DER WEGBEREITER DER WISSENSCHAFTLICHEN ZAHNMEDIZIN PHILIPP PFAFF (1713-1766)
Königlich-Preußischer Hofzahnarzt unter Friedrich dem Großen
Als einer der Wegbereiter der modernen, wissenschaftlichen Zahnheilkunde nicht nur in Deutschland gilt der königlich-preußische Hofzahnarzt Philipp Pfaff mit seinem 1756 erschienenen Buch „Abhandlung von den Zähnen des menschlichen Körpers und deren Krankheiten“. Nachdem er schon im Ersten Schlesischen Krieg als Kompaniechirurg gewirkt hatte und insgesamt etwa 15 Jahre Militärdienst leistete, gelang es ihm, zum Hofzahnarzt Friedrichs des Großen aufzusteigen.
Mit nachfolgendem Artikel soll das Wirken dieses Protagonisten sowohl als Beitrag zum „Friedrichjahr“ anlässlich des 300. Geburtstags Friedrichs II. im Jahre 2012 und im Vorgriff zum 300. Geburtstag Pfaffs im kommenden Jahr gewürdigt werden.
Einblicke in seine Biografie und sein Werk
Der genaue Geburtstag von Philipp Pfaff ist nicht mehr zu ermitteln. Aus dem bei der Domgemeinde Berlin vorliegenden Taufbucheintrag ist zu entnehmen, dass seine Taufe am 27. Februar 1713 erfolgt ist. Damit ist die Festlegung auf das Geburtsjahr 1713 gerechtfertigt.
Im Rahmen seiner Biografie ist der Werdegang seines Vaters besonders wichtig. Johann Leonhard Pfaff wurde vermutlich um 1680 in Heidelberg geboren. Bei der Zerstörung Heidelbergs 1689 wurde der etwa 8-jährige Junge von einem französischen Major nach Südfrankreich mitgenommen. In der Provinz Languedoc und in Montpellier wurde Johann Leonhard Pfaff zum Chirurgen ausgebildet. Er kam 1710 als „Refugierter“ nach Berlin, wurde Amtsbarbier, Amtschirurg und Prosektor an der Charité. Daraus ist abzuleiten, dass die Ausbildung von Vater Leonhard Pfaff in Frankreich in den 10 Jahren vor seiner Emigration nach Deutschland preußischen Anforderungen entsprach. Dies traf sicher auch auf die Erkenntnisse im Bereich Zahnmedizin zu, die seinem Sohn zugute kamen.
Philipp Pfaff wurde nachweislich während seiner Ausbildung als Chirurg an der Charité auch von seinem Vater in Zahnmedizin unterrichtet, obwohl dies für seine Tätigkeit als Chirurg nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre.
Das Preußische Medicinaledict von 1685 erwähnt in seiner erneuerten Form 1713, nach dem sich alle „Medizinalpersonen“ der Abschlussprüfung vor dem Collegium Medicum zu unterziehen hatten, auch erstmals den Begriff „Zahn-Aerzte“. Philipp Pfaff hatte auch diese Prüfung absolviert. Er wurde dadurch der erste „staatlich ernannte“ Zahnarzt in Deutschland.
Die preußischen Medizinalgesetze waren ihrer Zeit im damaligen In- und Ausland weit voraus.
Der Taufbucheintrag der Domgemeinde zu Berlin vom 27. Februar 1713 lautet: „Den 27. Februari tauften Leonhardi Pfaff, Barbier allhier und seiner Ehefrau Maria Rickern ihr Sohn allhier Philipp …“
Nach seiner Ausbildung war Philipp Pfaff zum Militärdienst verpflichtet. Unmittelbar nach der Machtübernahme von König Friedrich II. zog er 1740-1742 als Kompaniechirurg in den Ersten Schlesischen Krieg. Pfaff nahm an den blutigen Schlachten von Mollwitz, Brieg, Brünn, Breslau, Glogau, Lassoth und Chotositz teil. Bei den bekannt hohen Verlusten war Pfaff mit tausenden von Kriegsverletzungen und Krankheiten konfrontiert. Seine chirurgische Erfahrung muss groß gewesen sein.
Während seiner insgesamt 15 Jahre Militärdienst diente er in den Infanterieregimentern Nr. 25 von Kalkstein und Nr. 34 des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Die Fahnen der beiden Regimenter sind abgebildet.
Die Fahnen der Preußischen Infanterie-Regimenter Nr. 25 und Nr. 34, unter denen Philipp Pfaff während des ersten Schlesischen Krieges 1740 – 1742 gedient hat.
Philipp Pfaffs Lehrbuch (1756)
„Abhandlung von den Zähnen des
menschlichen Körpers und deren Krankheiten“
Wann und warum wandte sich dieser in Berlin bekannte und bewährte ehemalige Kompaniechirurg ausgerechnet der damals wenig angesehenen, ja teils verrufenen Zahnmedizin zu? Einen Hinweis dazu gibt Pfaff im Vorwort seines Lehrbuches in dem er ausführt:
“Große Männer sind mit wichtigeren Aufgaben überhäufet gewesen und nicht im Stande gewesen der Aufklärung des praktischen Teils der Lehre von den Zähnen ihre schätzbare Zeit zu widmen.“
Es war das erste zahnmedizinische Lehrbuch in deutscher Sprache. Pfaff legte es zusammen mit einem Brief (Abbildung) in einer persönlichen Audienz seinem König Friedrich dem Großen am 19. Mai 1756 zu Füßen. Er erhielt ein „Privilegium Privativum“, der König ernannte Pfaff zum Hofrat und Hofzahnarzt. Er bewilligte ihm eine, allerdings kostenpflichtige, Barbierstube in Berlin. Das Pfaff von seinem Vater, König Friedrich Wilhelm I., zugesagte Stipendium in Paris löste Friedrich nicht ein.
Ein zahnmedizinisch bedeutsames Ereignis wäre zweifellos eine dortige Begegnung mit Pierre Fauchard (1678-1761) gewesen, der 1728 das weltweit erste umfassende wissenschaftliche Buch über Zahnmedizin verfasst hatte, das 1733 ins Deutsche übersetzt worden war.
Vermutlich wurde Pfaff durch dieses Werk zu seinen eigenen Aufzeichnungen in Buchform angeregt.
Im Gegensatz zu Fauchard wollte er seine Kenntnisse nicht kommerziell nutzen oder – wie viele andere Zeitgenossen – nur für sich bewahren: Jeder „Zahnbrecher“, „Starstecher“, „Quacksalber“ oder „Bruch-Arzt“ behielt seine Erfahrungen für sich. Sie betrachteten dieses Wissen als jeweiliges persönliches Kapital, dessen Weitergabe nur der vermeintlich weniger erfolgreichen Konkurrenz Vorteile verschafft hätte.
Pfaff zeigte sich genau in dieser Zeit von einer sozialen, uneigennützigen Seite, wenn er in § 18 seines Lehrbuchs schreibt:
„Allein nicht alle haben einen geschickten Zahnarzt in der Nähe, viele druckt auch die leidige Armuth, so dass sie daher den mündlichen Rath des Arztes suchen können. Ich hoffe also ein Werk der Liebe zu thun, wenn ich hier einige gute und durch Erfahrung bewährte Regeln zur Erhaltung schöner und gesunder Zähne entwerfe. Ich wünsche es, dass viele davon einen Nutzen ziehen mögen.“
Pfaff praktizierte schon 1756 Fort- und Weiterbildung im heutigen Sinne. Seine Inaugurationen und Behandlungsmethoden sind in seinem Lehrbuch von 1756 dokumentiert.
An einige Beispiele seiner wegweisenden Ideen soll erinnert werden:
- Die Abdrucknahme vom Kiefer mit Siegelwachs, die Bissfixierung.
- Die erste Beschreibung einer extraoralen retrograden Wurzelfüllung.
- Die direkte Überkappung der Pulpa mit Goldplättchen.
- Die Priorität der Zahnerhaltung.
- Seine Rezepturen.
- Seine Vorschläge zur Oralhygiene.
- Seine Instrumente.
Manche dieser Vorschläge und Empfehlungen sind auch heute noch in modifizierter oder adaptierter Form Bestandteil der Zahnmedizin.
Pfaff ist ein leider fast vergessenes Genie des 18. Jahrhunderts. Nicht Universitäten und Professoren, sondern ein in Berlin praktizierender Zahnarzt und ehemaliger Kompaniechirurg war der Wegbereiter der modernen Zahnmedizin in Deutschland. Dies sollte im Jahr seines 300. Geburtstages (2013) gewürdigt werden.
Aber wer las sein Buch? Wie hoch war die Verbreitung? Es ist leider nicht mehr zu recherchieren. Außer der lobenden Rezension in den „Berlinischen Nachrichten“ vom 20. Mai 1756 gab es keine überregionale Pressekommunikation. Nur noch wenige Originalexemplare sind nachgewiesen, eines davon in der Universitätsbibliothek Göttingen.
(Faksimile-Nachdruck 2002, Beier & Beran, ISBN 3-930036-64-9 mit Biografie Pfaff)
Die landesweite generell katastrophale zahnärztliche Patientenversorgung besserte sich nur sehr langsam. Pfaffs Lehrbuch kostete 16, mit besserem Papier 20 Groschen. Zum Vergleich: ein Knecht verdiente damals 2 Groschen als Tageslohn.
Seine hohe Ethik und sein soziales Engagement sind beispielhaft. Er wurde (im Gegensatz zum Franzosen Fauchard) weder reich noch eitel.
Bei seinen Behandlungen hat seine Frau vermutlich nicht nur zugeschaut, sondern auch assistiert. Nur so ist es zu erklären, dass nach Pfaffs Tod seine Witwe in den „Berliner Nachrichten“ 1769 mehrfach inserierte:
„Die verwitwete Hofräthin Pfaffin machet denjenigen so ihrer Hülfe in Mund- und Zahnkuren benötiget, bekannt daß sie ihre Logis verändert, und nunmehro in der Breitenstraße im Pohlmanischen Hauss eine Treppe hoch wohnet. Denen Kindern sämtlicher Waysenhäuser dienet sie ohnentgeltlich“.
Auch darin spiegelt sich das große soziale Engagement der kinderlosen Familie Pfaff. Möglicherweise hat sie nicht nur Kinder beraten und behandelt, mancher Rat und manche Hilfe kam sicher auch Erwachsenen zugute.
Dorothea Sophia Pfaff als eine der ersten Zahnärztinnen zu bezeichnen, ginge aber sicherlich zu weit.
Nach den vorliegenden literarischen Zeugnissen und deren Interpretation waren Philipp Pfaff und seine Frau Dorothea Sophia erfolgreiche, aber bescheidene Persönlichkeiten mit herausragenden Fähigkeiten und vorbildlichem humanitärem Engagement gegenüber ihren Mitmenschen und Patienten. Die warme, menschliche, gütige Art kommt in vielen Zitaten zum Ausdruck.
Philipp Pfaff starb arm, am 4. März 1766 mit 53 Jahren an der „Brustkrankheit“. Pfaff hatte sich wohl von seinen Patienten an der damals verbreiteten Tuberkulose angesteckt.
Datum: 11.01.2013
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/4