Angehörige von Bundeswehrsoldaten – Belastungen und -Hilfsangebote aus interdisziplinärer Sicht

Aus dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin¹ (Chefarzt: Flottenarzt Dr. K. Reuter) und dem Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr² (Leiter: Militärgeneraldekan M. Heimer)

Carolyn Rose¹, Peter Zimmermann¹, Christian Fischer²

WMM, 60. Jahrgang (Ausgabe 1/2016; S. 24-29)

Zusammenfassung

Beratung und Betreuung der Angehörigen von Soldatinnen und Soldaten ist in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut worden. Dies gilt sowohl für die Gesamtbetreuung der Familien aller Bundeswehrangehörigen im Auslandseinsatz als auch für Angehörige psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten sowie Hinterbliebene.

In diesem Artikel soll ein Überblick der Belastungen von -Familienangehörigen psychisch Erkrankter und darauf abgestimmter Betreuungsangebote der verschiedenen Fürsorgesysteme der Bundeswehr gegeben werden. Eine wis-senschaftliche Evaluation ausgewählter Angebote hat bereits begonnen. So hat sich in einer ersten Studie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin gezeigt, dass die Lebensqualität der betroffenen Angehörigen signifikant durch Gruppenangebote verbessert werden kann. 

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Abb. 1: Broschüre des PTZ für Angehörige psychisch kranker Soldaten (weitere Infos s. Fußnote 1).

Schlüsselwörter: Psychische Erkrankungen, Angehörige, Hilfsangebote, Interdisziplinarität

Keywords: mental illness, relatives, support measures, interdisciplinarity

Einleitung

Im Jahr 1992 begann mit dem sanitätsdienstlichen Engagement in Kambodscha für die Bundeswehr die Ära der Auslandseinsätze, an denen bislang insgesamt mehr als 350 000 Soldaten in den verschiedensten Regionen der Welt beteiligt waren. Das Spektrum der in den Einsätzen erlebten Belastungen reicht von „Peace-Keeping“-Missionen bis hin zu Kampfeinsätzen. Die zum Teil traumatischen Erfahrungen wirken sich nicht selten nachhaltig auf die körperliche und psychische Gesundheit der Soldaten aus.

Von 2009 bis 2013 wurden knapp 3 000 Soldaten im Rahmen der Prävalenzstudie psychischer Erkrankungen der Bundeswehr untersucht, zum Teil vor und nach einem Auslandseinsatz. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als 20 % aller Bundeswehrsoldaten mit und ohne Auslandseinsatz an psychischen Erkrankungen leiden (12-Monats-Prävalenz). Daten der britischen und amerikanischen Streitkräfte weisen darauf hin, dass weitere 20 % aller Teilnehmer an einem Auslandseinsatz unterschwellige psychische Symptomkomplexe aufweisen, die nicht vollständig die diagnostischen Kriterien einer Erkrankung erfüllen, dennoch aber mit erheblichem Leidensdruck einhergehen (Subthreshold-Syndrome). Nur 10 % bis 20 % der erkrankten Soldaten hatten sich in der Prävalenzstudie zum Untersuchungszeitpunkt ein Jahr nach Einsatzende in eine fachgerechte Behandlung begeben. Verschiedene Stigmatisierungsängste verhinderten häufig einen rechtzeitigen Therapiebeginn. Dazu gehörten Ängste vor Karrierenachteilen oder vor Unverständnis seitens der Vorgesetzten und/oder Kameraden [1].

Über die eigentliche Krankheitslast hinaus leiden Soldaten nach Einsätzen in kulturfremden Räumen auch an ethisch-mora-lischen Konflikten, die aus der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Umfeld entstehen können, zum Teil aber auch Folge von Wert- und Normverletzungen seitens eigener Kameraden, Vorgesetzter oder auch der Betroffenen selbst sein können. Diese moralischen Verletzungen und auch die Veränderungen von Wertorientierungen haben nach neueren Studien des Psycho-traumazentrums der Bundeswehr (PTZ) eine direkte oder indirekte Auswirkung auf Häufigkeit und Schweregrad psychischer Erkrankungen, wie der posttraumatischen Belastungsstörung, Depression oder Suchterkrankungen [2]

Diesen geschilderten Belastungskonstellationen sind nicht nur die Soldaten selbst, sondern auch deren dienstliches und privates Umfeld in besonderer Weise ausgesetzt. Auch wenn diese an dem Erleben der Ereignisse nicht direkt beteiligt waren, müssen sie sich dennoch mit entsprechenden Erzählungen oder mit den Folgen der psychischen Veränderungen und Erkrankungen auseinandersetzen. Dies kann in ausgeprägten Fällen auch das Ausmaß einer sekundären Traumatisierung annehmen, insbesondere bei Kindern, was dann mit Symptomen einhergeht, die Traumafolgestörungen entsprechen oder nahestehen.

Eine besondere Konstellation tritt bei Hinterbliebenen ein, bei denen Fragen der Trauerbewältigung und der sozialen Adaptation nach dem Verlust eines Angehörigen im Einsatz im Vordergrund stehen und nicht selten problematisch verlaufen.

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Abb. 2: Vom PTZ und der evangelischen Militärseelsorge erstelltes Kinderbuch für Angehörige von an PTBS erkrankten Soldaten (nähere Infos s. Fußnote 2).
Das soziale Umfeld psychisch belasteter Soldaten ist für den Heilungsverlauf besonders bedeutsam. Vielfältige Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ein stützendes soziales Umfeld einen signifikant positiven Einfluss auf Verlauf und Schweregrad posttraumatischer Erkrankungen hat. Demgegenüber können belastete Angehörige, die nur noch wenig zur Unterstützung in der Lage sind, diese Aufgabe nicht in vollem Umfang wahrnehmen, was zu ungünstigeren Krankheitsverläufen bei den Soldaten führt [3].

Hilfsangebote für Angehörige von Soldaten

Hilfsangebote für Angehörige von Soldaten mit Einsatzerfahrungen, insbesondere auch von psychisch belasteten oder erkrankten Soldaten, stehen in den letzten Jahren zunehmend im Fokus neuer Projekte und auch wissenschaftlicher Bemühungen. Die Familienbetreuungsorganisation, jetzt Bundeswehrbetreuungsorganisation, ist bereits seit längerem erfolgreich aktiv und betreut unter anderem Angehörige von Soldaten während der Auslandseinsätze. Das angebotene Spektrum reicht von Informationsangeboten, Seminarveranstaltungen bis hin zu konkreten Einzelfallhilfen in Notfällen. Zudem ist eine diesbezügliche Hotline für dringende Fragestellungen aktiviert.

Zur Vertiefung der Betreuung nach Auslandseinsätzen wurden zudem Fachberatungsseminare konzipiert, die unter anderem einsatzbelasteten und im Gefolge von Einsätzen erkrankten Soldaten und deren Familien in einem einwöchigen Seminarformat eine Vielfalt von Hinweisen und Anregungen sowie auch konkrete Beratung zur Verfügung stellen.

Kommt es zu einer Psychotherapie in einem Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs), werden Angehörige im Regelfall in den therapeutischen Verlauf integriert, meistens im Rahmen von paartherapeutischen Gesprächen.

Im Jahr 2014 hat zudem das PTZ eine Broschüre für Angehörige psychisch erkrankter Soldaten herausgebracht, die wesent-liche Informationen in Schriftform zusammenfasst. Zeitgleich erschien ein Kinderbuch für Kinder traumatisierter Soldaten, das in einer kurzen Geschichte aus der Perspektive des Sohnes eines traumatisierten Soldaten Belastungen, Reaktionen und auch therapeutische Möglichkeiten in kindgerechter Form zusammenfasst und aufbereitet.

Aus den Erfahrungen der Paargespräche im BwKrhs ergab sich, dass Angehörige ein vermehrtes Bedürfnis nach gegenseitigem Austausch und Unterstützung haben. Aus diesem Grund wurden in den letzten drei Jahren in den BwKrhs vermehrt Gruppenangebote für Angehörige geschaffen, zum Teil ambulant, teilweise als geschlossene Seminarveranstaltungen an Wochenenden. Die dabei gesammelten Erfahrungen waren sehr positiv. In einer Studie des PTZ, die jüngst publiziert wurde, konnte an 35 Paaren gezeigt werden, dass sich physische und psychische Lebensqualität im Rahmen dieser Seminare signifikant und nachhaltig verbessert hatten [4].

Sowohl das Kinderbuch als auch die Betreuungsmaßnahmen für Angehörige werden umfangreich seitens des Seelsorgeprojektes des evangelischen Kirchenamtes sowie auch seitens der Soldaten- und Veteranenstiftung des Bundeswehrverbandes (SVS) unterstützt.

Weitere Unterstützung und Kooperation kommt auch aus dem Bereich des „Netzwerkes der Hilfe“, das einen Zusammenschluss verschiedener, meist ehrenamtlicher ziviler Hilfsangebote darstellt. Von den Teilnehmern des Netzwerkes wird engagierte Beratung und Hilfe geleistet, unter anderem auch für Angehörige traumatisierter Soldaten.

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Abb. 3: Logos der katholischen (KAS) und evangelischen (EAS) Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung

Aufgrund der geschilderten deutlichen Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Soldaten mit Einsatzerfahrung und deren Angehörigen ist es notwendig, in den nächsten Jahren weiterhin vermehrte und verbesserte Angebote zu entwickeln, die für Angehörige oder auch für Paare und Familien konzipiert werden. Diese Tendenz stellt auch einen natürlichen Teil der Förderung von Familien, der Attraktivität des Berufsbildes sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, somit nicht zuletzt auch des betrieblichen Gesundheitsmanagements dar – also ein Bereich, der sich derzeit im Fokus des Bundesministeriums der Verteidigung befindet

Wissenschaftliche Begleitforschung ist ein essenzieller Bestandteil derartiger Weiterentwicklungen. So laufen derzeit Studien zur tier-assistierten Betreuung von Paaren und Familien, unter anderem eine pferde-assistierte Paarbetreuung am -BwKrhs Berlin. Zudem wird in einer noch in 2015 beginnenden qualitativen Studie in Kooperation mit der Universität Ulm eine vertiefte wissenschaftliche Grundlage für Belastungen und Bedürfnisse von Familien traumatisierter Soldaten gelegt. Aus den Ergebnissen werden sich neue Ansätze und therapeutische Optionen ergeben.

Im Folgenden sollen zusätzlich zu diesem Überblick sozialwissenschaftliche und seelsorgerische Aspekte der Betreuung von Angehörigen dargestellt werden.

Belastungen von Angehörigen psychisch erkrankter militärischer und ziviler Patienten

„Außerdem bedeuten zweihundert psychisch verwundete Personen weit mehr als zweihundert beeinträchtigte Leben, denn die Angehörigen der Traumatisierten sind von deren Leid immer mitbetroffen.“ [5]

Für den Bereich der Bundeswehr ist die Zahl der Familienangehörigen von Soldaten zwar für den Einzelnen bekannt, wird aber nicht für statistische Zwecke zusammengeführt. Monatlich erhoben wird hingegen die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die sich aufgrund psychischer Erkrankungen in fachärztlicher Behandlung in Zusammenhang mit Auslandseinsätzen befinden (Einsatzstatistik der Bundeswehr). Die „Dunkelziffer-Studie“ [1] ergab, dass viel mehr Soldatinnen und Soldaten von psychischen Folgeschäden betroffen sind als sich derzeit in Behandlung befinden. Und es ist davon auszugehen, dass auch sie Partnerschaften führen, Kinder und Familie haben.

Die Auswirkungen psychischer Erkrankungen sind bei den Angehörigen gut durch wissenschaftliche Studien belegt, von denen einige hier beispielhaft benannt werden sollen.

Die Universität Leipzig veröffentlichte 2002 einen Bericht über die „gesundheitlichen und ökonomischen Belastungen von Familien mit psychisch kranken Angehörigen“. Untersucht wurden Angehörige von Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Schizophrenien sowie von Zwangsstörungen [6]. Die Ergebnisse zeigten, dass die Probleme der Angehörigen in Zusammenhang mit der Art der Erkrankung standen. Hinsichtlich der gesundheitlichen Belastungen der Angehörigen standen offenbar psychische und psychosomatische Probleme im Vordergrund, und es ergab sich eine höhere Prävalenz depressiver Störungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. In Bezug auf die am meist genannten Belastungen im Alltag wurden Beeinträchtigungen hinsichtlich des Beziehungs- und Familienalltags genannt.

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Abb. 3: Logos der katholischen (KAS) und evangelischen (EAS) Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung
Im Jahr 2005 brachte die Fachzeitschrift „Neuropsychiatrie“ ein Themenheft „Angehörige psychisch Kranker: Belastungen, Bedürfnisse und Bedarf“ heraus. Unter dem gleichen Titel formuliert dort JOHANNES WANCANTA, dass die Familienangehörigen psychisch Kranker einen wertvollen Beitrag in der Betreuung und zur Gesundung der Erkrankten leisten [7]. In einer Studie von UNGERER et al. über den Bedarf von Angehörigen von Patienten mit Schizophrenie zeigte sich, dass Psychoedukation (individuell oder in Gruppen), experten-geleitete Angehörigenrunden, Angehörigen-Selbsthilfe-Gruppen und Familiengespräche für nötig erachtet wurden [8].

HAHLWEG und BAUCOM [9] unterschieden zwischen objektiven und subjektiven Belastungen der Angehörigen hinsichtlich der Auswirkungen psychischer Erkrankungen. Objektiv beobachtbare Belastungen umfassen zum Beispiel finanzielle Problematiken oder Störungen des Alltags durch die Symptomausprägungen. Neben Krankheitssymptomen – wie Halluzina-tionen und Wahnideen während psychotischer Phasen oder Interessenverlust und Grübeln im Rahmen depressiver Episoden – werden besonders der soziale Rückzug und damit einhergehend der Mangel an sozialer Unterstützung beschrieben. Einschränkungen des familiären Alltags in den Strukturen und Abläufen zählen ebenso dazu.

Die subjektiven Belastungen sind abhängig von dem Umfang, in dem sich ein Angehöriger tatsächlich durch die Situation beeinträchtigt fühlt. Hierbei spielen die zur Verfügung stehenden eigenen Ressourcen, die individuelle Konflikt- und Problembewältigung und das subjektive Verantwortungsgefühl hinsichtlich der Einflussnahme auf den Verlauf der Erkrankung eine große Rolle. Insgesamt wird konstatiert, dass die Angehörigen psychisch Erkrankter häufiger unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden und Symptome wie Reizbarkeit, innere Unruhe, häufiges Grübeln, Schlafstörungen und Mattigkeit zeigen [9].

Eine begrenzte Anzahl von Untersuchungen befasst sich auch mit den Angehörigen psychisch erkrankter Soldaten. Es hat sich gezeigt, dass Einsatzteilnehmer mit einer post-traumatischen Belastungsstörung (PTBS) über mehr familiäre und eheliche Probleme, mehr Belastungen in der Partnerschaft und schlechtere zwischenmenschliche Beziehungen berichten als Einsatzteilnehmer ohne PTBS [10]. Betreuungs- und Hilfsmöglichkeiten sind am Beispiel der Bundeswehr bereits obenstehend diskutiert worden.

Kinder psychisch erkrankter Eltern

Und es gibt noch eine weitere Gruppe von Familienangehörigen, die sich selber wenig über ihre Situation äußern kann:

„Kinder von psychisch kranken Eltern sind häufig mit Belastungen und Beeinträchtigungen konfrontiert, die ihr Risiko selbst eine psychische Störung zu entwickeln, im Vergleich zu Kindern mit psychisch gesunden Eltern deutlich erhöhen.“ [11]

In einem Vortrag gab MATTEJAT im Jahre 2007 einen Überblick aus Berichten von Kindern, die zu ihren wichtigsten Problemen befragt wurden [12]:

  • Desorientierung und Angst: Sie können die Erkrankung nicht einordnen und verstehen.
  • Schuldgefühle: Sie glauben, dass sie „schuld“ sind. „Mama ist traurig/krank/durcheinander, weil ich böse war“.
  • Tabuisierung: Sie haben das (begründete) Gefühl, dass sie mit niemanden darüber sprechen dürfen.
  • Isolation: Sie wissen nicht, mit wem sie sprechen können. Sie fühlen sich allein gelassen, sie ziehen sich zurück.

Die daraus entstehenden Folgeprobleme beschreibt MATTEJAT wie folgt [12]:

  • Es entsteht ein Betreuungsdefizit durch zu wenig Aufmerksamkeit der Eltern.
  • Kinder erhalten Zusatzbelastungen durch zusätzliche Aufgaben (Haushaltsführung, Kinderbetreuung kleinerer Geschwister).
  • Es kommt zur Verantwortungsverschiebung (Parentifizierung), weil sie Verantwortung für die Eltern übernehmen.
  • Sie haben Abwertungserlebnisse, durch die Abwertung der Eltern und ihrer selbst durch andere.
  • Sie bekommen Loyalitätskonflikte innerhalb der Familie, weil ein Gefühl entsteht, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen.
  • Sie kommen in einen Loyalitätskonflikt nach außen hin; da sie sich für die Eltern schämen, entsteht ein Konflikt zwischen Loyalität und Distanz.

Es gibt mittlerweile einige Konzepte für die Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern, da die Studienlage hinsichtlich ihrer Belastungen und die Auswirkungen auf ihre psychische und emotionale Entwicklung seit den 1970er Jahren in Deutschland zugenommen hat [11]. Um Kinder gut unterstützen und entlasten zu können, ist es wichtig, die Eltern für deren Situation zu sensibilisieren und die Eltern zu befähigen, einen adäquaten Umgang mit ihren Kindern herzustellen und Unterstützung von außen zuzulassen.

In einer Studie gaben englische Militärangehörige an, dass sie den Eindruck haben, dass Kinder von Soldaten durch die dienstlich bedingten Abwesenheiten weniger Möglichkeiten haben, eine elterliche Bindung zu dem häufig abwesenden Elternteil aufzubauen. Diese Bindung wird umso mehr eingeschränkt, wenn psychische Probleme oder psychische Erkrankungen hinzukommen [13].

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes gab es in Deutschland im Jahr 2014 knapp 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind. In der großen Mehrheit der Familien lebten nach Angaben des Mikrozensus entweder ein Kind (42 %) oder zwei Kinder (42 %), in 12 % der Familien lebten drei Kinder [14].

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Tab. 1: Veranstaltungen des ökumenischen Seelsorgeprojektes unter Führung der evangelischen Militärseelsorge

Wie viele betroffene Erwachsene und minderjährige Angehörige von psychisch erkrankten Soldatinnen und Soldaten es gibt, ist nicht öffentlich abrufbar. Die meisten der bereits bestehenden Angebote erreichen derzeit nur diejenigen Familien und Angehörigen, bei denen der psychisch Erkrankte bereits in Behandlung ist. Da aber häufig das familiäre Umfeld früher als der Betroffene die Veränderungen bemerkt, könnten weitere Angebote hilfreich sein.

Militärseelsorge als Partner im Psychosozialen Netzwerk – Angebote für Soldaten und deren Angehörige
Ein wichtiger Partner im psychosozialen Netzwerk ist die Militärseelsorge [15]. Mit etwa 180 Seelsorgerinnen und Seelsorgern leisten die Evangelische und Katholische Militärseelsorge nahezu flächendeckend ihren Dienst in Deutschland und in der Auslandseinsatzbegleitung. An ihrer Seite stehen in den Militärpfarrämtern jeweils eine Pfarrhelferin oder ein Pfarrhelfer.

In der Militärseelsorge begegnen sich

  • der Wunsch von Bundeswehrangehörigen, ihren christlichen Glauben zu leben,
  • die Aufgabe der Kirche zu Verkündigung, Seelsorge, ethischer Orientierung und diakonischem Handeln und
  • die Verpflichtung des Dienstherrn, den Bundeswehrangehörigen ungestörte Religionsausübung zu ermöglichen und Seelsorge zugänglich zu machen.

Dabei wirken Staat und Kirche gemeinsam – dem Frieden verpflichtet.

Die Kooperation mit dem Sanitätsdienst, der Truppenpsychologie, dem Sozialdienst der Bundeswehr und vor allem der militärischen Führung spielt eine große Rolle. Das Vertrauen, das den Geistlichen entgegengebracht wird, beruht zum einen auf ihrer verlässlichen Präsenz, ebenso aber auch auf ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gegenüber den anderen Diensten in der Truppe.

Soldatinnen und Soldaten bringen dieselben Wünsche und Fragen in die Seelsorge ein wie alle anderen Menschen auch, zu Partnerschaft und Familie, zum Umgang mit Kollegen, zur Berufs- und Lebensplanung und zur ethischen und religiösen Orientierung. Spezifisch für das Leben in und mit der Bundeswehr sind die häufigen Abwesenheiten von Zuhause und dem Heimatstandort durch Lehrgänge, Auslandseinsätze und lange Seereisen, die besondere Prägung durch Befehl und Gehorsam, ein kompliziertes Beurteilungswesen, die Erfahrung von Entbehrung, Einsamkeit und Zweifel am Auftrag, die zuweilen traumatisierende Nähe von brutaler Gewalt und Angst, die Last der Verantwortung, die Schuld für Versagen, aber auch die weithin tragende Erfahrung von Fürsorge und Kameradschaft. Die Militärseelsorge widmet sich allen Angehörigen der Bundeswehr in Gespräch, Gebet und Gottesdienst und nicht zuletzt auch im erwachsenenpädagogischen Rahmen des lebenskundlichen Unterrichts. Sie bringt „Zivilität“ und geistliche Geborgenheit in eine ansonsten straff organisierte militärische Organisation.

Seelsorgerinnen und Seelsorger, stehen als Militärgeistliche nicht in der soldatischen Hierarchie, sie unterliegen der seelsorglichen Schweigepflicht und dem Beichtgeheimnis und sind so Gesprächspartner besonderer Art.

Spirituelle Angebote, Andachten und Gottesdienste gibt es überall dort, wo die Menschen arbeiten und leben, zu Hause und in den Feldlagen weit weg von der Heimat. Nicht selten wird gerade in der Fremde ein neuer Zugang zu Glaubens- und Sinnfragen gefunden.

Unterstützt werden beide Militärseelsorgen durch die evangelische (EAS) und die katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS). Beide Organisationen unterstützen mit Betreuungsmaßnahmen (Freizeit und Kulturveranstaltungen, Erwachsenenbildung und Familienarbeit) Soldaten und ihre Angehörigen im In- und Ausland. Nahezu alle Soldaten haben während ihrer Dienstzeit in Deutschland je nach geografischen Gegebenheiten ein „Soldatenheim“ oder im Auslandseinsatz eine „Oase“ kennengelernt. EAS und KAS verstehen sich ausdrücklich als Dienstleister für Militärseelsorge und Bundeswehr.

Spezielle seelsorgerische Angebote
Bezogen auf unter Einsatzfolgen leidende Menschen gibt es seit dem 1. Januar 2012 ein ökumenisch verantwortetes und evangelisch geführtes Seelsorgeprojekt.

Auf die unterschiedlichen Zielgruppen zugeschnitten, gibt es Veranstaltungsangebote über Wochenenden, verlängerte Wochenenden und ganze Wochen für folgende Zielgruppen:

  • Hinterbliebene,
  • körperlich und seelisch Verwundete mit ihren Familien,
  • Einsatzbelastete mit ihren Familien,
  • Ehemalige mit ihren Familien,
  • psychosoziale Unterstützer mit ihren Familien und
  • Angehörige anderer nicht-militärischer Organisationen mit ihren Familien.

Im Seelsorgeprojekt werden Bundeswehrangehörige und deren Familien bei der Bewältigung der Rückkehr nach dem Auslandseinsatz unterstützt und Beziehungen zwischen Partnern, Eltern und Kindern gestärkt. Auch Alleinstehenden gelten die Hilfsangebote. Es werden Raum und Möglichkeiten zur Entspannung geboten, um einsatzbedingte Belastungen zu reduzieren. Familien werden für das Thema „Traumatisierung“ und „PTBS“ sensibilisiert und mögliche Auswirkungen auf die unmittelbar Betroffenen und ihr familiäres Umfeld aufgezeigt. Über Themenbereiche, wie „Depressionen“, „Angst“ und „Burn-Out“, wird aufgeklärt. Unterschiedliche Veranstaltungen zur Bewältigung einsatzbedingter Verwundung werden angeboten. Menschen werden in Lebenskrisen und in der Trauer gestärkt.

Andachten, Gottesdienste und Seelsorgespräche werden von Pfarrerinnen und Pfarrern angeboten. Ein Team von Fachkräften – zugeschnitten auf die Zielgruppe – begleitet darüber hinaus die Teilnehmenden.

Angebote des Seelsorgeprojektes sind:

Alle Veranstaltungen sind geprägt vom Prinzip der Freiwilligkeit. Neben Einzel- oder Paargesprächen, Familien- und Kleingruppengesprächen, Frauen- oder Elternrunden wird auch eine Kinderbetreuung angeboten, die die Möglichkeit einer fach-lichen Kinderberatung bietet. Es gibt intensive Kooperationen mit BwKrhs.

Eine Auswahl von Ansprechstellen des psychosozialen Netzwerks der Bundeswehr findet sich auf der dritten Umschlagseite der Ausgabe 1/2016.

Kernaussagen / Fazit

  • Das soziale Umfeld psychisch belasteter Soldaten ist für den Heilungsverlauf besonders bedeutsam.
  • Aus den Erfahrungen der Paargespräche im BwKrhs ergab sich, dass Angehörige ein vermehrtes Bedürfnis nach gegenseitigem Austausch und Unterstützung haben.
  • „Kinder von psychisch kranken Eltern sind häufig mit Belastungen und Beeinträchtigungen konfrontiert, die ihr Risiko, selbst eine psychische Störung zu entwickeln, im Vergleich zu Kindern mit psychisch gesunden Eltern deutlich erhöhen.“
  • Im Seelsorgeprojekt werden Bundeswehrangehörige und deren Familien bei der Bewältigung der Rückkehr nach dem Auslandseinsatz unterstützt und Beziehungen zwischen Partnern, Eltern und Kindern gestärkt.
  • Aufgrund der geschilderten deutlichen Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Soldaten mit Einsatzerfahrung und deren Angehörigen ist es notwendig, in den nächsten Jahren weiterhin vermehrte und verbesserte Angebote zu entwickeln, die für Angehörige oder auch für Paare und Familien konzipiert werden.

Literatur

  1. Wittchen HU, Schönfeld S, Kirschbaum K, et al: Traumatische Ereignisse und posttraumatische Belastungsstörungen bei im Ausland eingesetzten Soldaten: wie hoch ist die Dunkelziffer? Deutsches Ärzteblatt Int 2012; 109(35-36): 559-568.
  2. Zimmermann P, Firnkes S, Kowalski Jens T, et al.:Personal values in soldiers after military deployment: associations with mental health and resilience. European Journal of Psychotraumatology 2014;(5): 22939 - http://dx.doi.org/10.3402/ejpt.v5.22939.
  3. Brewin Chris R, Andrews Bernice, Valentine John D: Meta-analysis of risk factors for posttraumatic stress disorders in trauma-disposed adults. Journal of consulting and clinical psychology 2000; (68, 5): 748-766.
  4. Wesemann, U, Jensen, S, Kowalski JT, et al.: Einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörungen bei Soldaten- Pilotstudie zur Entwicklung und Evaluierung eines Angehörigenseminars. Trauma und Gewalt 2015; 3: 216-225.
  5. Brunner B: Die Politik des Traumas – Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/ Palästina Konflikt. Berlin: Suhrkamp 2014,164.
  6. Angermeyer M, Bischkopf J, Jungbauer J, et al.: Abschlussbericht zum Teilprojekt C3, Gesundheitliche und ökonomische Belastungen von Familien mit psychisch kranken Angehörigen. Universität Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie 2002: 137.
  7. Wancanta J: Angehörige psychisch Kranker: Belastungen, Bedürfnisse und Bedarf . Neuropsychiatrie 2005;19(4): 131-133.
  8. Unger A, Krautgartner M, Freidl M, et al.: Der Bedarf der Angehörigen Schizophrenie-Kranker. Neuropsychiatrie,2005; 19(4):141-147.
  9. Hahlweg K, Baucom DH: Partnerschaft und psychische Störung. Göttingen: Hogrefe- Verlag 2008: 63-64.
  10. Mangurno- Mire G, Sautter F. Lyons J, et al.: Psychological distress and burden among female partners of combat veterans with PTSD. The journal of nervous and mental disease 2007; 195: 144-151.
  11. Lenz A: Kinder psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe-Verlag 2014: 5.
  12. Mattejat F: Kinder psychisch kranker Eltern – Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Entwicklung in den verschiedenen Altersstufen. Vortragsmanuskript. Kinderschutzbund Marburg und Arbeitskreis „Kinder psychisch kranker Eltern“, Marburg 2007, abgerufen unter:https://www.uni-Marburg.de/ivv/downloads/praesentationen/kinder_kranker_eltern_07.
  13. Rowe SL, Keeling M, Wessely S, et al.: Perception of the impact a military career has on children. Occupational medicine 2014(64): 490-496 Doi:10,1093/occmed/kqu096.
  14. Statistisches Bundesamt (Destatis).
  15. Abgerufen letztmalig am 30.3.2015 unter: http://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/HaushalteFamilien.html.
  16. Fischer Ch: Militärseelsorge. In Zimmermann P, Eisenlohr V (Hrsg.). Psychosoziale Belastungen- eine Orientierungshilfe für Mitglieder des Psychosozialen Netzwerkes der Bundeswehr. Berlin, 2015:17-19.

1 Die Broschüre ist im Intranet der Bundeswehr unter Vorschriften Online/Allgemeine Dienstvorschriften/Druckschriften Einsatz/Nr. 222
(http://dv-online/bundeswehr.org) oder über die Dienstvorschriften-Stellen zu beziehen. Sie kann auch unter https://www.angriff-aufdie-seele.de/ptbs/images/stories/bw/downloads/Wenn_der_Einsatz_noch_nachwirkt.pdf heruntergeladen werden.

2 Das Buch kann über die evangelische Militärseelsorge an den Standorten oder beim Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr, Jebenstraße 3, 10623 Berlin (Ansprechpartner: Militärdekan Christian Fischer) angefordert werden.

Datum: 26.01.2016

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/1

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