Erste Erfahrungen als KIS-Administrator im BwKrhs Hamburg
„Herr König, warum möchten Sie Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr werden?“ Ich erinnere mich noch gut an die Frage des Prüfoffiziers in der OPZ, als ich Ende 2005 als Offizierbewerber der ersehnten Einladung zum Assessment Center in der Mudra-Kaserne gefolgt war.
Meine Antwort war damals wie heute: Weil es mir nicht reicht, „nur Arzt“ zu sein. Auch „nur Manager“ wäre mir zu wenig. Arzt und Offizier, Fachmann, Führungskraft und vor allem Gestalter. Diese „Jobbeschreibung des Sanitätsoffiziers“ war – und ist – aus meiner Sicht nicht nur attraktiv, sondern weitgehend unerreicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Nach der – militärischen – Grundausbildung an der Marineschule Mürwik und auf dem Segelschulschiff Gorch Fock folgte das Studium an einer zivilen Universität. Eine Zeit, in welcher der Fokus beinahe ausschließlich auf der fachlichen Komponente der Laufbahn lag. Verantwortlich führen und gestalten war in meiner Wahrnehmung allenfalls Randbestandteil der studienbegleitenden Pflichtausbildung. Möglicherweise ein Defizit, denn nach der „Remilitarisierung“ durch die Postuniversitäre modulare Ausbildung (PUMA) an der Sanitätsakademie kommt mit dem ersten klinischen Abschnitt erneut eine Phase, in der die Fachlichkeit an erster Stelle steht, jetzt aber notwendigerweise: Wer würde bestreiten, dass von einer Facharztausbildung zuallererst die medizinische Qualifizierung als Assistenzarzt erwartet wird?
Schiffsarzt werden – der Rest kommt später
Von der späteren Truppenarztzeit erwartete ich mir, nun endlich die ersehnte Kombination – Arzt und Offizier – leben zu können. Spätestens während einer nächtlichen Segelwache an Bord der Gorch Fock im Herbst 2006 war mir klar geworden, dass eine weitere Ergänzung dieser Kombination meine Dienstzufriedenheit exponentiell steigern würde: Der Dienst in der Marine, an Bord eines Kriegsschiffs. Schiffsarzt werden, so lautete seitdem für fast zehn Jahre das klare Ziel für die Jahre nach dem ersten klinischen Abschnitt. Im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg änderte sich der Plan.
Mit Beginn meiner Zeit als Assistenzarzt wurde ein neues Krankenhausinformationssystem (KIS) eingeführt. „Große Katastrophe“ so tönte der „Buschfunk“ in den Dienststellen des Sanitätsdienstes. Aus einigen früheren Erfahrungen mit Computersystemen war mir bewusst, dass oftmals Benutzerfehler und die Angst vor Neuem gute Systeme schlecht aussehen lassen. Könnte das auch hier so sein? Das Gegenteil war der Fall, wie ich schnell feststellen konnte. Ich traf in Hamburg auf ein bemerkenswert IT-affines klinisches Umfeld und hochmotivierte Kameraden, die das Computersystem des Krankenhauses zum Vorteil der klinischen Nutzer vorantrieben.
Mein Interesse war geweckt, was auch meinen Vorgesetzten nicht entging. Im Rahmen kleinerer Projektarbeiten für den klinischen Betrieb, beispielsweise der Pflege von Textbausteinen, konnte ich erste Erfahrungen im Krankenhausinformationssystem sammeln. Außerdem knüpfte ich den Kontakt zum Support-Team und dem damaligen Leiter der KIS-Administration – meinem jetzigen Vorgänger.
Im Rahmen vieler weiterer Gespräche kristallisierte sich heraus, dass mich das Aufgabenfeld des KIS-Administrators nicht nur persönlich interessierte, sondern auch, dass genau für den Zeitpunkt nach Ende meines ersten klinischen Abschnitts ein Nachfolger auf diesem Dienstposten gesucht wurde.
Die Entscheidung bedeutete für mich, zwar einen interessanten Posten anzunehmen – allerdings würde sich auch meine weitere Facharztweiterbildung verschieben. Gleichzeitig würde ich meinen lang gehegten Plan, als Schiffsarzt der Marine zu dienen, ad acta legen müssen. Letztlich überwogen das Interesse an der Materie „Krankenkaus-IT“ sowie die Aussicht, ein spannendes Projekt mitzugestalten, sodass ich mich für den Posten entschied. Glücklicherweise entschied sich die Krankenhausführung auch für mich und ich bin nun seit Anfang 2016 KIS-Administrator des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg.
Medizininformatiker und Projektmanager
Nach der anfänglichen Euphorie hatte ich auch Bedenken: Würde ich es nach zwei Jahren klinischer Tätigkeit schaffen, „einfach so“ von patientenbezogener Arbeit auf eine reine Büroarbeit zu schwenken? Um diese Frage zu klären, muss das Aufgabenspektrum des KIS-Administrators genauer betrachtet werden.
Die erste Hauptaufgabe liegt – entsprechend der Bezeichnung – in der Administration des Krankenhausinformationssystems. Das subsummiert alle Arbeiten von der Unterstützung und Schulung der Nutzer bis hin zur Wartung der Datenbank und Konfiguration des Programms. Eine Schnittmenge zum S6-Bereich und externen Dienstleistern wie der BWI besteht im Betrieb von Servern und Peripheriegeräten (beispielsweise digitale Diktiergeräte). Bei dieser Tätigkeit wird der KIS-Administrator durch ein Support-Team unterstützt: Dieses besteht im BwKrhs Hamburg aus drei Feldwebeln und einem Beamten – diese Kollegen gilt es, fachlich und ablauforganisatorisch zu führen und die Verbindung zum Disziplinarvorgesetzten zu halten.
Die zweite Hauptaufgabe liegt in der Koordination zwischen den Stakeholdern des Projekts der Einführung des Krankenhausinformationssystems. Zur Abstimmung vor allem mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und dem Kommando Sanitätsdienst, gilt es, jeden Tag eine Vielzahl als E-Mails zu verfassen, Telefonate zu führen und Präsentationen zu erstellen.
Dem Nutzer etwas Gutes tun
Erwartungsgemäß zeigte sich während der ersten Monate meiner neuen Verwendung, dass der erste Teil meiner neuen Aufgabe, also der fachliche Part, die primär „angenehmere“ Arbeit darstellt. Die Möglichkeit, dem Nutzer direkt „etwas Gutes zu tun“ verschafft eine enorme Befriedigung, vor allem dann, wenn man selbst oft genug ein „verzweifelter Nutzer“ war. Wer jemals in einer vollen Notaufnahme mitten in der Arbeit einen Softwareausfall erlebt hat, weiß, welchen Stellenwert auch der kleinste Fehler in einem Krankenhausinformationssystem haben kann. Nicht nur in solchen Fällen macht die Hilfe Spaß. Auswertungen in aller Form, vor allem solche, die durch das System nicht standardmäßig vorgesehen sind, können den klinisch tätigen Kameraden und Kollegen eine große Hilfe sein. Beispiele sind Diagnosen- und Leistungsauswertungen aber auch Bestandteile von Facharzt- und Fachkundenachweisen wie die persönliche Statistik über Eingriff-, Röntgen- oder Sonografiezahlen.
Es fällt leicht, sich in dieser Arbeit zu verlieren – gerade weil der andere große Teil der Arbeit, der koordinierende Part, dazu im deutlichen Kontrast steht: Hier gibt es wenig schnelle Erfolge. Es geht um Genauigkeit, Beharrlichkeit, das Halten von Fristen und Terminen. Es geht um Stabsarbeit und das Wissen um Entscheidungsstrukturen: Wer macht was im Ministerium, im Kommando, im BAAIN, bei der BWI? Wen gilt es zu beteiligen, wer darf was entscheiden? Und was dürfen wir eigentlich selbst? Viele Fragen, zu Beginn aber wenige – und schon gar keine schnellen – Antworten. Trotzdem ist klar: Dieser Anteil der Arbeit ist zwar weder eine Spaßgarantie noch ist er Lieferant rascher Verbesserungen – dafür winken aber langfristige und tiefgreifende Veränderungen.Ich denke, diese Verbindung aus schnellen Erfolgen für den Nutzer und der Möglichkeit, ein wichtiges Projekt langfristig mitzugestalten ist es, die den besonderen Reiz meiner neuen Verwendung ausmacht.
Positive wie negative Erfahrungen – und eine hohe Berufszufriedenheit
Nach nun wenigen Monaten in der neuen Verwendung als KIS-Administrator habe ich sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht: Einige Mitstreiter fallen leider durch eine träge Blockade- und Verweigerungshaltung auf – aber glücklicherweise steht dem die Bereitschaft zu unkonventionellen Wegen und die hohe Motivation anderer entgegen. Geregelte und flexible Dienstzeiten sind die eine Seite der Medaille – die andere Seite ist, grundsätzlich immer erreichbar zu sein, wenn eine Entscheidung nötig ist. Das neue Aufgabenspektrum ist fordernd, aber die Unterstützung durch meinen Vorgänger und viele weitere Kameraden lässt daraus keine Überforderung werden.
Bereut habe ich die Entscheidung jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil bin ich froh über diese Chance, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Erfahrungen im Bereich des Krankenhausmanagements sammeln und einen tiefen Einblick in die Prozesse des Krankenhauses gewinnen zu können.
„Warum möchten Sie Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr werden?“ – heute würde ich sagen: Auch wegen der Möglichkeit zu solchen Verwendungen, die eine Brücke zwischen den Aufgaben als Arzt und Offizier schlagen.
Datum: 29.04.2016
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/1