Die Kaserne München-Freimann von 1934–1970

Ein kurzer historischer Überblick

M. Lange

Die Ernst-von-Bergmann-Kaserne liegt im Norden von München im Stadtteil Milbertshofen-Am Hart. Die militärische Liegenschaft ist zwar noch relativ jung. Doch hat sie schon viel erlebt. Zwischen 1934 und 1936 entstand im Norden der „Hauptstadt der Bewegung“ die „München-Freimann-Kaserne“. Sie lag damals noch kurz vor den Toren von München. Verantwortlich für den Bau waren Architekt Oswald Bieber sowie die Firma Dyckerhoff & Widmann AG. Das Richtfest konnte bereits ein Jahr nach Baubeginn, und zwar am 7. November 1935 gefeiert werden. Die Kasernenanlage war architektonisch sowie technisch auf dem neusten Stand der damaligen Zeit. Die militärische Anlage bestand unter anderem aus einem Wachgebäude mit Dienstwohnung des Standartenführers und Regimentsbesprechungsraum, welcher heute noch original erhalten ist. Das monumentale Hauptgebäude und die überdimensionierte Halle für Sport und Übungen, eine zentrale Waffenkammer mit Werkstatt sowie Stallungen mit Reitplatz waren ebenfalls Teil des eindrucksvollen Ensembles. Ein eigenes Heizwerk mit Notstromversorgung, eine Tankstelle und die Wohnsiedlung mit Führerheim machten diese militärische Anlage weitestgehend autark und komplettierten die Anlage. Nach Fertigstellung des Hauptgebäudes konnten etwa 6.000 Soldaten untergebracht werden.

Postkarte der SS-Kaserne Standarte „Deutschland“, München
Postkarte der SS-Kaserne Standarte „Deutschland“, München
Quelle: Privatarchiv Mirko Lange

Im Frühjahr 1936 bezogen erste Einheiten unter Führung des ­ersten Kommandeurs der SS-Standarte „Deutschland“, SS-Standartenführer Felix Steiner, den neuen Kasernenkomplex. Die Soldaten der SS-Standarte „Deutschland“ hatten neben dem allgemeinen Ausbildungs- und Inübungshaltungsauftrag die Verpflichtung, regelmäßig die Postenwache an der Feldherrenhalle am Odeonsplatz sowie die Wachen an den Ehrentempeln am Königplatz zu stellen. Auch bei größeren Massenveranstaltungen, wie bei den Olympischen Spielen 1936, musste die SS-Standarte „Deutschland“ Unterstützungs- und Funktionspersonal abstellen. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden sukzessive alle wehrfähigen Männer der Standortverwaltung zum Wehr- und Frontdienst eingezogen, was letztendlich zu großen Personalvakanzen führte, die durch die Waffen-SS nicht kompensiert werden konnten. Daher wurde im Zeitraum 1941–1945 das Nebenlager des Konzentrationslagers Dachau mit der Bezeichnung „SS-Standortverwaltung“ eingerichtet. In der Kaserne Freimann waren regelmäßig bis zu 27 männliche Häftlinge der kriminellen Gruppe sowie politische Häftlinge (markiert mit einem grünen bzw. roten Winkel an der Häftlingsbekleidung)  aus dem Konzentrationslager Dachau eingesetzt, um allgemeine Handwerks-, Wartungs- und Reparaturarbeiten durchzuführen. Darüber hinaus waren sie für die Pflege der Außenanlagen der Kasernen zuständig. Bemerkenswert ist, dass die Gefangenen in einfachen Unterkunftsstuben im Hauptgebäude der Liegenschaft untergebracht waren und ausschließlich von SS-Personal aus dem KZ-Lager Dachau überwacht wurden. 1942 wurde aufgrund von Gewährleistungsarbeiten ein weiteres Nebenlager mit der Bezeichnung „Dyckerhoff & Widmann“ errichtet. In diesem wurden bis zu fünfundzwanzig KZ-Häftlinge zur Arbeit gezwungen. Im Jahr 1943 wurde neben den zahlreichen dokumentierten Menschenrechtsverletzungen im Nebenlager ein Häftling wegen Einbruchs in Verbindung mit Essensdiebstahl vor den Augen der anderen Häftlinge innerhalb der Kaserne hingerichtet.

Am 11. Juli 1944 flog die 8. US-Luftflotte mit insgesamt 1006 viermotorigen Bombern auf den Münchener Bezirk Milbertshofen zu. Die Bayerischen Motorenwerke sowie der Reichsbahn-Verschiebebahnhof waren die anvisierten Angriffsziele. Aufgrund der schlechten Witterungs- und Sichtverhältnisse war es unmöglich, diese Ziele präzise zu bombardieren. Daher wurde eine sogenannte Blindbombardierung auf die vermuteten Ziele durchgeführt, wobei die Freimann-Kaserne ihre ersten Bombentreffer bekam. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Kaserne Freimann sporadisch von Bomben getroffen, jedoch gibt es keine Belege für einen gezielten Bombenangriff auf den Kasernenkomplex. Nur die Dienstwohnung (heute Gebäude 3) des Standartenkommandeurs wurde durch den Absturz einer viermotorigen Avro Lancaster der Royal Air Force größtenteils zerstört.

Royal Air Force, Luftaufklärungsbild SS-Kaserne, 1942
Royal Air Force, Luftaufklärungsbild SS-Kaserne, 1942
Quelle: Archiv-Nachlass Oberstabsfeldwebel Michael Borlinghaus†, im Besitz von Mirko Lange

Am 30. April 1945 marschierten die vorrückenden US-amerikanischen Bodentruppen aus nördlicher Richtung in München ein. Die noch verbliebenen SS-Einheiten, in Stärke von ca. 1500 Mann, boten mit zehn Panzerabwehrkanonen und mehreren 20-mm-Flugabwehrkanonen heftigen Widerstand, zudem war die Panzerwiese (damaliger Standortübungsplatz) großflächig vermint. Das Hauptgebäude wurde während der Kampfhandlungen stark beschossen und wies zahlreiche, teils erhebliche, Beschussschäden auf. Der Kasernenkomplex konnte erst am Nachmittag erobert werden, wobei die US-Truppen 50 gefallene und 79 verwundete Soldaten sowie 15 zerstörte Panzer zu beklagen hatten. Unmittelbar nach der Einnahme des Kasernenkomplexes wurden die Kriegsschäden notdürftig behoben, um die Kaserne für eine Nachfolgenutzung durch die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) vorzubereiten.

Am 15. Dezember 1945 wurde das Lager von der UNRRA als Transit- und Emigration Camp unter dem Namen „Munich Freimann – S.S. Kaserne – D.P. Center“ von der U.S.-Armee übernommen. Noch im selben Jahr stattete U.S. General Dwight Eisenhower, der spätere 34. Präsident der USA, dem UNRRA-Lager einen Besuch ab. Die UNRRA hatte die wesentliche Aufgabe, Displaced Persons (DP’s), also ausländische Personen, so rasch wie möglich in ihre Heimatländer zurückzuführen. Im Lager waren auf engstem Raum u. a. Menschen aus Jugoslawien, Litauen, Estland, der Ukraine, Polen und Staatenlose untergebracht. Hinzu kam eine große Zahl von (Waisen-)Kindern, die in den Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit von ihren Eltern oder Bezugspersonen getrennt worden waren. Die UNRRA führte zahlreiche Berufs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die DPs durch. Es gab mehrere Kindergärten und Schulen, sowie eine (Kinder-)Bäckerei und eine große Gärtnerei. Im Lager gab es mindestens drei kleine provisorisch eingerichtete Gebetsräume (griechisch-orthodox, jüdisch und katholisch). Im Jahr 1947 wurde mit der Unterbringung von über 8.500 Flüchtlingen der Belegungs-Höchststand erreicht. 1947/48 diente die Kaserne als Drehort für den Film „The Search“ (deutsche Version: „Die Gezeichneten“). Der Film erzählt die Geschichte eines DP-Jungen, der von seiner Mutter getrennt wurde. Montgomery Clift (Schauspieler), Richard Schweizer und David Wechsler (Drehbuchautoren) erhielten jeweils einen Oscar für diesen Film, während Ivan Jandl einen Sonderoscar, den sogenannten „Kinder-Oscar“ gewann. Außerdem wurden Richard Schweizer (Bestes Drehbuch Film), Fred Zinnemann (Förderung der Völkerverständigung) und Ivan Jandl (Jugendliche Performance) Golden Globes verliehen. Im Jahr 1950 wurde das UNRRA-Lager aufgelöst, die meisten Displaced Persons konnten erfolgreich repatriiert werden. Nach Übergabe der Liegenschaft an die U.S.-Streitkräfte wurden umfassende Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Im selben Jahr erfolgte die Umbenennung in „Warner-Kaserne“ (benannt nach dem Korporal Henry Warner). Die Warner-Kaserne bot Platz für bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten. Besonders bemerkenswert ist, dass das „Building 1701“ (heute: Gebäude 1) neben dem Pentagon in Washington D.C. das zweitgrößte Gebäude war, das weltweit von der U.S.-Armee genutzt wurde. Aufgrund von Umbaumaßnahmen in der Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau wurde 1957 der 3. Fallschirmspringer-Lehrgang in der Warner-Kaserne durchgeführt. Die Verleihung des Fallschirmspringerabzeichen an 120 deutsche Soldaten erfolgte am 30.03.1957 durch den amerikanischen Kommandeur der 11. Luftlandedivision, Generalmajor Harris, im Beisein des Befehlshabers Wehrbereich VI, Generalmajor Pemsel. Die Bodenausbildung erfolgte an geeigneten Einrichtungen vor der Liegenschaft im Gebiet der heutigen Panzerwiese. Im Jahr 1961 diente die Liegenschaft erneut als Filmkulisse für die bekannte und äußerst beliebte Vorabend-Fernsehserie „Funkstreife Isar 12“ in der Episode „Billiges Benzin“.

Photographie 24. US Infanteriedivision ca. 1968
Photographie 24. US Infanteriedivision ca. 1968
Quelle: Archiv-Nachlass Oberstabsfeldwebel Michael Borlinghaus†, im Besitz von Mirko Lange

Der Abzug der US-Truppen aus der Warner-Kaserne begann 1968 und zog sich bis ins Jahr 1970. Die 24. U.S. Infanterie-Division war die größte Einheit und verblieb am längsten am Standort. Nach einer kurzen Zwischennutzung während der XX. Olympischen Spiele 1972 durch das Bayerische Innenministerium und dem Bundesgrenzschutz, wurde die Liegenschaft umfassend saniert, Altbestand wurde teilweise abgerissen und durch Neubauten ersetzt. 1979 erfolgte die Übernahme der Liegenschaft durch die Bundeswehr, 1980 bezog die Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr als Hauptnutzer die Liegenschaft. Gleichzeitig erfolgte die Umbenennung der Warner-Kaserne in die heutige Ernst-von-Bergmann-Kaserne. 


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