Einweisung in die Lage.
38 Teilnehmende waren erschienen, die in drei Gruppen aufgeteilt und jeweils von einem dienstälteren Teilnehmenden geführt wurden. Ähnlich hoch war auch der Ausbilderansatz. Die Veranstaltung begann Donnerstag mit der Anreise, Gruppenfindung und Vorbereitung der Ausrüstung. Die Unterbringung erfolgte gruppenweise in T2-Zelten, um eine einsatznahe Situation abzubilden. Donnerstagabend wurde durch Frau Hauptfeldwebel Schröder eine intensive Ausbildung zum Thema Taktik von Sanitätspersonal in einem Verzögerungsgefecht gehalten. Zuerst erfolgte eine theoretische Präsentation mit Gegenüberstellungen einer LV/BV-Situation zu den aktuellen Einsätzen. Hierbei wurden auch grundlegende Elemente für das Verständnis dargelegt. Im Anschluss wurde das theoretische Wissen auf einen zehn Meter langen und vier Meter breiten Sandkasten übertragen.
Sanitätsdienstliche Versorgung bei einem Verwundeten
Nach einer allgemeinen Einführung in dieses Ausbildungsmedium wurde ein Verzögerungsgefecht schrittweise vorgeführt und für die Teilnehmenden greifbar mit Modellfiguren dargestellt. Die Soldatinnen und Soldaten durften hierbei selbst jeweils die Kontrolle über verschiedene Modelle übernehmen, um eine bessere Einbeziehung zu erzielen. Das schrittweise Voranschreiten des Gefechtes wurde durch eingespielte Funksprüche und Videos für alle Teilnehmenden greifbar gemacht. Gerade diese Ausbildung habe ich als besonders lehrreich empfunden. Es entwickelten sich hierbei offene Gespräche und Diskussionen, welches Verhalten die Truppen nun an den Tag legen sollten, um eine bestmögliche Versorgung der Verwundeten zu gewährleisten. Schnell wurde allen Beteiligten klar, dass es sich hierbei um eine sehr große Herausforderung handelt, welche auch Spielraum für mehrere geeignete Lösungsansätze lässt. Zusätzlich ist allen Teilnehmern auch der Unterschied zwischen sanitätsdienstlichem Denken in Stabilisierungsmissionen und einer LV/BV-Situation deutlich geworden.
Weiterversorgung in einer Rettungsstation.
Auch die Anwesenheit von diversen Fachreferenten, z. B. aus der Offizierschule des Heeres oder aus dem Heeressanitätsdienst ermöglichte fruchtbare Diskussionen und zeigte, dass bei diesem Themenblock für die Bundeswehr noch viele offene Fragen bestehen. Am Freitagvormittag durchliefen die Teilnehmenden vier Praxisstationen. An der ersten Station wurden sie in die Rettungsstation (Role 1) und den GTK Boxer San eingewiesen. An der zweiten Station wurde ihnen eine Rettungsschlinge als mögliches Transportmittel vorgestellt und sie konnten diese bei verschiedenen Hindernissen auf ihre Einsatztauglichkeit testen. Bei der nächsten Station wurde eine kurze Einweisung in das Betreiben eines Casuality Collection Points (CCPs) und das Triagesystem TacSTART gegeben. Diese Fähigkeiten wurden dann in kurzen Lagen gefordert. Die letzte Station war die Rettung von Verwundeten über Luke aus einem im Minenfeld verunglückten Fahrzeug. Der Freitagnachmittag wurde mit weiteren Vorträgen gefüllt, z. B. über das Karfreitagsgefecht, Umgang mit Stress und über das humanitäre Völkerrecht. Besonders bei rechtlichen Fragen herrschte sowohl großes Interesse als auch einige Wissenslücken. Im Anschluss wurde abends direkt in die Lage eingewiesen und in diese auch übergegangen. Die Rettungsstation wurde die Nacht über schichtweise von den Gruppen betrieben und somit mussten schon erste Lagen in dieser bewältigt werden. Dies war eine gute Möglichkeit, um Probleme in den medizinischen Abläufen oder bei der Koordination der RS zu finden und abzustellen. Die Nachbesprechung der Lagen durch die Ausbildenden war überaus hilfreich und stellte einen großen Gewinn für alle Teilnehmenden dar.
Verwundetentransport durch GTK Boxer.
Nach einer kurzen Nacht begann dann das Highlight der Ausbildung. Samstagmorgen verlegten die Gruppen in voller Ausrüstung zu einer von drei Stationen und durchliefen in den folgenden 11 Stunden die komplette Rettungskette von der Front bis zur Role 1 am eigenen Leib. Station Eins war ein Stellungssystem direkt an der Front. Hier wurde von der Gruppe ein Verwundetennest eingerichtet und in mehreren Lagen mussten verschiedene Verletzungsmuster meist in unsicheren Situationen versorgt und zeitnah die Rettungskette eingeleitet werden. An der zweiten Station wurde von den Teilnehmenden ein CCP betrieben, welcher das Bindeglied zwischen der Front und der Role 1 darstellte. Eingesetzt wurden zum Transport sowohl ein MedEvac (Boxer GTK), der den Verwundetentransport zur Role 1 sicherstellte, als auch ein CasEvac, der die Verwundeten von der Front dem CCP zuführte. Den Abschluss bildete dann der Betrieb der RS als dritte Station. Alle Stationen waren durchaus sehr fordernd und ermöglichten den Teilnehmenden in verschiedene Rollen zu schlüpfen. So wurden in der Position als Notfallsanitäter eine gute medizinische Versorgung erwartet, an anderer Stelle dann in der Funktion als Gruppenführer oder Leiter Rettungsstation eher die Führungsleistung. Trotz hoher Anforderungen wurden die Aufgaben durch die Teilnehmenden sehr gut erfüllt. Die Lagen wurden jederzeit durch Fachpersonal beobachtet und im Anschluss mit den Auszubildenden ausgewertet.
Durch die intensive Ausbildung konnten alle Teilnehmenden sehr viel für die eigene berufliche Entwicklung mitnehmen, besonders durch das direkte Erleben dieser Szenarien. Mit diesen Eindrücken und modellhaften Abläufen kann es später leichter fallen, taktische oder medizinische Aufträge in ähnlichen Situationen durchzuführen.
Persönlich bewerte ich diese Ausbildungsveranstaltung als großen Gewinn für alle Teilnehmenden. Die dargestellten Inhalte und Fähigkeiten wurden in meiner bisherigen dienstlichen Ausbildung zum Stabsarzt nicht abgebildet. Auch die Kooperation mit der USH bietet die gute Möglichkeit einer Annäherung des Sanitätsdienstes an die Truppe, welche für den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung zwingend notwendig ist.
Abbildungen bei Verfasser
Verfasser:
Stabsarzt Marvin Schulz
Klinik I /Innere Medizin
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Lesserstraße 180
22049 Hamburg
E-Mail: Marvin2Schulz@Bundeswehr.org
Datum: 10.02.2020
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2019