31.01.2019 •

Weit verbreitet und doch häufig fehl-diagnostiziert - Ein Fall von Scabies norvegica

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Einleitung

Die Skabies ist eine durch Milben ausgelöste, kontagiöse Infektionskrankheit, die durch engen Hautkontakt oder kontaminiertes Material übertragen wird. Nach einer Inkubationszeit von 2 - 5 Wochen kommt es zum Leitsymptom des quälenden bis bestialischen Juckreizes, vor allem bei Bettwärme. An der Haut sind Papeln, Schuppen und kommaförmige Gänge zu sehen (Bild A). Bei Männern sind die Penispapeln pathognomonisch. Wegweisend kann eine Auflichtmikroskopie mit der Darstellung von „Drachenfliegerfiguren“ sein. Die Therapie kann topisch mit z. B. Permethrin Creme 5 % oder Ivermectin oral erfolgen [1] 9.

Fallbericht 

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Abb. 1: Hautbefund bei Vorstellung in der dermatologischen Ambulanz des BwKrhs Berlin (Bilder: Klinik für Dermatologie und Venerologie, BwKrhs Berlin)
Anamnese und Erstbehandlung

Ein 24-jähriger männlicher Patient stellte sich am 14. August 2017 erstmalig in einer dermatologischen Praxis vor. Mit Verdacht auf Angina tonsillaris war er vom Hausarzt 10 Tage mit Amoxicillin behandelt worden. Nun entwickelte sich an Stamm und Flanken ein maculopalulöses, juckendes Exanthem. Mit Verdacht auf ein Arzneimittelexanthem wurde der Patient topisch mit Bethamethason valerat behandelt.

Einen Monat später, am 7. September 2017, stellte er sich zur Kontrolle erneut beim Hautarzt vor. An den Schultern waren lediglich helle Resterytheme zu sehen. Zu dem Zeitpunkt gab es keinen Anhalt für eine Skabies. Wegen des weiterhin bestehenden Juckreizes bekam der Patient Desloratadin 5 mg zur Nacht verschrieben. 

Etwas mehr als einen weiteren Monat später (24. Oktober 2017) stellte sich der Patient mit einem weiterhin bestehenden maculo--papulösen Exanthem erneut beim Dermatologen vor. Psoriatische Phänomene waren nicht auslösbar. Zusätzlich waren nun an den Palmae und Plantae maculöse Papeln aufgetreten. Zur weiteren Diagnostik wurde mit Verdacht auf eine Roseola syphlitica eine Serologie durchgeführt, jedoch mit negativem Ergebnis. Zusätzlich wurde eine Probeexzision am Rücken entnommen. Diese zeigte eine lymphozytäre perivaskuläre Dermatitis mit Eosinophilie, die vereinbar mit einer Arzneimittelreaktion war und teilweise mit dem Bild einer Vasculitis allergica einherging. Die Therapie erfolgte mit 50 mg Prednisolon systemisch, welches nach Schema reduziert wurde.

Nach einer weiteren Vorstellung beim Dermatologen am 6.  November 2017 überwies dieser den Patienten zur weiteren Abklärung in die dermatologische Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Berlin.

Weiterer Verlauf

Der Patient präsentierte bei Vorstellung in unserer Ambulanz ein massives maculo-palulöses, juckendes Exanthem an Händen, Füßen, dem gesamten Stamm, Armen und Oberschenkeln (Abbildung 1).

Die Verdachtsdiagnosen reichten von Arzneimittelexanthem, Lues, Skabies, Lichen ruber planus, Psoriasis, Erythema exudativum multiforme, atopisches Ekzem bis zu Pityriasis rubra pilaris.

Anamnestisch ergab sich die Amoxicillineinnahme bei einer serologisch bestätigten Ebstein-Barr-Virus-Infektion. Der Patient gab allerdings an, dass schon vor dem Verdacht auf eine Angina tonsillaris ein leichter Hautausschlag zu sehen gewesen sei. Auf nochmalige intensive Befragung gab er an, etwa vier Wochen vor Auftreten der ersten Symptome nach Spanien verreist gewesen zu sein. Seine Freundin bekomme aktuell ebenfalls einen Ausschlag und Juckreiz.

Der Blick durch das Auflichtmikroskop bestätigte die Verdachtsdiagnose einer Skabies. Im Blickfeld waren deutlich mehrere kleine schwarze Dreiecke, die gerne als „Drachenflieger-Figuren“ bezeichnet werden, zu sehen (Abbildung 2).

Die Therapie erfolgte mit oraler Gabe von Ivermectin, wobei auch die Lebensgefährtin mitbehandelt wurde. Unter gleich Beachtung der hygienischen Maßnahmen, wie Wechseln der Bettwäsche und Waschen der Kleidung bei 60 °C, klangen die beschriebenen Symptome ab.

Diskussion

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Abb. 2: Im auflichtmikroskopischen Bild der Haut imponieren zahlreiche Krätzmilben als reiecksförmige Gebilde; unten links vergrößerte Darstellung eines „Drachenfliegers“; die eingeblendete Skala ist insgesamt 10 mm lang. (Bild: Klinik für Dermatologie und Venerologie, BwKrhs Berlin)
Bei dem ausgeprägten Befund war zu vermuten, dass es sich um eine „Norvegica“ Form der Skabies handelte. Damit musste auch an eine Immunsuppression gedacht werden. In diesem Fall war diese Immunsuppression jedoch iatrogen durch die systemische Steroidgabe ausgelöst worden [2]. Ein anderer Hinweis für eine Supression des Immunsystems des Patienten lag nicht vor

Die Scabies norvegica ist hochinfektiös. Dabei ist der Mensch der Hauptwirt der Krätzmilbe. Die „normale“ Form der Skabies ist dagegen erst nach engem 5- bis 10-minütigem Körperkontakt ansteckend. Händereichen sowie flüchtige Umarmungen stellen hierbei kein Übertragungsrisiko dar. Erste Papeln zeigen sich meist 2 - 5 Wochen nach Infektion. Leitsymptom ist häufig der quälende, von Patienten als „bestialisch“ bezeichnete, Juckreiz, vor allem bei Bettwärme. Typisch sind bei männlichen Patienten vor allem die Penispapeln, die auch bei dem oben beschriebenen Patienten zu finden waren.

Der niedergelassene Dermatologe hatte bei der Zweitvorstellung des Patienten auch eine Skabies in Erwägung gezogen. Wahrscheinlich war der Hautbefund durch die vorhergehende topische Therapie mit Bethamethason valerat aber nur sehr gering ausgeprägt. Man spricht in solchen Fällen auch von einer Scabies incognita.

Neben der in diesem Fall angewandten systemischen Behandlung mit Ivermectin sind die topisch angewendeten Substanzen Permethrin 5 %, Benzylbenzoat 10 %/25 % sowie Crotamiton 5 %/10 % gebräuchlich. Ivermectin wurde erst 2016 für die Skabiestherapie zugelassen und ist, im Gegensatz zum topisch verwendeten Permethrin, nicht ovozid [1].


Fazit

Der Fall zeigt eindrücklich, dass eine bereits verworfene Differenzialdiagnose letztendlich doch die richtige war. Im Alltag fehlt häufig der Abstand und ein neutraler Blick, um mit allen Symptomen und anamnestischen Informationen eine eventuell bereits verworfene Diagnose erneut aufzugreifen. Dass sich Patienten wie im oben beschriebenen Fall vier Mal beim gleichen behandelnden Arzt bei ausbleibender Besserung der Symptome wiedervorstellen, dürfte wohl eher die Ausnahme sein.

Die Skabies erlangt heute wieder zunehmende Bedeutung, wie auch der Beitrag von SABELLEK in dieser Ausgabe zeigt. Umso wichtiger ist es, bei juckendem papulösem Hautausschlag auch an diese Erkrankung zu denken, denn nicht selten kommt es zu aufgrund vielfältiger Begleitumstände und bereits stattgehabter medikamentöser Therapieversuche, die das bunte Bild der Skabies zusätzlich verschleiern können , zu einer verspäteten Diagnosestellung.


Literatur

  1. Dressler C, Rosumeck S, Sunderkötter C, Werner RN, Nast A: The treatment of scabies—a systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 757 - 762.
  2. Karrer S, Szeimies RM, Wlotzke U, Stolz W, Hohenleutner U, Landthaler M.: Steroid-induced scabies norvegica. Hautarzt 1997;48(5): 343 - 346.


Stabsarzt Dr. Alexander Zich
E-Mail: alexanderzich@bundeswehr.org 

Datum: 31.01.2019

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