18.07.2014 •

    NATO SCIENCE & TECHNOLOGY ORGANIZATION – HUMAN FACTORS AND MEDICINE

    Karl Jochen Glitz



    WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 6/2014, S. 213-215)

    Im Folgenden wird über drei herausragende wissenschaftliche Veranstaltungen der NATO Science & Technology Organization (STO) berichtet, die aus einem internationalen Expertennetzwerk auch wichtige Informationen für die fachliche Weiterentwicklung im Sanitätsdienst zur Verfügung stellen.

    Ein umfassender Überblick über alle Veranstaltungen und Publikationen der STO findet sich unter www.cso.nato.int.

    HFM-243 Workshop „Regenerative Medizin“, 19. – 21. Mai 2014, Berlin
    Fast 50 Experten aus Klinik und Forschung aus 15 Nationen  kamen in der Zeit vom 19. – 21. Mai in der Julius-Leber-Kaserne zusammen, um die Grundlagen für die zukünftige internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der „Regenerativen Medizin“ zu schaffen. Oberstarzt Professor Dr. Willy, der mit Unterstützung seines Teams aus der Abteilung Unfallchirurgie/Orthopädie/septische und dekonstruktive Chirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin dieses Expertentreffen in hervorragender Weise organisiert hatte, hatte in seiner Eigenschaft als Chairman des Workshops HFM-243 der NATO Science and Technology Organization (STO) eingeladen. In enger Abstimmung mit dem Co-Chairman Colonel Scherer, dem Forschungsleiter auf dem Gebiet der Regenerativen Medizin beim US Army Medical Research and Material Command in Fort Detrick, USA, hatte er ein höchst anspruchsvolles wissenschaftliches Programm erarbeitet, welches ausreichend Platz für Diskussion und Entwicklung von Zukunftsvisionen bot.

    Welch‘ hohes Interesse die zivilen Wissenschaftler einer Zusammenarbeit mit dem militärischen Bereich entgegenbringen, lässt sich u.a. an der Mitwirkung der European Society of Tissue Regeneration in Orthopedics and Traumatology (ESTROT) ablesen, die mit ihrem Präsidenten (Prof. Calori, ITA), Vizepräsidenten (Prof. Schmidmaier, DEU) und Schatzmeister (Prof. Bégué, FRA) vertreten war. Die Bedeutung der „Regenerativen Medizin“ für die Weiterentwicklung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr unterstrich der Direktor „Wissenschaft“ der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Generalarzt Dr. Weller, bei seiner Begrüßung. Er ließ es sich auch nicht nehmen, an einem großen Teil des Wirkshops teilzunehmen.
    Schwerpunkte der Veranstaltung bildeten die wehrmedizinisch besonders bedeutenden Bereiche des Wiederaufbaus (Regeneration) von schweren, teilweise auch infizierten  Knochen- und Muskeldefekten, zentralen und peripheren Nervenschädigungen,  Weichteilverletzungen, Hautschädigungen (v.a. Verbrennungen) und Wundinfektionen. Dabei reichte das Spektrum der vorgestellten Verfahren und Techniken von den verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes von Stammzellen über die Anwendung von Biomodulatoren, den Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln, 3-D-Bioprinting von Körpergewebe bis zum Einsatz von Bakteriophagen zur Behandlung von schweren Wundinfektionen. Breiten Raum nahm die Diskussion der Frage ein, wie man zukünftig den Eingang neuer Technologien in die Therapie beschleunigen kann, und wie die „Verständigung“ zwischen Laborforschung, Klinik und Herstellung (Industrie) verbessert werden kann und muss.
    Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass der in Berlin begonnene Dialog und die hier bereits etablierten Netzwerkbeziehungen fortgesetzt und in eine konkrete europäische wie auch transatlantische Zusammenarbeit umgesetzt werden müssen. Konkret wurde die Einrichtung einer NATO STO-Research-Task-Group empfohlen, in der Kliniker, Forscher und Hersteller gemeinsam den optimalen Weg zur Entwicklung und Einführung von Technologie aus der „Regenerativen Medizin“ in die Behandlung von Verwundeten finden und aufzeigen. Auf einem für Herbst 2016 in Brüssel (BEL) geplanten Symposium mit dem Thema „Optimizing Treatment of Severe Injuries by Use of Regenerative Medicine Technologies“ soll der aktuelle Forschungsstand einem breiten internationalen Expertenkreis vorgestellt werden.

    Ein Bericht über den Workshop steht in Kürze auf der Webseite der STO (www.cso.nato.int) zur Verfügung. Für 2015 ist ein WMM- Schwerpunktheft „Regenerative Medizin“ geplant.

    Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees
    E-Mail: wmm@p-mees.de

    HFM-249 Symposium „Emerging Technological Advances in Tactical Casualty Care“ - Call for Papers, 20. – 22. April 2015, Warschau (POL)
    Vor kurzem wurde der Call for Papers für das Symposium HFM-249 veröffentlicht.  Er wird im Folgenden auszugsweise wiedergegeben (der vollständige Text kann unter www.cso.nato.int -> Upcoming Events -> Calls for papers heruntergeladen werden). Das Symposium bietet damit nicht nur die Möglichkeit des Informationsgewinns, sondern auch die Chance zur Präsentation eigener wissenschaftlicher Ergebnisse vor einem breiten internationalen Expertenkreis.

    Call for Papers
    The HFM 249 Symposium will bring together international experts in the development and fielding of advanced medical technologies, with emphasis on improving care at the point of injury and during medical evacuation. The goal is to develop a greater understanding of soon-to-be fielded technologies, and to determine how they can best be applied within the multinational NATO environment.
    The main themes of this symposium to be considered will include:

    • Discussions of NATO medical shortfalls which might be remedied by the use of advanced medical technologies.
    • A review of current and new developments in advanced medical technologies which may in the short term be applicable to NATO multinational medical operations.
    • Advances in medical technologies which may not be beyond the early research stages but which might in the future have applicability to NATO multinational medical operations.
    • A review of advanced non-medical technologies which may be applicable to such operations.
    • Limitations and shortfalls of such technologies.

    The symposium will address the full scope of potential advanced medical technologies and approaches and assess the current state-of-the art, including the following topic areas:

    • New point-of-injury care devices, drugs, diagnostics and techniques,
    • Acute care devices, drugs and techniques for preventing death from combat wounds,
    • Use of Virtual Reality for training, patient diagnosis and treatment,
    • Closed loop and open loop patient management systems,
    • Patient evacuation, with and without manned vehicles,
    • Vital Signs Monitoring,
    • Automatic patient recovery,
    • Triage tools and techniques,
    • Medical Information Systems (patient tracking, patient regulating, and medical situational awareness),
    • Epidemiologic and outcomes research studies to guide future R&D investment.

    Examples of technology enablers within the scope of this symposium also include hemorrhage control, resuscitation technology, pain management, telemedicine, modular intensive care units, technology for detection, diagnosis and early treatment of concussion as well as portable imaging systems (e.g. radiography, ultrasound etc.).
    Abstracts of papers to be presented should be sent to the ­Programme Committee Chair, Dr. David BEAR at david.g.baer.civ@mail.mil, and to the CSO/HFM Panel Office (danielle.pelat@cso.nato.int and marie.linet@cso.nato.int) not later than 19 September 2014.
    For more details and instructions please visit the STO/CSO website www.cso.nato.int and look under Upcoming Events-> Calls for Papers.

    Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees
    E-Mail: wmm@p-mees.de

    TR-HFM-187 „Management of Heat and Cold Stress – ­Guidance to NATO Medical Personnel“
    Durch die Auslandseinsätze außerhalb der vertrauten mitteleuropäischen Breiten gewinnt der Umweltfaktor Klima an Bedeutung. In Verbindung mit hohen körperlichen Leistungsabforderungen in der Hitze oder langen Immobilitätsphasen in der Kälte gefährdet die Klimawirkung die Gesundheit und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit. Der Anstieg der stationären Aufnahmen von Soldaten der U.S. Army mit Hitzschlägen um fast das Achtfache in den letzten 22 Jahren oder die hohe Inzidenz von Kälteerkrankungen der Hände und Füße (non-freezing cold injuries) in den britischen Streitkräften demonstrieren bespielhaft die Bedrohung durch extreme Klimaexpositionen. Diese Problematik vergrößert sich noch durch die schnelle Luftverlegung von militärischem Personal, da eine allmähliche Akklimatisation während einer längeren Anreise entfällt. Eine Erfahrung, die auch der jüngste Einsatz der Bundeswehr in der Hitze von Mali bestätigt.
    Die ernüchternde Bestandsaufnahme der NATO ergibt, dass in den Streitkräften kein ausreichendes präventivmedizinisches Management von extremen Klimaexpositionen umgesetzt wird. Erschwerend kommt der fortschreitende Abbau der entsprechenden wissenschaftlichen Expertise im militärischen und auch im zivilen Bereich hinzu.
    Aus diesem Grunde etablierte das Human Factors and Medicine (HFM) Panel der NATO Science and Technology Organisation (STO) 2009 die Research Task Group 187. An dem Projekt beteiligten sich neun Nationen (Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Slowenien, Niederlande, USA). Den Vorsitz führten die USA durch den international renommierten Physiologen Dr. Michael N. Sawka (seinerzeit Leiter der Abteilung “Thermal & Mountain Medicine”, U.S. Army Research Institute of Environmental Medicine, Natick, Ma, USA). Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde durch die Laborabteilung IV –Medizinische Wehrergonomie und Leistungsphysiologie– des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz vertreten.
    Der Name der Arbeitsgruppe, „Management of Thermal Strain“, verdeutlicht das Ziel, die klimaphysiologische Prävention als einen ganzheitlichen Managementprozess für die militärische Anwendung zu strukturieren. Dazu wurden zunächst die entsprechenden Inhalte nationaler Dokumente gesichtet und über ihre Einbindung in evidenz-basierte Empfehlungen zur Risikominimierung entschieden.
    In den anschließenden Beratungsprozess wurde auch ein wissenschaftliches Symposium (“Clothing in the cold“) eingebunden. Dieses fand anlässlich des Arbeitstreffens der Research Task Group beim TNO (Netherlands Organisation for Applied Scientific Research, Soesterberg, NL) statt. Die Teammitglieder hatten Gelegenheit, sich mit weiteren, eingeladenen Wissenschaftler aus Großbritannien, Frankreich und Norwegen über aktuelle präventivmedizinische Entwicklungen ihrer Arbeitsgebiete auszutauschen.
    Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 sind in einem Technical Report im Dezember 2013 veröffentlicht worden. Dieses Grundlagendokument bindet die Einsatzerfahrungen der beteiligten Nationen ein und enthält detaillierte Informationen für medizinisches Personal und militärische Führer über das präventive Verhalten bei Hitze- und Kälteexpositionen. Dabei wird zu einem umfassenden Management aufgefordert, das durch die Analyse und die gezielte Beeinflussung der multifaktoriellen Klimawirkung eine Risikominimierung erreicht.
    Zusätzlich verfügt der Abschlussbericht über je einen Anhang, der die Inhalte für die Hitze und die Kälte prägnant zusammenfasst. Diese beiden Teile sind zur Erstellung von Informationsmaterial (Broschüren, Taschenkarten, Poster, Filmspots, „Apps“ etc.) für die Truppe bestimmt. Dadurch soll die notwendige Wirkungskette von der Erarbeitung durch eine wissenschaftliche Expertengruppe bis zur Information der klimaexponierten Einsatzsoldaten geschlossen werden.

    Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 bieten die Möglichkeit, bei Einsätzen die Auswirkungen extremer Klimaexpositionen auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit deutscher Soldaten durch ein präventivmedizinisch orientiertes Management zu begrenzen. Zur wissenschaftlichen Fortschreibung der Grundlagen ist jedoch die Stärkung der bundeswehreigenen umweltergonomischen Expertise notwendig. Dazu kann die Koblenzer Ressortforschungseinrichtung, Laborabteilung IV –Medizinische Wehrergonomie und Leistungsphysiologie–, die „Keimzelle“ bilden. Aufbauend auf hiesige Erfahrungen wurden bereits in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität zu Köln die aktuellen Leitlinien über die Arbeit unter klimatischer Belastung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin entwickelt.

    Der vollständige Report mit zahlreichen Tabellen kann von der NATO-STO-Webseite unter
    http://www.cso.nato.int/Pubs/rdp.asp?RDP=RTO-TR-HFM-187 heruntergeladen werden.

     

    Datum: 18.07.2014

    Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/6

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