Die zahnmedizinische Versorgung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist ein fester Bestandteil der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung, sowohl im Inland als auch im Ausland. Derzeit sorgen 409 Sanitätsoffiziere Zahnarzt für Zahngesundheit bei der Bundeswehr, eine davon ist Oberfeldarzt Dr. Kerstin Kladny (47).
Rückblick
Sie war bei den ersten Sanitätsoffizieranwärterinnen dabei und hat über die Bundeswehr Zahnmedizin studiert. Sie würde diesen Werdegang, der vor 23 Jahren begann, wieder einschlagen, versichert Frau Oberfeldarzt, die derzeit am Bundeswehrkrankenhaus Ulm die Abteilung Zahnmedizin leitet und ausbaut. Kerstin Kladny sitzt auf der Veranda ihres neu gebauten Reihenhauses in Ulm und schaut ihrer sechsjährigen Tochter Annelie beim Spielen zu. Es ist das erste Mal, dass sie sich fest niederlässt. “Ich habe gebeten, mich während der vierjährigen Grundschulzeit von Annelie nicht in andere Verwendungen zu schicken.” Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist machbar bei der Bundeswehr, bei aller Flexibilität, die dieser Beruf auch fordert. Sie schaut zurück, wie alles begann. Sie war 24 Jahre, examinierte Pharmazeutisch-Technische Assistentin und studierte in zweiten Semester Pharmazie, als sie die Anzeige las: Die Bundeswehr suchte erstmals Frauen als Sanitätsoffizieranwärterinnen. Mit einem Studiengangwechsel hatte sie schon länger geliebäugelt. Zahnmedizin befand sich damals noch fest in männlicher Hand. In der Anzeige wurden 10 Bewerberinnen gesucht. Über 1000 meldeten sich, eine davon war Kerstin Kladny. Der damalige Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner stockte die Zahl der Stellen ob des großen Andranges der Frauen auf 50 auf. Weit über die Hälfte der heutigen Sanitätsoffizieranwärter Zahnmedizin sind Frauen. Ein Trend, der übrigens auch im Zivilen zu verzeichnen ist. Das Auswahlverfahren dauerte zweieinhalb Tage und war anspruchsvoll: Körperliche Fitness, Teamfähigkeit, Allgemeinbildung und Intelligenztest wurden verlangt. Dann stand fest: Sie war eine der 50 Ausgewählten. 15 Monate dauerten die Grundausbildung und die zum Offizieranwärter, dann wurde sie zum Studium an einer freien Universität befreit. Als Fränkin, sie wuchs in Petersaurach auf, freute sie sich über den Zuschlag des Studienplatzes in Erlangen an der Friedrich-Alexander- Universität. Kladny absolvierte das Studium in der Regelstudienzeit von zehn Semestern. Nach dem Staatsexamen folgte ein halbes Jahr als junge Zahnärztin in der Truppe, in Ellwangen an der Jagst. Dort war sie in der Brigade 30 stationiert, als zweiter Sanitätsoffizier in der Zahnarztgruppe. Ihr erfahrener Chef hat ihr viel beigebracht, erzählt sie, “wie man eine Zahnarztgruppe führt, und wie man Personal- und Materialverwaltung organisiert.”
Die Verantwortung, eine Zahnarztgruppe zu führen und zu verwalten ist nicht zu unterschätzen. “Wir unterliegen den gleichen gesetzlichen Vorgaben wie zivile Praxen und haben zusätzlich noch truppendienstliche und wehrmedizinische Aufgaben”, berichtet Kerstin Kladny. Auf dem kurativen Gebiet ist es unsere Hauptaufgabe, die Soldatinnen und Soldaten zahnmedizinisch fit für den Einsatz zu halten oder, wenn nötig, diese Fitness – gemäß NATO Statuten (STANAG 2466) – herzustellen. „Personalausfall im Einsatz wegen Zahnschmerzen muss vermieden werden“, sagt sie. Aber, falls es doch zu Problemen kommt, ist die Zahnmedizin auch in den Einsätzen gut aufgestellt.
Uniformvielfalt beim 27th Annual Meeting Women in Uniform.
Zur Ausbildung eines Sanitätsoffiziers gehört natürlich auch der grüne Anteil. Beim einwöchigen Überlebenstraining in Altenstadt wurde sie an die Grenzen ihrer physischen Leistungsfähigkeit herangeführt, erinnert sich Kerstin Kladny. Eine echte psychische Herausforderung war für sie der Sprung aus dem Turm der Fallschirmspringer. „Manche aus unserer Ausbildungsgruppe waren ganz versessen auf diese Mutprobe, für mich war es eine riesige Überwindung. Aber es gehörte eben dazu und ich habe es ja doch überlebt“, sagt sie lachend. Viereinhalb Jahre arbeitete sie als Leiterin der Zahnarztgruppe im Panzerbataillon 304 in Heidenheim am Hahnenkamm. Damals entschied sie sich, von der Zeitsoldatin zur Berufssoldatin zu wechseln. “Den Ausschlag hat für mich hat gegeben, dass wir bei der Bundeswehr eine sehr ‚ehrliche Zahnmedizin’ anbieten können, ohne kommerzielle Interessen, ohne den wirtschaftlichen Druck, denen private Praxen unterliegen. Ich wage zu sagen, wir bieten Zahnheilkunde auf hohem Niveau. Außerdem hatte ich genug Zeit mich zu prüfen, ob ich mich mit dem Berufsbild eines Sanitätsoffiziers identifizieren kann – und ich konnte und kann heute noch.“
Damit begann für sie ein neuer Lebensabschnitt. Seitens der Personalführung wurde ihr geraten, Erfahrungen in der OrgFü zu sammeln, “weg vom Bohrer, hin zum PC”. Sie wurde Ressortleiterin in der Aufbauredaktion für das Bundeswehrmagazin Y., zuständig für den Sanitätsdienst, den Militärmusikdienst, die Militärseelsorge, den Militärsport und für Frauen in der Bundeswehr, und zog nach Bonn um. Die Zahnärztin arbeitete künftig in einem Büro in der Liegenschaft des Verteidigungsministeriums, auf der Hardthöhe, musste ihre Seiten fürs Magazin planen, Texte akquirieren und selbst schreiben. “Ich habe damals viel über die Bundeswehr erfahren”, sagt sie, das habe ihr bei ihrem weiteren Werdegang sehr geholfen. Den Blick geöffnet über den Sanitätsdienst hinaus. Und, wie es sich in beruflichen Laufbahnen eben manchmal ergibt, wurde man im Ministerium durch ihre Arbeit bei Y. auf sie aufmerksam und hat sie gefragt, ob sie nicht Büroleiterin in Brüssel werden wolle, für das Komitee für Frauen in Uniform bei der NATO (Committee on Women in NATO Forces (CWINF)). Sie wollte und zog nach Brüssel. Die kurative Tätigkeit als Zahnärztin fehlte ihr bereits in Bonn, “aber die Aussicht im Internationalen Militärstab (IMS) im NATO Hauptquartier in Brüssel mitwirken zu können überwog.“ Im IMS der NATO war sie als ständige Vertreterin des CWINF vor Ort zuständig, die Belange von Frauen in Uniform beim Militär zu vertreten. Als Büroleiterin fungierte sie quasi als Sprachrohr der Vorsitzenden des Komitees, die diese Funktion nur nebenamtlich inne hat. Ein gutes Jahr blieb Kerstin Kladny im NATO Hauptquartier, dann zog es sie nach München, wurde Leiterin der Presse-Informationsarbeit (LdP) im Presseund Informationszentrum (PIZ) des Sanitätsdienstes.
Oberfeldarzt Dr. Kladny als Presseoffizier mit Brigadegeneral (US) Schoock, Chef des Stabes im HQ in Pristina.
Während ihrer Zeit in der PIZ ging sie drei Monate in den Kosovo-Einsatz, um dort als Press- and Informationofficer (PIO) die Pressearbeit im Internationalen Militärstab mit zu organisieren und zu gestalten. Es war ihr erster Auslandseinsatz, und die Erfahrungen prägten ihr weiteres Leben mit. Sie besuchte u.a. die Kinderklinik in Pristina und hatte Kontakt zu krebskranken Kindern. In einem vom Krieg und Unruhen gebeutelten Land bedeutet dies doppeltes Leid. Sie erlebte, wie sich die Kinder selbst über gebrauchte Kuscheltiere riesig freuten, und wie Kinder im Schnee barfuss liefen, weil sie sich ihre Eltern keine Schuhe für sie leisten konnten. “Solche und schlimmere Bilder, die man im Einsatz unweigerlich sieht vergisst man nie mehr“. Meine Tochter Annelie ist sehr an meinem Beruf interessiert. Wenn wir darüber sprechen oder Fotos vom Einsatz anschauen, nutze ich die Gelegenheit ihr zu vermitteln, wie schön es ist, dass wir in Deutschland in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können. Und, dass genug zu Essen und zu Trinken, fließendes Wasser und Strom aus der Steckdose keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind. Aus einem Auslandseinsatz kommt man schon verändert zurück“.
Vier Jahre war sie in der Pressearbeit tätig, dann bot ihr die Personalführung an, wieder stärker in die Arbeit als Zahnärztin einzusteigen.
Als Dezernentin für die Aus-, Fort- und Weiterbildung des zahnärztlichen Personals der Bundeswehr in der Fachabteilung beim Inspizienten Zahnmedizin der Bundeswehr, im Sanitätsamt in München ging es in der Approbation weiter. Sie organisierte und steuerte Fachkurse und war als Referentin für das zahnmedizinische Qualitätsmanagement tätig. Ein Highlight in dieser Zeit war die Organisation des „Internationalen Symposiums für die zahnärztliche Identifizierung“. Bei diesem in Europa in Art und Dauer einzigartigem Treffen tauschen Zahnärzte, Rechtsmediziner und Kriminalisten aus dem In- und Ausland ihr Fachwissen aus. „In manchen Fällen“, so Oberfeldarzt Dr. Kladny, „ist es möglich, Tote anhand eines einzigen Zahnes zu identifizieren. Es ist für die Angehörigen wichtig, Sicherheit zu haben, ob der geliebte Mensch tatsächlich tot ist. Und es hat für die Hinterbliebenen auch rechtliche Konsequenzen, etwa für eine Lebensversicherung“, erklärt sie. Ist ein tot gewähnter nicht identifiziert, kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis der Tod amtlich festgestellt wird.
Im Anschluss an die Verwendung als Dezernentin wurde sie Begutachtende Zahnärztin beim Begutachtenden Zahnarzt der Bundeswehr in der gleichen Abteilung. Hier wachte sie über die Einhaltung der Richtlinien zur zahnärztlichen Versorgung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. „Besonders interessant wurde es, wenn ich Kostenvoranschläge aus dem Ausland zur Prüfung vorgelegt bekam“, schmunzelt sie. „Unsere Soldatinnen und Soldaten, sind ja weltweit eingesetzt, so zum Beispiel unsere Militärattaches“. Nicht überall auf der Welt ist die Versorgung durch bundeswehreigene Zahnärzte gewährleistet, also nimmt die Bundeswehr bei Bedarf die Dienste von dort niedergelassenen Zahnärzten in Anspruch. „Das kommerzielle Interesse kam hier ab und zu sehr deutlich zum Vorschein“.
Pressearbeit am Jashari Monument im Ksovo.
Nachdenklich
Zugegeben, die berufliche Flexibilität hat auch ihre Schattenseiten. Der ständig wechselnde Freundeskreis mit jedem Umzug gehört dazu. „Den Familienangehörigen, besonders den Kindern, muss man die Nachricht eines bevorstehenden Ortswechsels oftmals schonend beibringen. Da gibt es auch lange Gesichter und Protest“, berichtet Kladny nachdenklich. Auch die Tatsache, dass zu unserem Beruf inzwischen die Auslandseinsätze gehören, müssen die Lebenspartner und Familien mittragen.
Jede und jeder, der diesen Weg einschlagen möchte, muss sich vorher fragen, ob dies mit der persönlichen Lebensplanung vereinbar ist, sagt sie. Das Bild der Bundeswehr und ihr Einsatzspektrum hat sich grundlegend gewandelt seit jenen Tagen, in denen sie in den Dienst der Bundeswehr eintrat. Aber in ihren Augen überwiegen die Vorteile alles andere bei weitem.
Geplant waren für sie zwei bis drei Jahre München, geworden sind es acht.
Aktuell
Am 1. März 2011 zog sie nach Ulm, um die Abteilung Zahnmedizin am Bundeswehrkrankenhaus auf dem Oberen Eselsberg zu übernehmen. Zuvor hatte sie in München einen kurativen Auffrischungskurs hinter sich gebracht. Und die Fort- und Weiterbildungsverpflichtung inklusive Nachweis muss ohnedies jeder Zahnmediziner auch in der Bundeswehr vorweisen. „Auf berufslanges fort- und weiterbilden legt unser Inspizient der Zahnmedizin großen Wert“, betont Oberfeldarzt Dr. Kladny.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen Fachabteilungen des Krankenhauses schätzt sie ganz besonders. Sie will das fachzahnärztliche Zentrum erweitern und ausbauen, um einzelne Spezialgebiete. Zurzeit befinden drei Zahnärzte der Abteilung berufsbegleitend in Fortbildung, eine auf dem Gebiet der Endodontie, eine auf dem Gebiet der Funktionsanalyse und Funktionstherapie zur Behandlung von Kiefergelenkserkrankungen und der dritte zum Parodontologen. Eine fertig weitergebildete Fachzahnärztin für Oralchirugie bereichert das Team. Kladnys Alltag im Krankenhaus ist geprägt von der Behandlung von Soldatinnen und Soldaten. Zum einen ist ihre Abteilung zuständig für die zahnärztliche Versorgung des militärischen Personals des Hauses. Zum Versorgungsauftrag gehören aber auch zivile Patientinnen und Patienten, die im Rahmen von Konsilen mit zahnmedizinischen Fragestellungen von anderen Abteilungen überwiesen werden. Darüber hinaus werden Soldatinnen und Soldaten aus dem gesamten süddeutschen Raum zu besonderen zahnärztlichen Versorgungen überwiesen.
Die drei Sanitätsoffiziere Zahnarzt der Abteilung haben aktuell vier Behandlungseinheiten zur Verfügung und werden durch sieben Assistenzen (zwei zivile, fünf militärische) und eine Zahntechnikerin unterstützt. Darüber hinaus werden zwei zahnmedizinsche Fachangestellte ausgebildet. Im Spätherbst wird ein vierter Sanitätsoffizier Zahnarzt zur Verstärkung und Erfüllung der Pers StAN erwartet. Als Abteilungsleiterin hat Dr. Kladny neben ihrer kurativen Tätigkeit auch mannigfaltige Organisations- und Führungsaufgaben zu erfüllen. In den regelmäßig stattfindenden Abteilungsleiterbesprechungen ist sie eine von zwei Abteilungsleiterinnen im Ulmer Bundeswehrkrankenhaus. „Klar, dass man hier seinen Mann stehen muss“, sagt Kladny verschmitzt.
Oberfeldarzt Dr. Kerstin Kladny bei der Behandlung im Fachzahnärztlichem Zentrum Ulm.
Ausblick
Auf die Frage, wie Dr. Kladny der kommenden Umstrukturierung der Bundeswehr entgegensieht, antwortet sie. „Sicherlich stehen der gesamten Bundeswehr, dem Sanitätsdienst und damit auch der Zahnmedizin bei der Bundeswehr große Veränderungen und Umbrüche bevor. Aber ich vertraue darauf, dass unsere bevor. Aber ich vertraue darauf, dass unsere Approbation nicht zu zuletzt aufgrund der guten Qualität, die sie erbringt, eine feste Säule der utV bleibt.“ Welche Erwartungen sie an ihren weiteren beruflichen Werdegang mittelfristig hat, hat sie uns bereits am Anfang beantwortet. Wenn irgendwie möglich, möchte sie aus familiären Gründen wenigstens noch drei Jahre in Ulm bleiben. Die geschmiedeten Pläne für die Abteilung Zahnmedizin umzusetzen braucht auch seine Zeit. Und außerdem, so Dr. Kladny, macht ihr die momentane Verwendung im Bundeswehrkrankenhaus so viel Freude, dass sie hofft, noch bleiben zu können. Wie es langfristig gesehen weitergeht, lässt sie auf sich zukommen.
Fazit
Ich möchte die vielen Erfahrungen, das breite Spektrum, das ich kennengelernt habe, nicht missen”, sagt sie überzeugend. Die Chancen und vielfältigen Erfahrungen, die sie beim Bund gemacht hat, hätte sie in einer zivilen Karriere als Zahnärztin nie geboten bekommen. Die Leitung einer Krankenhausabteilung ist wieder einmal eine erneute Herausforderung für den weiblichen Oberfeldarzt. Sie hat ein interessantes und erfülltes Berufsleben als Zahnärztin bei der Bundeswehr, stellte Kerstin Kladny fest - lacht und schaut, was ihre Tochter Annelie mit ihren Freundinnen vor dem Haus anstellt.
Datum: 17.09.2012
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/2