Communitate valemus (Gemeinsam sind wir stark)
Ein Motto, das inspiriert und wegweisend ist
Partnerschaft und Kooperation zwischen den Nationen sind in einer komplexen und unsicher gewordenen Welt unverzichtbar und heute wichtiger denn je. Sie stellen nach Barack Obama, dem 49. Präsidenten der USA und Friedensnobelpreisträger 2009, „die einzige Möglichkeit dar, unser aller Sicherheit zu garantieren und gemeinsam zu mehr Menschlichkeit zu finden.“ Vor diesem Hintergrund gilt die deutsch-niederländische Militärpartnerschaft inzwischen als Blaupause für eine effektive Zusammenarbeit und Integration von Bündnispartnern.
Das I. DEU/NDL Korps
Meilenstein und Beginn dieser starken bilateralen Beziehung war die Gründung des 1. Deutsch-Niederländischen Korps (I. DEU/NLD Korps) im Jahr 1995 in Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens, und damit dem Ort, an dem die Niederlande als Staat gegründet wurde. Das I. DEU/NLD Korps ist seit vielen Jahren ein taktisches NATO Hauptquartier hoher Einsatzbereitschaft. Bei einer Aktivierung des I. DEU/NDL Korps stellen die beiden Rahmennationen, die Bundesrepublik Deutschland (DEU) und das Königreich der Niederlande (NLD), sowie 10 weitere Staaten ihre Soldaten binnen weniger Tage den Vereinten Nationen, der NATO, der Europäischen Union (EU) und den Rahmennationen für Einsätze im gesamten Aufgabenspektrum der Bündnisverteidigung zur Verfügung. So war das I. DEU/NDL Korps bereits 2003, 2009/2010 und 2013/2014 an entscheidenden Stellen im Rahmen des ISAF (International Security Assistance Force) -Einsatzes in Afghanistan eingesetzt. In den Jahren 2005, 2008, 2015, 2017 und 2019 übernahm das Korps Führungsverantwortung über die NATO Response Force (NRF), 2017 als sogenanntes Joint Task Force Headquarters (JTFHQ) und 2019 als Land Component Command Headquarters (LCC HQ). Im Jahr 2021 wird das I. DEU/NDL Korps der NATO erneut als JTF HQ einschließlich der damit verbundenen Gestellung unterstützender Elemente im Bereitschaftsmodus zur Verfügung stehen.Neben dem Korpsstab in Münster sind dem Hauptquartier zwei bi-nationale Verbände, ein Fernmeldebataillon sowie ein Stabs- und Unterstützungsbataillon direkt unterstellt. Insgesamt umfasst die Friedensstärke rund 1 100 Soldaten. Im Einsatz können die zugeordneten Kräfte des Korps je nach Auftrag bis zu 60 000 Soldaten umfassen.
Der Weg ist das Ziel
Wahre Partnerschaft erfordert konstante Arbeit, Belastungen müssen gemeinsam getragen werden. Nach Obama kommt es dabei darauf an, „aufeinander zu hören, voneinander zu lernen und vor allem einander zu vertrauen“. Dieser Grundsatz ist auch für das Korps identitätsstiftend. Diese Philosophie und Werte sind in einer Korps-Vision und dem Korps-Motto „Communitate valemus“ (gemeinsam sind wir stark) nachhaltig formuliert und fest verankert. Die Identifikation mit den gemeinsamen Werten verbunden mit dem einheitlichen schwarzblauen Barrett stärken den Zusammenhalt respektive das „Wir-Gefühl“, und beeinflussen auch das Erscheinungsbild und die Haltung der Korps-Angehörigen nach innen und nach außen positiv. Durch die multinationale Zusammenarbeit werden Wachheit, Reflexion, Achtsamkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Vorstellungskraft und Differenzierungs- sowie Urteilsvermögen gefördert. So können Wahrheiten aufgezeigt und kluge Prioritäten gesetzt sowie Einsatzbereitschaft, Mut, Ausdauer und Vertrauen gestärkt werden, gemeinsam etwas zu bewirken. Um ressortgemeinsame Ziele im Rahmen der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung zu erreichen, setzt sich das I. DEU/NDL Korps nachdrücklich für die Weiterentwicklung des ganzheitlichen und vernetzten Ansatzes, dem sogenannten „comprehensive approach“, ein. Das I. DEU/NDL Korps steht dabei für ein schnelles, umfassendes und entschlossenes Handeln.Die Soldaten im I. DEU/NLD Korps verbindet die gemeinsame Aufgabe. Die Verschiedenheit des andern wird als Bereicherung erlebt. Man erfüllt seine Aufträge Seite an Seite zusammen, man versteht und wertschätzt sich. Gute Englischkenntnisse und eine ausgeprägte interkulturelle Sensibilität sind unabdingbare Grundvoraussetzungen für einen effektiven und angemessenen Dialog. Entscheidend sind dabei eine allgemeine Offenheit und Wertschätzung für kulturelle Vielfalt sowie eine offene, neugierige und vorurteilsfreie Begegnung mit Vertretern aus anderen Ländern bzw. Kulturkreisen. Interkulturelle Kompetenz setzt zudem die Fähigkeit voraus, die Perspektive zu wechseln, d. h. das eigene Referenz-, Werte- oder Verständnissystem zu verändern, zu relativieren, zu erweitern oder zu verallgemeinern.
Die Abteilung Korpsarzt
Die Abteilung Korpsarzt (GMed bzw. JMed) ist integraler Bestandteil des Korpsstabes. Sie gliedert sich in die Arbeitsbereiche „Einsätze“, „Planung“ und „Gesundheitsschutz“, und umfasst insgesamt 11 Dienstposten aus DEU, NLD und Italien. Der Dienstposten des Korpsarztes ist ein sogenannter Rotationsdienstposten und wird grundsätzlich alle drei Jahre im Wechsel durch eine der beiden Rahmennationen besetzt.Der Korpsarzt ist der Berater des Kommandierenden Generals und des Kommandostabes in allen sanitätsdienstlichen Angelegenheiten bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Ausbildungsvorhaben, Übungen und Einsätzen, sowie in sanitätsdienstlichen Angelegenheiten und des Gesundheitsschutzes der unterstellten Soldaten.
Schwerpunkte der Tätigkeit des Korpsarztes beziehen sich aktuell neben Aspekten der Interoperabilität und der Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung auf Grundelemente guter Führung wie beispielsweise verantwortungsvoller Fürsorge bzw. Vorsorge und Kommunikation. Interoperabilität bedeutet hier nicht nur die innere Fähigkeit zur Zusammenarbeit aller relevanten personellen, materiellen und mentalen Ressourcen, sondern auch die Fähigkeit des komplexen sanitätsdienstlichen Unterstützungssystems selbst, um im Rahmen der operativen Krisenbewältigung mit anderen existierenden Systemen zusammen zu wirken und damit eine höchstmögliche Effizienz zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund agiert der Korpsarzt in enger Abstimmung ressortübergreifend mit den entsprechenden Ansprechpartnern auf nationaler und internationaler Ebene. Er stellt seinen Beitrag in den Dienst der gemeinsamen Sache und trägt dem werte- und interessegeleiteten Bekenntnis zu den Vereinten Nationen, der NATO und der EU sowie der Genfer Konvention und der Genfer Erklärung der Weltgesundheitsorganisation Rechnung.
Fazit
Insgesamt gelten die gelebte bi- und multinationale Kooperation und Integration im Münsteraner Korpsstabes als ein Musterbeispiel für eine enge gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Beim I. DEU/NDL Korps ist man der festen Überzeugung, dass Sicherheit und Frieden aus der Gerechtigkeit der Sache entsteht und nur gemeinsam gelingt. Diese Haltung hat der Dalai-Lama, das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter und Friedensnobelpreisträger 1989 in folgende Worte gefasst: „Mit anderen Menschen zusammen erreichen wir mehr als alleine.“ So setzt sich das I. DEU/NDL Korps – angesichts der aktuellen Herausforderungen – nachdrücklich für eine noch bessere internationale Kohärenz, Arbeitsteilung und Koordinierung ein. Die Abteilung Korpsarzt einschließlich der assignierten DEU und NDL sanitätsdienstlichen Versorgungseinrichtungen leisten dazu einen unverzichtbaren und verbindlichen Beitrag.
Nach Barack Obama können wir „ohne Verklärung verstehen, dass es immer Krieg geben wird, und dennoch für den Frieden arbeiten.“ Für das I. DEU/NDL Korps gilt es, das Wagnis der Hoffnung einzugehen und zu zeigen was möglich ist. Dabei kommt es darauf an, den Geist des gemeinsamen Dienstes zu verkörpern, und bereit zu sein, in etwas Größerem als sich selbst Bedeutung zu finden.
Für die Verfasser:
Oberstarzt Dr. Niels von Rosenstiel
Medical Advisor / ACOS GMed
1. DEU/NDL Corps
Schlossplatz 15
48143 Münster
E-Mail: NielsvonRosenstiel@bundeswehr.org
Alle Abbildungen beim Verfasser
¹ Aus dem I. Deutsch-Niederländischen Korps (Kommandierender General: Generalleutnant A. Mais)
Datum: 15.06.2020
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2020