Kompetenzbereiche der Flugpsychologie

N. Strache, C. Dahmen, O. Daum, A. M. Jordan, A. Landerer, C. Schinkel und M. Stein

Fliegerpsychologisches System Flächenflugzeuge (Cockpits mit sphärischem Projektionsdom für realitätsnahe und simulationsgestützte Lern- und Arbeitsproben)
Bundeswehr/Stephan Ink

Die zentrale Aufgabe der Flugpsychologie am Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) ist die Durchführung des Eignungsfeststellungsverfahrens für den Fliegerischen Dienst der Bundeswehr. Nachdem zuvor in einer ersten Phase eine grundlegende Eignung festgestellt wurde, können im ZentrLuRMedLw zwei aufeinander aufbauende Phasen differenziert werden. Weitere Expertise-Cluster sind psychologische Organisations-, Führungs- und Einzelberatung in den Verbänden, Ergonomie und Erprobung, Flugunfalluntersuchung, Klinische Flugpsychologie sowie Ausbildung und Training.

Im Rahmen der Eignungsfeststellung Phase II werden die für die unterschiedlichen Bereiche des Fliegerischen Dienstes der Bundeswehr (u. a. Hubschrauber, Transport, Jet, Flugführungsdienst) relevanten kognitiven (v. a. mentale Rotation) und funktionalen Leistungs- (Psychomotorik) sowie Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Leistungsmotivation) mittels konventionellem Computer Assisted Testing, simulationsgestützten Testverfahren sowie eines psychologischen Interviews erfasst. Zu jedem Bewerber bzw. jeder Bewerberin wird ein umfassendes Gutachten erstellt, welches die unterschiedlichen Eignungsgrade widerspiegelt.

Die Eignungsfeststellung Phase III (Flächenflugzeuge) dient der Prüfung relevanter praktisch-fliegerischer Anlagen in einer realitätsnahen simulationsgestützten Lern- und Arbeitsprobe. Angelehnt an die wesentlichen Anforderungen einer militärisch fliegerischen Grundlagenausbildung müssen die BewerberInnen hierfür einen Anteil Theorie sowie Praxis absolvieren und nachweisen, inwieweit sie komplexe Inhalte unter Doppelbelastung „Theorie und Fliegen“ in kurzer Zeit erlernen können. Im praktischen Anteil werden in einem simulationsgestützten Eignungsprüfgerät vier aufeinander aufbauende Missionen mit steigendem Komplexitätsgehalt geflogen. Die Testwoche endet mit einer Auswahlkonferenz, in der das Prüfpersonal auf Basis der Einstufung ausbildungsrelevanter Eignungs- und Leistungsmerkmale sowie daraus abgeleiteter Stärken-/Schwächenanalyse die BewerberInnen für eine möglichst optimale Verwendung im Fliegerischen Dienst der Bundeswehr empfiehlt.

In der Eignungsfeststellung Phase III (Hubschrauber) werden die für den Ausbildungserfolg relevanten Eignungsmerkmale, welche aus Anforderungsanalysen abgeleitet sind, mittels realitätsnaher und simulationsgestützter Lern- und Arbeitsproben getestet. Das Herzstück hierbei bildet das speziell entwickelte fliegerpsychologische Testsystem Hubschrauber, was neben der Simulation fliegerischer Verfahren auch die Auswertung von Messalgorithmen ermöglicht. 

Die weiteren flugpsychologischen Tätigkeitsbereiche neben den Eignungsfeststellungen Phase II und III sind die Langzeiterfolgskontrolle, Testentwicklung und Teilnahme an Untersuchungsausschüssen (u. a. bei Flugunfällen). Durch die Assignierung von FlugpsychologInnen zu entsprechenden (fliegerischen) Verbänden wird die psychologische Organisations-, Führungs- und Einzelberatung in der Truppe operativ sichergestellt. Spezifische Bereiche bilden weiterhin die Klinische Flugpsychologie, Ausbildung und Training sowie psychologische Ergonomie und Flugpsychologische Flugunfalluntersuchung.

Die psychologische Ergonomie beschäftigt sich mit der Erprobung und anwendungsorientierten Forschung im Zusammenhang mit fliegenden Systemen der Bundeswehr. Im Rahmen der Ressortforschung wird sowohl Grundlagen- als auch Vorlaufforschung mit universitären Partnern, anwendungsnahe Grundlagenforschung aber auch angewandte Forschung im Rahmen der fachlichen Zuständigkeit im Hinblick auf das Erleben und Verhalten des Menschen in der Luftfahrt sowie damit zusammenhängender Wissenschaftsgebiete betrieben. Auf dem Gebiet der Rüstung werden wissenschaftsbasierte Beratungsleistungen erbracht, die in die militärische Beschaffung und zur Identifizierung und Schließung von Fähigkeitslücken im Leistungsspektrum fliegender Systeme der Bundeswehr fließen sollen.

Der Tätigkeitsbereich Flugpsychologische Flugunfalluntersuchung umfasst hauptsächlich die Untersuchung, Feststellung, Beurteilung und Bewertung sogenannter Human Factors hinsichtlich ihrer Flugunfallrelevanz sowie der Ableitung geeigneter präventiver Maßnahmen. Hierzu bedarf es u. a. der Begehung der Unfallstelle, Auswertung der Flugschreiberdaten (z. B. Cockpit Voice Recorder) und der Durchführung von Zeugeninterviews. Abschließend wird für den Flugunfalluntersuchungsausschuss ein flugpsychologisches Gutachten erstellt. 


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