DER SANITÄTSOFFIZIERANWÄRTER IM JAHRE 2010
Was bewegt einen jungen Menschen in der heutigen Zeit dazu, sich für die Laufbahn als Sanitätsoffiziersanwärter zu entscheiden?
Sicherlich braucht es hierfür eine gewisse positive Grundeinstellung zum ganzen Themenkomplex Bundeswehr, Patriotismus, Auslandseinsätze. Viele SanOA haben zudem eine »familiäre Vorbelastung«, das heißt ein oder mehrere Familienmitglieder sind bereits Soldaten; bei mir war es mein Patenonkel. Ich möchte auch nicht verhehlen, dass der finanzielle Aspekt, die Unabhängigkeit von den Eltern und die fehlende Belastung durch Arbeiten neben dem Studium ein großer Attraktivitätsfaktor der SanOA-Laufbahn ist. Jedoch ist die Denkweise »da ist jemand, der mir trotz schlechtem numerus clausus einen Studienplatz gibt und mich dann auch noch dafür bezahlt« sicherlich keine gute Voraussetzung, um in diesem Beruf glücklich zu werden.
Ein weiterer Faktor in der Entscheidungsfindung war der Wehrdienstberater, der, auch wenn er nicht immer die volle Wahrheit erzählte, letztendlich auch dafür sorgte, dass ich den Beruf des SanOA wählte.
Wie ging es weiter?
Nach der Bewerbung und dem erfolgreichen Absolvieren der Tests an der Offizierbewerberprüfzentrale (OPZ) in Köln standen erst einmal die Abiturprüfungen an. Nachdem diese überstanden waren, ging es fast direkt im Anschluss in meine Grundausbildungseinheit, das Sanitätslehrregiment in Feldkirchen. Die AGA ist sicherlich das bisher prägendste Ereignis meiner Dienstzeit gewesen, zumal während des Studiums ja wenig Kontakt mit »grüner« Ausbildung besteht. Das Gefühl von Kameradschaft, welches sich in den 3 Monaten in Feldkirchen entwickelte, ist etwas ganz besonderes, das man, denke ich, in dieser Form wirklich nur in der Bundeswehr erfahren kann. Noch heute, obwohl an Studienorten über ganz Deutschland verteilt, gibt es guten Kontakt mit den Kameraden und die Wiedersehensfreude ist jedes Mal riesig.
Das Thema der militärischen Ausbildung vor Studienbeginn ist unter den SanOA ein immer wieder heiß diskutiertes Thema. Rückblickend und mit ein bisschen mehr Erfahrung kann man sicherlich die Meinung vertreten, dass drei Monate Vorausbildung vor dem Studium zu wenig sind, um alle Facetten der Ausbildung abzudecken. Der vierwöchige Offizierslehrgang an der Sanitätsakademie kann ebenfalls nur einen Einblick geben. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die alte, fünfzehnmonatige Vorausbildung geeigneter und würde auch ein Stück mehr zum Selbstbild des Sanitätsoffiziers beitragen. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass mich und viele andere eine so lange Wartezeit bis zum Studium unter Umständen abgeschreckt hätte; dies sollte man bei der bereits vorhandenen Attraktivitätsproblematik und großen zivilen Konkurrenz immer berücksichtigen.
Im Studium
Die Wahl des Studienortes Hannover enthüllte sich für mich in jeder Hinsicht als Glücksgriff. Auch wenn man über Vorteile und Neuerungen des Modellstudiengangs geteilter Meinung sein kann, an der Medizinischen Hochschule wird einem eine gute Ausbildung zuteil.
Vorbildlich und für mich besonders erwähnenswert ist jedoch die Betreuungseinheit der SanOA am Standort, das Fachsanitätszentrum. Vorgesetzte und Mitarbeiter scheuen keine Mühen, um die SanOA während des Studiums weiterhin am militärischen Leben teilhaben zu lassen, immer über neueste Entwicklungen zu informieren und fachliche Fortbildungen anzubieten. Kameradschaft wird groß geschrieben und gefördert, zum Beispiel auch im Rahmen von Studienfahrten (siehe Wehrmedizin und Wehrpharmazie 03/2009). Ganz wichtig ist für mich, dass Ereignisse wie zum Beispiel der Tod von vier Kameraden von den Vorgesetzten aktiv aufgegriffen werden und wir als SanOA nicht über Vorkommnisse dieser Art im Dunkeln gelassen werden. Auf diese Weise fühlt man sich nicht so sehr vom »aktiven Dienst« ausgeschlossen und besser auf die Zeit nach dem Studium vorbereitet, auch wenn man mit dem Mehr an Informationen gegenüber der Zivilbevölkerung natürlich auch mehr Gedanken über die Sinnhaftigkeit und Gefahren der Auslandseinsätze macht.
Es ist mir durchaus bewusst, dass nicht an allen Standorten so viel Zeit für die SanOA aufgewendet wird, ich würde mir jedoch für die Zukunft wünschen, dass sich andere Betreuungseinheiten ein Beispiel nähmen.
Noch einige Worte zum Bild des SanOAs bei den Mitstudierenden: Natürlich gibt es einige Kommilitonen, die einen mit einer gewissen Skepsis betrachten, und auch die Tatsache, dass wir finanziell unabhängig sind, führt hin und wieder zu spöttischen Kommentaren. Hier finde ich es wichtig, dass man offensiv damit umgeht; der Satz »du hättest dich ja auch bewerben können« erstickt meist jede weitere Kritik im Keim. Die meisten Studierenden gehen übrigens sehr offen mit dem Beruf Sanitätsoffiziersanwärter um, die meistgestellte Frage ist: »Und musst du dann nach dem Studium nach Afghanistan?« Wenn hierauf ein ja folgt, wird den meisten (und einem selbst!) schnell klar, dass es, wie oben erwähnt, eben nicht nur ein bezahltes Studium ist, sondern dass man sich als Zeitsoldat verpflichtet hat, die Bundesrepublik zu verteidigen.
Ausblick
Als Student, der im August mit dem Praktischen Jahr beginnt und somit im letzten Jahr seiner Ausbildung steht, beginne ich mir natürlich auch darüber Gedanken zu machen, wie die berufliche Zukunft aussieht. In Zusammenarbeit mit dem SanOA e.V. hat das Personalamt als Antwort auf die zunehmende Abwanderung von Sanitätsoffizieren auf den zivilen Arbeitsmarkt die Planbarkeit von erster und zweiter klinischer Verwendung und Truppenarztzeit deutlich verbessert, dies ist meiner Meinung nach schon ein großer Fortschritt. Mit der postuniversitären modularen Basisausbildung PUMA wird außerdem die Reintegration in die Truppe erleichtert, besonders wertvoll wird dies für SanOA-Crews werden, die als Vorausbildung nur die AGA hatten.
Trotz aller Verbesserungen kann einem natürlich niemand die Sorge vor anstehenden Auslandseinsätzen nehmen. Hier bleibt einem als junger SanOA/SanOffz nur die Hoffnung, angemessen auf diese vorbereitet zu werden und bestmöglich ausgerüstet zu sein. In jedem Fall wird es sicherlich im Laufe der nächsten Monate aufgrund des Sparzwangs in allen Aspekten unseres Berufes Veränderungen geben, auf die wir alle gespannt sind. Entgegen aller Unwägbarkeiten freue ich mich aber auf den Abschluss des Studiums und die Ausübung des Berufes, für den ich mich vor fünf (sehr schnell vergangenen) Jahren entschieden habe.
Datum: 01.03.2010
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/3