In welchem Umfang können wir uns medizinisch auf den militärischen oder terroristischen Einsatz von Nuklearwaffen vorbereiten?
Cornelius Hermann, Patrick Ostheim, Andreas Lamkowski, Birte Diekmeyer, Stefan Eder, Michael Grunert, Burkhard Klemenz, Michael Abend, Matthias Port
Zusammenfassung
Als eine Konsequenz aus dem Krieg in der Ukraine muss der Einsatz staatlich kontrollierter Kernwaffen wieder als reales Bedrohungsszenario angesehen werden. Die medizinischen Folgen eines solchen Einsatzes wären multifaktoriell und auch stark von der Art der Waffe und der Detonationshöhe abhängig. In Summe wird es aber vor allem nahe dem Zentrum der Explosion zu einer hohen Strahlenbelastung kommen, die meist in Kombination mit Brandwunden sowie als Verletzungen durch Druck und herumfliegende Trümmerteile auftreten wird. Der Niederschlag radioaktiver Partikel kann, je nach Szenario, auch eine Gefahr für Menschen bedeuten, welche sich außerhalb des Explosionsradius befanden. Das Institut für Radiobiologie der Bundeswehr arbeitet intensiv daran, Wissenserwerb und Wissensaustausch auf militärischer wie ziviler Ebene voranzubringen und wirkt auf nationaler und internationaler Ebene bei der Verfassung präventiver und reaktiver Empfehlungen mit. Darüber hinaus wird mit Nachdruck an der Verbesserung von Diagnostik und Behandlung betroffener Patienten geforscht und die Anwendung dieser erworbenen Expertise zusammen mit den Bundeswehrkrankenhäusern Ulm und Koblenz geübt und vorgehalten.
Hintergrund
Der Ukrainekrieg ist eine massive Zäsur in der friedlichen Weiterentwicklung Europas. Die offen in Fernsehsendern angedrohten Äußerungen russischer Politiker, Nuklearwaffen gegen europäische Staaten einzusetzen, hat auch in Deutschland wieder die Ängste gegen diese Bedrohung in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht. Nach Jahrzehnten nuklearer Abrüstung und der faktischen Reduzierung des Arsenals der Nuklearwaffen der USA und Russlands wurde im Hintergrund auch immer die Modernisierung der Waffentypen vorangetrieben. Nicht zuletzt die Proliferation von Nuklearwaffen in immer mehr Staaten, darunter auch diktatorische Regime, bedeutet eine signifikante Gefahr des Einsatzes in aktuellen und zukünftigen Konflikten. Die Verschärfung der russischen Doktrin zeigt auch, dass zunehmend Nuklearwaffen genutzt werden, um den politischen Druck auf benachbarte oder, aufgrund der Reichweite und des möglichen Einsatzes von U-Booten, auf jeden Staat der Welt zu erhöhen. Im Jahr 2022 wurden auch in deutschen Medien die verschiedenen Optionen des Einsatzes von Nuklearwaffen diskutiert. Dabei wurden vermehrt der russische Einsatz einer taktischen Nuklearwaffe gegen die Ukraine sowie ein militärisch verursachter Kritikalitätsunfall in einem Kernkraftwerk als reale Gefahren eingestuft.
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Wehrmedizinische Monatsschrift 3/2023
Für die Verfasser
Oberstabsapotheker Cornelius Hermann
Institut für Radiobiologie der Bundeswehr
Arbeitsgruppe Proteomics
Neuherbergstraße 11, 80937 München
E-Mail: corneliushermann@bundeswehr.org