Fliegen mit Bildverstärkerbrillen

Flying with Night Vision Devices

Aus dem Dezernat Augenheilkunde¹ , Fürstenfeldbruck (Leiter: Oberstarzt Dr. J. Frischmuth) und der Fachgruppe Flugphysiologisches Trainingszentrum², Königsbrück (Leiterin: Oberstarzt Dr. M. Harf) des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Köln (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. Schick)

Frank M. Jakobs¹, Andreas Werner², Ulrich Kreutzmann², Jörg Frischmuth¹

WMM, 59. Jahrgang (Ausgabe 09-10/2015; S. 293-300)

Übersichtsarbeit

Zusammenfassung Nachtsichtgeräte bieten die einzigartige Möglichkeit, Grenzen der menschlichen Sensorik beim Flug unter reduzierten Sichtbedingungen zu überwinden. Allerdings beginnen sich die Bildverstärker und Thermosensoren in dem Maß, in dem sich der technologische Fortschritt in Bezug auf Avionik und integrierte Systeme vollzieht, zu hochanspruchsvollen Applikationen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln.

Zusammenfassung

Nachtsichtgeräte bieten die einzigartige Möglichkeit, Grenzen der menschlichen Sensorik beim Flug unter reduzierten Sichtbedingungen zu überwinden. Allerdings beginnen sich die Bildverstärker und Thermosensoren in dem Maß, in dem sich der technologische Fortschritt in Bezug auf Avionik und integrierte Systeme vollzieht, zu hochanspruchsvollen Applikationen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln. Die visuelle Perzeption durch solche Systeme unterscheidet sich erheblich vom natürlichen Sehen bei Nacht. Die vorliegende Übersicht beschäftigt sich mit den Grundlagen der Physiologie des Sehens bei Nacht und gewährt einen Einblick in die Grundprinzipien einer Technologie, die die militärische Taktik im Allgemeinen und die Einsätze aus der Luft im Besonderen verändert haben.

Schlüsselwörter: Nachtsichtgeräte, Restlichtverstärker, BIV, FLIR, NVG, HMD, Luftwaffe

Summary

Night vision devices provide the unique capability to overcome limitations of the human sensory system under low-visibility flight conditions. However, as technological progress in avionics proceeds and integrated systems on board evolve, image intensifiers and thermosensors are transforming towards highly-demanding and challenging applications at the human-machine interface. Visual perception through such devices considerably differs from natural vision in the dark. This review illuminates fundamentals of night vision physiology and provides insight into basic principles of a technology that has changed combat tactics in general, and, in particular, military operations by aircraft.

Keywords: Night Vision Devices, Image Intensifier, BIV, FLIR, NVG, HMD, German Air Force

Einleitung

“Our night vision capability provided the single greatest mismatch of the war.” (General Barry McCaffrey, USA, Operation Desert Storm, 1991)[1].

Eindrucksvoller kann man die Bedeutung der Fähigkeit, auch bei Dunkelheit und/oder bei schlechten Sichtverhältnissen militärische Operationen erfolgreich durchzuführen, nicht beschreiben. Die technologische Entwicklung von Systemen, die dem Menschen diese Fähigkeit zur Verfügung stellen, hat dabei seit der Operation „Desert Storm“ erhebliche Fortschritte gemacht. Mit diesem Beitrag soll eine Übersicht über die Technik und Entwicklung auf diesem Gebiet und die flugphysiologischen und -medizinischen Aspekte beim Fliegen mit Nachtsichtgeräten gegeben werden. Zum Verständnis der physiologischen und psychophysischen Phänomene, die beim Fliegen mit Nachtsichtgeräten unter militärischen Bedingungen auftreten, sind grundlegende Kenntnisse der verschiedenen „Nachtsicht“-Technologien und ihrer Entwicklung notwendig, die deshalb an den Anfang des Beitrags gestellt werden.

Entwicklung der Nachtsichtgeräte

Entwicklung der BIV-Systeme
Der Grundstein für die Technologie der Bildverstärkersysteme (BIV; engl: Night Vision Devices, NVD) wurde im II. Weltkrieg gelegt, als die deutsche Wehrmacht und die alliierten Kräfte sich einen Wettlauf in der Entwicklung von Infrarot-Bildwandlern lieferten. Diese Elementarversionen von Nachtsichtgeräten, die von den Alliierten als „Black Light Sniper Devices“ [1] bezeichnet wurden, arbeiteten in Spektralbereichen nahe des sichtbaren Lichts, weshalb sie nach heutigem Verständnis eher als „Near Infrared Devices“ zu klassifizieren wären; das Prinzip entsprach dabei aber bereits demjenigen heutiger Nachtsichtgeräte.  Allerdings hatte die neue Technologie aus militärischer Sicht einen entscheidenden Nachteil: Im Grunde handelte es sich um Infrarot-Scheinwerfer, das heißt aktive Reflexionssysteme, die in dem Augenblick nutzlos wurden, in dem die gegnerischen Streitkräfte über dieselbe Technologie verfügten (Abbildung 1).

Es mussten folglich Passiv-Systeme entwickelt werden, die ohne die verräterischen Infrarot-Suchlichter auskamen. Dies erfolgte durch Vladimir Zworykin [2], der noch vor Ausbruch des II. Weltkrieges die Idee eines photoelektrischen Bildwandlers hatte, den er zwar 1935 bereits patentieren ließ, aber erst in den 50er-Jahren realisierte [3]. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Der Amplifikationseffekt, von den Entwicklern als „Image Intensification“ (I.I., später I2) bezeichnet, war so intensiv, dass das bei Nacht reflektierte Licht von Mond und Sternen ausreichte, ein monochromes Bild in der Wellenlänge des für die Bildröhre verwendeten Phosphors zu erzeugen. Das Konzept des Restlichtverstärkers war Realität. Es sollte allerdings noch ein Jahrzehnt dauern, bis diese Technologie marktreif wurde (Abbildung 2).

Die erste Generation kriegstauglicher Nachtsichtgeräte (GEN-1 NVD) kam 1964 in Vietnam zum Einsatz, als die Führung der US-amerikanischen Truppen erkannte, dass diese einem Gegner gegenüberstanden, der aus Gründen materieller und nomineller Unterlegenheit einerseits und spezifischer Ortskenntnis andererseits militärische Einzelaktionen im Schutz der Dunkelheit bevorzugte. Der Vietnam-Konflikt war damit eine der großen Triebfedern für die Entwicklung leistungsfähiger und kriegstauglicher Nachtsichtgeräte. Folgerichtig kamen sukzessive eine zweite und dritte Generation von Image Intensifiern auf den Markt (GEN-2/GEN-3 NVD), die sich im Wesentlichen durch eine Steigerung der Sensitivität beziehungsweise Luminiszenz sowie eine längere Lebensdauer auszeichneten. Trotzdem waren die Applikationen lange Zeit auf waffenmontierte Zielfernrohre und handgehaltene Nachtfernrohre beschränkt und damit den Bodentruppen vorbehalten.

Dass auch die Luftstreitkräfte ein nicht unerhebliches Interesse an der Adaptation der neuen Technologie hatten, war zu keinem Zeitpunkt eine Frage. Nachtsichtgeräte würden es erlauben, unter Sichtbedingungen (VMC) zu fliegen, und dies würde jeder Pilot, damals wie heute, dem Instrumentenflug (IMC) vorziehen, einmal abgesehen davon, dass bestimmte Missionen nicht IMC geflogen werden können. Dies setzte allerdings voraus, dass das beidäugige Sehen erhalten und die Freiheit der Hände gewährleistet blieb, woraus sich die Notwendigkeit einer Konstruktion binokularer Objektive und ihrer Montage an die Helmsysteme der Piloten ergab. Das wiederum kostete Zeit. Die ersten binokularen Helmet-Mounted Displays (HMD) wurden Anfang der 70er Jahre in die US Air Force eingeführt. Sie basierten auf Image Intensifiern der zweiten Generation und wurden mit dem treffenden Namen ANVIS (Aviator’s Night Vision Imaging System) bezeichnet. Die meisten der heute gebräuchlichen Nachtsichtgeräte für Piloten beruhen auf Weiterentwicklungen dieses Prototyps. Dies gilt auch für die BIV-Systeme der fliegenden Verbände der Bundeswehr.

Entwicklung der „Forward Looking Infrared“ (FLIR)-Systeme
Parallel zu dieser Entwicklung erfolgte Ende der 70er-Jahre die Expansion auf thermische Infrarot-Bereiche nahe des sichtbaren Spektrums. Die auf Multiple-Array- und Linearscan-Detektoren basierende Technologie war so präzise, dass sie geringste Temperaturunterschiede zwischen dem gescannten Zielobjekt und seiner Umgebungstemperatur zu differenzieren vermochte. Dies war die Geburtsstunde der Wärmebildkameras. Ihre Weiterentwicklung mündete in der Konstruktion eines Hochleistungs-Ziel- und -Navigationssystems, das als „ FLIR“ bezeichnet wurde und mittlerweile integraler Bestandteil zahlreicher militärischer Luftfahrzeuge (zum Beispiel Tiger, NH90, Apache) ist. Seinen Namen verdankt das System seiner Fähigkeit, durch dichten Rauch und Nebel, aufgewirbelten Sand und Schnee quasi „hindurchsehen“ zu können, was  es den konventionellen Restlichtverstärkern klar überlegen macht.

Es war kein Zufall, dass die erste große Bewährungsprobe der FLIR-Technologie im Rahmen des Irak-Konflikts stattfand. Wie bereits zuvor in Vietnam, so wiesen auch die Erfahrungen aus den beiden Golfkriegen den Wissenschaftlern den Weg, der 1991 im Einsatz von FLIR in der Operation Desert Storm seine folgerichtige Umsetzung fand. Die unfallträchtigen Staub- und Nebel-Landungen insbesondere von Hubschraubern [4], verursacht durch die Luftverwirbelung ihrer Rotoren, gehörten fortan der Vergangenheit an. Auch die Tiger der deutschen Heeresfliegertruppe profitierten bei ihren Afghanistan-Einsätzen von der technischen Überlegenheit dieser Systeme.

Technologie der Nachtsichtgeräte

Im Prinzip werden drei Typen von Nachtsichtgeräten unterschieden [5]:

  • aktive Systeme,
  • Restlichtverstärker und
  • Thermografiesysteme.

Jedes dieser Systeme ist bis heute gebräuchlich und hat seine gerätetypischen Vor- und Nachteile.

Aktive Systeme
Aktive Illuminationssysteme beruhen auf einer Reflexion von unsichtbarem Licht aus Infrarot-Strahlern. Das reflektierte Licht entstammt dem unteren Infrarot-Bereich (700 - 1000 nm), unmittelbar unterhalb des sichtbaren (Rot-)Spektrums des menschlichen Auges. Das resultierende Bild ist monochrom und wird, wie bei den Restlichtverstärkern auch, in grün abgebildet. Die Auflösung ist jedoch ungleich höher als die der passiven Systeme, da die Reflexion proportional zur Illumination ansteigt, und mittlerweile IR-Strahler mit extrem hohem Output existieren [6].

Aus diesem Grund werden aktive Illuminationssysteme immer dann eingesetzt, wenn eine möglichst detailgetreue Bildwiedergabe erwünscht und/oder zu wenig Restlicht für einen Einsatz von NVG’s vorhanden ist. Dies ist zum Beispiel für Wiedererkennungszwecke in der Verbrechensbekämpfung oder die Arbeit von Sicherheitsdiensten der Fall. Nachteil ist die einfache Aufdeckbarkeit der Infrarot-Strahlung, die selbst mit konventionellen Restlichtverstärken problemlos möglich ist. So wurden beispielsweise im Rahmen der NATO-Übung „Hot Blade“, bei der die Piloten zu Trainingszwecken mit BIV-Verstärkern flogen, zwei Infrarot-Laserangriffe auf Hubschrauber der Bundeswehr gemeldet, deren Quelle ohne Schwierigkeiten zurückverfolgt werden konnte (Portugal 2014). Unter taktisch-militärischen Aspekten, insbesondere auch in der Militärfliegerei, ist diese Technologie von untergeordneter Bedeutung.

Restlichtverstärker
Restlichtverstärker sind Bildwandler, die unsichtbares oder schwaches Licht in sichtbares oder besser sichtbares Licht konvertieren. Voraussetzung ist die Existenz von Photonen, die im Regelfall aus natürlichen Lichtquellen wie Mond und Sternen stammen und von den zu beobachteten Objekten reflektiert werden. Treffen diese Photonen auf eine elektrisch geladene Photokathode hinter dem Objektiv des Nachtsichtgerätes, so werden Elektronen freigesetzt, deren Menge sich proportional zur Frequenz auftreffender Photonen verhält. Diese Elektronen werden in einer nachgeschalteten Vakuumzelle, dem sogenannten. Photomultiplier, amplifiziert, das heißt sie regen ihrerseits weitere Elektronen aus der Wandbeschichtung an, so dass ein Kaskadeneffekt resultiert. Wenn die Elektronen den Photomultiplier verlassen, treffen sie auf einen Phosphor-Screen, aus dem sie ihrerseits Photonen mit einer für das menschliche Auge sichtbaren Wellenlänge freisetzen. Vereinfacht ausgedrückt wird also die Energie von Photonen auf Elektronen und wieder zurück auf Photonen übertragen. Auf diesem Prinzip beruhen alle I2-Geräte, lediglich die Halbleitermaterialien der Photokathoden sowie die Methode der Elektronen-Amplifikation wurden in den weiterentwickelten Geräten in Form von Gallium-Arsenid-Derivaten [7] beziehungsweise Micro Channel Plates [8] modifiziert.

Der BIV-Nutzer sieht nicht, wie etwa durch eine Brille oder ein Objektiv, ein reales Bild, sondern ein Display im Geräte-Inneren, auf dem die reale Szenerie in Echtzeit rekonstruiert wird. Hieraus resultieren in der Praxis eine Reihe von optischen Täuschungen und Fehleinschätzungen, die im Kapitel „Binokulare Perzeption und Stereopsis“ näher beschrieben werden. Die rekonstruierten Bilder sind durchweg grün, entsprechend der Wellenlänge des verwendeten Phosphors.

Eigene Refraktionsfehler können mit einem Drehregler innerhalb von +2.0 bis -3.0 dpt adjustiert werden, so dass einfache und schwache Brillenkorrekturen im Prinzip kompensiert werden können. Dies gilt jedoch nur für sphärische Korrekturen, das heißt für Weit- und Kurzsichtigkeiten, wohingegen astigmatische Fehlsichtigkeiten zur Vermeidung fehlerhafter Selbstkorrekturen nicht einstellbar sind. Während Piloten das resultierende Abbildungsdefizit durch die Anpassung entsprechender Kontaktlinsen ausgleichen können, ist diese Option für Bodentruppen und nicht fliegendes Personal nicht vorgesehen. Die Lösung des Problems könnte in der Beseitigung des Refraktionsfehlers durch refraktive Chirurgie bestehen, was allerdings derzeit nicht von der Bundeswehr unterstützt wird.

Die Bildqualität der BIV-Brillen gleicht derjenigen früherer Röhrenmonitore, allerdings ist sie sehr störanfällig gegenüber einer Reihe von Einflussfaktoren. Da sie in direkter Abhängigkeit zu der Menge an reflektiertem Restlicht steht, wird die Bildqualität umso schlechter, je dunkler es ist. Umgekehrt führen künstliche Lichtquellen, insbesondere in Geräten der ersten und zweiten Generation, zu Überstrahlungseffekten in Gestalt störender Lichthöfe, die auch als Halos bezeichnet werden, und durch die simultane Projektion scharfer und unscharfer Bilder auf die Netzhaut erklärbar sind. In GEN-3-Geräten ist dieser Effekt aufgrund der höheren Bildhelligkeit weniger ausgeprägt [9]. Allen Geräten gemeinsam ist ein konstantes Bildrauschen, das durch die kontinuierliche Emission von Elektronen verursacht wird und nicht vermeidbar ist.

Wärmebildkameras
Wärmebildkameras sind photoelektrische Bildwandler, die infrarotes Licht in sichtbares Licht umwandeln, im Unterschied zu den Restlichtverstärkern jedoch nicht mehr den Umweg über eine Elektronentransformation benötigen. Das Prinzip geht auf die Arbeiten von William Herschel zurück, der die von einem Körper aufgrund seiner Temperatur ausgesandte elektromagnetische Strahlung um 1800 entdeckt und als Wärmestrahlung bezeichnet hat [10]. Die respektiven Wellenlängenbereiche reichen von 1 - 2 µm (kurzwelliges Infrarot) über 3 - 5 µm (mittelwelliges Infrarot) bis in den Bereich von 8 - 14 µm (langwelliges Infrarot).

Das Funktionsprinzip beruht weniger auf einer Detektion „warmer“ Objekte, als einer Registrierung von Temperaturdifferenzen zu einer Umgebungsreferenz [11]. Technologisch gesehen handelt es sich um Infrarot-Kameras, die sehr ähnlich funktionieren wie die digitalen CCD oder CMOS Kameras für sichtbares Licht. Die Bildgewinnung erfolgt unter Verwendung gekühlter oder ungekühlter Thermosensoren und liefert zweidimensionale Bilder im Bereich zwischen 2 und 14 µm (weiß bis grau). Moderne Kameras sind in der Lage, bis zu 256 Graustufen (8 bit) aufzulösen, im Gegensatz zum menschlichen Auge, das mit einer solchen Auflösung überfordert ist. Wärmebilder werden deshalb häufig in Falschfarben dargestellt, was zwar spektakulär, aufgrund des Verfremdungseffekts jedoch ungeeignet für militärische Zwecke ist.

Thermosensoren in Form von FLIR-Systemen [12] werden primär in Kampf- und Polizei-Hubschraubern (Tiger, EC135) eingesetzt, um auch unter schlechten Sichtbedingungen, wenn konventionelle Bildverstärkersysteme versagen, einsatzfähig zu bleiben. Auch einige zivile Transporthelikopter im SAR-Bereich sind mit FLIR ausgestattet, so zum Beispiel die Super Puma der Schweizer Armee, die bei der Suche nach Lawinenopfern und Vermissten eingesetzt wird. Die Bezeichnung „Forward Looking“ bezieht sich auf die Emissionsrichtung der Infrarotstrahlung in Bezug auf die Luftfahrzeugachse. Es gibt mittlerweile auch „Sideway Looking“ (SLIR)- und „Downward Looking“ (DLIR)-Infrarot-Systeme. Das bekannteste militärische FLIR-System ist das PNVS (Pilot’s Night Vision System), das standardmäßig auf den Apache Hubschraubern der USA verwendet wird.

Fliegen mit Nachtsichtgeräten

Das Sehen zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Informationsquellen für den Piloten im Flug. Ein überdurchschnittlich gutes Sehvermögen ist deshalb eine der Grundvoraussetzungen für die Eignung zum Pilotenberuf. Allerdings umfasst Sehen deutlich mehr, als den meisten Pilotenanwärtern zum Zeitpunkt ihrer Erstuntersuchung bewusst ist. So wichtig ein zentrales Sehvermögen von 100 % ist – ohne peripheres Sehen wären eine korrekte Einschätzung der Steig- und Sinkgeschwindigkeit oder das Erkennen von Hindernissen im Raum nicht möglich. Das Farb- und Kontrastsehen ist für die Detailerkennung und Orientierung in der Außenwelt ebenso relevant wie für das Ablesen der Cockpit-Anzeigen und die Realisierung von Warnsignalen; und ein gutes räumliches Sehvermögen umfasst nicht nur Start- und Lande-Situationen, sondern auch das Fliegen in Formationen (Jet), den taktischen Tiefflug und das Hovern (Schwebeflug bei Hubschraubern) in schwierigem Gelände oder die Abstandseinschätzung bei der Luftbetankung (Jet, Flächenflugzeug).

Diese Liste ist nicht vollständig, aber sie mag pars pro toto für das Anforderungsprofil stehen, das an einen Militärpiloten unserer Zeit bereits unter Sichtflugbedingungen gestellt wird. Fliegen bei Nacht ist eine besondere Herausforderung. Im Unterschied zu vielen, insbesondere nachtaktiven Tieren, die über größere Pupillen, anders verteilte Photorezeptoren oder spezielle Reflexionssysteme, wie das Tapetum lucidum, verfügen, ist das menschliche Auge nur sehr bedingt an das Sehen in der Dunkelheit angepasst. Nachtsichtgeräte sind in der Lage, einige dieser humanen „Unzulänglichkeiten“ zu beheben oder zu reduzieren, allerdings immer um den Preis einer optischen Degradation des erzeugten Bildes. Nächtliche Einsätze, ob mit oder ohne entsprechende Sichtgeräte, stellen den Piloten deshalb immer vor besondere Herausforderungen.

Zentrales und peripheres Sehen
Wenn Licht durch die Pupille ins Augeninnere gelangt, muss es auf die Netzhaut (Retina) fokussiert werden, damit ein scharfes und erkennbares Bild entsteht. Die Netzhaut ist ein hochdifferenziertes, membranartiges Gewebe, das das Auge von innen auskleidet und in dem Millionen von Nervenfasern mit ihren Photorezeptoren verlaufen, die den Lichteindruck über den Sehnerv zum Gehirn leiten. Zur Verarbeitung der unterschiedlichen Lichtmodalitäten stehen zwei Arten von Photorezeptoren zur Verfügung: Zapfen und Stäbchen. Während das Zapfensystem für das Farben- und Detail-Sehen bei guten Lichtverhältnissen zuständig ist (photopisches Sehen), arbeitet das Stäbchensystem am effektivsten im Dunkeln (skotopisches Sehen). Hierbei steht einer kleinen Anzahl dicht im Zentrum des schärfsten Sehens zusammengedrängter Zapfen eine immense Anzahl über die gesamte Peripherie verstreuter Stäbchen gegenüber (Tabelle 2). Das Dämmerungs- oder mesopische Sehen wird durch die gemeinsame Aktion beider Rezeptortypen ermöglicht [13].

Aus der Architektur dieses Systems lassen sich drei Schlussfolgerungen ableiten, die jeder Pilot kennen sollte:

  1. Da der Bereich des schärfsten Sehens nur 1 - 2° des Gesichtsfeldes abdeckt, müssen bei Tageslicht schnelle Kopf- und Augenbewegungen dafür sorgen, dass die Szenerie der Außenwelt komplett erfasst werden kann (Scan-Sehtechnik) [14]. Eine Fixierung auf einzelne Punkte (Starren) ist im VMC-Flugmodus nicht zu empfehlen.
  2. Da derselbe Netzhautbereich bei Nacht praktisch blind ist, ist in der Dunkelheit weder scharfes noch Farbensehen möglich. Starren wird folglich auch in diesem Fall nicht zum Ziel führen. Um die Stäbchenfunktion optimal zu nutzen, empfiehlt es sich, kleinere Ziele leicht exzentrisch anzuvisieren. Da dies in der Praxis schwierig ist, hilft auch hier im Zweifel die Scan-Sehtechnik.
  3. Unter Dämmerungsbedingungen zu fliegen ist anspruchsvoll, da beide Rezeptorsysteme zwar aktiviert, aber weder vollständig hell-, noch vollständig dunkeladaptiert sind. Die unbewusste Anstrengung, dieses Defizit zu kompensieren, führt deutlich schneller zu Ermüdungserscheinungen als vielfach angenommen wird [15]. In der Folge lässt die „Situational Awareness“ nach, so dass die Gefahr von Flugfehlern wächst. Hier sind Konzentration und Kommunikation gefragt.

Die Verwendung von BIV-Brillen führt grundsätzlich zu einem Zustand mesopischen Sehens. Das ist gut, weil ein zentraler Gesichtsfeldausfall vermieden wird, und schlecht, weil eine komplette Dunkeladaptation noch nicht erreicht ist; es ist ein Kompromiss, der eingegangen werden muss, um eine Rudimentärfunktion des visuellen Gesamtkonzepts aufrechterhalten zu können. Aus Anwendersicht gibt es aufgrund der gerätebedingten Gesichtsfeldeinschränkung auf etwa 40° keine Alternative zur Scan-Sehtechnik.

Bereits aus diesem Grund sind Visusbestimmungen mit NVGs problematisch. Ob sich die maximal erreichbare Sehschärfe überhaupt mit konventionellen Testmethoden ermitteln lässt, erscheint zweifelhaft [16, 17], da durch die visuelle Fixation des Gerätedisplays die Gesetze der geometrischen Optik ausgehebelt und Akkommodationszustände ähnlich einer Kurzsichtigkeit herbeigeführt werden („Gerätemyopie“). Die Ergebnisse früherer Studien [18, 19], die von einem Visusbereich zwischen 0,4 für GEN-2 und 0,5 für GEN-3 NVG ausgingen, sollten deshalb mit Vorsicht interpretiert werden.

Es lässt sich aber berechnen, dass unter Verwendung einer BIV-Brille der dritten Generation ein Telefonmast von 30 cm Durchmesser aus einer Distanz von 300 m gerade soeben noch wahrgenommen wird, während derselbe Mast mit bloßem Auge bei Tage noch aus etwa 1000 m Entfernung optisch aufgelöst werden kann. Daraus folgt, dass das Bildauflösungsvermögen aktueller BIV-Geräte um den Faktor 3 bis 4 unter der Auflösungskapazität eines helladaptierten, normalsichtigen menschlichen Auges liegt [20]. Kritisch sind allerdings die von solchen Masten ausgehenden Kabel anzusehen, die mit Nachtsichtgeräten extrem schlecht aufzulösen sind und insbesondere für Hubschrauber im Tiefflug zum Problem werden können.

Farb- und Kontrastsehen
Das Farbsehvermögen ist ebenso wie das Kontrastsehen eine Funktion der retinalen Zapfen. Menschen sind typischerweise Trichromaten, das heißt sie verfügen über je einen Zapfentyp für die Wahrnehmung von Blau, Rot oder Grün. Unter natürlichen Sichtbedingungen wird die Aktivierung der Zapfen von der elektromagnetischen Wellenlänge der eintreffenden Photonen determiniert. Der Vorsatz eines Nachtsichtgerätes ändert diesen Mechanismus. Das Funktionsprinzip der I2-Converter impliziert, dass durch die Abbremsung der Photonen an der Photokathode jegliche Farbinformation bezüglich des eintreffenden Lichts verloren geht. Ergebnis ist ein monochromes Bild, dessen Konturen mithilfe des Kontrastsehvermögens aufgelöst werden müssen [21]. Welche Farbe dieses Bild haben wird, hängt einzig von der Wellenlänge des durch den aktivierten Phosphor emittierten Lichts ab [22]. Da für militärische Zwecke die Detailerkennbarkeit im Vordergrund des Interesses steht, hat man sich auf die Farbe geeinigt, für die das menschliche Auge im dunkeladaptierten Zustand die höchste Sensitivität aufweist, nämlich Grün. Aus technologischer Sicht hätte man ebenso Rot oder Blau wählen können.

Grundsätzlich ist die Orientierung in einer farbdegradierten, grünen Umgebung nicht schwieriger oder unangenehmer als das Betrachten eines Schwarz-Weiß-Films aus der Ära der Röhrenmonitore. Wie in dieser „Welt“, so spielen auch für den „BIV-Piloten“ Kontrast und Bildhelligkeit die entscheidenden Rollen. Es gilt die Regel: Je dunkler die Nacht und je kontrastärmer das Terrain, desto schlechter das Bild. Die schlechtesten Erfahrungen werden aus nächtlichen Einsätzen in Wüstengegenden berichtet, während die Einsätze in vegetationsreichem oder hügeligem Gelände als vergleichsweise angenehm empfunden werden [23].

Schwierigkeiten machen die Interferenzen der BIV-Bilder mit farbigem Licht [24]. Dieses Licht kann entweder aus der Außenwelt oder aus dem Cockpit stammen und folgende Probleme verursachen:

  1. Lichtquellen außerhalb des Cockpits sind insbesondere beim Flug über dicht besiedelten Gebieten anzutreffen, interferieren aber in aller Regel nicht mit dem Farbsinn des Piloten. Kritische Farbinformationen finden sich in Gestalt von Antikollisions-, Positions- und Navigationsleuchten auf Flughäfen. Von besonderer Bedeutung ist der „Precision Approach Path Indicator“ (PAPI), der der Anflugkontrolle im „Final Approach“ dient und dem Piloten mitteilt, ob seine Anflughöhe korrekt ist. Die Differenzierung zwischen Rot („zu tief“) und Weiß („korrekt“) ist mit einer BIV-Brille nicht mehr möglich (Abbildungen 3a, 3b und 4).
  2. Lichtquellen innerhalb des Cockpits betreffen die zahlreichen Multicolor-Displays, Kontroll- und Signal-Leuchten, die der Pilot für den Instrumentenflug benötigt. Die Gefahr einer direkten Beeinträchtigung des Farbsinns des Piloten hierdurch besteht eher nicht, da er die meisten dieser Anzeigen durch Blick an der Optik des Nachtsichtgerätes vorbei erkennen kann. Allerdings wird die gesamte Cockpit-Beleuchtung beim Nachtflug auf eine BIV-kompatible Beleuchtung umgestellt, um die Dunkeladaptation der restlichen Crew zu gewährleisten. Im Hubschrauber ist dies gewöhnlich Rot („aviation red“). Die Beleuchtung kann es extrem schwer machen, Farbsättigungsunterschiede auf Displays oder Landkarten zu erkennen [25].

In beiden Fällen muss der Pilot lernen, dass er sich unter BIV-Bedingungen nicht mehr auf seinen Farbsinn verlassen kann. Hier hilft nur die Kommunikation und Kooperation mit dem Copiloten.

Die Frage der Farbdiskriminierung bei Höhenexposition ist Gegenstand eines aktuellen Forschungsvorhabens am Flugphysiologischen Trainingszentrum der Luftwaffe in Königsbrück. Im Vordergrund der Überlegungen steht dabei die Diskrepanz zwischen der Verwendung einer BIV-kompatiblen Beleuchtung für den Piloten einerseits und der hierdurch verursachten Beeinträchtigung des Farbsehvermögens der Crew andererseits, welche durch Sauerstoffmangel-Exposition – zum Beispiel  bei Luftnotlagen – weiter reduziert wird [26, 27]. Hinzu kommt, dass der Pilot zum Ablesen der Cockpit-Displays an der BIV-Optik vorbeisehen muss und dadurch unter Umständen selbst seine Dunkeladaptation beeinträchtigt. Es ist möglich, dass zukünftige Cockpits mit dualen Beleuchtungssystemen (rot oder grün) ausgestattet werden müssen, die alternativ aktiviert werden können. Erste vorläufige  Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Fehleranfälligkeit für blaue Displays am höchsten ist.

Binokulare Perzeption und Stereopsis
Im Gegensatz zu früheren Modellen sind aktuelle Nachtsichtgeräte, so auch die BIV-Brillen der Bundeswehr, mit einer binokularen Optik ausgestattet (Abbildung 5a und 5b). Der Vorteil dieser Weiterentwicklung ist die Aufrechterhaltung des räumlichen Sehens (Stereopsis), welches bei einer Verwendung monokularer Sichtsysteme grundsätzlich verloren geht. Das von amerikanischen und israelischen Piloten beschriebene  „Flattening“ dreidimensionaler Konturen [28], wie auch die Kopfschmerzen und Doppelbilder infolge dislozierter optischer Achsen bei den binokularen BIV-Brillen [29], wurden nach Kenntnis der Verfasser von deutschen Piloten bislang nicht berichtet. Es ist möglich, dass hierfür Unterschiede zwischen den NVGs der US und Israel Air Force und den BIV-Brillen der Luftwaffe verantwortlich sind.

Was allerdings von Piloten aller Nationalitäten berichtet wird, sind Parallaxenprobleme, die sich darin äußern, dass Objekte tendenziell kleiner und weiter weg wahrgenommen werden, als sie es tatsächlich sind [30, 31]. Die Vermutung liegt nahe, dass hierfür die bereits oben  erwähnte „Gerätemyopie“ verantwortlich ist. Wenn ein Betrachter ein Bild im Unendlichen fixiert, das aber real in 15 cm Entfernung von seiner Netzhaut abgebildet wird, wird das Gehirn für die Entfernungseinschätzung eine falsche Bildgröße zugrundelegen, die zu einer Überschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten führt. Die Fehlinterpretation beruht letztendlich auf der Annahme, dass das Netzhautbild eines entfernten Objekts erfahrungsgemäß ein größeres Objekt repräsentieren muss, als das gleich große Netzhautbild eines nahen Objekts (Emmertsches Gesetz) [32]. Der Fehler ist geräteimmanent und kann letztendlich nicht behoben werden.

Ein weiteres Problem bei der Verwendung von Restlichtverstärkern ist die Wahrnehmung von Scheinbewegungen in der Außenwelt [33]. Die Erklärung für dieses Phänomen liegt hier nicht im Entfernungsunterschied zwischen Seh-Objekt und BIV-Bild, sondern im Entfernungsunterschied zwischen BIV-Bild und Netzhaut. Da das BIV-Bild sich etwa 15 cm peripherer befindet als das Netzhautbild, wird es sich bei Kopfdrehungen auf einem größeren Radius bewegen als das Netzhautbild und damit auch eine größere Winkelgeschwindigkeit bei Kopfdrehungen entwickeln. Es resultiert eine gegenläufige Scheinbewegung (Autokinese) mit dem subjektiven Eindruck einer  „instabilen“ Außenwelt [34]. Dies lässt sich am ehesten durch ruhige und kontrollierte Kopfbewegungen vermeiden.

Die integrierten HMD/HUD-Bildverstärkersysteme, wie sie in den Hubschraubern Tiger und NH90 der Bundeswehr verwendet werden, können zu noch komplexeren Wahrnehmungsstörungen führen. Ein Beispiel hierfür ist das Phänomen der Hyperstereopsis [35, 36], das aus der seitlichen Montage der Bildsensoren am Helm des Piloten resultiert. Hierdurch wird die interpupilläre Distanz, auf der die Tiefenwahrnehmung letzten Endes beruht (Prinzip der binokularen Disparität [13]), auf fast das Doppelte vergrößert. Dem visuellen Cortex wird somit zwar ein richtiges Prinzip, jedoch in einer falschen Dimension übermittelt. Ergebnis können komplexe dreidimensionale Illusionen sein: bei Lande- oder Startmanövern scheint sich der Boden zum Piloten hin zu erheben, wobei sich im Bereich der Kurtosis eine Einsenkung zu befinden scheint, die ihm das Gefühl vermittelt, wie in einem Loch zu sitzen. Es mussten eigene Trainingsmethoden („Perceptual Learning“) entwickelt werden, um die Piloten der Bundeswehr im Umgang mit diesem System zu schulen [37]. Ähnliches gilt auch für die FLIR-Systeme, die bei Ihrer Einführung aufgrund der optischen Divergenz zwischen anatomischer Blickachse und der in 2 m Abstand unter der Nase der Luftfahrzeuge generierten Bildern der Thermosensoren  zum Teil  erhebliche Probleme verursachten und entsprechender Trainingsmaßnahmen bedurften.

Psychologische Aspekte
Das subjektive Erleben und die individuelle Bewertung des Fliegens mit Bildverstärker-Brillen hat eine große Bandbreite. Während einige Piloten sich extrem schnell an die ungewohnte Belastung gewöhnen, entwickeln andere zwiespältige, in Einzelfällen auch averse Empfindungen.

Zu den häufigsten psychophysischen Erfahrungen zählen visuelle Erschöpfungszustände („Visual Fatigue“), die von den Piloten als bleierne Müdigkeit unmittelbar nach Beendigung des Fluges geschildert werden [38]. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Dass die kontinuierliche Fokussierung grüner Bilder von limitierter Qualität unerfreulich und störend sein kann, erscheint nachvollziehbar.  Ebenso kann  die Monotonie ununterbrochener Kopfbewegungen im Zusammenhang mit der Scan-Sehtechnik unter Berücksichtigung der Helmsysteme zweifellos auch einen gewissen physischen Ermüdungseffekt nach sich ziehen.

Dies sind aber eher vordergründige Kausalitäten. Die beiden entscheidenden Faktoren sind psychologischer Stress und ein hoher Workload auf dem Boden einer nicht-routinemäßigen Arbeitsbelastung [39]. Das Fliegen im Tiefflug durch unbekanntes Terrain, die Erfüllung des militärischen Auftrags, die Kommunikation mit dem Copiloten, die Sorge, vielleicht doch einmal eine Überlandleitung zu übersehen, dies alles in Verbindung mit der Verantwortung für die Crew, noch dazu in möglicherweise feindlicher Umgebung, ist eine Multi-Tasking-Aufgabe, die dem Piloten sein gesamtes Können und seine gesamte fliegerische Erfahrung abverlangt.

Sehen unter BIV-Bedingungen ist keinesfalls wie „Sehen bei Tag – nur eben nachts“, sondern eine psychologische Ausnahmesituation, die gelernt und trainiert werden muss. Das Fliegen mit einer eingeschränkten Sehfunktion ist eine Fähigkeit, die Konzentration, Mehrfachbelastbarkeit und ein außerordentliches Maß an Situational Awareness erfordert. Selbst die erfahrensten Piloten der Bundeswehr nehmen deshalb regelmäßig an Trainingsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung dieser Fähigkeit teil. Im Hubschrauberbereich ist der Umgang mit Restlichtverstärkern bereits in die Simulatorausbildung integriert, so dass das geforderte Fähigkeitsprofil auch unter Extrembedingungen ergänzt und überprüft werden kann.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Erfindung der Nachtsichtgeräte ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Überwindung natürlicher Grenzen der menschlichen Sinnesphysiologie. Ihre konsequente Weiterentwicklung unter dem Druck historischer Schlüsselereignisse hat zu fundamentalen, operationellen Veränderungen gerade auch im Bereich der Luftstreitkräfte geführt. Mittlerweile stehen neben den Restlichtverstärkern hochentwickelte Infrarot-Thermosensoren zur Verfügung, die das Anwendungsspektrum auch in den Bereich staub- und dunstbedingter Sichtbehinderungen ausgedehnt haben. Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung noch nicht zu Ende ist. Zukünftige Generationen werden beide Systeme in Form überlagerter Bilder kombinieren und mit der Option einer Dateneinspielung nach Art der HUDs versehen [40]. Weitere Ansätze sind die Vergrößerung des Gesichtsfeldes, die Erhöhung des Tragekomforts und der Schutz vor Defekten durch hochenergetisches Licht (Laser). Trotzdem wird das Sehen unter BIV-Bedingungen niemals dieselbe Qualität erreichen wie das natürliche Sehen bei Tag. Wer einmal mit BIV geflogen ist, wird sich immer daran erinnern, wie angenehm es danach war, das Licht der Sonne wiederzusehen.

Kernaussagen

  • Nachtsichtgeräte werden in aktive Infrarot-Systeme, Restlichtverstärker und Wärmebildkameras unterteilt.
  • Das Fliegen mit diesen Systemen ermöglicht präzise militärische Operationen bei Dunkelheit und anderweitig reduzierten Sichtbedingungen, stellt den Piloten aber vor erhebliche visuelle und psychophysische Anforderungen.
  • Das Farbensehen ist aufgehoben, das Gesichtsfeld ist eingeengt, Kontrastsehen, Sehschärfe und räumliches Sehen sind reduziert.
  • Die veränderte binokulare Wahrnehmung der Außenwelt führt zu teilweise komplexen Illusionen und Sinnestäuschungen, die ein regelmäßiges Training zur Vermeidung von Flugfehlern erforderlich machen.

Literaturverzeichnis

  1. Black-Light Telescope Sees In The Dark, Popular Science Monthly (https://books.google.de), March 1936 (last accessed on 16 June 2015)
  2. Zworykin V: Method of and Apparatus for Producing Images of Objects, United States Patent Office, Patent No. 2.021.907, 1935.
  3.  Image Intensifier Symposium (Proceedings), U.S. Army Engineer Research and Development Laboratories, October 1958. In: Schmickley DL: Night Vision Goggles. In: Spitzer CR (eds): The Avionics Handbook, Washington 2001: CRC Press LLC.
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Interessenkonflikte: Die Verfasser erklären, dass keinerlei Interessenkonflikte bestehen.

Bildquellen:

Abb. 1: http://www.achtungpanzer.com/german-infrared-night--vision-devices-infrarot-scheinwerfer.htm (last accessed 24 August 2015)
Abb. 2– 6: Zentrum für Luft- und Raumfahrmedizin der Luftwaffe

Übersichtsarbeit

Manuskriptdaten:

Eingereicht: 13.07.2015
Revidierte Fassung angenommen: 12.08.2015

Zitierweise:

Jakobs FM, Werner A, Kreutzmann U, Frischmuth J:Fliegen mit Bildverstärkerbrillen. Wehrmedizinische Monatsschrift 2015; 59(9-10): 293-300

 

[1] Barry McCaffrey diente von 1964 bis 1996 in der United States Army. Er befehligte die 1st Cavalry Division im Vietnam-Krieg sowie die 24th Infantry Division im ersten Golfkrieg. Zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung war er der jüngste und am höchsten dekorierte 4-Sterne-General der USA.

Datum: 16.11.2015

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/3

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