HUNDEGESTÜTZTE INTERVENTION IN DER THERAPIE PTBS-ERKRANKTER SOLDATEN
NEUE WEGE, NEUE MÖGLICHKEITEN?
Immer häufiger werden heute Hunde im Rahmen tiergestützter Interventionen für Personen aller Altersgruppen mit verschiedenen Problematiken eingesetzt und es liegen Studien zu den positiven Effekten dieser Praxis vor.
Auch in der therapeutischen Versorgung von Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) scheint die hundegestützte Arbeit ein neuer sinnvoller Ansatz zu sein, wie erste Erfahrungen aus den USA aber auch innerhalb der Bundeswehr zeigen. Im Folgenden sollen der wissenschaftliche Hintergrund hundegestützter Interventionen, erste positive Erfahrungen mit dieser Praxis und über die Planung einer Studie zur Untersuchung möglicher Effekte für Soldaten mit PTBS kurz berichtet werden.
Zur Praxis tiergestützter Interventionen
Tiere, insbesondere Hunde, finden sich heute im Rahmen sog. tiergestützter Interventionen immer häufiger in Prävention, verschiedenen Formen der Therapie, Rehabilitation und Pädagogik. Beispiele sind Hunde-Besuchsdienste in Senioren- und Pflegeheimen, die Haltung von Kleintieren in Kinder- und Jugendpsychiatrien, oder therapeutisches Reiten und Hippotherapie in der körperlichen Rehabilitation und Psychotherapie. Die tiergestützte Praxis hat sich vor allem im Anglo-Amerikanischen Raum seit über 30 Jahren entwickelt und findet seit ca. 15 Jahren auch in den deutschsprachigen Ländern starken Zuspruch. Es liegen heute verschiedene Studien vor, die einen zusätzlichen positiven Effekt professionell durchgeführter tiergestützter Interventionen im Vergleich zu üblichen Behandlungsformen dokumentieren konnten. Dennoch bedarf es noch mehr Forschung zu spezifischer Fragestellung, wie z.B. möglichen positiven Effekten auf die Behandlung von Soldaten mit PTBS.
Dokumentierte Effekte der Interaktion mit Tieren
Die meisten Menschen sind am Kontakt mit Tieren interessiert und zeigen positiven Affekt in der Interaktion mit ihnen. Der stimmungsaufhellende Effekt von Tierkontakten ist besonders stark bei depressiv gestimmten Menschen ausgeprägt und wurde bisher vorrangig an belasteten Gruppen - wie älteren oder kranken Menschen in Kliniken und Heimen - nachgewiesen. Tiere, besonders Hunde, gelten als soziale Katalysatoren, denn in ihrer Anwesenheit ist die Schwelle zur Kontaktaufnahme mit anderen Menschen herabgesetzt. Oft werden sie daher als soziale „Eisbrecher“ bezeichnet. Dies gilt für den Alltag ebenso wie für pädagogische oder therapeutische Settings und für Erwachsene wie für Kinder. Auch der Kontakt zum Tier selbst ist einfacher herzustellen als zu anderen Menschen, denn dieser unterliegt nicht den gesellschaftlichen Normen für zwischenmenschliche Interaktionen. Längerfristiger begünstigen Tiere den Aufbau von Beziehungen, wie die therapeutische Allianz in der Psychotherapie, also die vertrauensvolle Beziehung zwischen Klient und Therapeut.
Der Kontakt mit freundlichen Tieren kann Angst reduzieren und Ruhe fördern, vor allem vor und in stress- und angstauslösenden Situationen. Insgesamt existiert heute eine gute Studienlage zur signifikanten Reduktion von Angst und objektiven physiologischen Stressparametern wie Herzfrequenz, Herzratenvariabilität, Blutdruck oder Kortisolspiegel durch den Kontakt mit Hunden. In Studien mit Kindern und Jugendlichen wurden die Steigerung von Motivation und Konzentration durch die Anwesenheit von Hunden dokumentiert.
Was wirkt im Kontakt mit Hunden?
Zur Erklärung der Effekte von Interaktionen mit Tieren im Vergleich zu Interaktionen mit Menschen bzw. therapeutischen Ansätzen ohne Tiere werden verschiedene Theorien diskutiert. Wichtig scheinen folgende Faktoren zu sein: Tiere bewerten nicht und ebenso unterliegt die Interaktion mit ihnen nicht den menschlichen Normen. So ist Körperkontakt mit freundlichen Hunden ganz einfach herzustellen, und dieser bewirkt nachweislich eine Steigerung des Hormons Oxytozin. Dieses Hormon steigert Vertrauen, Ruhe, Bindungsfähigkeit sowie soziale Interaktionen und reduziert Stressparameter und Depressionen. In der Psychotherapie dagegen hat zwischenmenschlicher Körperkontakt keinen Platz. Zudem reagieren viele Personen aufgrund ungünstiger bis traumatischer Erfahrungen mit Menschen nur noch eingeschränkt mit der Ausschüttung von Oxytozin auf Körperkontakt.
Hundegestützte Intervention von im Einsatz traumatisierten Soldaten?
Die oben beschriebenen Effekte von Interaktionen mit Hunden könnten sich potentiell auch positiv auf Symptome der PTBS, wie Anspannung, negative Stimmung, und sozialen Rückzug bei im Einsatz traumatisierten Soldaten auswirken. In der Behandlung unserer traumatisierten Kameraden kommt es oft darauf an, im Rahmen des therapeutischen Prozesses viele größere und kleinere Hürden zu meistern. Die Therapie kann sehr anstrengend und langwierig sein und auch Therapieabbrüche lassen sich leider nicht immer verhindern. Dennoch sind posttraumatischen Belastungsstörungen behandelbar. Dabei sind neue Ansätze, welche potentiell die Therapiemotivation, die therapeutische Allianz sowie generell die Symptome der PTBS zusätzlich positiv beeinflussen, sicher sinnvoll, selbst wenn diese möglicherweise nur für bestimmte Patienten indiziert sind.
Erfahrungen
Erste Publikationen zum Thema "tiergestützte Therapie" für den militärischen Bereich liegen seitens der U.S. Army vor. Bisher gibt es jedoch noch keine aussagekräftigen Studien bezüglich der Wirksamkeit hundegestützter psychotherapeutischer Interventionen bei Soldaten mit PTBS. Erste positive Erfahrung wurden jedoch auch schon innerhalb der Bundeswehr berichtet.
Idee und Umsetzung der Einbindung von Hunden
Die Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr (SDstHundeBw) entwickelte im Mai 2012 nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema „tiergestützte Therapie bei PTBS-Patienten“ erste Vorstellungen für Einsatzmöglichkeiten von Diensthunden zur Unterstützung der Behandlung von an PTBS erkrankten Soldaten. Im engen Einvernehmen mit der Abteilung VI des Bundeswehrzentralkrankenhauses in Koblenz wurde ein Konzept für die hundegestützte Arbeit mit PTBS-Patienten erarbeitet.
Zunächst erfolgte eine Unterstützung durch einsatzerfahrene Diensthundeführer mit gut sozialisierten Diensthunden im Rahmen von zwei Familienwochenenden sowie zwei Lehrgängen „Sporttherapie nach Einsatzschädigung“ der SportSBw in Warendorf.Ziel war es, hier die Einbindungsmöglichkeiten der Diensthundeteams zu evaluieren.
An den beiden Familienwochenenden nahmen neun physisch sowie psychisch einsatzgeschädigte Soldaten mit ihren Familien teil. Schon beim ersten Kennenlernen zeigte sich, welche Schlüsselrolle der Hund einnahm. Alleine durch die Anwesenheit der Hunde wurde schnell eine vertrauensvolle und gesprächsbereite Basis geschaffen. Weitere erstaunliche Entwicklungen zeigten sich: So konnte ein an PTBS erkrankter Soldat nach kurzer Zeit in Begleitung eines Hundes Plätze aufsuchen, die er aufgrund seines Erkrankungsmusters alleine nicht hätte betreten können. Insgesamt wurde am ersten Familienwochenende mehrfach beobachtet, dass die Hunde in Stresssituationen betroffene Patienten schnell wieder beruhigen konnten.
Aufgrund des positiven Feedbacks der teilnehmenden Soldaten, sowie deren Familienangehörigen, wurden die eingesetzten Diensthundeteams zu weiteren Familienwochenenden sowie in einen Lehrgang „Sporttherapie für Einsatzgeschädigte“ eingeladen. Auch hier ließ sich die beruhigende Wirkung der Hunde auf die einsatzgeschädigten Soldaten beobachten und wurde von den Betroffenen selbst auch so berichtet. Durch den Kontakt mit dem Hund konnte ein Teilnehmer, der seit mehreren Jahren von PTBS betroffen ist, erstmalig seit seiner Erkrankung für mehrere Nächte wieder ruhig schlafen.
Als Fazit wurden seitens der Teilnehmer, der Therapeuten und der Diensthundeführer die durch Diensthundeteams unterstützten Maßnahmen als weiterverfolgungswürdig bewertet.
Bestätigt durch diese Resonanz wurde im Jahr 2013 das Projekt „Therapiebegleithunde-Teams“ in Kooperation mit dem Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz Abt. VI b initiiert. Auch hier sollten die Vierbeiner in ihrer Unvoreingenommenheit als „Türöffner“ für zwischenmenschliche Kontakte fungieren und Losgelassenheit und Freude der Patienten fördern.
Pilotprojekt und Studie
Im Rahmen der stationären, ambulanten und Tagesklinischen Psychotherapie zur Behandlung von PTBS vor allem nach einem Auslandseinsatz versucht das Zentrum für Seelische Gesundheit im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, seinen Patienten einen möglichst umfassenden therapeutischen Ansatz zu bieten. Hierzu zählen neben den Einzeltherapeutischen Sitzungen auch Gruppentherapien, unter anderem speziell für traumatisierte Soldaten, körperfokussierte und ergotherapeutische Interventionen, sowie Musiktherapie und seit kurzem Hundegestützte Interventionen bei Traumatisierung (HIT).
Im Frühjahr 2014 startete das erste Pilotprojekt zur HIT. Zehn traumatisierte Soldaten besuchten ein Mal wöchentlich für einen Vormittag die Diensthundeschule in Ulmen. Dort bildete jeder Patient sein eigenes Team mit einem Hund und seinem Hundeführer, in dem er über einen Zeitraum von vier Wochen intensiv zusammenarbeitete. Die Hunde wurden zusammen mit ihrem Hundeführer als Team von der Diensthundeschule Ulmen vor Projektbeginn auf ihre Eignung für das Projekt geprüft. Die Diensthundeführer erhielten eine Einweisung in die hundegestützte therapiebegleitende Arbeit und es wurden Rahmenbedingungen zum Ablauf sowie Art der Interaktionen zwischen Hund und Patient vorgegeben. Dabei wurde besonders Wert auf einen spielerisch-positiven Umgang zwischen Patient und Tier gelegt und auch die Versorgung des Hundes nahm einen großen Platz ein. An einem zweiten Durchgang von wiederum vier hundegestützten Interventionseinheiten nahmen weitere 10 Patienten mit PTBS teil, so dass auf Erfahrungen mit insg. 20 Patienten zurückgegriffen werden kann.
Für viele der am Pilotprojekt teilnehmenden Patienten bedeutete diese Erfahrung das Erleben von Nähe, Vertrauen und das Gefühl, ohne Vorbehalte akzeptiert zu werden, was für die meisten Teilnehmer eine Steigerung ihres Selbstwertes zu Folge hatte.
Die Patienten konnten sich jede Woche zwei Tage nach der Intervention in einer gruppentherapeutischen Sitzung über ihre Erfahrungen aus den Interaktionen mit dem HIT-Team austauschen und diese mithilfe eines Therapeuten analysieren.
Neben ersten Erfahrungen mit Pferden und sogar Delfinen als unterstützende Begleittherapien für unsere Patienten am BWZKhrs Koblenz konnten wir in diesem Kooperationsprojekt mit der Diensthundeschule Ulmen erste Erfahrungen zu den Effekten der HIT-Teams auf unsere Patienten mit PTBS machen. Insgesamt wurde diese Art der Intervention von den Patienten und involvierten Therapeuten und Pflegepersonal als sehr positiv bewertet. Das Behandlungsteam berichtete vom "Aufblühen" einiger, unter anderem auch chronifizierter Patienten. So wirkten Teilnehmer an dem Pilotprojekt nach dem Kontakt mit den Hunden fröhlicher, freundlicher und vor allem offener in der Therapie. Während der Arbeit mit den Hunden berichtete ein Großteil der Teilnehmer von einem deutlichen Rückgang ihrer Anspannung und dem Gefühl, sich voll und ganz auf den Hund konzentriert haben zu können. So konnten alle Patienten die Umgebungsgeräusche einer nahegelegenen Schießbahn und des Fliegerhorstes Büchel ausblenden und teilweise ganz ignorieren - eine Erfahrung, die für viele Patienten neu war. Ein Teilnehmer berichtete, nach über 10 Jahren des sozialen Rückzuges zum ersten Mal wieder Vertrauen zu einem Lebewesen gespürt zu haben. Ein weiterer positiver Effekt für die Teilnehmer war, dass sie sich von den Kameraden der Diensthundeschule, im speziellen ihren Diensthundeführern, sehr willkommen geheißen und wertgeschätzt fühlten.
Ausblick
Aufgrund der positiven Erfahrungen möchten wir nun im Rahmen einer Studie prüfen, ob wir diese subjektiv empfundenen und beobachteten positiven Effekte der hundegestützten Intervention mit den HIT-Teams der Diensthundeschule Ulmen auch empirisch belegen können. Dazu sollen insgesamt 30 Patienten mit PTBS die oben beschriebene hundegestützte Intervention zusätzlich zur üblichen therapeutischen Versorgung am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz erhalten. Daten zu Symptomen und Beeinträchtigung durch die Erkrankung und zu den Erfahrungen mit den HIT-Teams werden direkt vor und nach der Intervention, sowie zur Überprüfung der Stabilität eventueller Effekte einen und drei Monate nach Ende der Intervention, erhoben.
Im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung im Einsatz traumatisierter Soldaten stellen tiergestützte Interventionen sicher einen neuen Weg dar – unsere ersten Erfahrungen legen jedoch nahe, dass es im Sinne der Patientenversorgung ein sinnvoller Weg ist, der gemeinsam von den verschiedenen involvierten Einheiten, dem Bundeswehrzentralkrankenhaus und der Schule für Diensthundewesen, zum Wohl unserer Kameraden gegangen werde sollte.
Danksagung
Für die Unterstützung der HIT und der Pilotstudie möchten wir dem Abteilungsleiter A des Kommandos Sanitätsdienst Herrn Admiralarzt Dr. Apel, Herrn Flottillenarzt Dr. Sammito und Herrn Regierungsdirektor Schanze herzlich danken.
Weitere wertvolle Unterstützung erhielten wir aus der Abteilung E der Sanitätsakademie der Bundeswehr von OTA PD Dr. Kehe sowie Herrn Oberregierungsrat PD Dr. Girgensohn.
Der größte Dank gilt allerdings allen freiwillig teilnehmenden Diensthundeteams und Patienten, nur so können neue Chancen und Möglichkeiten entstehen.
Literatur bei den Verfassern.
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Einsatzschädigung, PTBS, psychische Traumata, , Psychotherapie, tiergestützte Therapie, Tier-Mensch-Interaktion, Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr, Bundeswehrkrankenhaus Koblenz
Abb. 1: Soziale Interaktion mit dem Diensthund reduziert Stressparameter
Abb. 2: Therapiebegleithund Amadeo bei der hundegestützten therapiebegleitenden Arbeit an der Schule für Diensthundewesen
Datum: 31.10.2014
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/3