31.10.2010 •

    UNTERSUCHUNG DER WASSERQUALITÄT AN BORD VON SCHIFFEN UND BOOTEN DER MARINE: BISPHENOL A IN TRINKWASSER AUS UMKEHROSMOSEANLAGEN

    Aus der Abteilung III Lebensmittelchemie/Ökochemie (Leiter: Oberfeldapotheker Dr. H. Petersen) des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel (Leiter: Oberstveterinär Dr. H.-H. Pott)



    von Karsten Stemmerich, Karla Kamenik und Hauke Petersen

    Zusammenfassung:

    Hintergrund: An Bord von Schiffen und Booten der Marine kann Trinkwasser durch Meerwasseraufbereitung unter Nutzung von Umkehrosmoseanlagen gewonnen werden.

    Diese Anlagen enthalten Polycarbonat-Filterscheiben, bei deren Herstellung Bisphenol A als Monomer zum Einsatz kommt, das als toxikologisch bedenklich angesehen wird und nach der Polymerisation in geringen Mengen in den Modulen enthalten ist. Am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel wurden deshalb Untersuchungen zur Belastung von Trinkwasser aus solchen Aufbereitungsanlagen mit Bisphenol A initiiert, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden.

    Methoden:

    Die Probenvorbereitung wurde mittels Stir Bar Sorptive Extraction und in-situ- Derivatisierung mittels Acetanhydrid durchgeführt. Der unter dem Handelsnamen "Twister™"kommerziell verfügbare Stir Bar (Fa. Gerstel, Mülheim/Ruhr) wurde thermodesorbiert und der Analyt im Kaltaufgabesystem ausgefroren. Zur Messung diente die Gaschromatographie mit massenselektiver Detektion. Die Extraktion erfolgte aus einem Probenvolumen von 10 ml unter Zusatz von 0,2 g Kaliumcarbonat zur Einstellung des pH-Wertes, Addition von 500 µl Acetanhydrid zur Derivatisierung und Rühren mit 1 500 Umdrehungen pro Minute bei Raumtemperatur für 60 Minuten.

    Ergebnisse:

    Die Verwendung von deuteriertem Bisphenol A als internem Standard ermöglichte eine Bestimmung von Bisphenol A im Bereich von 4,6 ng/l bis 150 ng/l. Die Nachweisgrenze des Verfahrens wurde mit 3,1 ng/l, die Bestimmungsgrenze mit 4,6 ng/l berechnet. In den untersuchten Wasserproben wurde Bisphenol A in Konzentrationen von bis zu 34,7 ng/l bestimmt.

    Schlussfolgerungen:

    Bei einer duldbaren täglichen Aufnahme (TDI) von 50 µg/kg Körpergewicht liegen die ermittelten Gehalte um ein Vielfaches unterhalb der zulässigen Konzentrationen, so dass eine Gefährdung für die Besatzungen der Schiffe und Boote nicht zu erwarten ist.

     

    Summary:

    Background: Bisphenol A is used as a monomer in the production of polycarbonate membranes in reverse osmosis modules for drinking water preparation. This substance is considered as toxicologically relevant and remains in residual concentrations after polymerization. Thus, investigations concerning the migration of bisphenol A into drinking water generated by reverse osmosis modules on ships of the German Navy were performed by the Central Institute of the Bundeswehr Medical Service Kiel. The results of these examinations are presented.

    Methods:

    The determination was carried out by stir bar sorptive extraction with in-situ derivatization with acetic acid anhydride. The commercialized stir bars "Twiste™r", Gerstel, Germany) were thermo desorbed and the analyte cryo trapped in the cold injection inlet prior to gas chromatographic analysis with mass selective detection. The extraction parameters were found to be optimized with a sample volume of 10 ml, addition of 0,2 g potassium carbonate to achieve the required pH, 500 µl acetic acid anhydride for derivatization and stirring at room temperature for 60 min with 1 500 rpm.

    Results:

    The use of labeled bisphenol A as internal standard enabled the determination of bisphenol A from 4,6 ng/l to 150 ng/l. The limit of detection was calculated with 3,1 ng/l, the limit of quantification was found to be 4,6 ng/l. The measured drinking water samples contained bisphenol A up to a concentration of 34,7 ng/l.

    Conclusions:

    Compared to the tolerable daily intake (TDI) of 50 µg/kg body weight the bisphenol A contents were far below the acceptable concentrations in all tested samples. Thus, adverse health effects for consumers are unlikely to appear.

     

    1. Einleitung

    1.1 Trinkwassererzeugung an Bord

    Die Schiffe und Boote der Deutschen Marine sind einer zunehmenden Einsatzbelastung ausgesetzt. Das benötigte Trinkwasser muss - nicht immer unter optimalen Bedingungen - im Gastland übernommen oder aus Meerwasser aufbereitet werden. Dabei ist zu beachten, dass die Versorgung mit Trinkwasser gewährleistet werden soll, welches in vollem Umfang die Anforderungen der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, Trinkwasserverordnung, TrinkwV, erfüllt [1.]. Meerwasser wird hierbei mithilfe der Umkehrosmosetechnik aufbereitet. In den verwendeten Anlagen befinden sich Membranen aus Polycarbonat, die unter hohem Druck über einen langen Zeitraum zur Entsalzung und Entkeimung von Meerwasser genutzt werden. Die Polycarbonatfilterscheiben (Abb 1) werden unter Verwendung von Bisphenol A als Monomer gefertigt, welches durch die Herstellung bedingt noch in geringen Mengen im Kunststoff vorhanden ist und auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung in das produzierte Trinkwasser übergehen kann.

    1.2 Bisphenol A - Anwendung und Eigenschaften

    Bisphenol A (Abb 2) wird als Grundsubstanz der Kunststoffherstellung für die Synthese von Polycarbonaten und Epoxidharzen in großem Umfang produziert und verbraucht. 2005 lag die geschätzte Weltjahresproduktion bei über zwei Millionen Tonnen [2]. Wegen der vielseitigen Anwendung (Getränkeflaschen, CDs, Photopapiere, Autoscheinwerfer, Doseninnenlacke, Babyflaschen etc.) findet sich dieser toxikologisch bedenkliche Stoff durch Abwassereintrag in die Umwelt und Migration aus Lebensmittelverpackungen in steigendem Maße auch in der Nahrung.

    Viele Untersuchungen bestätigen die Einordnung von Bisphenol A als hormonell wirksame Substanz (endocrine disrupting chemical, EDC) mit östrogenartigen Wirkungen. In vitro wurde eine Affinität zum Östrogenrezeptor (10-3 bis 10-5 fach geringer als Estradiol) festgestellt; in vivo war die Proliferation östrogensensitiver Zelllinien unter Bisphenol A-Zugabe nachweisbar. Zu den durch hormonelle Mechanismen verursachten Gesundheitsschäden bei wildlebenden Tieren zählen Fehlfunktionen der Schilddrüse, verminderte Fruchtbarkeit, verringerter Bruterfolg, Missbildungen von Organen und Körperteilen, Störungen des Stoffwechsels und des Verhaltens, Verweiblichung von Männchen und Vermännlichung von Weibchen, Verschiebung des Geschlechterverhältnisses und Schwächung des Immunsystems [2.]. Die Gehalte an Bisphenol A in Oberflächengewässern betragen durch den Abwassereintrag bis zu 10 µg/l, in Trinkwässern ist eine Grundbelastung von bis zu 2 ng/l messbar [2].

    1.3 Aufbereitung des Meerwassers zu Trinkwasser

    Bei der Aufbereitung durch Umkehrosmose wird das angesaugte Meerwasser über einen Vorfilter von Schwebstoffen gereinigt und dann mit einem Druck von 60 bar durch ein Scheibenmodul aus 126 bis 256 semipermeablen Polycarbonatfilterscheiben gepresst. Ein Drittel des verwendeten Wassers wird als entsalztes und keimfreies Permeat gewonnen, der Rest (Sole) wird verworfen. Das Permeat ist schwach sauer (pH 6,5 - 7,0), hat eine geringe Leitfähigkeit und ist sehr klar. Da es wegen seiner Salzarmut korrosive Eigenschaften besitzt, wird das Permeat anschließend durch Kohlendioxidbegasung, Filtration über Marmorsplitt (Calciumcarbonat) oder Juraperle (Magnesiumoxid / Calciumcarbonat) aufbereitet. Durch die damit erfolgte Aufhärtung verliert das Wasser sein korrosives Potenzial und seinen typischen faden Geschmack und kann als Trinkwasser in das Bordleitungsnetz oder in die Frischwasserzellen zur Lagerung eingespeist werden.

    1.4 Ziel der Untersuchungen

    Über das Migrationsverhalten von Bisphenol A aus Polycarbonatmembranen unter den speziellen Betriebsbedingungen der Umkehrosmose-Anlagen (hoher Druck, Salz- und pH-Gradient bezogen auf die beiden Seiten der Membran) lagen bislang keine Erkenntnisse vor. Es war daher Ziel unserer Untersuchungen, die Belastung von durch Umkehrosmose erzeugtem Trinkwasser mit Bisphenol A zu ermitteln und einen Beitrag zur Abschätzung einer möglichen Gefährdung der Soldatinnen und Soldaten bei längeren Aufenthalten auf See zu leisten.

    2. Methoden

    Die Untersuchungen erfolgten nach Anreicherung mittels Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE) und anschließender Thermodesorption unter Verwendung der Gaschromatographie mit massenselektiver Detektion (SBSE-TD-GC/MS). Das Verfahren beruht auf der Anreicherung des Analyten auf einem Magnetrührstäbchen, welches mit einer Sorptionsschicht aus Polydimethylsiloxan (PDMS) ummantelt ist. Als patentiertes Extraktionsmedium ist für die SBSE der Twister™ (Gerstel, Mülheim/Ruhr) kommerziell erhältlich (Abb 3).Der Twister™ wird dabei zur Probe in ein Extraktionsgefäß gegeben und dort unter definierten Bedingungen gerührt. Nach erfolgter Anreicherung des Analyten wird der Twister™ in einem Desorptionsrohr unter Nutzung eines speziellen Autosamplers in die Thermodesorptionseinheit überführt. Hier wird der Analyt durch Erhitzen in einem Inertgasstrom aus der PDMS-Schicht herausgelöst und in den Gaschromatographen überspült.

    2.1 Chemikalien und Reagenzien

    Für die Versuche wurden die Standards Bisphenol A und Bisphenol A-D8 (Cambridge Isotope Laboratories, Andover MA, USA) verwendet. Als Lösungsmittel dienten Acetonitril, n-Hexan und Methanol (Merck, Darmstadt); Kaliumcarbonat (Merck, Darmstadt) wurde zur pH-Regulierung, Acetanhydrid (Sigma-Aldrich, Seelze) als Derivatisierungsreagenz eingesetzt.

    2.2 Geräte

    Die Analysen wurden auf einem Gaschromatographen 6890N mit massenselektivem Detektor 5973N (Agilent Technologies, Waldbronn) durchgeführt. Das System war mit stickstoffgekühltem Kaltaufgabesystem KAS4, Thermodesorptionsautosampler TDSA2 und Thermodesorptionseinheit TDS (Gerstel, Mülheim/ Ruhr) ausgestattet. Weiterhin wurden der Tube Conditioner TC, der Twister-Stirrer TS1 und Twister™ (10 x 0,5 mm) derselben Firma für die SBSE verwendet.

    2.3 Aufarbeitung

    10 ml einer Wasserprobe wurden in einem Extraktionsvial mit dem Internen Standard Bisphenol A-D8 (c = 100 ng/l) dotiert. Nach Zugabe von 0,2 g Kaliumcarbonat und 500 µl Acetanhydrid wurde der Twister™ hinzugefügt, das Gefäß verschlossen und 60 Minuten bei Raumtemperatur und 1 500 Umdrehungen pro Minute extrahiert. Die Zugabe von Acetanhydrid im alkalischen Milieu dient zur Acetylierung der beiden phenolischen Hydroxylgruppen des Bisphenol A. Dies führt zur Optimierung des chromatographischen Verhaltens und zu einer erhöhten Empfindlichkeit der Messung. Um hohe Blindwerte zu vermeiden, ist auf eine hohe Reinheit der Chemikalien und Sauberkeit der Geräte zu achten. Alle Glasgeräte wurden vor der Analytik dreifach mit n-Hexan vorgespült und getrocknet. Die Twister™ wurden nach der Analyse im Stickstoffstrom bei 300 °C für 60 Minuten ausgeheizt; nach zehnmaligem Gebrauch wurden sie in einem Gemisch aus Acetonitril und Methanol (80/20; v/v) für zwei Stunden ausgerührt und wie oben beschrieben thermisch behandelt. Auch die Desorptionsröhrchen wurden nach jedem Gebrauch bei 300 °C für 60 Minuten ausgeheizt.

    2.4 Messung

    Das acetylierte Bisphenol A vom Twister™ wurde im Thermodesorptionssystem unter Verwendung von Helium als Inertgas bei einer konstanten Flussrate von 50 ml/min und einem Abblasdruck von 68 kPa desorbiert. Von der Anfangstemperatur (40 °C) wurde mit einer Rate von 60 °C/min bis zur Endtemperatur von 250 °C aufgeheizt und diese Temperatur für zehn Minuten gehalten. Der Transfer in das Kaltaufgabesystem erfolgte bei 300 °C im Splitless-Modus. Das Kaltaufgabesystem wurde zur Kryofokussierung der Analyten auf -5 °C gekühlt, zur anschließenden Freisetzung mit einer Rate von 12 °C/s auf 300 °C aufgeheizt und bei dieser Temperatur drei Minuten gehalten.

    Die chromatographische Trennung erfolgte mit Helium als Trägergas mit konstantem Druck von 67,5 kPa bei einer Anfangstemperatur von 70 °C. Der Säulenofen wurde mit 25 °C/min auf 200 °C aufgeheizt und bei dieser Temperatur für drei Minuten gehalten. Anschließend erfolgte mit 3 °C/min eine langsamere Erhöhung der Ofentemperatur auf 240 °C. Zum Ausheizen des Systems wurde der Ofen abschließend mit 35 °C/min auf 280 °C geheizt und bei dieser Temperatur für acht Minuten gehalten. Die Gesamtzeit für eine Untersuchung betrug damit knapp 31 Minuten. Die massenselektive Detektion wurde nach einer Verzögerung zur Ausblendung des Lösungsmittelsignals von fünf Minuten aufgenommen. Die Ionenquelle wurde bei 250 °C und der Quadrupol mit 150 °C betrieben, die Transfer Line zum Detektor hingegen auf 280 °C geheizt (EI-MS, 70 eV). Abb. 4 gibt das Chromatogramm einer Bisphenol A-haltigen Permeatprobe mit internem Standard Bisphenol A-D8 wieder.

    In Vorversuchen wurden die Massenspektren des acetylierten Bisphenol A (Abb 5) sowie des acetylierten internen Standards Bisphenol A-D8 aufgezeichnet. Aus diesen Spektren wurden die Massen zur Identifizierung und Quantifizierung ausgewählt (Tab 1). Die Messzeit pro Massenfragment wurde auf 100 ms festgelegt.

    2.5 Verfahrenskenndaten

    Es wurde eine Kalibration über sechs Konzentrationsstufen durchgeführt und über den internen Standard ausgewertet. Dazu wurden je 10 ml Wasser mit einer entsprechenden Menge Bisphenol A dotiert und nach Zusatz von Bisphenol A-D8 (c = 100 ng/l) nach der beschriebenen Vorgehensweise extrahiert und derivatisiert. Im untersuchten Konzentrationsbereich lag eine lineare Kalibrierfunktion vor. Die statistischen Verfahrenskenndaten sind in Tab 2 zusammengefasst. Die Nachweis- und Bestimmungsgrenzen wurden nach dem 3-Sigma-Blind Konzept [3.] ermittelt. Bei einem Blindwert von 2,5 ng/l wurden die Nachweisgrenze mit 3,1 ng/l sowie die Bestimmungsgrenze mit 4,6 ng/l berechnet. Über den kalibrierten Konzentrationsbereich hinweg lag die relative Standardabweichung zwischen 0,3 % und 3,1 %.

    3. Ergebnisse

    Nach der Entwicklung und Validierung der für die geplanten Untersuchungen nötigen Methode wurden im Zeitraum von Ende Juni 2009 bis Anfang September 2009 von der Laborgruppe Trinkwasser-/Ökochemie der Abteilung III des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) Kiel sieben Beprobungen von Frischwassererzeugern auf schwimmenden Einheiten vorgenommen. Dabei wurden elf Permeatproben und drei Meerwasserproben (M) gezogen (Tab 3). In Permeatproben mit nachweisbaren Bisphenol A-Konzentrationen erreichte der Gehalt Werte bis zu 34,7 ng/l. Die Meerwasserproben wiesen keine nennenswerten Gehalte an Bisphenol A auf; nur in einem Fall wurde die Bestimmungsgrenze geringfügig überschritten.

    4. Diskussion

    Für den Nachweis von Bisphenol A in Trinkwasser wurde am ZInstSanBw Kiel ein Analysenverfahren entwickelt und validiert, welches den zuverlässigen Nachweis und die Quantifizierung von Bisphenol A ermöglicht. Mit den ermittelten Verfahrenskenndaten werden alle relevanten Vorgaben zur spurenanalytischen Bestimmung von Kontaminanten erfüllt. Mit diesem Verfahren wurden von verschiedenen schwimmenden Einheiten der Deutschen Marine Permeatproben aus unterschiedlich dimensionierten Umkehrosmoseanlagen untersucht, um den Übergang des Kunststoffmonomers Bisphenol A aus den Scheibenmodulen unter den besonderen Bedingungen der Umkehrosmose (s. 1.3) zu ermitteln und um die Qualität des produzierten Trinkwassers für den menschlichen Gebrauch zu überprüfen. Zum Nachweis der Herkunft aus der Aufbereitung wurde auch das eingesetzte Meerwasser auf seinen Gehalt an Bisphenol A überprüft.

    Durch die Ermittlung eines Gehalts von bis zu 34,7 ng/l im Permeat, das zuvor aus nahezu unbelastetem Meerwasser gewonnen wurde, ließ sich der Übergang von Bisphenol A aus den Umkehrosmoseanlagen nachweisen. Es blieb daher, die gesundheitliche Relevanz der nachgewiesenen Konzentrationen zu bewerten. Der aktuell empfohlene Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahme (TDI) der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) für Bisphenol A liegt bei 50 µg je kg Körpergewicht pro Tag [4.]. Für einen 70 kg schweren Erwachsenen mit einem hohen, aber unter Einsatzbedingungen in heißen Klimazonen realistischen, Trinkwasserverbrauch von drei bis acht Litern am Tag, dürfte das Wasser zur Ausschöpfung des TDI einen Gehalt von etwa 0,5 bis 1,2 mg/l aufweisen, wenn es als einzige Quelle für die tägliche Aufnahme von Bisphenol A angesehen wird. Unter Betrachtung des maximalen Gehalts von 34,7 ng/l war daher keine der untersuchten Permeatproben bedenklich. Der TDI von 50 µg/kg Körpergewicht und Tag ist jedoch umstritten und wird nach Myers et al. kritisch betrachtet [5.].

    So scheinen die zu Grunde gelegten Studien zwar formal richtig konzipiert und durchgeführt zu sein, doch die Auswahl der Methoden und deren Ergebnisse entsprechen laut den Kritikern nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft bezüglich dieser Fragestellung. Dadurch wurde von der EFSA ein höherer Wert festgelegt, als viele andere "low dose effect-Studien" es implizieren [5]. Auch wenn in der Literatur keine konkreten Vorschläge für einen niedrigeren TDI genannt werden, so könnte man aufgrund von Effekten, die bei 1 000- fach niedrigeren Konzentrationen als in diesen Studien beschrieben sind, den TDI bei 50 ng/kg KG festlegen und würde mit den hier ermittelten Gehalten selbst diesen Wert nicht erreichen.

    5. Schlussfolgerungen

    Für die untersuchten Frischwassererzeuger zeigen die Analysenergebnisse, dass Bisphenol A aus den Polycarbonatfilterscheiben bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht in toxikologisch relevanten Mengen in das Permeat übergeht. Ein nennenswerter Einfluss auf die Belastung der Verbraucher mit Bisphenol A ist aus dieser Quelle daher nicht zu erkennen. Da im Untersuchungszeitraum keine Proben von neu installierten Umkehrosmoseanlagen gezogen werden konnten, war eine Beurteilung der Migration von Bisphenol A aus fabrikneuen Membranen nicht möglich. Dies bleibt ein Ziel für zukünftige Untersuchungen.

    Literatur:

    1. Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) vom 21. Mai 2001 (BGBl. I S. 959) zuletzt geänd. durch Art. 363 Neunte ZuständigkeitsanpassungsV v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407).
    2. Gehring M: Verhalten der endokrin wirksamen Substanz Bisphenol A bei der kommunalen Abwasserentsorgung. Dissertation. Dresden. Universität 2004.
    3.  Fleming J, Albus H, Neidhart B, Wegscheider W: Glossary of analytical terms (VII). Accred Qual Assur 1997; 2: 51-52
    4. EFSA. Opinion of the Scientific Panel on Food Additives, Flavourings, Processing Aids and Materials in Contact with Food on a request from the Commission related to Bisphenol A. The EFSA Journal 2006; 428: 1-75.
    5.  Myers JP, vom Saal FS, Akingbemi BT et al.: Why public health agencies cannot depend on GLP as a criterion for selecting data: the case of Bisphenol A. Environmental Health Perspectives 2009; 117: 309- 315

    Datum: 31.10.2010

    Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2010/10

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