Kohäsion in der Damage Control Surgery Unit in Kunduz/Afghanistan
Aus der der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Klinischer Direktor: Oberstarzt Dr. N. Huschitt) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin (Kommandeur und Ärztlicher Direktor: Oberstarzt Prof. Dr. H.-P. Becker)
Die Damage Control Surgery Unit im Außenposten Camp Pamir nahe der Provinzhauptstadt Kunduz in Nordafghanistan ist ein besonderes Beispiel für ein chirurgisches Kleinstelement mit intensiven inneren Bindungskräften. Diese entstehen infolge der enormen Kompression von Personal, Raum und Zeit, verbunden mit einer hohen Anzahl an besonderen Vorkommnissen. Sie wirken sowohl bei der direkten medizinischen Versorgung eigener und alliierter Kräfte als auch bei medizinisch ausbildenden und beratenden Aufgaben.
Die engste Kohäsion findet innerhalb des Kernteams statt. Entscheidungen erfolgen hier immer im Konsens der Gruppe, bestehend aus chirurgischem und anästhesiologischem Personal. Bestimmende Faktoren sind die personellen und materiellen Grundlagen in DCS/DCR und TASC auf taktischer Ebene sowie situative Denkweisen infolge dynamischer Prozesse auf strategischer Ebene.
Entscheidungen sind unmittelbar mit erweiterten chirurgischen Elementen der nächsthöheren Versorgungsstufe verbunden, um ein synchronisiertes interdisziplinäres Management gewährleisten zu können.
Außerhalb des chirurgischen Kernelementes besteht ebenfalls eine starke Kohäsion zu Personal der präklinischen Forward- und ersten postklinischen taktischen Rettung. Abgestimmten Erstmaßnahmen, präklinischer Triage, einheitlichen Klassifizierungen, definierten Transportmodi und -priorisierungen kommt eine entscheidende Bedeutung zu.
Die simultane Bindung zu nicht klinischem Personal der medizinischen Führung und Organisation erfolgt durch eine erweiterte Kohäsion. Durch dieses Zusammenwirken medizinischer Funktionseinheiten wird zeitgleich zur Stabilisierung des Patienten der Weg der Rettungskette einerseits unter Beachtung der „Rules of Eligibility“ und andererseits unter Berücksichtigung dualer Loyalitätskonflikte sichergestellt.Weiterhin bestehen symbiotische Adhäsionen zu der nicht medizinischen Umgebung der Führungs-, Schutz-, Aufklärungs- und Logistikelemente des Verbandes. Komplementäre Unterstützung und gegenseitige Ausbildung festigen diese Bindung.
Treten bereits bei Kohäsionen des Kerns Inkongruenzen auf, demaskieren sich diese insbesondere in klinischen und militärischen Ausnahmesituationen und haben zwangsläufig auch störende Auswirkungen auf adhäsive Bereiche des Gesamtsystems.
Umgekehrt erhöht professionelle Kohäsion und Adhäsion den Zusammenhalt und die Stabilität des gesamten Systems und führt überdies zu einer gesteigerten Resilienz gegenüber negativen Stressoren wie dem Massenanfall von Verwundeten, Todesfällen oder Raketenangriffen.
Oberfeldarzt Dr. Mara Catharina Schulbert
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Scharnhorststraße 13
10115 Berlin
maraschulbert@bundeswehr.org
Datum: 30.01.2020
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2019