01.03.2019 •

Medizinisches Management von Strahlenunfällen

Zur Rolle des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr im Response Assistance Network der internationalen Atomenergiebehörde

Aus dem Institut für Radiobiologie der Bundeswehr in Verbindung mit der Universität Ulm, München (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. med. M. Port)

Zusammenfassung

Viele Staaten stoßen bei nuklearen oder radiologischen Zwischenfällen schnell an ihre Grenzen und benötigen dann Unterstützung von Institutionen anderer Nationen. Mit dem „Response Assistance Network“ (RANET) hat die interna-tionale Atomenergiebehörde (IAEA) ein Netzwerk geschaffen, über das sich die Mitgliedstaaten schnelle Hilfe zukommen lassen können. In dieses Netzwerk ist auch das Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) mit seiner landesweit einmaligen Kernkompetenz im Medizinischen A-Schutz als deutsche Ressource eingebunden.

Zur Aktualisierung sowie Optimierung der Meldewege und Kompetenzkataloge werden jährlich „ConvEx2b“-Übungen durch das RANET abgehalten. Dabei werden fiktive nukleare oder radiologische Zwischenfälle durchgespielt, die von einem Hilfeersuchen des betroffenen Staates an die IAEA gefolgt werden. Über RANET werden daraufhin die nötigen Kompetenzen der Helferstaaten gebündelt und koordiniert.

Mitte Oktober 2018 war das InstRadBioBw auch wieder an dieser Übung beteiligt. Die Alarmierungs- und Informationsübermittlungswege zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) als Koordinierungsstelle der deutschen Institutionen, der IAEA und dem InstRadBioBw wurden erfolgreich überprüft und optimiert. Neben dem Ausbau der zivilmilitärischen Zusammenarbeit profitierte das Institut parallel dazu auch von der damit verbundenen erfolgreichen und praxisnahen Einweisung seiner neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in das medizinische Strahlenunfallmanagement von der Übung.

Schlüsselworte: Medizinischer A-Schutz, Strahlenunfall, Notfallschutzübung, Zivilmilitärische Zusammenarbeit, Medizinisches Strahlenunfallmanagement

Keywords: medical radiation protection, radiation accident, emergency response exercise, civil-military cooperation, radiation accident medical management

Das „Response Assistance Network“ der IAEA

Nukleare und radiologische Zwischenfälle umfassen ein breites Spektrum, das von nuklearen Unfällen in Kernkraftwerken bis hin zu kriminellen oder terroristischen Aktionen reicht. Dies führt zu einer Vielzahl möglicher Szenarien, die sich u.a in der Anzahl Exponierter, deren Expositionshöhe, der Strahlenexposition der Umwelt sowie dem zeitlichen Ablauf deutlich unterscheiden können. So benötigen Betroffene mit hohen Strahlen-expositionen einer frühen Diagnostik und intensiven Therapie. Dies vorausgesetzt, steigen die Überlebenschancen rapide. Zudem sind solche Personen festzustellen, die glauben, bestrahlt worden zu sein, es jedoch nicht sind („worried wells“), damit Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht durch Nichtbehandlungsbedürftige überlastet werden. Schließlich sind die, die niedrige Strahlenexpositionen absorbierten, zu identifizieren. Sie benötigen keine akute klinische Versorgung, müssen jedoch aufgrund eines erhöhten Risikos einer erst Jahre später auftretenden Tumorerkrankung überwacht werden. Mit diesen Aufgaben sind einzelne Staaten im Falle eines Strahlenunfalles schnell überfordert.

Vor diesem Hintergrund gründete die internationale Atomenergiebehörde IAEA im Jahr 2000 das Notfallnetzwerk RANET („Response Assistance Network“) zur schnellen und effektiven Bewältigung nuklearer und radiologischer Ereignisse. Dieses Netzwerk dient dem Bündeln und Bereitstellen von Leistungen und Kompetenzen seiner Mitgliedstaaten, um im Falle eines nuklearen und radiologischen Notfalles unterstützen zu können.

Mit dem RANET-Beitritt Deutschlands unter der Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Jahre 2013 wurde auch das Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) als nationale Ressource eingebunden. Seit diesem Zeitpunkt ist das InstRadBioBw an den jährlichen Convention Exercises (ConvEx2b-Übungen) von RANET beteiligt. Mit diesen Übungen wird die nationale und internationale Zusammenarbeit im Rahmen des Hilfeersuchens eines Staates nach einem fiktiven nuklearen oder radiologischen Zwischenfall getestet und die Zusammenarbeit verbessert bzw. harmonisiert. Die bisher letzte Übung fand Mitte Oktober 2018 statt. Davon wird hier berichtet.

Einbindung des InstRadBioBw in internationale Strahlenunfallmanagement-Netzwerke

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Abb. 1: Der interdisziplinäre Diagnostikansatz des Institutes für Radiobiologie der Bundeswehr (Quelle: M. Majewski/InstRadBioBw)
Das InstRadBioBw führt wehrmedizinische Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Medizinischen A-Schutzes durch. Das Spektrum umfasst Untersuchungen nach Exposition mit radioaktiven Stoffen (Radionukliden), ionisierender und nicht-ionisierender Strahlung (z. B. elektromagnetische Felder, EMF). Darüber hinaus beinhaltet der Kernauftrag des Instituts, neben jederzeitiger Bereitstellung von Expertensachverstand, das Vorhalten mobiler Einsatzkräfte für die Task Force (TF) Medizinischer ABC-Schutz.

Die mobile Med-A TF des Instituts unterstützt bei der medizinischen Versorgung strahlenexponierter Patientinnen und Patienten (Diagnostik, Therapieeinleitung und -planung) sowie dem medizinischen Strahlenunfallmanagement vor Ort. Zusätzlich werden durch die mobile Med-A TF Patientenproben unter Verwendung der geeigneten Chemie entnommen, fachgerecht gelagert und an die Reach-back Capability des InstRadBioBw versandt. Dort findet neben der Dosisabschätzung mittels modernster molekularbiologischer biodosimetrischer Verfahren auch eine Prädiktion der später auftretenden akuten Strahlenkrankheit statt. Das InstRadBioBw ist eine der wenigen Institutionen weltweit und das einzige Institut in Deutschland, das sich intensiv mit den medizinischen Herausforderungen (zum Beispiel Diagnose und therapeutische Aspekte) hoch oder niedrig exponierter Personen auseinandersetzt. Hierfür ist – neben technischen Strahlenschutzaspekten – medizinischen Expertise notwendig. Aus diesem Grunde hat etwa die Hälfte aller Wissenschaftler des InstRadBioBw ein Studium der Humanmedizin absolviert.

Das Fähigkeitsspektrum auf dem komplexen Gebiet des Medizinischen A-Schutzes führte zur Einbindung des InstRadBioBw in weitere nationale und internationale Netzwerke neben RANET (u. a. Radiation Accident Medical Preparedness und Assistance Network (REMPAN) der WHO oder dem nationalen Krisenstab).

RANET ConvEx2b-Übung 2018

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Abb. 2: Beispieldarstellung einer Iridium-192-Strahlenquelle: Das obere Bild zeigt die Strahlenquelle (rote Umrandung), welche regulär innerhalb eines Radiographie-Gerätes (unteres Bild) installiert ist. (Bilder modifiziert aus: The Radiological Accident in Yanango. IAEA 2000, < www-pub.iaea.org/MTCD/Publications/PDF/Pub1101_web. pdf: S. 9 (Aufruf: 20. November 2018))
Vom 16. bis 18. Oktober fand die „ConvEx2b“-Übung 2018 statt. Diese Übung diente der Sicherung einer effektiven Abstimmung von kurz- und mittelfristigen Maßnahmen sowie einer Optimierung des Zusammenwirkens der beteiligten Stellen und Organisationen der Mitgliedsstaaten im Rahmen des Notfallmanagements.

Das fiktive Szenario basierte auf einer Unterstützungsanforderung des luxemburgischen Gesundheitsministeriums bei dem „Incident and Emergency Centre (IEC)“ der IAEA. Nach dem Diebstahl zweier Strahlenquellen und einer nachfolgenden Hospitalisierung von insgesamt drei Patienten mit Symptomen einer akuten Strahlenkrankheit forderte dieses Unterstützung für das Aufspüren und Wiedererlangen der Strahlenquellen, die medizinische Behandlung und die Dosisrekonstruktion an.

Die IAEA leitete das Hilfeersuchen an Deutschland, Europol und Frankreich („Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire“) weiter und verteilte die Unterstützungsaufgaben nach den gemeldeten Kompetenzen der Mitgliedstaaten. Daraufhin koordinierte das BMU als nationale „Competent Authority“ die Information und den Einsatz der weiteren in das RANET ein-gebundenen deutschen Institutionen. Hierzu gehörten das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die Bundespolizei und das InstRadBioBw. Ziel der Übung war der Entwurf eines „Assistance Action Plan“, der die Aufgaben und Rahmenbedingungen der Einsatzpartner im Detail festlegte und eine Unterstützung innerhalb von 48 Stunden ermöglichen sollte. Hierbei stellte InstRadBioBw neben seiner Expertise in der medizinischen Versorgung der strahlenexponierten Patienten auch Unterstützung im Bereich der Dosisrekonstruktion zur Verfügung.

Konkret wurde durch ein Beratungsteam der Task Force, bestehend aus einem Physiker (Dr. Siebenwirth) und zwei Mitarbeitern mit humanmedizinischem Hintergrund (Oberstarzt Prof. Dr. Abend und Oberstabsarzt Kaatsch), eine detaillierte und umfassende Antwort mit fachlichen Empfehlungen für die medizinische Versorgung bereitgestellt. Nach kleineren Rückfragen und Revisionen endete die Übung mit der fiktiven Unterzeichnung des „Assistance Action Plan“ durch die Unterschriftenberechtigten der beteiligten Institutionen.

Fazit

Die Herausforderungen, die mit dem Management eines Strahlenunfalles und der medizinischen Versorgung von Strahlenunfallopfern einhergehen, erfordern internationale Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung für den Ernstfall. Hierdurch kann fachliche Expertise gebündelt und verfügbar gemacht werden. Für einen schnellen und reibungslosen Ablauf ist die Pflege von Meldewegen und Kompetenzkatalogen essenziell. Die Einbindung des InstRadBioBw in REMPAN der WHO und RANET der IAEA hat sich dabei als Trainingsmaßnahme bewährt. Meldewege der Alarmierung sowie die Informationsübermittlung zwischen BMU, IAEA und InstRadBioBw wurden überprüft und optimiert. Das Übungsszenario „ConvEx2b“ ist bei weiterhin für die Bundeswehr bestehenden „asymmetrischen Bedrohungslagen“ höchst einsatzrelevant. Der fachliche Austausch in internationalen Netzwerken sowie im Rahmen der zivilmilitärischen Zusammenarbeit ist ein weiterer fachlicher Zugewinn für das Institut. Für ConvEx 2018 ist darüber hinaus festzustellen, dass die Übung die überaus erfolgreiche Einweisung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des InstRadBioBw in das medizinische Strahlenunfallmanagement wirkungsvoll unterstützt hat.

Empfohlene Literatur (Auswahl)

  1. Response and Assistance Network (RANET): Webauftritt des Netzwerkes der internationalen Atomenergiebehörde. (last accessed on 20 November 2018).
  2. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Gesetze, Verordnungen und Verträge/Abkommen zur nuklearen Sicherheit. (last accessed on 20 November 2018).
  3. World Health Organization WHO: Radiation Emergency Medical Preparedness and Assistance Network (REMPAN). (last accessed on 20 November 2018).
  4. IAEA: Medical Management of Persons Internally Contaminated with Radionuclides in a Nuclear or Radiological Emergency. EPR-Manual der IAEA von 2018; (last accessed on 20 November 2018).
  5. Strahlenschutzkommission (SSK): Maßnahmen zur Organisation und Optimierung der medizinischen Versorgung von Strahlenunfall-Patienten in der Bundesrepublik Deutschland – Empfehlungen der Kommission.
  6. <https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2002/Med_Versorgung_Strahlenunfall_Patienten.pdf?__blob=publicationFile>  (last accessed on 20 November 2018) 


Für die Verfasser
Oberstabsarzt Hanns Leonhard Kaatsch
Dr. Christian Siebenwirth
Institut für Radiobiologie der Bundeswehr
Neuherbergstr. 11, 80937 München
E-Mail: leonhardkaatsch@bundeswehr.org 

Datum: 01.03.2019

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