Fallbeschreibung 1
Eine 76-jährige Patientin stellte sich erstmalig im November 2017 in unserer dermatologischen Ambulanz prästationär vor. Sie litt seit ca. 6 Wochen an einem starken Pruritus am gesamten Integument, insbesondere der untere Rücken war stark betroffen. Ein Therapieversuch war zu diesem Zeitpunkt nicht unternommen worden. Die Patientin hatte bisher keine dermatologischen Vorerkrankungen und hatte keine Umstellung in der bisherigen Lebensweise bzw. bisherigen Medikation erfahren. An Begleiterkrankungen bestanden ein permanentes Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, COPD, Zustand nach mechanischen Aortenklappenersatz und ein durchgemachter Kleinhirninfarkt.Bei Vorstellung in der Klinik bestand die Medikation aus einem Betablocker, Diuretikum, Simvastatin, Marcumar, Insulin, -Allopurinol, Budesonid, Metformin und einem Antihypertensivum. Klinisch zeigten sich zahlreiche disseminiert verteilte -sowie linear angeordnete juckende Papeln und Plaques mit zentralem fest anhaftendem Hornpfropf. Laborchemisch bot die Patientin auffallend hohe Nierenretentionsparameter, ein moderat erhöhtes CRP sowie erhöhte Werte für Nüchternblutzucker und HbA1c. Die Patientin wurde aufgrund eines hohen Leidensdrucks stationär zur intensivierten multimodalen Therapie aufgenommen. Neben einer optimalen Blutzuckereinstellung konnte unter der Lokaltherapie mit Mometasonfurorat-Creme, Polidocanol-Creme, ureahaltigem Externum, zusätzlicher systemischer Therapie mit Levocetrizin und einer Phototherapie mit UVB 311 nm eine rasche Besserung des Hautbefundes erzielt werden. Es traten keine neuen Papeln auf, die vorhandenen verblassten zunehmend und die zentral nekrotisierenden Hornauflagerungen lösten sich ab. Auch der quälende Juckreiz konnte erfolgreich therapiert werden, sodass die Patientin bereits nach einem 14-tägigen Krankenhausaufenthalt bei subjektivem Wohlbefinden entlassen werden konnte.
Fallbeschreibung 2
Bei einer 84-jährigen Patientin, die sich in unserer dermatologischen Ambulanz am Mitte November 2017 prästationär vorstellte, bestand – bei zuvor stets blandem Hautbefund – seit etwa 3 Monaten ein stark juckendes pruriginöses Ekzem am gesamten Integument. Unter Verdacht auf eine Skabiesinfek-tion wurde sie extern zweimalig topisch therapiert. Der Hautbefund besserte sich hierunter rasch, der Juckreiz blieb jedoch weiterhin bestehen.Bei Vorstellung wendete die Patientin ein lokales Steroid und eine ureahaltige Basiscreme an. An Begleiterkrankungen hatte sie ein allergisches Asthma sowie eine arterielle Hypertonie und eine Herzinsuffizienz im Stadium II nach Klassifikation der New York Heart Association. Die Vorstellung bestand aus einem Betablocker, Allergospasmin und Viani forte. Klinisch imponierten zahlreiche, unterschiedlich große, juckende Papeln mit zentral fest anhaftendem Hornpfropf, umgeben von einem diskreten Erythem mit feinlamellärer Schuppung. Die stationäre Aufnahme erfolge 3 Tage nach Erstvorstellungen zur intensivierten multimodalen Therapie.
Die systemische Therapie mit Allopurinol und Levocetrizin in Kombination mit einer Lokaltherapie mit Steroid, Polidocanol und einer Phototherapie mit UVB 311nm führte nach kurzer Zeit zu einer deutlichen Hautverbesserung und Rückgang des Juckreizes.
Diskussion und Fazit
Die reaktiv perforierende Kollagenose ist eine knötchenbildende, juckende Hauterkrankung, die vor allem bei Patienten mit metabolischen Vorerkrankungen wie Niereninsuffizienz, Hyper-urikämie und Diabetes mellitus auftritt. Auch nach einer Infektion mit Herpes Zoster oder Skabies wurde das Auftreten einer reaktiv perforierenden Kollagenose beschrieben. Als Krankheitsursache wird vor allem eine Störung der transdermalen Elimination von defektem Kollagen vermutet.
Klinisch besteht mäßiger bis deutlicher Juckreiz. Zudem finden sich meist symmetrisch verteilte, wenige bis zahlreiche, disseminierte oder linear gruppierte (bedingt durch das Köbner-Phänomen), rote, feste Papeln oder Plaques mit zentraler Ulzeration und hartem, fest anhaftendem keratotischen Pfropf. Nach dessen Ablösung findet sich ein ulzerierter Krater, der nach etwa 2 - 4 Wochen spontan unter Hyperpigmentierung zum Teil narbig abheilt.
Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen andere perforierende Kollagenosen. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Bei den erworbenen Formen perforierender Kollagenosen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Symptomatisch ist der Einsatz von glucocortikoidhaltigen Externa, Antihistaminika und UV-Phototherapie (z. B. UVB 311 nm) erfolgreich. Gute Erfahrungen wurden mit systemisch verabreichtem Allopurinol (100 mg 1 - 0-0 per os) gemacht, wobei die Literaturangaben hierzu widersprüchlich sind. Allopurinol hat als Urikostatikum neben der Xanthinoxidasehemmung einen anti-oxidativen Effekt, was wiederum die Vernetzung von Kollagenfasern hemmen und somit die Ausbildung einer reaktiv perforierenden Kollagenose verhindern kann.
Stabsarzt Dr. Selma Hisir
E-Mail: selma1hisir@bundeswehr.org
Datum: 14.02.2019