatz bei ISAF in Afghanistan standen. In einem Fall bestand bereits Einsatzerfahrung, in den anderen Fällen nicht. Alle waren männlichen Geschlechts, befanden sich im dritten Jahr ihrer Assistenzarztzeit und gehörten den Fachrichtungen Innere Medizin, Chirurgie und Anästhesie an. Das Durchschnittsalter lag bei 27,5 Jahren.

2.2 Durchführung des Seminars

Das Seminar wurde im Verlauf einer Woche in den Räumlichkeiten der Abteilung für Psychiatrie durchgeführt und umfasste täglich eine 90-minütige Gruppensitzung unter der Leitung eines approbierten psychologischen Psychotherapeuten sowie eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie des Psychotraumazentrums. Als Materialien zur Kursbegleitung und -vertiefung wurde den Teilnehmern das Taschenbuch des Psychotraumazentrums „Psychosoziale Belastungen – eine Orientierungshilfe für Mitarbeiter im psychosozialen Netzwerk“ zur Verfügung gestellt.

2.3 Inhalte der Module

Modul 1: Psychoedukation zu Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen von Stress und traumatischem Stress

  •  Vorstellung der Teilnehmer,
  • Regeln des Seminars, zum Beispiel Schweigepflicht,
  • Physiologische und psychologische Grundlagen von Stress, Stressreaktionen, Stresssymptomatik,
  • Entstehungsbedingungen, Epidemiologie, Leitsymptome und Begleiterkrankungen von traumatischem Stress.

Modul 2: Umgang mit Stress und Stärkung persönlicher Ressourcen

  •  Erkennung und Wahrnehmung der Wechselwirkungen von externen Stressoren, internen Bewertungen und assoziierten Gefühlen,
  • Sensibilisierung für eigene stressverstärkende Überzeugungen und der Umgang damit: Erwartungen an das eigene Leistungsniveau, psychodynamische Grundlagen von Einstellungen zu Stress und Leistung,
  • Einführung distanzierender und heilsamer Gedankenmodelle: Konzept des inneren Trainers, Gedankenstopptechnik, Selbstfürsorge, Übergangsrituale, Umgang mit Stärken und Schwächen,
  • Wertigkeit und Einsatz von Medikation im Rahmen der Stressbewältigung: Medikation zur Schlafverbesserung, Medikation als Unterstützung bei posttraumatischer Belastungsstörung,
  • Bedeutung von Wertesystemen als Ressource, Stärkung durch Achtsamkeit.

Modul 3: Verbesserung sozialer Kompetenzen und Kommunikationsstrukturen

  • Erläuterung der Bedeutung sozialer Unterstützung nach Einwirkung von Stressoren bzw. Traumatisierung: Demonstration eines sokratischen Dialogs zur Verbesserung sozialer Unterstützung als Helfer im psychosozialen Netzwerk,
  • Einführung in die Grundlagen zwischenmenschlicher Kommunikation, die vier Seiten einer Nachricht,
  • Partnerübung: Vermitteln einer Botschaft, zum Beispiel Inhalt des letzten Wochenendes, und Zusammenfassung der Kerninhalte durch den Übungspartner in einem Satz, Verdeutlichung von Diskrepanzen zwischen intendierten und aufgenommenen Inhalten auf der Grundlage der Kommunikationstheorie,
  • Einführung in das Erklärungsmodell sozialer Beziehungsprozesse nach Hinsch und Pfingsten [9],
  • Einführung in die Verhaltenstypen und sozialen Kompetenzbereiche „Recht durchsetzen“ (Typ R), „Beziehungen gestalten“ (Typ B) und „Sympathie erzeugen“ (Typ S),
  • Partnerübung des Typs B auf der Grundlage einer einsatzbezogenen Übungssituation.

Modul 4: Theorie und Praxis von Entspannungstechniken

  • Grundlagen des Entspannungstrainings: Vor bereitung eines Trainings, Grundsätze der Durchführung, Bewältigung von Widerständen,
  • Kurzeinführung in die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson,
  • Kurzeinführung in Atementspannung,
  • Erfahrungsaustausch der Teilnehmer.

Modul 5: Prävention und Therapie

  •  das psychosoziale Hilfesystem der Bundeswehr
  • Prävention von Stress- und Traumafolgen in der Bundeswehr: Einsatzvorbereitung, psychosoziale Unterstützung im Einsatz, Einsatznachbereitungsseminare, Rückkehreruntersuchungen, PTSS-10-Fragebogen, Präventivkuren, Telefonhotline, Internetangebote, Selbsthilfegruppen und Angehörigenbetreuung,
  • therapeutische Möglichkeiten in der Bundeswehr: Traumatherapie im Bundeswehrkrankenhaus, ambulante und stationäre Therapie im zivilen Bereich, Nachsorge, gutachterliche Aspekte/WDB bei einsatzbedingten psychischen Erkrankungen,
  • Abschlussbesprechung und Evaluation des Seminars: Anregungen und Rückmeldungen der Teilnehmer, Verabschiedung.

2.4 Evaluation

Die Teilnehmer erhielten zum Abschluss des Einsatzvorbereitungsseminars einen vom Psychotraumazentrum entwickelten standardisierten Evaluationsbogen, der anonym ausgefüllt wurde. Er enthielt die im Ergebnisteil wiedergegebenen Fragen.

4. Ergebnisse

Die Auswertung der Evaluationsbögen erbrachte die folgenden Ergebnisse (Tab 1):

  1. Auf einer fünfstufigen Skala von „sehr zufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ (mit den Zwischenstufen „eher zufrieden“ – „teils-teils“ – „eher unzufrieden“) bewerteten alle Teilnehmer die Organisation des Seminars mit „sehr zufrieden“.
  2. Zu allen fünf Modulen wurde zusätzlich eine Einzelbewertung auf der oben genannten fünfstufigen Skala angeboten.
  • Das erste Modul wurde von 4 von 5 Teilnehmern mit „sehr zufrieden“ bewertet (einmal „eher zufrieden“).
  • Das zweite Modul wurde von allen Teilnehmern mit „sehr zufrieden“ bewertet.
  • Das dritte Modul wurde von einem Teilnehmer mit „sehr zufrieden“, von 3 Teilnehmern mit „eher zufrieden“, von einem Teilnehmer mit „teils, teils“ bewertet.
  • Das vierte Modul wurde von 4 Teilnehmern mit „sehr zufrieden“, von einem Teilnehmer mit „eher zufrieden“ bewertet.
  • Das fünfte Modul wurde von 2 Teilnehmern mit „sehr zufrieden“, von einem Teilnehmer mit „eher zufrieden“ bewertet (2 Teilnehmer waren dienstlich verhindert).

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Auf die Frage „Welches Modul fanden sie am wichtigsten?“ wurde von 4 Teilnehmern das Modul 2 an erster Stelle genannt, von einem Teilnehmer das Modul 4.

Die Frage „Wie bewerten Sie diese Form der Einsatzvorbereitung im Vergleich zu den herkömmlichen Einsatzvorbereitungsseminaren (falls schon teilgenommen)?“ beantworteten ein Teilnehmer mit „sehr viel besser“ und drei Teilnehmer mit „besser“ analog der oben beschriebenen fünfstufigen Skala. Ein Teilnehmer, der noch nicht an einem anderen Einsatzvorbereitungsseminar teilgenommen hatte, ließ die Frage unbeantwortet.

Auf die Frage „Dieses Einsatzvorbereitungsseminar hat mich persönlich weitergebracht“ antworteten alle Teilnehmer mit „stimmt genau“ (Bestbewertung auf der beschriebenen fünfstufigen Skala). Auf die Frage „Insgesamt bewerte ich dieses Einsatzvorbereitungsseminar als ......“ antworteten auf der fünfstufigen Skala 4 Teilnehmer mit dem positiven Maximalwert „sehr sinnvoll“, einer mit „eher sinnvoll“. In der mündlichen Abschlussdiskussion stellten die Teilnehmer einvernehmlich positiv heraus, dass ihnen diese Form der Einsatzvorbereitung ermöglicht worden sei. Als hilfreich bewertet wurde ebenso, dass das Seminar sowohl auf das Erleben der Teilnehmer selbst als auch auf die Vermittlung von Beratungskompetenzen für Kameraden ausgerichtet war. Der zeitliche Rahmen wurde als ausreichend, von einem Teilnehmer auch als zu knapp bewertet. Als besonders bedeutsam wurde die Ausrichtung auf praktische Konflikt- und Verhaltenssituationen im Kontext des Einsatzes bewertet. Zum Teil wurde der Wunsch geäußert, die Verhaltenstypen sozialer Beziehungen noch zu vertiefen und das Modul 3 zu verlängern.

4. Diskussion

In den anonymisierten schriftlich-standardisierten und mündlichen Rückmeldungen der Teilnehmer wurden fast ausschließlich positive Rückmeldungen der beiden besten Bewertungsstufen auf den vorgegebenen fünfstufigen Skalen abgegeben. Dieses Ergebnis lässt auf eine positive Akzeptanz der angebotenen Module bei den Teilnehmern schließen, die sich auch in der Gesamtbewertung abbildet.

Am kritischsten wurde das Modul zu den sozialen Kompetenzen sowie Kommunikationsstrukturen bewertet, möglicherweise aufgrund der nur geringen zur Verfügung stehenden Zeit für diese umfangreiche und komplexe Thematik. Besonders bewährt hat sich das zweite Modul, welches eine Annäherung an verschiedene Formen von Stress und den Umgang damit beinhaltete. Offenbar war hier für die Teilnehmer eine Bezugnahme nicht nur auf den Auslandseinsatz sondern auch auf allgemeine Aspekte der ärztlichen Tätigkeit möglich, unter anderem im Sinne einer Steigerung der eigenen Handlungskompetenz als Berater und Helfer.

Das hier beschriebene Ausbildungskonzept der Primärprävention vor einem Auslandseinsatz stellt eine Mischung aus psychoedukativen Anteilen und Übungsbestandteilen dar, die eine Stärkung der psychischen Ressourcen und damit der Widerstandskraft („Resilienz“) vor einem Auslandseinsatz zum Ziel hatten.

Mit vergleichbaren Konzepten bestehen in der wissenschaftlichen Literatur nur begrenzte Erfahrungen. In einem kürzlich erschienenen Review [6] werden Anwendungsmöglichkeiten primärpräventiver Interventionen sowohl vor als auch während des Einsatzes gesehen. Studien zur Anwendung vor dem Einsatz betreffen zum einen Ansätze zur Psychoedukation, das heißt, Aufklärung über eine mögliche Symptomatik und Hilfsmöglichkeiten bei psychischer Belastung und Erkrankung, zum anderen aber auch zur Entwicklung und zum Training von Bewältigungsstrategien („Skills Training“) (Abb 1).

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Abb 1: Einsatzmöglichkeiten von Maßnahmen der Primärprävention (nach 6).

Positive Erfahrungen mit dem Schwerpunkt der Psychoedukation bestehen beispielsweise mit dem computergestützten „Resilience Training“ oder dem „Combat Operational Stress Control (COSC)“ - Programm der amerikanischen Streitkräfte [10, 11]. Bewältigungsstrategien können durch ein auf den militärischen Kontext adaptiertes Stressimpfungstraining (SIT) nach Meichenbaum verbessert werden und dadurch die Inzidenz der Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) nach Auslandseinsatz vermindern [12]. Eine Variante des SIT unter Nutzung von digitalen „Virtual Reality“-Szenarien befindet sich in der Erprobung [13].

Die Wirksamkeit präventiver Methoden scheint unter anderem mit der Entwicklung und Verbesserung einer individuellen Persönlichkeitshaltung zusammenzuhängen, die im amerikanischen Sprachgebrauch mit „hardiness“ bezeichnet wird und die eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen und Veränderungen im Leben beinhaltet [14].

Die Bundeswehr hat für potenzielle Risikogruppen stressbedingter Erkrankungen, derzeit in der Pilotphase beginnend mit Sanitätspersonal und Kampfmittelbeseitigern, ein Computer-basiertes Trainingsprogramm (CHARLY) entwickeln lassen, das durch das Psychotraumazentrum evaluiert wird. Erste Ergebnisse weisen auf eine positive Akzeptanz hin [unveröffentlichte Daten des Psychotraumazentrums]. Derartige Ansätze reihen sich in ein während der letzten Jahre zunehmend elaboriertes System primär- und sekundärpräventiver Angebote ein. Exemplarisch seien die Psychosozialen Netzwerke genannt, aber auch Einsatznachbereitungsseminare, Präventivkuren, Internetangebote (www.ptbs-hilfe.de, www.angriff- auf-die-seele.de) sowie eine kostenlose anonyme Telefonhotline.

Die aktuellen Bestrebungen richten sich auf eine Integration dieser Verfahren in ein auf psychologischem Screening basierendes präventives Gesamtkonzept („PAUSE“), bei dem je nach vorheriger Belastung unterschiedlich intensive Präventionsmodule zum Einsatz kommen sollen. Die im Rahmen dieser Studie berichteten Erfahrungen können gegebenenfalls für die inhaltliche Ausgestaltung dieser Module Anregungen bieten.

Limitationen

Die hier präsentierten Ergebnisse der Auswertung des Einsatzvorbereitungsseminars haben noch keinen wissenschaftlichen Anspruch und stellen eine erste Akzeptanzbeschreibung einer neuen Präventionsform in der Bundeswehr dar. Insbesondere sind die geringe Probandenzahl, die fehlenden psychometrischen Testungen im longitudinalen Design (einschließlich einer Katamnese) und das Nichtvorhandensein einer Kontrollgruppe als Limitationen zu benennen.

5. Schlussfolgerungen

Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmer der hier vorgestellten Pilotstudie zu einer neuen Form der intensivierten Einsatzvorbereitung für Sanitätsoffiziere im BAT-Pool regen zu weiteren Untersuchungen an, um die Wirksamkeit derartiger Varianten einsatzbezogener psychologischer Primärprävention zu evaluieren. Denkbar wäre es zudem, den Anwendungsbereich auf andere Gruppen von Einsatzsoldaten mit hoher psychischer Stressbelastung zu erweitern.

Danksagung

Herrn Andreas Franz wird für seine unermüdliche Hilfe bei der Durchführung und Auswertung des Seminars gedankt.

 

Literatur:

  1. Zimmermann P, Hahne HH, Ströhle A: Psychiatrische Erkrankungen bei Bundeswehrsoldaten – Veränderungen in der Inanspruchnahme psychiatrischer Versorgungssysteme im Vergleich der Jahre 2000 und 2006. Trauma und Gewalt 2009; 3(4): 316-327.
  2. Kessler RC, Demler O, Frank RG: Prevalence and treatment of mental disorders, 1990 to 2003. N Eng J Med 2005; 352: 2515-2523.
  3. Kessler RC, Frank RG: The impact of psychiatric disorders on work loss days. Psychol Med 1997: 27: 861-873.
  4. Simon G, Ormel J, von Korff M, Barlow W: Health costs associated with depressive and anxiety disorders in primary care. Am J Psychiatry 1995; 152: 352-357.
  5. Hoge CW, Lesikar SE, Guevara R et al.: Mental disorders among US military personnel in 1990s: association with high levels of health care utilization and early military attrition. Am J Psychiatry 2002; 159: 1576-1583.
  6. Hourani LL, Council CL, Hubal RC, Strange LB: Approaches to the primary prevention of posttraumatic stress disorder in the military: a review of the stress control literature. Mil Med 2011; 176(7): 721-730.
  7. Lubin G, Sids C, Vishne T, Shochat T, Ostfield Y, Shmushkevitz M: Acute stress disorder and post-traumatic stress disorder among medical personnel in Judea and Samaria areas in the years 2000-2003. Mil Med 2007; 172(4): 376-378.
  8. Siegel S, Zimmermann P: Moralische Verletzungen von Soldaten im Auslandseinsatz. Wehrmedizinische Monatsschrift 2010; 54(6-7): 1-4.
  9. Hinsch R, Pfingsten U: Gruppentraining sozialer Kompetenzen GSK. Weinheim: Beltz Verlag 2007.
  10. Brusher EA: Combat and operational stress control. Int J Emerg Ment Health 2007; 9(2): 111-122.
  11. Castro CA, Adler AB: Military Mental Health Training: Building Resilience. Heidelberg: USArmy-Verlag 2009.
  12. Deahl M, Srinivasan M, Jones M, Thomas J, Neblett C, Jolly A: Preventing psychological trauma in soldiers: the role of operational stress training and psychological debriefing. Br J Med Psychol 2000; 73(1): 77-85.
  13. Spira JL, Pyne JM, Wiederhold B, Wiederhold M, Graap K, Rizzo A: Virtual reality and other experiental therapies for combat-related posttraumatic stress disorder. Primary Psychiatry 2006; 61: 60-66.
  14. Bartone PT: Hardiness protects against war-related stress in Army reserve forces. Consulting Psychology Journal: Practice and Research 1999; 51: 72-82.

Datum: 23.01.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2011/10

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