NOTFALLMEDIZINISCHE AUSBILDUNG AN DER SANITÄTSAKADEMIE DER BUNDESWEHR HEUTE UND MORGEN
Als Alma Mater und Mutterhaus des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bildet die Sanitätsakademie der Bundeswehr im akademischen Bereich seit jeher vor allem in der Notfallmedizin aus – einerseits für die Aufgaben im erweiterten Spektrum, andererseits natürlich aber auch für die Heimat.
Medizinische Notfälle kommen überall vor – es gilt gerüstet zu sein, im ärztlichen sowie im nichtärztlichen Bereich und das möglichst professionell. Basis dafür ist eine fundierte Ausbildung. Dieser Artikel möchte einen Überblick über die heutige Situation geben, aber auch einen Ausblick in die Zukunft wagen.
Situation heute
Das Lehrgangs- bzw. Trainingsangebot umfasst im approbierten Bereich folgende Lehrgänge:
- Notfallmedizin für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Veterinäre
- Kompetenzerhalt Notfallmedizin („Refresher“)
Als Teamtrainings (Arzt/ medizinisches Assistenzpersonal) sind folgende Lehrgänge ausgelegt:
- TaktischeVerwundetenVersorgung (TVV)
Zertifizierte Trainings:
- PHTLS (Prehospital Trauma Life Support)
- ACLS (Advanced Cardiac Life Support)
Für die Ausbildung im nicht-ärztlichen Bereich zeichnen sich (noch) die Fachschulen Rettungsdienst verantwortlich, deren Portefeuille in folgenden Trainings besteht:
- Einsatzsanitäter
- Fortbildung Rettungsassistenten
- Einsatzersthelfer B (EH-B)
- Modul „Erweiterte Sanitätsausbildung“ im Lehrgang Military Expert on Mission (MEoM)
- Kompetenzerhalt EH-B
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über Form, Inhalte und Durchführung der einzelnen Trainings gegeben:
Notfallmedizin für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Veterinäre
Dieses Training entspricht dem Modul B der postuniversitären modularen Ausbildung (PUMA) der Sanitätsoffiziere und findet im Wesentlichen im 1. Klinischen Weiterbildungsabschnitt statt. Während für Zahnärzte, Apotheker und Veterinäre eine solche Ausbildung von ziviler Seite nicht konzeptionell festgelegt ist, hat man im humanmedizinischen Bereich exakten Vorgaben der Bundes- und der Bayerischen Landesärztekammer zu befolgen.
Im Einzelnen gestaltet sich dies wie folgt:
3-wöchiges Training, dabei die ersten zwei Wochen streng nach Maßgabe des Curriculums der Bundes- und Bayerischen Landesärztekammer in 80 Stunden, um einen Baustein auf dem Weg zur Zusatzbezeichnung Notfallmedizin zu erlangen. Das Training und dessen Durchführung ist von der Bayerischen Landesärztekammer zertifiziert und wird streng überwacht. Referenten kommen vorwiegend aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Für die Bereiche Pädiatrie, Gynäkologie, Rechtsmedizin u. a. tragen hochkompetente, externe Experten mit jahrelanger Erfahrung vor. Für die Kleingruppenausbildung, die vor allem die praktischen Anteile wie Anlage einer Thoraxdrainage, Koniotomie, intraossäre Punktion jeweils am Tierpräparat umfasst, steht ein internes Ausbilderteam, bestehend aus Fachärzten und Weiterbildungsassistenten für Anästhesie und Chirurgie sowie erfahrene Lehrrettungsassistenten, zugleich Ausbildungsfeldwebel, zur Verfügung. Die dritte Woche wird genutzt, um die für den zivilen Bereich erlernten Fähigkeiten auf den militärischen Bereich zu übertragen. So finden sich zum Beispiel Ausbildung im AGSHP und auf dem Standortübungsplatz mit Fallszenarios wieder. Wann immer möglich, werden Möglichkeiten zur Teamausbildung mit gleichzeitig stattfindenden nicht-ärztlichen Lehrgängen wie dem EH B genutzt.
Notfallmedizin für Zahnärzte
3-wöchiges Training mit notfallmedizinischen und zahnärztlichen Inhalten. Der Pilotlehrgang wurde nach Neukonzeption im September 2013 durchgeführt. Neu ist vor allem der gesteigerte Anteil der zahnärztlichen / mund-, kiefer-, gesichtschirurgisch Notfallversorgung, auch hier wird mit Modellen und an tierischen Präparaten geübt. Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel Versorgung von Kieferfrakturen. Der Anteil human – und zahnärztliches Notfallmanagement ist annähernd gleich.
Notfallmedizin für Apotheker und Veterinäre
1-wöchiges Training mit notfallmedizinischem Inhalt. Hier werden den Apothekern und den Tierärzten die Grundbegriffe der Notallmedizin beigebracht, z. B. die Laien- und Basisreanimation. Auch werden Handgriffe wie Maskenbeatmung oder Einlegen eines Güdel- oder Wendltubus (OPT/NPT) geübt. Auch einfache Fallbeispiele werden trainiert.
Im ärztlichen Bereich wird dieses Angebot ergänzt durch folgende Trainings:
Kompetenzerhalt Notfallmedizin („Refresher“)
1-wöchiges Training, das alle 3 Jahre zu absolvieren ist. Auch hier existiert keine grundsätzliche konzeptionelle Hinterlegung im zivilen Bereich. Es gilt hier vor allem, die Ansprüche von einerseits sehr erfahrenen Notärzten und andererseits eher Unerfahrenen unter einen Hut zu bringen. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass 2 Tage in dieser Woche von einem externen Unternehmen, der Firma AQAI (Angewandte Qualitätssicherung in Anästhesie und Intensivmedizin) durchgeführt werden. AQAI steht für Ausbildung in Kleingruppenkonzept, um anhand von Fallbeispielen, durchgeführt an Simulatoren (METIman = CAE) und aufgezeichnet durch Videokameras sofort ausgeprägtes Fehlermanagement im Sinne des Crew (Crisis) Ressource Management (CRM) zu betreiben.
Taktische Verwundetenversorgung
1-wöchiges Training, das zweigeteilt ist. In den ersten beiden Kurstagen werden den Kursteilnehmern anhand des zertifizierten PHTLS-Kurses (siehe unten) die Grundzüge der algorithmenbasierten traumatologischen Versorgung näher gebracht. In den folgenden Tagen üben die Lehrgangsteilnehmer die medizinische Erstversorgung in den 3 Phasen der Verwundetenversorgung. Im Rahmen einer Stationsausbildung werden erste Bausteine wie u. a. das Initial Assessment, Arten der Blutstillung, Transport von Verwundeten, effektiven Wärmeerhalt und Verwundetenübergabe trainiert, um dann am nächsten Tag unter taktischen Bedingungen bei hoher körperlicher und psychischer Belastung das Erlernte zu vertiefen.
PHTLS
2-tägiges Training. Hier wird algorithmenbasierte Versorgung von Traumapatienten geübt. PHTLS ist ein international zertifiziertes Format, die Sanitätsakademie ist außerhalb von PHTLS Deutschland die einzige Einrichtung, die diese Format durchführen und zertifizieren darf. Besonders wichtig ist dies im Rahmen der Multinationalität, da auch andere Staaten nach diesem Konzept ausbilden und somit in multinationaler Zusammenarbeit die „gleiche Sprache“ in der Traumaversorgung gesprochen wird, so z. B. bei Übergabe an Luftrettungsmittel oder im Schockraum.
ACLS
2-tägiges Training im Rahmen der Trainings Notfallmedizin für Ärzte. ACLS ist ein zertifiziertes Format der American Heart Association (AHA) und umfasst algorithmenbasiertes Reanimationstraining inklusive Behandlung von Schlaganfall und anderen internistischen Erkrankungen. Die Sanitätsakademie ist seit April 2014 International Training Center (ITC) der AHA und ist somit berechtigt, unter der Supervision der AHA eigenverantwortlich diese Kurse inklusive Instruktorausbildung durchzuführen. Dies gilt auch für den Bereich des Basic Life Supports (BLS).
Notfallmedizinische Ausbildung im nicht-ärztlichen Bereich
Ausbildung/Fortbildung medizinisches Assistenzpersonal:
Einsatzsanitäter
Dieses 17-wöchige Training kombiniert die Ausbildung zum Rettungssanitäter
(520 Std gem. Empfehlung Bund- Länderausschuss Rettungswesen von 2008)
mit den einsatzrelevanten Grundsätzen der taktischen Verwundetenversorgung.
Das Training ist grundsätzlich für Fachdienstunteroffiziere des Sanitätsdienstes vorgesehen und beinhaltet externe Praktika an Kliniken und Lehrrettungswachen.
Fortbildung Rettungsassistenten
Dieses einwöchige Training ergänzt den im zivilen geforderten Fortbildungsumfang von 30 Std/Jahr um einsatzrelevante Aspekte.
Schwerpunkt des kalenderjährlich zu absolvierenden Trainings ist der Kompetenzerhalt in den erweiterten Maßnahmen im Rahmen der Garantenstellung (z. B. erweitertes Airwaymanagement, Medikamenten- und Volumengabe).
Ausbildung und Kompetenzerhalt für Nicht-Sanitätspersonal:
Einsatzersthelfer B (EH-B)
Aufbauend auf das Training Einsatzersthelfer A wird ausgewähltes Nicht-Sanitätspersonal in 80 Stunden zum Einsatzersthelfer B weiterqualifiziert.
Ziel der Ausbildung ist das Erlernen erweiterter lebensrettender Maßnahmen zur Überbrückung des Zeitraums bis zur Übernahme durch Sanitätskräfte unter taktischen Bedingungen.
Nach dem Grundsatz „treat first what kills first“ liegt der Fokus der Ausbildung auf:
- Blutstillung incl. Packing
- erweitertes Airwaymanagement (NPT/OPT)
- Nadeldekompression Spannungspneumothorax
- Volumengabe intravenös/intraossär
Eine Sonderform des Trainings Einsatzersthelfer B stellt das Modul „Erweiterte Sanitätsausbildung“ im Lehrgang „Military Expert on Mission“ (MEoM) dar. Das Modul wird durch Personal der Fachschulen Rettungsdienst, unterstützt durch den SanLehrOffz VNAusbZ, am VNAusbZ in Hammelburg durchgeführt.
Hier werden im ersten Abschnitt zukünftige MEoMs zum EH-B ausgebildet. In 18 ergänzenden Unterrichtseinheiten wird dann auf die Besonderheiten MEoM eingegangen (z. B. unbewaffneter Einsatz, Versorgung Zivilbevölkerung, Unfälle, Geburtshilfe, internistische Notfälle).
Kompetenzerhalt EH-B
Dieses zweitägige Training ist von EH-B verpflichtend kalenderjährlich zu absolvieren. Es dient dem Update, der Inübunghaltung und der Re-Zertifizierung der invasiven Maßnahmen zum Erhalt des Status „combat ready“ als EH-B.
Verstreichen zwischen zwei Trainings mehr als 24 Monate wird die ATB EH-B aberkannt.
Ausblick auf Morgen
Die neue Konzeption der Bundeswehr (KdB) vom 1. Juli 2013 formuliert den Beitrag des Sanitätsdienstes der Bundeswehr als das „Produkt aller Fähigkeiten und Kapazitäten zum Schutz, Erhalt, zur Förderung und Wiederherstellung der körperlichen und geistig-psychischen Gesundheit, des sozialen Wohlempfindens und der Einsatzfähigkeit der Soldaten und Soldatinnen nach dem jeweils aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik“.
Auch die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer 2014 wird Neuheiten wie Simulatoren, Sill Labs etc. aufgreifen.
Somit gilt es im Zuge der Reorganisation der Ausbildung im ZSanDstBw, die Fähigkeitslücke im Bereich der simulationsgestützten Ausbildung zu schließen bzw. die bereits vorhandenen Fähigkeiten konsequent zu erweitern. Dies dient der Erlangung von Handlungssicherheit für die Patientenversorgung im Einsatz und daheim und soll die Kriterien der Qualitätssicherung mittels qualitativ gleichbleibender Reproduzierbarkeit, z. B. mittels Videoanalyse, erfüllen.
Grundsätzlich ist ein Ausbau folgender Bausteine anzustreben:
Zertifizierte Ausbildungen, Teamtrainings, Simulation
Zertifizierte Ausbildungen haben den Vorteil, dass man mit Ihnen international die gleiche Sprache im Bereich der Patientenversorgung spricht. Neben der vermittelten Sicherheit durch die algorithmenbasierten Ausbildung bieten sie damit eine hohe Attraktivität für den Anwender.
Als ein mögliches weiteres Training ist hier zunächst der Advanced Medical Life Support (AMLS) zu nennen. Angelehnt an das traumatologische Pendent PHTLS wird bei AMLS der Schwerpunkt auf internistische Notfälle gelegt. Grundsätzlich ist AMLS genauso algorithmenbasiert und vermittelt dem Trainingsteilnehmer wertvolle Hinweise zur strukturierten Versorgung von Patienten mit internistischen Erkrankungen.
Weiter wäre der Pediatric Advanced Life Support (PALS) der AHA zu nennen, da sich algorithmenbasierte Versorgung auch vorzüglich auf kleine und kleinste Patienten anwenden lässt und sich so die Angst der Retter vor dem pädiatrischen Notfall deutlich reduzieren lässt – wie sie z. B. im Rahmen von Einsätzen der humanitären Hilfe auftreten können.
Durch das internationale Format dieser zertifizierten Ausbildungen wäre eine Internationalisierung des Ausbildungsbetriebs an der SanAkBw mit Integration ausländischer Lehrgangsteilnehmer möglich.
Als nicht mehr wegzudenkender Baustein in der notfallmedizinischen Ausbildung haben sich die Teamtrainings erwiesen. Von Lehrgangsteilnehmern werden diese immer wieder im Rahmen der Evaluation besonders gelobt und für besonders wichtig erachtet. Deshalb nehmen diese bei der Neukonzeption der Ausbilddungs- und Simulationszentren einen hohen Stellenwert ein.
Simulation ist aus der notfallmedizinischen Ausbildung ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Spätestens seit der Gedanke des Crew Ressource Management (CRM) Eingang in die Ausbildung gefunden hat, ist Simulation ein Muss in der Ausbildung. Man denke nur an die Pilotenausbildung, ob zivil oder militärisch. Auch in der Medizin wird inzwischen breit an Simulatoren ausgebildet. Hier werden Situationen wie z. B. akute Notfälle möglichst realistisch mit Hilfe von „Puppen“ in nachgebildeter Umgebung dargestellt. Dies bedeutet allerdings hohe Anfangsinvestitionen. Nicht nur die Simulatoren an sich müssen beschafft werden, auch feste Räume mit eigenen Regieräumen und fest installierte Aufzeichnungsmöglichkeiten (Video) zur verzugslosen Nachbesprechung sind vorzusehen. Daneben muss ausreichend Personal zur Verfügung stehen und in der komplizierten Materie bestens eingewiesen sein.
Insgesamt ist festzustellen, dass Individual-Ausbildung qualitativ hochwertig selbst bei optimaler Infrastruktur und bei optimalem Material nur im Kleingruppenkonzept darzustellen ist. Dies ist sehr personalintensiv und bedarf tragfähiger Personalkonzepte, die belastbar und durchhaltefähig sind. Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr und die Sanitätsakademie im Besonderen werden momentan hierzu Konzepte erstellt.
Nach derzeitigem Sachstand wird nach Auflösung der externen FSRettDst und der damit einhergehenden Aufstellung der regionalen Ausbildungs- und Simulationszentren der Großteil an notfallmedizinischer Ausbildung im nicht-ärztlichen Bereich an die Regionalen Ausbildungs- und Simulationszentren (RegAusbSimZ) verlagert werden.
Ausnahme hiervon bilden die Trainings Einsatzsanitäter und Einsatzrettungsassistent. Deren Erstausbildung verbleibt an der SanAkBw in München, die Inübunghaltung wird durch die RegAusbSimZ sichergestellt.
Schluss
Exzellente Ausbildung ist einer der Grundpfeiler, um etwas professionell ausführen zu können, auch und besonders in der Notfallmedizin. Im vorgelegten Artikel wird die heutige Situation an der SanAkBw dargelegt. Darüber hinaus wird ein Ausblick gegeben, welche Schwerpunkte künftig zu setzen sind. Fakt ist, exzellente Ausbildung braucht gewisse Voraussetzungen und das bedeutet Investition – Investition in Mensch, Material und Infrastruktur. Diese Investitionen werden gut angelegt sein, um weiterhin der Maxime des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gerecht werden zu können.
Datum: 02.07.2014
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/2