Sanitätsdienst der Bundeswehr verliert Eigenständigkeit

Berlin – Der Sanitätsdienst wird künftig kein eigener Organisationsbereich der Bundeswehr mehr sein. Das erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung seiner Pläne zur Strukturreform der Streitkräfte.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD, rechts) und Carsten Breuer,...
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD, rechts) und Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr
Quelle: picture alliance, Michael Kappeler

Die Medienberichte der vergangenen Woche wurden damit bestätigt. Trotz massiver Kritik ärztlicher Berufs­organisationen hält Pistorius daran fest, den Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSanDstBw) als mili­tärischen Organisationsbereich aufzulösen und mit anderen Bereichen zusammenzulegen.

Demnach soll der Sanitätsdienst in einem neuen Unterstützungsbereich aufgehen, zu dem auch der Bereich Logistik und ABC-Abwehr gehören werden, die bisher dem ebenfalls aufzulösenden Organisationsbereich Streitkräfte­basis angehören.

Auch das Feldjägerwesen, die zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC) und weitere zentrale militärische Dienststellen wie das Planungsamt der Bundeswehr sollen dem neuen Unterstützungsbereich angehören.

Für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr werde es einen Gesamtverantwortlichen geben. Dadurch solle nicht nur das hohe fachliche Niveau der sanitätsdienstlichen Versorgung weiterhin gewährleistet werden, sondern auch die wichtige enge Verzahnung mit dem zivilen Gesundheitssystem.

Die Neuaufstellung solle der besonderen Herausforderung Rechnung tragen, knappe Schlüsselfähigkeiten und Ressourcen effektiv zu verteilen. Die gebündelten Fähigkeiten sollen so flexibel in allen Einsatzoptionen aller Teilstreitkräfte eingesetzt werden können und nach den Maßgaben des Operativen Führungskommandos bereitgestellt werden.

„Das ist nicht nur dem geschuldet, dass diese Fähigkeiten knappe Ressourcen sind, sondern auch, dass wir sie weiterentwickeln müssen“, erklärte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer. Es müsse dabei auch darum gehen, „dass wir Krieg weiter denken als das, was wir im Moment machen.“

Jenes Operative Führungskommando ist der zentrale Teil der Reform: Es soll durch die Zusammenlegung des Territorialen Führungskommandos – bisher zuständig für Landesverteidigung und Katastrophenschutz – sowie des Einsatzführungskommandos – bisher zuständig für die Auslandseinsätze der Bundeswehr – aufgestellt werden.

Das werde künftig eine „Führung aus einer Hand“ ermöglichen, erklärte Pistorius. Durch die zentrale Struktur könnten künftig alle Entscheidungen zusammengeführt und Absprachen zu nationalen wie internationalen Einsätzen gebündelt werden.

Zudem soll zu den drei klassischen Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine eine neue hinzukommen: Der bisherige Organisationsbereich „Cyber- und Informationsraum“ soll zu einer eigenen Teilstreitkraft aufgewer­tet werden, die nicht nur für Cybersicherheit zuständig ist, sondern auch Aufklärungsaufgaben übernimmt.

Wie genau die neue Struktur des Sanitätsdienstes und der Bundeswehr im Allgemeinen aussehen wird, ist laut Pistorius noch offen.

„Für die Anpassungen habe ich den Streitkräften ein halbes Jahr Zeit gegeben“, er­klärte er.

In den kommenden Monaten sei eine Feinausplanung entlang der Leitprinzipien Aufwuchsfähigkeit, Skalier­bar­keit, Dynamikrobustheit, Digitalisierung in Zukunftstechnologie und Operationsführung sowie Innovations­überlegenheit und Kriegsversorgung erforderlich.

Pistorius versicherte, dass die Reform nicht darauf angelegt sei, Dienstposten einzusparen oder zu verlagern, sondern Strukturen zu verbessern.

„Es ist eine richtungsweisende Reform, eine die Struktur der Bundeswehr verändernde Reform“, sagte er. Zurzeit gebe es „zu viele Verantwortungsverschiebungen, die dafür sorgen, dass niemand Verantwortung übernimmt“. 

Die Veränderungsbereitschaft in der Gruppe sei jedoch sehr hoch.

Insbesondere der Umbau des Sanitätsdienstes war in den vergangenen Wochen auf scharfe Kritik vonseiten der Ärzteschaft gestoßen. So hatten sich eine ungewöhnlich breite Allianz aus Bundesärztekammer (BÄK), Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenärzt­liche Bundesvereinigung (KBV), Kassenzahnärztliche Bundesver­eini­gung (KZBV), Deutsche Kranken­hausgesellschaft (DKG) und der Marburger Bund (MB) mit einem gemein­sa­men Schreiben an Pistorius gewandt, um ihn von der geplanten Umstrukturierung abzubringen.

Die ärztlichen Organisationen eine die „große Sorge“, dass in der Vergangenheit erfolgreiche, schlagkräftige und effiziente Aufbau- und Führungsstrukturen zerschlagen wür­den. 

 „Die bisherige Eigenständigkeit und Fachlichkeit des Sanitätsdienstes sehen wir durch die uns bekannt ge­wordenen Überlegungen zur Neustruk­tu­rierung der Bundeswehr nicht nur gefährdet, sondern im Prinzip zer­stört“, hieß es in dem Schreiben.

Daraufhin hatten sich auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften des gesamten Gebietes Chirurgie sowie die Präsidenten mehrerer Landesärztekammern der Kritik angeschlossen. Statt einer Zerschlagung sollte der Dienst gestärkt und mit Material aufgerüstet sowie umfassend digitalisiert werden, forderten sie.

Auf Kritik an seiner Reform wollte Pistorius heute nicht inhaltlich eingehen, da diese Punkte bereits intern diskutiert worden seien. Er betonte, er und die Bundeswehrführung hätten sich mit allen Einwänden ausein­andergesetzt und sie abgewogen.

„Mir ist klar, dass es Kritik gegeben hat in diesem Prozess und dass es weiter Kritik geben wird“, erklärte Pistorius. „Das liegt in der Natur der Sache, sonst wäre es keine Reform.“ 

© lau/aerzteblatt.de


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