Die diesjährige Fortbildungsveranstaltung „Zahnmedizin in der Bundeswehr“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP) fand vom 18.–20.01.2023 im Bad Nauheimer Dolce Hotel statt. Nach Eröffnung der Industrieausstellung begann am Nachmittag mit mehreren Grußworten der wissenschaftliche Teil der Veranstaltung.
Erster Referent war Oberfeldarzt Dr. Dr. Andreas Papst (Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz), der einen Vortrag über präkanzeröse Konditionen und Läsionen der Mundschleimhaut hielt. Er legte besonderes Augenmerk auf die seit kurzem nicht mehr gebräuchlichen Begriffe „Präkanzerose“ und „Vorläuferläsion“, die durch „POML – potenziell orale maligne Läsion“ ersetzt wurden. Oberfeldarzt Dr. Dr. Papst gab dem Plenum eine Übersicht der verschiedenen Stadien von Mundschleimhauterkrankungen, ausgehend von einer leukoplaken Veränderung bis hin zur Malignität mit den entsprechenden Kontroll- oder Therapieansätzen. Die Ausführungen endeten mit dem Hinweis, dass die reguläre zahnärztliche Kontrolle durch Überprüfung der Schleimhaut immer auch eine Tumorvorsorgeuntersuchung sein kann bzw. muss und somit Teil der truppenzahnärztlichen Kernkompetenz ist.
Beim nachfolgenden informellen Kennenlernen im Tagungsbereich des Hotels konnten die Teilnehmer den Mittwochabend ausklingen lassen.
Der zweite Tag begann mit einem Vortrag von Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer, MA (Leitender Oberarzt und Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz) zum Thema Knochenatrophie in der Mundhöhle. Der Referent beleuchtete Einfluss- und Störfaktoren bei der Einheilung von Knochenaufbauten und Implantaten, berichtete über ossäres Regenerationspotential bei Defekten und gab eine Übersicht zu Knochenersatzmaterialien sowie allogenen Knochenblöcken. Letztere können mittels einer Fräsmaschine perfekt an einen entsprechenden Defekt adaptiert werden. Aus Prof. Dr. Dr. Kämmerers Sicht ist der Erfolg beim Einsatz diverser Knochenersatzmaterialien mehr von der korrekten Indikation und Anwendung als der Art des Materials abhängig.
Im zweiten Vortrag stellte Prof. Dr. Dr. Andree Piwowarcyk (Ordinarius im Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Witten/Herdecke) aus seiner Sicht verlässliche Konzepte in der Implantatprothetik vor. Er präsentierte dazu die Planungsschritte der implantatprothetischen Versorgung im Rahmen des „backward-planning“ und zeigte ästhetische Risikofaktoren im Zusammenhang mit der „socket preservation“ auf. Der Referent plädierte für kombiniert zahn- und implantatgetragene Versorgungen, um die verbliebene Dentition von älteren Patienten besser nutzen zu können.
Prof. Dr. Johannes Bogner (Leitender Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV des LMU Klinikums) gab danach ein aktuelles Update zu COVID-19. Ausgehend vom Ausbruch der Pandemie bis zum Übergang in den endemischen Zustand fokussierte er dabei auf die gesamte Entwicklung des Infektionsgeschehens.
Prof. Dr. Rainer Haak (Klinikdirektor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Leipzig) hielt den letzten Vortrag des Tages und ging darin auf Neuerungen in der Kariesdiagnostik unter Darlegung seiner Forschungsschwerpunkte und Vorstellung neu entwickelter Diagnostikarten ein. Zu letzteren gehören u. a. die Nahinfrarot-Transillumination und die Optische Kohärenztomographie als Alternativen zum zahnärztlichen digitalen Röntgen. Am Ende brachte er das Phänomen „Überdiagnostik“ in der Medizin zur Sprache und gab Denkanstöße zur Frage, wieviel Diagnostik und Therapie der Mensch eigentlich braucht.
Der Fortbildungstag wurde durch eine gesellige Abendveranstaltung im Spiegelsaal des Tagungshotels abgerundet.
Der letzte Tag der Veranstaltung stand ganz im Zeichen der Anwendung zahnfarbener Materialien. Prof. Dr. Dipl. Ing. Martin Rosentritt (Wissenschaftlicher Leiter der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Regensburg) stellte die gängigen Keramiken und Adhäsivtechniken vor, präsentierte beispielhaft aktuelle Forschungsprojekte und appellierte an die Teilnehmer im Auditiorium, die beinahe selbstverständlich gewordenen Adhäsiv- und Einsetztechniken im eigenen beruflichen Umfeld immer wieder kritisch zu überprüfen und zu hinterfragen.
Den Veranstaltern ist es in beeindruckender Art und Weise erneut gelungen, durch die Gewinnung von hochkarätigen Referenten eine spannende und abwechslungsreiche Fortbildung zu organisieren, die nahezu alle fachlichen Aspekte der Zahnmedizin im täglichen Behandlungsalltag abdeckt.
Das dabei die Kameradschaft nicht zu kurz kommt, zeigen die beiden Abendveranstaltungen, die aufgrund der dabei stattfindenden Gedankenaustausche in ihren Stellenwerten nicht zu unterschätzen sind.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2023
Oberstabsarzt C. Justenhoven
Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg
E-Mail: ChristianJustenhoven@bundeswehr.org