LEBENSMITTELCHEMIE
BESONDERE FÄHIGKEITEN ERLÄUTERT AM BEISPIEL DER MYKOTOXINANALYTIK
Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSanDstBw) zeichnet sich im internationalen Vergleich durch seine besondere Leistungsfähigkeit aus. Dies schließt die durch Sanitätsoffiziere Arzt, Veterinär und Apotheker/Lebensmittelchemiker mit ihrem Fachassistenzpersonal (Gesundheitsaufseher, Veterinärmedizinisch-technische Assistenten, Chemisch-technische Assistenten) interdisziplinär sichergestellte Lebensmittel- und Trinkwasserüberwachung mit ein.
Seit über 20 Jahren trägt der Sanitätsdienst zum Gelingen der durch den Deutschen Bundestag mandatierten Auslandseinsätze der Bundeswehr bei, wobei stets die Anwendung der in Deutschland geltenden Gesetze und Vorschriften zur Sicherstellung des vorsorgenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Rahmen der Fürsorge des Dienstherrn sachverständig kontrolliert wird. Die dazu erforderlichen personellen und materiellen Fähigkeiten werden stetig weiterentwickelt und auf Einsatztauglichkeit erprobt. Die Aufgaben der Lebensmittelchemie werden in diesem Zusammenhang im Einzelnen beschrieben und das Zusammenwirken der lebensmittelchemischen Überwachungs- und Untersuchungsstellen im Einsatz mit der Sanitätsbasis Inland am Fallbeispiel der Aflatoxinanalytik in Milch dargestellt. Aus den bisherigen Erfahrungen leiten die Autoren ab, dass sich die Fähigkeiten der Bundeswehr in der Lebensmittelüberwachung in besonderem Maße dazu eignen, in die EU-Initiative „Pooling & Sharing“ bzw. in die NATO-Initiativen „Connected Forces“ und „Smart Defence“ eingebracht zu werden.
Grundlagen
Die behördliche Lebensmittel- und Trinkwasserüberwachung in Deutschland basiert zum einen auf dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und zum anderen auf dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001). Die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts werden in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 festgelegt, während die EG-Richtlinie 98/83/EG die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch definiert. Sofern Trinkwasser zur Zubereitung von Speisen verwendet wird, stützt sich die TrinkwV 2001 auf lebensmittelrechtliche Bestimmungen ab. Die amtliche Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittel- und Trinkwasserrechts obliegt fachlich besonders ausgebildetem Personal. Bestimmte Überwachungstätigkeiten sind wissenschaftlichem Personal vorbehalten. In der Lebensmittelüberwachung sind dies Amtstierärzte und staatlich geprüfte Lebensmittelchemiker. In der Trinkwasserüberwachung tragen Amtsärzte die Verantwortung. Das akademische Personal wird unterstützt durch Fachassistenzpersonal. Diese Kräfte werden auf der Durchführungsebene eingesetzt in
- Überwachungsstellen, zur amtlichen Kontrolle von Lebensmittelbetrieben und Wasserversorgungsanlagen in Form von Betriebsbesichtigungen sowie in
- Untersuchungsstellen (Laboratorien), in denen Lebensmittel, einschließlich kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände, sowie Trink-, Schwimm- und Badebeckenwasser amtlich untersucht werden.
Die planmäßigen amtlichen Lebensmittelkontrollen erfolgen nach vorheriger Risikoeinstufung der Betriebe bzw. nach Warengruppen basierend auf wissenschaftlichen Kriterien und in Abhängigkeit von den Ergebnissen früherer Kontrollen. Wasserversorgungsanlagen sind regelmäßig in Abhängigkeit von der Art der Anlagen und der Größe des versorgten Personenkreises zu überwachen und das Wasser auf seine Qualität zu untersuchen.
Lebensmittelchemie in der Bundeswehr
In der Bundeswehr ist die wissenschaftliche und praktische Lebensmittelchemie ein Teilgebiet der Wehrpharmazie (neben der Pharmazie, der Sanitätsmaterialwirtschaft und der sanitätsdienstlichen Logistik). Die Arbeitsvorgänge der Lebensmittelchemie sind im Geschäftsprozess öffentlich-rechtliche Aufsicht (ÖRA) des Hauptprozesses Gesundheitsversorgung abgebildet.
Die Lebensmittelchemie ist integraler Bestanteil der durch Stellen und Sachverständige des ZSanDstBw im Rahmen der gesetzlich zugewiesenen Eigenvollzugskompetenz sicherzustellenden ÖRA. Die prozessuale, organisatorische und funktionale Abbildung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben in der Zielstruktur 2020 des ZSanDstBw sowie deren Weiterentwicklung werden in einem gesonderten Artikel in dieser Ausgabe der Wehrmedizin und Wehrpharmazie thematisiert.
Bei den Sanitätsoffizieren Apotheker/Lebensmittelchemiker liegt die federführende Zuständigkeit für Grundsatzangelegenheiten der Lebensmittelüberwachung im Allgemeinen sowie für die Untersuchung und Begutachtung von Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs im Speziellen. Komplementär ergänzend liegt bei den Sanitätsoffizieren Veterinär die federführende Zuständigkeit für Grundsatzangelegenheiten der Lebensmittelhygiene sowie für die Untersuchung und Begutachtung von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Unter Beachtung dieser Abgrenzung ist die Lebensmittelchemie für die nachfolgenden Aufgabenschwerpunkte in der Basis Inland und im Einsatz zuständig:
- Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und kosmetischen Mitteln in Liegenschaften und Einrichtungen der Bundeswehr (Verpflegungs- und Betreuungseinrichtungen, Verpflegungslager).
- Auditierung von zivilen Lebensmittelhersteller- und -lieferbetrieben hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Eignung von der Bundeswehr unter Vertrag genommen zu werden bzw. zur Kontrolle der Einhaltung von abgeschlossenen Verträgen.
- Kontrolle der Verpflegungsmittel auf sach- und fachgerechte Behandlung sowie ihre stoffliche Zusammensetzung; Prüfung der Qualität, Eignung, Sicherheit und Unbedenklichkeit.
- Chemische und chemisch-physikalische Untersuchung und Begutachtung von Trink-, Schwimm- und Badebeckenwasser.
- Öko-, radio- und C-kampfstoffchemische Untersuchung und Bewertung von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen, Wasser (z. B. Rohwasser vor der Aufbereitung, Schwimm- und Tauchbeckenwasser, Badegewässer) und artverwandte chemische Untersuchungen (z. B. Konzentrationsbestimmung von Desinfektionsmittellösungen).
- Mitarbeit bei der Entwicklung, Herstellung, Auswahl, Beschaffung, Prüfung und Lagerkontrolle von Sonder- und Einsatzverpflegung.
- Durchführung anwendungsbezogener lebensmittelchemischer Forschung und Entwicklung.
- Informationsbereitstellung für Verbraucher, Beratung des Fach- und Führungspersonals.
Die Zuständigkeit für den Verwaltungsvollzug nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht und die Bereitstellung von Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz liegt bei der territorialen Wehrverwaltung (Referat I 1 der Abteilung Dienstleistungen und Recht des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr).
Das lebensmittelchemische Fachpersonal umfasst Sanitätsoffiziere Apotheker mit dem zusätzlichen Berufsabschluss staatlich geprüfte(r) Lebensmittelchemiker(in) sowie militärisches und ziviles Assistenzpersonal mit der Berufsqualifikation Chemisch-technische(r) Assistent(in). Die Berufsausbildung des Fachpersonals erfolgt grundsätzlich an zivilen Einrichtungen. Das jeweilige Qualifikationsprofil wird ergänzt durch fachliche und allgemeinmilitärische Schulungs- und Kompetenzerhaltungsmaßnahmen, um das Personal insbesondere für den Auslandseinsatz zu qualifizieren. Das Fachpersonal wird entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik regelmäßig verwendungsbezogen fort- und bei Bedarf weitergebildet.
Lebensmittelüberwachung im Einsatz
In den Einsätzen werden die den Überwachungsstellen der Sanitätsbasis Inland entsprechenden Aufgaben in der Zelle öffentlich-rechtliche Aufgaben beim Leitenden Sanitätsoffizier wahrgenommen. Für die Lebensmittelüberwachung (Inspektion von Verpflegungs- und Betreuungseinrichtungen, Auditierung von Lebensmittelherstellungs- und -lieferbetrieben) sind der Leitende Veterinär im Einsatz (i. E.) und der Leitende Apotheker i. E. sowie für die Personalhygiene der Leitende Hygieniker i. E. bzw. der Gesundheitsaufseher i. E. zuständig. Einzelheiten zum Aufgabenspektrum sind Abb. 1 zu entnehmen.
Die Inspektionen werden durch den Leitenden Veterinär i. E. und den Leitenden Apotheker i. E. gemeinsam (Vieraugenprinzip) im Abstand von circa zwei Monaten durchgeführt. Die hohe Überwachungsfrequenz ergibt sich aus häufigen personellen, baulichen und organisatorischen Änderungen bei diesen Einrichtungen in Abhängigkeit von den Einsatzgegebenheiten. Im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit nehmen die Sachverständigen Proben zur mikrobiologischen und lebensmittelchemischen Untersuchung. Die Möglichkeit bei Besichtigungen durch Inaugenscheinnahme festgestellte Mängel mit Untersuchungsdaten zu untermauern, stärkt die Position der Sachverständigen hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft und der Qualität ihrer Beratungsleistungen ganz entscheidend.
Chemische Lebensmitteluntersuchungen führt der dem Einsatzlazarett angegliederte Labortrupp Lebensmittel-/Ökochemie (LabTrp LMChem/ÖkoChem: 1 Sanitätsoffizier Apotheker/Lebensmittelchemiker, 2 Sanitätsfeldwebel Chemisch-technischer Assistent) in einem für Einsatzbelange maßgeschneidert ausgestatteten Labor durch, das entweder containergestützt oder bei länger dauernden Einsätzen in fester Infrastruktur ausgebracht wird. Trinkwasseruntersuchungen gemäß den Anforderungen der Trinkwasserverordnung können dort umfassend durchgeführt werden, während bei der risikoorientierten chemischen Untersuchung von Lebensmitteln der Nachweis gesundheitsrelevanter Rückstände (Mykotoxine, Schwermetalle, A- und C-Kampfstoffe) mit Hilfe von Screeningmethoden im Vordergrund steht. Untersuchungen, die aufgrund ihrer Komplexität im Einsatz nicht erbracht werden können, werden in der Basis Inland in den nach DIN EN ISO 17025 akkreditierten Laboren der Abteilungen III der Zentralen Institute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) in Kiel, Koblenz und München beispielsweise auf Pestizidrückstände oder zur Absicherung von Befunden untersucht (Abb. 2). Um eine nachteilige Beeinflussung der Proben auf dem Lufttransportweg zu vermeiden, werden diese im Einsatzland sachgerecht, ggf. auch gekühlt, verpackt und zusammen mit der Probendokumentation versendet.
Die Geräteausstattung des LabTrp LMChem/ ÖkoChem (Abb. 3) beinhaltet insbesondere einen Gaschromatographen mit massenselektivem Detektor, einen Hochleistungsflüssigkeitschromatographen (HPLC) mit unterschiedlichen Detektoren, einen Ionenchromatographen, ein Inversvoltammeter für elektrochemische Elementbestimmungen, ein Kaltdampf-Atomabsorptionsspektrometer, einen immunochemischen Messplatz, einen Titrationsstand und ein Spektralphotometer.
Fallbeispiel: Aflatoxin M1 in Milchproben
Im Herbst 2012 wurden in Kabul im Rahmen einer routinemäßigen Überwachungsmaßnahme bei einer deutschen Betreuungseinrichtung Fertigpackungen mit ultrahocherhitzter Vollmilch pakistanischer Herkunft (1 L Tetrapack Fertigpackung, homogenisiert, ultrahocherhitzt, standardisierter Fettgehalt von mindestens 3,5 %, Zusatz von Vitamin C) als Proben entnommen. Die Milch wurde von der Betreuungseinrichtung ausnahmsweise nicht in Deutschland, sondern im Rahmen eines Überbrückungskaufs bei den französischen Streitkräften beschafft. Die Probenahme erfolgte anlassbedingt, da das Lebensmittel aus einem nicht auditierten Herstellungsbetrieb außerhalb der EU stammte und die Milch in Abweichung zur deutschen Verkehrsauffassung vitaminisiert war. Die Probe wurde zunächst durch den LabTrp LMChem/ ÖkoChem in Mazar-e-Sharif in Augenschein genommen, eine Bilddokumentation der Verpackung angefertigt, die Verpackung und die Milch sensorisch geprüft und daraufhin der Prüfplan erstellt. Im Rahmen der risikoorientierten Untersuchung von Milchproben ist auf Aflatoxine zu prüfen. Aflatoxine sind immunotoxische und krebserregende Schimmelpilzgifte. Sie gelangen vermutlich über die Nahrungskette ausgehend von verschimmelten Futtermitteln in die Milch. Da der LabTrp nur über einen Enzymimmunoassay zur quantitativen Bestimmung von Aflatoxinen in Getreide verfügt, der sich nicht für die Bestimmungen in Milch und Milchprodukten eignet, wurde die Probe zur weiteren Untersuchung an das ZInstSanBw Koblenz eingesandt. Dort wurde für Aflatoxin M1 eine 25-fache Überschreitung des Grenzwertes von 0,050 µg/kg festgestellt. Die qualitativen und quantitativen Bestimmungen wurden mittels HPLC mit Fluoreszenzdetektion nach Aufreinigung an Immunoaffinitätssäulen und Nachsäulenderivatisierung (Bromierung) durchgeführt (Abb. 4).
Die Absicherung des Befundes erfolgte mittels HPLC und massenspektrometrischer Detektion. Bei zwei weiteren Chargen des gleichen Herstellers wurde ebenfalls eine 23- bzw. 15-fache Grenzwertüberschreitung des Aflatoxins M1 festgestellt. In allen Regionalkommandos der International Security Assistance Force (ISAF) wurden daraufhin die Bestände dieser Milch gesperrt und vernichtet. Durch den Hersteller wurde zudem bestätigt, dass in Pakistan andere Qualitätsstandards gelten und somit Aflatoxingehalte in Trinkmilch toleriert werden, die deutlich über den europäischen bzw. amerikanischen Grenzwerten liegen. Mit der unverzüglichen und umfassenden Entfernung der kontaminierten Milch aus der Versorgungskette wurde ein wichtiger Beitrag zum vorsorgenden Gesundheitsschutz erbracht.
Fazit und Ausblick
Das Konzept der Bundeswehr, Lebensmittel grundsätzlich nur aus Staaten der europäischen Union zu beziehen, hat sich bewährt. Alternativ dürfen Lebensmittel tierischer Herkunft aus Drittstaaten von EU-zertifizierten Herstellerbetrieben beschafft werden. Alle Hersteller- und Lieferbetriebe müssen vor Vertragsabschluss von Lebensmittelsachverständigen der Bundeswehr auditiert werden. Das Beispiel der Mykotoxinanalytik in Lebensmitteln macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Lebensmittelsachverständige in den Einsätzen regelmäßig Kontrollen und Screening-Untersuchungen vor Ort durchführen sowie kritische Befunde in der Basis Inland absichern lassen.
Die besondere Expertise der Lebensmittelsachverständigen der Bundeswehr auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung und -untersuchung könnte zukünftig mit Deutschland als Leitnation auch alliierten Streitkräften angeboten werden. Für den Bereich der Trinkwasseranalytik wird diese Möglichkeit der multinationalen Leistungserbringung bereits durch die Labortrupps Veterinärmedizin und Lebensmittel-/Ökochemie beim Einsatzlazarett des deutschen Einsatzkontingents KFOR in Prizren erfolgreich unter Beweis gestellt. Sie betreiben gemeinsam ein „Theatre Preventive Medicine Laboratory“, das allen am KFOR-Einsatz beteiligten Nationen Untersuchungsdaten und sachverständige Beratung zur Trinkwasserqualität bereitstellt.
Datum: 21.08.2013
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/2