Die digitale Abformung hat sich in den letzten Jahren gegenüber der klassischen Abformung mit Alginaten und Silikonen immer weiter etabliert. Hierbei überzeugen die Vorteile, denn insbesondere das schnelle und völlig schmerzfreie Scannen ist für Patientinnen und Patienten (besonders Angstpatienten oder bei Würgereiz) wesentlich angenehmer. Ebenso entfällt zum einen die Wartezeit bis die Abformmasse ausgehärtet ist, sowie die Zeit für Desinfektion und zum anderen der Transport durch Kuriere zwischen der Behandlungseinrichtung und dem zahntechnischen Labor. Darüber hinaus erscheint die Situation in Echtzeit direkt auf dem Bildschirm und kann vom Behandlungsteam in natürlichen Farben beurteilt werden. Bei fehlerhaften Bereichen im Scan ist ein direktes Nachscannen möglich. Der fertige Datensatz kann nun zur Dokumentation oder zur Fertigung von Zahnersatz genutzt werden. Mit speziellen Programmen, wie z.B. OrthoAnalyser von 3Shape®, können Scans unterschiedlichen Alters eines Patienten bzw. Patientin miteinander verglichen werden und so Unterschiede an den Zähnen (z.B. Erosionen/ Defekte/) und Gingiva dargestellt und somit besser beurteilt werden.
Die Abteilung XXIII Zahnmedizin im Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz verfügt seit 2019 über einen Intraoralscanner Trios 3 von 3Shape® inklusive Laborkomponenten CAD (Computer Aided Design) Software, Laborscanner E3 und einen 3D Drucker cara®Print, inkl. Zubehör zur CAM (Computer Aided Manufacturing) Fertigung. Die Komponenten wurden im Rahmen eines Sonderforschungsprojektes beschafft. Der Intraoralscanner Trios 3 Color ist in der Version Move sehr flexibel, weil er auf seinem Rollwagen in jedes Behandlungszimmer der Abteilung und bei Bedarf sogar an das Patientenbett auf den Stationen gefahren werden kann, zudem erfüllt die Anforderungen an einen Krankenhausbetrieb. Seitdem konnten Anwendererfahrungen mit dem Einsatz des digitalen Workflows gesammelt werden. Dazu gehörten auch die Herausforderungen, ein auf die Anwendung im zivilen Bereich ausgelegtes Medizinprodukt mit Bezug auf die IT-Sicherheit in die Bundeswehr zu integrieren. Im Laufe dieses Projektes wurde noch ein Filament 3D Drucker zur Herstellung von gedruckten Modellen beschafft. Nach Ende des Sonderforschungsprojektes ist das gesamte System in den Regelbetrieb übernommen wurden. Diese technischen Möglichkeiten werden nun seit 2024 auch für die Versorgung von Patientinnen und Patienten der Abteilung XXIII Zahnmedizin genutzt. Hierbei sind der Behandlerin bzw. dem Behandler keine Grenzen gesetzt. Von gedruckten Situ-Modellen, über Schienen und Langzeitprovisorien aus Kunststoff bis hin zu ästhetischen Zirkonversorgungen ist alles realisierbar.
Der digitale Workflow: hier am Beispiel eines implantatgetragenen Langzeitprovisorium Zahn 12, nach erfolgter Sofortimplantation und Sofortversorgung
Situationsscan
Unmittelbar nach der Extraktion des nicht erhaltungswürdigen Zahnes und der Implantatinsertion wurde ein Scankörper mit dem Implantat verbunden und die Implantatposition mittels Intraoralscanner erfasst. Die notwendigen Prozesse zur Sterilisation der Scanspitzen wurden erfolgreich etabliert und das Personal im Umgang geschult, auch um die regelmäßigen Kalibrierungen durchführen zu können. Die Bedienung des Intraoralscanners erfolgt intuitiv über einen Touchscreen. Nachdem der Patientenfall manuell angelegt wurde, wird das Behandlungsteam durch das Scanverfahren geführt. Dabei werden möglicherweise unzureichend gescannte Bereiche farblich sichtbar dargestellt und können unmittelbar korrigiert werden. Nach dem Abschluss des Scanvorganges werden die erfassten Daten automatisch durch das Programm nachbearbeitet und zu einem Laborauftrag zusammengeführt, welcher anschließend digital an das Zahntechnische Labor der Abteilung XXIII übermittelt wird. Wir verwenden für die Inhouse Fertigung die systemseitige direkte Verbindung (direct connection). Möglich ist auch ein Übertragen mittels der firmeneigenen Plattform (cloudbasiert) oder das Exportieren der Daten in ein STL-Format, um sie zum Beispiel per E-Mail zu verschicken

Design
Der Patientenfall wurde mit dem 3Shape® OrthoAnalyser im Labor importiert und im 3Shape® Dental System als Laborauftrag geöffnet. Hier werden alle Anforderungen (Art / Umfang der Restauration und Material) hinterlegt. Mit der CAD Software 3Shape® Dental Designer 2021 wurde nun die Krone virtuell erstellt und so gestaltet, dass eine bestmögliche Ausformung der Gingiva in Vorbereitung für die endgültige Versorgung erreicht wird. Okklusions- und Artikulationskontakte werden beim Design der Sofortkrone vollständig vermieden. Das Programm führt den Anwender Schritt für Schritt durch den Designprozess. Hierfür sind bereits Vorschläge für die einzelnen Schritte hinterlegt, das verkürzt die Zeit um eine Einzelkrone zu erstellen auf wenige Minuten. Nach Abschluss des Designs wurde ein CAM Output erzeugt und die fertige Krone damit als STL-Datei generiert.

3D Drucker
In der CAM Software cara®Print wurde die STL-Datei der Krone importiert und auf der Bauplattform genestet. So wird die Lage des Objektes auf der Bauplattform im freien Raum definiert und die Software kann eine Stützstruktur generieren. Im Anschluss zerlegt die Software das 3D Objekt noch in seine einzelnen Schichten. Zur Kontrolle ob alle relevanten Bereiche mitgedruckt werden, können diese Schichten noch einmal geprüft werden. Zum Ausdrucken der provisorischen Krone verwenden wir den cara®Print 4.0, einen 3D Drucker mit Digital Light Projection-Technologie (DLP). Dieser erzeugt jede Druckschicht mit nur einem Lichtblitz und ermöglicht das simultane und zeitsparende Drucken mehrerer Restaurationen. Als Material für die Krone nutzen wir das Druckharz dima® Print C&B temp.

Die fertig gedruckte Krone wurde nach dem Druckprozess mit Isopropanol 99% im cara®Print Clean gereinigt und in einem Hochleistungs-Lichtpolymerisationsgerät endpolymerisiert. Im Anschluss wurde sie manuell nachbearbeitet, bevor sie mit der Titanklebebasis des jeweiligen Implantatherstellers verklebt wurde. Nach Entfernung der Kleberreste wurde die Krone mit lichthärtender Oberflächenversieglung finalisiert. Alternativ ist auch eine manuelle Politur möglich.
Einsetzen der Provisorischen Krone
Die transokklusal verschraubte Krone wurde eingesetzt und der Schraubenkanal mit lichthärtendem Kunststoff verschlossen. Okklusions- und Artikulationskontakte wurde überprüft und bei Bedarf beseitigt, so dass weder Krone noch Implantat während der Einheilzeit mechanisch belastet werden. Gleichzeitig wurde der Patient aufgeklärt nicht mit dem Frontzahn abzubeißen. Das Ergebnis ist eine natürliche Ausformung der Gingiva und ein ästhetisches Provisorium bis zur endgültigen Versorgung. Die definitive prothetische Versorgung mittels Vollzirkonkrone wird nach einer zwölfwöchigen Konsolidierungsphase erfolgen. Festzuhalten bleibt, dass von der Extraktion des Zahnes bis zur hochwertigen ästhetischen/ phonetischen Rehabilitation nur wenige Stunden benötigt wurden.

Fazit
Die digitale Abformung, CAD und CAM werden in der modernen Zahnmedizin zukünftig konventionelle Techniken zunehmend verdrängen. Hier darf die Zahnmedizin in der Bundeswehr den Anschluss nicht verlieren. Diese Technik bringt viele Vorteile sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für das Behandlungsteam mit sich. Für einen reibungslosen Betrieb in der Bundeswehr sind aber noch technische Hürden zu überwinden. Besonders der Trend der Herstellerfirmen immer mehr Anwendungen cloudbasiert anzubieten und somit eine stetige Internetverbindung zu benötigen, ist schwierig mit der IT-Sicherheit der Bundeswehr in Einklang zu bringen.
Ausblick
Die Digitalisierung der Zahnmedizin in der Bundeswehr ist ein wichtiger Schritt mit Hinblick auf die Versorgung unter Einsatzbedingungen und im Rahmen von LV/BV. Die Intraoralbefunde von Soldatinnen und Soldaten könnten mittels Intraoralscan in jeder Zahnmedizinischen Behandlungseinrichtung der Bundeswehr erfasst werden. Anschließend ist es möglich die Daten an den Heimatstandort oder ein zahntechnisches Labor digital zu übermitteln. Diese Datensätze können z.B. Anwendung in der Dokumentation, Forensik oder Versorgung mit Zahnersatz finden.
Die Abteilung XXIII des BwZKrhs Koblenz arbeitet weiter an der reibungslosen Implementierung des Intraoralscanners und aller angeschlossenen Komponenten in den zahnmedizinischen Arbeitsalltag der Bundeswehr. Das ermöglicht uns die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf einem technischen aktuellen. Die vollständige in House Herstellung von Zahnersatz aus Keramik und Dentallegierungen mittels CNC- Fräse durch das Zahntechnische Labor der Abt. XXIII ist der nächste große Schritt der Anwendung digitaler Techniken.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2 / 2025
Stabsfeldwebel K. Rademacher
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Rübenacherstr. 170
56072 Koblenz