18.01.2017 •

    „Maxime, Enabler und Multinationalität“

    Interview mit dem Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr,
    Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel

    Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel ist seit Juli 2015 Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Im Interview mit Heike Lange, Verlegerin des beta-Verlages, und Oberstarzt Dr. Kai Schmidt, Chefredakteur der WEHRMEDIZIN UND WEHRPHARMAZIE (WM), äußert sich Herr Generaloberstabsarzt (GOSA) Dr. Tempel zum 60-jährigen Bestehen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.

    WM: Sehr geehrter Herr Generalarzt Dr. Tempel, den Sanitätsdienst der Bundeswehr gibt es seit nunmehr 60 Jahren. Sie traten vor 43 Jahren in die Streitkräfte ein, zunächst als Offizieranwärter der Fallschirmjägertruppe. Sie studierten später Medizin als Sanitätsoffizieranwärter und dienten anschließend in verschiedensten Stabs- und insbesondere Führungsverwendungen ehe Sie im vergangenen Jahr Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wurden. Wie sehen Sie die Entwicklung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in den Jahrzehnten im Allgemeinen und insbesondere seit 2002 als eigenständiger militärischer Organisationsbereich mit entsprechenden Anteilen in den Teilstreitkräften und in der Streitkräftebasis?

    GOSA Dr. Tempel: Von Anbeginn der deutschen Streitkräfte hatte der Sanitätsdienst immer einen wichtigen Stellenwert inne. Militärische Operationen 

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    Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel (Mitte) im Gespräch mit Verlegerin Heike Lange und Chefredakteur Oberstarzt Dr. Kai Schmidt.
    sind heute ohne eine funktions- und leistungsfähige sanitätsdienstliche Versorgung nicht mehr vorstellbar. Damit ist der Sanitätsdienst ein entscheidender Akteur bei jeglicher Operationsplanung, ein sogenannter Enabler. Das Spektrum möglicher Operationsarten und Einsatzformen hat sich dabei aber speziell im Laufe der letzten 30 Jahre gewandelt und ausgeweitet. In der Zeit des Kalten Krieges war eine mögliche Konfrontation großer Truppenkörper gleichwertiger militärischer Fähigkeiten mit hoher Dynamik und der Gefahr einer nuklearen Eskalation der Schwerpunkt auch der sanitätsdienstlichen Planungen. Dabei wäre die sanitätsdienstliche Unterstützung nur unter enormen Anstrengungen im Rahmen der Gesamtverteidigungsplanung unter Einbindung des zivilen Gesundheitswesens zu leisten gewesen. Dies bildete also das eine Ende des Spektrums möglicher Einsatzarten des Sanitätsdienstes. Das andere Ende des Spektrums bilden Einsätze im Rahmen der Humanitären Hilfe. So hat bereits 1960 in Marokko nach einem schweren Erdbeben das damaligen Sanitätsbataillon 5 im ersten Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg Kräfte bereitgestellt. Damit wurde der Sanitätsdienst der Bundeswehr bereits fünf Jahre nach Gründung der Bundeswehr ein wesentliches Mittel deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Und auch während der Hamburger Sturmflut 1961 erwarb er sich bei der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit bereits große Verdienste.

    Die Zusammenfassung der Sanitätsdienste der Teilstreitkräfte und der Zentralen Sanitätsdienststellen im eigenständigen Organisationsbereich Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr 2002 führte im Lichte der Erfahrungen aus den mandatierten Auslandseinsätzen der deutschen Streitkräfte ab 1992 sowie der aufgesplitterten Inlandsversorgung in den klassischen Teilstreitkraftstrukturen folgerichtig zur Führung aller sanitätsdienstlichen Kräfte aus einer Hand - fachlich, fach- und truppendienstlich. Somit wurde der Sanitätsdienst zum wesentlichen Dienstleister für die Streitkräfte. Auf die Bedürfnisse der einzelnen militärischen Organisationsbereiche spezialisierte sanitätsdienstliche Fähigkeiten blieben gleichwohl dort verortet. Rückblickend, nach nunmehr 43 Dienstjahren, kann ich sagen: Es ist faszinierend, wenn man teilhaben durfte an den langen Jahren dieser Entwicklung. Es ist faszinieren, wenn man zurückdenkt an die vielen, vielen Menschen, die tatkräftig den Sanitätsdienst zu dem gemacht haben, was er heute ist. Der Sanitätsdienst mit den Rahmenbedingungen - auf der einen Seite unserer Maxime, deren Einhaltung einen sehr hohen Anspruch mit sich bringt und auch natürlich finanziell herausfordernd ist, die weltweit einmalig ist und auf der anderen Seite die zunehmende und sehr intensiv gelebte Multinationalität. Diese beiden großen Standbeine ermöglichen den hohen Standard, den wir in der Bundeswehr, im Sanitätsdienst heute bieten.

    WM: Wie beschreiben Sie die aktuellen Handlungsschwerpunkte für den Sanitätsdienst im Inland, im weltweiten Einsatz sowie in der internationalen Zusammenarbeit?

    GOSA Dr. Tempel: Im Inlandsbetrieb geht es zur Zeit im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr vornehmlich um die Konsolidierung der eingenommenen Strukturen. Dies betrifft die für die Sicherstellung der Auslandseinsätze zuständige Sanitätstruppe ebenso wie die regionalen Sanitätseinrichtungen, die für die truppenärztliche und -zahnärztliche Versorgung verantwortlich zeichnen und zurzeit insbesondere die Bundeswehrkrankenhäuser. Es gilt, die dort begonnene Neuausrichtung auf die Schwerpunkte der Versorgung von notfallmedizinischen, traumatologischen Fällen und komplexen Behandlungen stringent fortzusetzen. Während die klassischen Stabilisierungsoperationen auf dem Balkan, in Afghanistan und auf See am Horn von Afrika sowie im Mittelmeer fortgeführt werden und deren Ende zum Teil noch nicht in Sicht ist, kommt neuen Auslandseinsätzen im Rahmen von Ausbildungsunterstützung im Irak und in Mali, aber auch UN-Missionen insbesondere in Afrika wachsende Bedeutung zu. Zusätzlich nehmen Verpflichtungen im Rahmen von möglicher Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen von NATO und EU einen immer breiteren Raum ein. Mit unseren langjährigen und engen Bündnispartnern, insbesondere den USA, Frankreich und den Niederlanden, wirken wir bi- und multinational eng zusammen. Ein großes Ziel ist hier die Förderung von Interoperabilität. Es gibt weitere Staaten, wie Israel oder Jordanien, mit denen zunehmend gemeinsame Projekte realisiert werden. Deutschland ist als Initiator des Framework Nations Concept innerhalb der NATO Rahmennation auch im Bereich der sanitätsdienstlichen Unterstützung führend engagiert.

    WM: Herr Generalarzt, welche Herausforderungen für den Sanitätsdienst sehen Sie in der Zukunft mit Blick auf die weltpolitischen Entwicklungen, die Inhalte des Weißbuches zur deutschen Sicherheitspolitik sowie die demografischen Tendenzen?

    GOSA Dr. Tempel: Nur mit vereinten Kräften sind die sicherheitspolitischen Herausforderungen zu schultern. Sei es der internationale Terrorismus oder auch eine potentiell zunehmende Bedrohung innerhalb Europas - nationale Streitkräfte und damit auch Sanitätsdienste können mit ihren begrenzten personellen und materiellen Ressourcen alleine nicht agieren. Nur im Schulterschluss mit unseren Verbündeten und mit zunehmender Interoperabilität lassen sich die Aufgaben in Europa und weltweit meistern. Ein Beispiel einer solchen Zusammenarbeit und gleichzeitig ein Zeichen für die Übernahme von internationaler Verantwortung durch Deutschland ist die im September angewiesene Etablierung eines Multinational Medical Coordination Center (MMCC), um gemeinsame Kontingent- und Einsatzplanung, gemeinsame Ausbildung und eine koordinierte, ggf. künftig auch gemeinsame Materialbeschaffung zu realisieren. Das Spektrum der vom Sanitätsdienst zu unterstützenden Einsatzformen und Operationsarten hat sich ständig verändert. Der Sanitätsdienst der Zukunft muss befähigt sein, auf der einen Seite als eigenständiger Effektor zu agieren und damit zum Beispiel in einem Szenario der humanitären Hilfe oder zur Bekämpfung globaler Epidemien beizutragen. Andererseits muss er aber auch befähigt sein, nachhaltig in einem Szenario der Landes- oder Bündnisverteidigung mit größeren eingesetzten Truppenkörpern und hoher Dynamik sanitätsdienstlich versorgen zu können. Die Bewältigung des gesamten Spektrums ist die Messlatte der Zukunft.

    Wer glaubt, dass der Sanitätsdienst an den demografischen Entwicklungen vorbeikommt, der wird ein böses Erwachen erleben. Wir stehen in direkter Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern, insbesondere mit der zivilen Wirtschaft. Die gute Nachricht derzeit ist, dass sich die Bewerberlage bei uns so gut gestaltet, dass wir von diesen auf uns zukommenden demografischen Entwicklungen noch nicht so viel spüren. Im Lichte der absehbaren Entwicklungen müssen wir uns jedoch weiter zu einem herausragend attraktiven Arbeitgeber entwickeln. Das gilt im Übrigen für die ganze Bundeswehr, und unsere Ministerin hat sich dieses Thema sehr intensiv auf die Fahne geschrieben. Wir sind als Bundeswehr und als Sanitätsdienst sehr viel transparenter geworden. Wir sind ein Arbeitgeber, der sich nicht hinter dem Kasernentor versteckt, sondern offen präsentiert und auch wirbt. Da ist Hightech-Medizin in den Krankenhäusern, und auch in der allgemeinmedizinischen Betreuung unserer Soldatinnen und Soldaten in der Fläche bieten wir sehr gute, solide und attraktive Bedingungen.

    WM: In den letzten Heften der WEHRMEDIZIN UND WEHRPHARMAZIE wurde oft von Erfahrungen und Einstellungen junger Sanitätsoffiziere berichtet. Aus unserer Sicht sehr vielversprechend. Was geben Sie Ihren Soldatinnen und Soldaten - insbesondere den jungen Kameradinnen und Kameraden - mit auf den Weg?

    GOSA Dr. Tempel: Ich bin stolz auf unseren Sanitätsoffizieranwärter-Nachwuchs in allen vier Approbationsrichtungen. Sanitätsoffizieranwärter sind für mich der Nachwuchs, das Fundament und die Zukunft unseres Sanitätsdienstes. Auf diesen Nachwuchs bin ich stolz, hege aber auch Erwartungen. Ich erwarte die aktive Verbindung von Offizier und Arzt, Zahnarzt, Apotheker oder Veterinär. Es gilt, kompetenter Führer und studierter Spezialist zugleich zu sein. Wir dienen zu Hause und im Einsatz im Team: Nur mit den Gesundheitsfachberufen gemeinsam können die Aufgaben im In- und Ausland erfüllt werden. Der Slogan „Wir.Dienen.Deutschland.“ soll die jungen Kameradinnen und Kameraden auffordern, sich frühzeitig mit dem Auftrag des Sanitätsdienstes zu identifizieren und ihn bereits zu Anbeginn ihrer Laufbahn in der Studienphase zu verinnerlichen. Sie müssen ein klares Bekenntnis zu den Aufgaben und Pflichten eines Sanitätssoldaten oder einer Sanitätssoldatin leisten. Damit meine ich im Besonderen, ein berufliches Selbstverständnis mit der Verpflichtung zum Dienen für die Menschlichkeit zu entwickeln. Was ich fordere und unserem Nachwuchs mitgebe ist, den notwendigen Blick über den Tellerrand zu entwickeln. Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen bilden das Gerüst für unser Handeln - auch für den täglichen Dienst eines zukünftigen Sanitätsoffiziers. Lebenslange Weiterbildung sollte nicht als Luxus, sondern als persönlicher Anspruch und Verpflichtung sich selbst gegenüber gesehen werden. Der Sanitätsdienst erhebt einen Führungsanspruch und Sanitätsoffizieranwärter sind ein bedeutender Teil davon.

    WM: 2015 wurde die Laufbahn für Offiziere des Truppendienstes im Sanitätsdienst eingeführt. Was erwarten Sie von dieser Maßnahme und wie gestaltet sich die Realisierung?

    GOSA Dr. Tempel: Ich erwarte mir von dieser Maßnahme eine Verbesserung der Fähigkeitsprofile für im Sanitätsdienst der Bundeswehr eingesetzte 

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    Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.
    Offiziere des Truppendienstes durch Vermittlung gezielter fachlicher Ausbildungsinhalte und ein vertiefendes Systemverständnis „Sanitätsdienst“ für diese Offiziere zur Wahrnehmung allgemeiner aber insbesondere auch speziell sanitätsdienstlich geprägter Führungs- und Organisationsaufgaben, um damit eine Steigerung der Funktionalität und Effizienz des Sanitätsdienstes insgesamt zu erreichen. Im Jahr der Einführung des Werdegangs 2015 konnten bereits 18 Offizieranwärterinnen und -anwärter, zum 4. Juli 2016 20 Offizieranwärterinnen und -anwärter für diesen Werdegang gewonnen werden. Dies zeigt, dass seitens der jungen Bewerberinnen und Bewerber das Angebot, welches der Sanitätsdienst bietet, als attraktiv angesehen und wahrgenommen wird. Diese Kameraden und Kameradinnen absolvieren im Zuständigkeitsbereich des Heeres zurzeit ihren Offizieranwärterlehrgang. Nach dem Studium folgt der Offizierlehrgang Teil 2 und danach mit dem Offizierlehrgang Teil 3 der Abschluss der Ausbildung in Verantwortung des Sanitätsdienstes. Bisher konnten aus dem Bereich der Offiziere des Truppendienstes ca. 50 Offiziere für einen Werdegangswechsel gewonnen werden. Auch hier zeigt sich, dass der Sanitätsdienst mit diesem Angebot ein attraktives Paket geschnürt hat. Für die weitere Ausgestaltung wünsche ich mir, dass es uns gelingt, auch im Rahmen der akademischen Ausbildung die Grundlagen für die spätere Tätigkeit in Sanitätsdienst zu legen. Unter dem Stichwort Etablierung eines universitären Bausteins „Management von Gesundheitseinrichtungen“ ist eine Kooperation der Sanitätsakademie mit unseren Bundeswehruniversitäten vorstellbar und wünschenswert.

    WM: Wie beschreiben Sie die Chancengerechtigkeit für Soldatinnen und Soldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr?

    GOSA Dr. Tempel: Der Sanitätsdienst steht mit seinem hohen Frauenanteil im Fokus und sieht sich hier in einer Vorreiterrolle. Wir haben das Ziel, uns erfolgreich und zukunftssicher als attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt für Gesundheitsberufe zu etablieren. Hierbei ist es unabdingbar, die Vielfalt des Personals zu nutzen. Wir entwickeln und forcieren in Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium und den anderen Organisationsbereichen Ziele und Maßnahmen mit dem Fokus Chancengerechtigkeit. Die gendergerechte Anwendung der Beurteilungsbestimmungen und das Ziel der Erhöhung des Anteils weiblicher Sanitätsoffiziere in hören Führungspositionen seien hier exemplarisch angeführt. Hierzu gehört auch, dass wir die Instrumente für Vereinbarkeit von Familie und Dienst, wie Teilzeit, Gleitzeit, flexible Dienstzeitmodelle, mobiles Arbeiten oder Telearbeit nutzen. Zur Kompensation der durch Teilzeitbeschäftigung entstehenden prozentualen Vakanzen ist seit Mai dieses Jahres die Einrichtung von Kompensationsdienstposten möglich, damit die dadurch gewonnene Attraktivitätssteigerung nicht zu Lasten anderer Kameraden und Kameradinnen geht. Die Wertschätzung unserer Soldatinnen und Soldaten und auch zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Kerngedanke und ein Anspruch an unsere Führungskräfte. Dabei ist von Vorgesetzten auch zu berücksichtigen, dass in bestimmten Lebensphasen private Bedürfnisse wie etwa Zeit für Kinder oder die Pflege von Angehörigen in den Fokus rücken und dies sich selbstverständlich in der täglichen Wahrnehmung und auch in der Organisation des Dienstbetriebes widerspiegelt. Hier erwarte ich noch stärker als bisher den Dialog zwischen den Vorgesetzten, der Soldatin oder dem Soldaten sowie der Personalführung, um sowohl die Interessen des Dienstherrn als auch die Bedürfnisse der Betroffenen lösungsorientiert zu berücksichtigen. Wir werden im April des nächsten Jahres eine Tagung „Frauen im Sanitätsdienst“ veranstalten. Mein Wunsch ist es, dort einen intensiven Erfahrungsaustausch stattfinden zu lassen, der uns dann auch an Punkte bringt, wo man durchaus Verbesserungsbedarf erkennen und diesen dann auch zielgerichtet umsetzen kann.

    WM: In dieser Ausgabe der Zeitschrift finden sich auch Artikel aus den Bereichen Zahnmedizin sowie Gesundheitsschutz und -förderung. Welche Rolle spielen die verschiedenen Approbationen und die unterschiedlichen Laufbahngruppen im und für den Sanitätsdienst der Bundeswehr?

    GOSA Dr. Tempel: Ich bin Ihnen dankbar für diese Frage. Sie gibt mir die Chance, auch nachlesbar in aller Deutlichkeit zu sagen, dass ich gerne den Generalapotheker und den Generalarzt an der Spitze der Wehrpharmazie respektive der Zahnmedizin in der Bundeswehr hätte. Auch die Relevanz der Veterinärmedizin verdiente es durchaus, aber ist einfach ein zu kleiner Bereich, um ihn mit einer Dotierung Generalveterinär bedienen zu können. Die äußeren Rahmenbedingungen gestatten uns leider derartige Betrachtungen derzeit nicht, aber wir verlieren sie nicht aus den Augen. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat seine Planungen für die zukünftigen Strukturen konsequent auf approbationspflichtige Aufgaben ausgerichtet. Damit sind strukturell die Voraussetzungen geschaffen, die (truppen-)ärztliche und zahnärztliche Versorgung im Inland durch Konzentration insgesamt zu stärken und unverändert die Versorgungsqualität in den Einsatzgebieten zu erhalten. Dies gilt in gleicher Weise für die Wehrpharmazie und die Veterinärmedizin. Die zukünftige fach- und sachgerechte Wahrnehmung der sanitätsdienstlichen Führungs- und Managementaufgaben erfordert, begleitend zum gezielten Einsatz von Sanitätsoffizieren in Führungs- und Managementaufgaben, eine stärkere Durchlässigkeit bzw. Verzahnung zwischen kurativen, approbationspflichtigen Aufgaben und Managementaufgaben bei Sanitätsoffizieren. Managementaufgaben können und werden von Angehörigen aller Approbationen wahrgenommen. Eignung, Leistung und Befähigung entscheiden, nicht die Form der Schlange auf der Schulterklappe. Mit der Einführung des Werdegangs der Offiziere im Truppendienst des Sanitätsdienstes ist auch im Bereich Führung- und Management eine wesentliche Steigerung der sanitätsdienstlichen Expertise zu erwarten. Dies spiegelt eine stringentere Ausrichtung des Sanitätsdienstes als Fachdienst wider. Der Fachkräftemangel und die gestiegenen Anforderungen an Führung und Management eines militärischen Gesundheitswesens erfordern einen weiteren Umbau des bestehenden Systems der Laufbahn- und Qualifizierungsmodelle im Sanitätsdienst. Hierzu sind gezielt bedarfsgerechte Berufsbilder zu integrieren, die zur Entlastung des approbierten Personals von administrativen Aufgaben oder der Übernahme einzelner, klar definierter ärztlicher Tätigkeiten führen. Darüber hinaus sollen durch attraktive Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Fachdienstoffiziere, Feldwebel, Fachunteroffiziere sowie Mannschaften im Sanitätsdienst eine bessere Bindung von Fachkräften und eine Entlastung des approbierten Personals erreicht werden. Anzustreben ist im Zuge der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe die verstärkte Qualifizierung durch Bachelor- und Masterstudiengänge. In diesem Zusammenhang will ich die Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. weiter ausbauen. Abschließend weise ich auf das enge und konstruktive Zusammenwirken aller Approbationen im Bereich Gesundheitsvorsorge, -förderung und -management, also Public Health bzw. One Health, hin.

    WM: Gibt es von Ihrer Seite noch Wünsche oder Anregungen an uns als Verlag?

    GOSA Dr. Tempel: Ich würde mir wünschen, dass Sie uns als Verlag und Redaktion auch in Zukunft genauso intensiv, kritisch und konstruktiv loben, wo man es darf und entsprechend kritisieren, wo man es muss. Dem Sanitätsdienst sei es vergönnt, in seiner dienenden Funktion, aber auch mit Stolz in die Zukunft zu blicken. Wenn man diese beiden Dinge als Eckpfeiler im Kopf behält, dann sind wir - glaube ich - alle auf einem sehr guten Weg.

    WM: Herr Generaloberstabsarzt, wir bedanken uns herzlich für dieses Interview und die Ein blicke, die Sie unseren Leserinnen und Lesern gewähren. Für die weitere Zukunft wünschen wir Ihnen und dem Sanitätsdienst alles Gute!

    Datum: 18.01.2017

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/4

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