18.10.2010 •

STABLE ISOTOPE PEPTIDE MASS SPECTROMETRY - EIN NEUES IN-VITRO-TESTVERFAHREN ZU NACHWEIS VON BOTULINUMTOXIN A

Aus der Abteilung Wehrpharmazie und Inspizient Wehrpharmazie der Bundeswehr (Abtltr und InspizWehrPharmBw: Generalapotheker Dr. G. Bleimüller) des Sanitätsamtes der Bundeswehr (Amtschef: Generalstabsarzt Dr. H.-J. Dick) und dem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München (Leiter: Oberstapotheker K. Schad)



von Bernd Klaubert, Nada Vujtovic-Ockenga, Heinrich Tomförde und Klaus Schad

Zusammenfassung:

Hintergrund:

Die Botulinumtoxine (Btx) zählen zu den stärksten bekannten Giften und stehen auch mehr als hundert Jahre nach der ersten Isolation von Clostridium botulinum noch im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses. Von den sieben bekannten Botulinumtoxinen nimmt Btx A eine besondere Stellung ein und steht deshalb im Fokus unserer wehrmedizinischen Forschung.

Der Nachweis der Clostridientoxine in komplexen Matrizes ist nach wie vor eine Herausforderung. Als Goldstandard zur Bestimmung der Aktivität steht als einzig zugelassenes Testverfahren der Mäuse- Bioassay zur Verfügung. Dieser ist jedoch zeitaufwendig, liefert nicht immer eindeutige Ergebnisse und ist aus Tierschutzgründen umstritten.

Methoden:
Der vorliegende Artikel berichtet über die Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry (SIPMS), ein neues Testverfahren zum massenspektrometrischen Nachweis der Aktivität von Btx A, das auf der enzymatischen Spaltung eines 13C/15N markierten Oligopeptides basiert.

Ergebnisse:
Das Testverfahren wurde nach Optimierung der Reaktionsbedingungen validiert und automatisiert. Mittels Standardaddition konnte die Aktivität von Btx A in einer Konzentration von 7 Mauseinheiten bzw. 0,4 ng/100 µl Reaktionsansatz bestimmt werden.

Schlussfolgerungen:
Die kinetischen Experimente haben gezeigt, dass die SIPMS einen vielversprechenden Ansatz zum Aktivitätsnachweis von Btx A darstellt. In weiteren Studien ist geplant, das Testverfahren zum Nachweis von Btx A in klinischen Speichel- und Urinproben einzusetzen, da diese Matrizes aus wehrmedizinischer Sicht von besonderer Bedeutung sind.

Summary Background:
The botulinum toxins (Btx) belong to the most known toxic substances. More than hundred years after their first isolation from Clostridium botulinum they are still of scientific interest. From the seven known botulinum toxins, Btx A takes an outstanding position, and is therefore in the focus of our military medical research project. The detection of the clostridial toxins in complex matrices still remains a challenge. As gold standard for the determination of the activity, the only officially approved test is still the mouse bioassay. However, the test is time consuming, produces not always clear results and is critical in the light of animal protection.

Methods: 
The following article reports about the Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry (SIPMS), a novel test procedure for the mass spectrometric detection of the activity of Btx A, which is based on the enzymatic cleavage of a 13C-/15N-labeled oligopeptide.

Results:
The test procedure has been validated and automated after optimization of the reaction conditions. Via standard addition, the activity of Btx A could be detected in a concentration of 7 mouse units and 0.4 ng/100 µl respectively.

Conclusion:
The kinetic experiments have shown that SIPMS is a promising approach for the detection of Btx A. In additional studies it is planed to use the test procedure for the detection of Btx A in clinical saliva and urine samples, because these matrices are of outstanding interest from the military medical point of view.

1. Einleitung

Das Krankheitsbild des Botulismus wurde im Jahr 1822 erstmals durch Justinus Kerner beschrieben, der aufgrund des Zusammenhangs mit dem Verzehr von Wurst der Erkrankung den Namen Botulismus (Wurstvergiftung) gab [1]. Im Jahr 1895, 73 Jahre später, gelang es dem belgischen Mikrobiologen Emile P. van Ermengem den Erreger in Lebensmitteln und postmortalem Gewebe nachzuweisen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde begonnen, die Botulinumtoxine militärisch als Kampfstoff zu nutzen. In Großbritannien wurde 1916 in Porton Down, Wiltshire die erste Einrichtung zur Erforschung von Chemiewaffen in Betrieb genommen. Hierbei wurden u. a. auch die Btx als potenzielle Kampfstoffe betrachtet [2]. Im Jahr 1930 haben diese Toxine dann erstmals traurige Bedeutung erlangt, da die japanische Einheit 731 in der Mandschurei Gefangene mit Btx vergiftete [3].

Während des zweiten Weltkrieges wurden im Zuge des amerikanischen B-Waffenprogramms Btx als biologische (B-) Kampfstoffe produziert und intensiv in Fort Detrick u. a. durch Schantz erforscht [2]. Nachdem der Einsatz biologischer Waffen bereits 1925 durch das Genfer Protokoll völkerrechtlich geächtet war, sind auch deren Entwicklung, Herstellung und Lagerung durch das B-WaffenÜbereinkommen von 1972 verboten, das nahezu alle Staaten der Welt unterzeichnet haben [4]. Dennoch wurden in der Sowjetunion und im Irak die Forschungen fortgesetzt, wobei russischen Wissenschaftlern die Übertragung des Btx-Gens in andere Bakterien gelang [3].

Aus militärischer Sicht erlangten die Botulinumtoxine nach dem Ende des ersten Golfkrieges im Jahr 1991 nochmals an Bedeutung. Die UN-Inspektoren im Irak wurden über einen Bestand von ca. 19 000 l konzentriertem Botulinumtoxin informiert. Nach den Anschlägen im September 2001 auf das World Trade Center wurde weltweit begonnen, neue Analyseverfahren und Nachweismethoden zu etablieren. Dabei nahm insbesondere die Massenspektrometrie eine wichtige Rolle ein [5, 6, 7]. Der Nachweis der von Clostridium (C.) botulinum produzierten Toxine steht in Lebensmitteln auch heute noch im Mittelpunkt der Forschungen. Da es nach wie vor bei der Lebensmittelproduktion zu Kontaminationen mit C. botulinum und entsprechenden Warnmeldungen im Rapid Alert System for Food and Feed kommt - für das Jahr 2010 wurden bis 31. Juli drei Warnmeldungen veröffentlicht - werden sensitive und v. a. schnelle Untersuchungsverfahren benötigt.

Zur Bestimmung der Toxinaktivität steht in der amtlichen Sammlung von Untersuchungsverfahren als einziges Testverfahren der Mäuse-Bioassay nach DIN 10102 zur Verfügung [8]. Dieser ist jedoch aufwändig, kann bis zu sechs Tagen dauern und liefert nicht immer eindeutige Ergebnisse. Seit der Zulassung von Btx A-haltigen Arzneimitteln wie Botox®, Dysport® und Xeomin® und aufgrund deren steigenden Bedeutung in der Behandlung von Spasmen/Spastiken in der Urologie, in der Neurologie aber auch bei kosmetischen Behandlungen wird intensiv nach alternativen Testmethoden gesucht.

Aufgrund der extrem hohen Toxizität der Btx-Produkte (LD50 von 0,70 - 0,90 µg/kg Körpergewicht, d. h. 49 bis 63 µg sind für einen 70 kg schweren Erwachsenen tödlich), verlangen die Zulassungsbehörden in Deutschland, der EU und den USA genaue Aktivitätsbestimmungen jeder Produktionseinheit, sodass hierfür unzählige Tiere ihr Leben lassen müssen. Aufgrund der hier dargestellten Bedeutung sensitiver Nachweisverfahren für die Analytik von Btx A in Lebensmitteln, in Arzneimitteln sowie in humanem Gewebe haben auch wir unsere Ressortforschung auf die Etablierung eines Aktivitätstest ausgerichtet.

Struktur-Wirkungsbeziehung der Botulinumtoxine

Die Btx werden von C. botulinum, C. baratii und C. butyricum als Exotoxine gebildet und als hochmolekulare Proteine an das umgebende Milieu, wie zum Beispiel Aufgussflüssigkeit oder Kulturmedium, abgegeben. Die Toxine werden als "Einketten-Polypetid" mit einem Molekulargewicht von ca. 150 kDa vom Bakterium gebildet. Nach proteolytischer Spaltung und erneuter Vernetzung der dabei gebildeten leichten Kette (LC) von 50 kDa und der schweren Kette (HC) von 100 kDa über eine Disulfidbrücke wird ein "Zweiketten-Polypetid", die aktive Form der Btx, gebildet (Abb 1).

Die Botulinumtoxine werden anschließend vom Bakterium als Multiproteinkomplex mit Molekularmassen zwischen 300 kDa und 900 kDa an das umgebende Medium abgegeben. Die Neurotoxin-assoziierten Begleitproteine (NAP) des Multiproteinkomplexes sorgen für die enorme pH- bzw. Proteolysestabilität und sind für die Magensaftresistenz bei oraler Aufnahme verantwortlich [9,10]. Darüber hinaus können NAP zur Charakterisierung der Btx herangezogen werden und sind für den massenspektrometischen Nachweis des Toxins nutzbar. Für das aktive Prinzip der Toxine haben sie jedoch keine Bedeutung, da sie bereits bei der Resorption aus dem Darm abgespalten werden.

Wie bereits dargestellt, passieren die Multienzymkomplexe unverändert den Magen. Die Aufnahme der Btx in den Körper erfolgt durch Transzytose bzw. rezeptorvermittelte Endozytose unter Abspaltung der NAP im Darm. Anschließend werden die 150 kDa-Toxine über den Lymph- bzw. den Blutkreislauf verteilt, ohne die Blut-Hirnschranke zu überwinden [11]. Ziel der Neurotoxine sind die peripheren cholinergen Nervenzellen, wie zum Beispiel die neuromuskuläre Endplatte. Nach erneuter Endozytose kommt es zur Ausbildung eines "Toxin-Vesikels", bei dem die in das Zytosol ragende kleine Untereinheit (LC) das aktive Prinzip der Toxine darstellt. Die leichte Kette wirkt als zinkabhängige Protease und spaltet hochselektiv amidische Bindungen des SNARE-Komplexes (soluble N-ethylmaleimide- sensitive-factor attachment receptor) (Abb 2).

Die Spaltung dieses Komplexes verhindert die Acetylcholinausschüttung in den synaptischen Spalt und führt in der Folge zu einer Muskellähmung. Btx A spaltet dabei zwischen den Aminosäuren 197 und 198 des aus 203 Aminosäuren bestehenden SNAP-25 (synaptosomal-associated protein, Molekulargewicht 25 kDa) [12] (Abb 3). Aus den enzymatischen Eigenschaften der 50 kDa-Einheit leitet sich einerseits die hohe Toxizität der Btx ab (s.o.) und anderseits kann dieses Wirkprinzip zum Aufbau eines In-vitro-Testverfahrens genutzt werden. Im Folgenden wird erstmals über die Entwicklung, Optimierung und Validierung der Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry (SIPMS), eines neuen Ansatzes für den massenspektrometrischen Nachweis von Btx A, sowie deren wehrmedizinische Relevanz berichtet.

2. Methoden

2.1 Chemikalien und Reagenzien
Botulinumtoxin A wurde von der Firma Metabiologics Inc. (Madison, Wisconsin, USA) in einer Konzentration von 1 mg/ml und einer Aktivität von 3,5 x 107 Mauseinheiten pro mg bezogen. Das 13C bzw. 15N markierte Substrat des In-vitro-Testsystems, das wir "SIPMStide" nennen wollen, wurde sowohl von Sigma- Aldrich (München, Deutschland) in einer Konzentration von 10 µg/ml als auch von der Firma Genaxxon Bioscience (Ulm, Deutschland) synthetisiert. Dithiothreithol (DTT, > 99 %) zur Spaltung von Disulfidbrücken, Trizmahydrochlorid (> 99 %) und Trizmabase (> 99%) zur Herstellung der Puffer sowie Bovines Serumalbumin (BSA, kristallines Pulver für die Biochemie) und Ammoniumformiat (pro analysis) wurden ebenfalls von Sigma-Aldrich geliefert. Ameisensäure und Zinkchlorid (ZnCl2) wurden von Fluka (München, Deutschland) bezogen. Acetonitril (Ultra-Gradient Grade) für die Hochdruckflüssigchromatographie-Massenspektrometrie (HPLC-MS bzw. LC-MS) sowie Isopropanol und Methanol wurden von VWR (Ismaning, Deutschland) geliefert. a-Cyano-4- hydroxy-zimtsäure-Lösung (HCCA) 6 mg/ml wurde von Agilent (Waldbronn, Deutschland) beschafft. Hochreines Wasser für die Analytik und HPLC-MS wurde in einem Milli-Q Gradient- System (Millipore Corporation, Billerica, USA) arbeitstäglich frisch hergestellt. Die Vials für den Autosampler wurden von Agilent bezogen und „low-bind Cups“ von der Firma Eppendorf (Wesseling-Berzdorf, Deutschland).

2.2 Chromatographische Bedingungen und Massenspektrometrie
Alle analytischen Untersuchungen wurden mit einem LC-MS-System der Firma Agilent (Waldbronn, Germany) durchgeführt. Das System basiert auf einem Agilent 1100 HPLC-System und einem Ion- Trap-Massenspektrometer XCT Ultra; die Ionisierung erfolgte mittels Elektrospraytechnik. Das HPLC-System war mit einer HPLC-Säule der Firma Agilent vom Typ Zorbax ® 300 Extend-C18 (2.1 x 150 mm, 3.5 µm) ausgestattet. Für die Chromatographie wurde ein Gradient aus Wasser mit 0,1 % Ameisensäure (Eluent A1) und Acetonitril mit 0,1 %-iger Ameisensäure (Eluent B1) mit folgendem Gradientenprogramm bei einem konstanten Fluss von 0,1 ml/min benutzt: 5 % B1 für 1 min, lineare Erhöhung von 5 % auf 65 % B1 in 31 min, lineare Erhöhung auf 90 % B1 in 4 min, isokratischer Fluss für 1 min und Rückkehr zu den Ausgangsbedingungen in 5 min. Die Gesamtlaufzeit betrug 45 min.

2.3 Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry
Die Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry (SIPMS) wurde am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München entwickelt und basiert auf der enzymatischen Spaltung eines isotopenmarkierten Oligopeptides. Grundlage des Verfahrens sind Arbeiten von Schmidt und Stafford aus dem United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases, Fort Detrick [12], die 2003 ein In-vitro- Testverfahren auf Basis fluoreszenzmarkierter Oligopeptide aus dem SNAP-25 als Substrat für ein enzymatisches Testverfahren beschrieben. Eine Fortsetzung der Arbeiten erfolgte durch Barr und Boyer im Jahr 2005 [13, 14] unter Nutzung der Massenspektrometrie. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Forschungsarbeiten haben wir unser Testsystem aufgebaut, jedoch erstmals isotopenmarkierte Oligopeptide eingesetzt. Die aufwendigen Synthesen erfolgten durch die Firma Sigma-Aldrich bzw. Genaxxon, die sowohl 13C- als auch 13C- und 15N-markierte Substrate synthetisierten. Das Substrat (SIPMStide) für das Testverfahren, ein Oligopeptid aus dem SNAP-25 wird dabei durch Btx A in zwei Bruchstücke gespalten. Aufgrund der Isotopenmarkierung können die Spaltbruchstücke eindeutig massenspektrometrisch detektiert und von Spaltprodukten aus humanem Gewebe eindeutig unterschieden werden. Dazu werden in einem low-bind Cup 90 µl Reaktionspuffer, der aus 0,05 mol/l TRIS-Puffer pH 7,3, 20 mmol ZnCl2 und 50 mmol DTT besteht, vorgelegt. Zur Minimierung von Toxinverlusten durch Adsorptionseffekte an Oberflächen hat sich der Zusatz von 1 mg/ml BSA zum Puffer bewährt. Zum Zweck der Optimierung wurden darüber hinaus 0,1 bis 1 % des Emulgators Tween 20 zugesetzt, um die Proteine in Lösung zu halten. Der Reaktionsansatz wurde anschließend bei 37 °C inkubiert. Nach definierten Zeitabständen t1 = 0 min, t2 = 30 min, t3 = 60 min, usw. wurde ein Aliquot von 1 – 5 µl entnommen und massenspektrometrisch untersucht. In der Entwicklungsphase wurde neben der LC-MSUntersuchung auch die Matrix Assisted Laser Desorption/Ionisation Massenspektrometrie (MALDI-MS) zur Charakterisierung der beiden Spaltprodukte genutzt.

3. Ergebnisse 

Btx A ist eine hoch spezifische Protease, die zur Spaltung von SNAP-25, eines essentiellen Proteins des SNAREKomplexes, führt. Auf diesem Prinzip wurde ein In-vitro-Testverfahren zum Nachweis der Aktivität von Btx A aufgebaut. Ziel der Arbeiten war es dabei, alternative Wege zur derzeitigen Methode aufzuzeigen. Im Zuge der Entwicklung eines validen Testverfahrens galt es zunächst, das eingesetzte isotopenmarkierte Substrat massenspektrometrisch zu charakterisieren. Nur durch die Kenntnis der Responsefaktoren des Oligopeptids im Massenspektrometer sowie der Nachweisgrenze (NG) bei der LC-MSAnalyse können für den aktiven Test valide Ergebnisse erzielt werden. Die Abbildung 4 gibt die Kalibriergeraden des SIPMStide einmal ohne und einmal nach Zusatz von BSA wieder.

Im Massenspektrometer wurde dabei das vierfach geladene Molekülion [M+H]4+ der Masse m/z 509 detektiert. Aus der Kalibriergeraden wurde eine Nachweisgrenze von 2 pmol pro 100 µl Ansatz ermittelt. Dabei hat der Zusatz von BSA keinen signifikanten Vorteil für die LC-MS-Analyse. In einem zweiten Schritt wurde des Weiteren die Nachweisgrenze des 13C-markierten Spaltbruchstückes des SIPMStide’s der Masse m/z 653 bestimmt. Hierbei wurden identische Nachweisgrenzen erzielt und die Stabilität des Oligopeptids im Testansatz bestätigt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass das 13C markierte Spaltprodukt des SIPMStide einen idealen internen Standard (ISTD) für den zukünftigen Routineeinsatz darstellt, soweit die Aktivität von Btx A mittels Standardaddition bestimmt wird.

In der zweiten Phase der Methodenentwicklung sollte, auf den Ergebnissen von Boyer und Barr basierend, der Aktivitätstest etabliert werden [13, 14]. Die in der Literatur vorhandenen Ergebnisse konnten dabei jedoch nicht ohne eigene Entwicklungsarbeiten umgesetzt werden. Nach systematischer Untersuchung von Reaktionstemperatur, pHWert, Reaktionsvolumen, Einfluss von BSA und Zinkchlorid gelang es jedoch, das Testverfahren vollständig zu automatisieren und zu validieren. Die Abbildung 5 zeigt die Umsetzung unseres Substrates mit Btx A in einer Konzentration von 1 µg/100 µl Ansatz. Die Reaktionstemperatur im Autosampler des LC-MS Systems war auf 40 °C eingestellt, so dass im Vial ca. 35 - 37 °C erreicht werden konnten. Die hohe Enzymkonzentration führte nach 240 min zu einem vollständigen Abbau des Substrates. Somit wurde die grundsätzliche Eignung des Testverfahrens bewiesen und die erzielten Ergebnisse stehen auch im Einklang mit der zugehörigen Enzymkinetik.

In weiteren Versuchen wurde das Testverfahren optimiert, um die Botulinumtoxine in einer Konzentration < 10 Mauseinheiten nachweisen zu können. Zur Herstellung einer Korrelation zwischen Mauseinheiten und Konzentrationsangaben in µg wurde Btx A der Firma Metabiologics als Standardtoxin eingesetzt. Nachdem in der Literatur bis heute kein Umrechnungsfaktor von Mauseinheiten in Masseneinheiten (µg) angegeben wird, sollten unsere Ergebnisse auch hierzu einen Beitrag leisten. Zur Bestimmung der experimentellen Nachweisgrenze wurde der Btx AStandard, der mit einer Aktivität von 3,5 x 107 LD50-Einheiten bzw. Units (U) pro mg geliefert wurde, systematisch verdünnt. Darüber hinaus wurde der Einfluss von BSA und Tween 20 auf die Empfindlichkeit des Nachweisverfahrens über einen Zeitraum von 10 h getestet. Dabei konnten wir zeigen, dass die Signalfläche des im Massenspektrometer detektierten Spaltprodukts durch Zusatz von BSA und Tween um den Faktor vier gesteigert werden kann.

Das Pipettierschema für einen Standardreaktionsansatz kann aus Tabelle 1 entnommen werden. Bevor die Reaktion gestartet werden kann, hat es sich als Vorteil erwiesen, den Reaktionspuffer 30 bis 60 min im Vial zu equilibrieren und das jeweilige Targetpeptid als internen Standard zuzusetzen. Nachdem der Reaktionsansatz unterschiedliche Proteine enthält, werden im Massenspektrometer komplexe LC-MS-Chromatogramme erhalten. Um die Robustheit des Verfahrens zu erhöhen und damit Einflüsse durch Matrixproteine zu minimieren, wird jedem Ansatz zum Zeitpunkt t0 das isotopenmarkierte Targetpeptid zugesetzt. Es dient sowohl als Retentionszeitmarker als auch als Basissignal, das im Laufe der Reaktionszeit durch die Spaltung des SIPMStide ansteigt. Über das Verfahren der Standardaddition konnte die Aktivität von Btx A bis zu einer Konzentration von sieben Units bzw. 0,4 ng in 100 µl Reaktionsansatz sicher bestimmt werden. Abb 6 zeigt das Chromatogramm von drei LC-MS Untersuchungen nach 1 h, 3 h und 8 h. Dabei ist sowohl der Anstieg des gesuchten Spaltbruchstücks bei Rt = 5,0 min als auch der Abfall des Peaks bei Rt = 22,3 min (SIPMStide) zu erkennen.

4. Diskussion

Btx A ist ein potenzieller biologischer Kampfstoff, der auch für terroristische Anschläge in Frage kommen kann. Bei den meisten durch C. botulinum ausgelösten Intoxikationen findet sich in Lebensmitteln am häufigsten Btx A. Es wird seit mehreren Jahren erfolgreich u. a. zur Therapie der Cerebralparese, eingesetzt [15]. Darüber hinaus spielt Btx A eine große Rolle bei kosmetischen Behandlungen. Nachdem es im Jahr 2008 durch die Anwendung u. a. von Botox® und Botox Cosmetic® bei Patienten zu unerwünschten systemischen Wirkungen (u. a. Atembeschwerden) kam, wurden die Produkte durch die FDA unter besondere Beobachtung (boxed warning) in den USA gestellt [16]. Diese Befunde wurden auch durch die Untersuchungen von Caleo untermauert. Er hatte das Nervengift in die Schnurrhaarmuskeln von Ratten injiziert. Nach drei Tagen hatte sich das Toxin im ganzen Körper verteilt [17].

Das aktive toxische Prinzip der Botulinumtoxine ist gut untersucht, doch sind viele Fragen zur Verteilung und zum Nachweis von Btx A noch offen. Neben dem offiziell zugelassenen Mäuse- Bioassay gibt es immunologische Tests (ELISA), PCR-Techniken, fluoreszenzbasierte Bioassays und massenspektrometrische Verfahren [12, 13, 14, 18-22] zur Bestimmung von Btx A. Bisher ist es jedoch mit keinem Verfahren gelungen, den Mäusetest zu ersetzen. Insbesondere die heute häufig eingesetzten PCR-Techniken weisen nie das Toxin, sondern immer nur Bausteine des Bakteriums nach. Zu Beginn unserer Arbeiten hatten wir zunächst die Charakterisierung der Toxine mittels nano-LC-MS etabliert, um das Toxin in hoch proteinhaltigen Matrizes nachzuweisen [22]. Für die Entwicklung von Alternativverfahren zum langwierigen Mäuseversuch haben wir uns jedoch entschlossen, aktivitätsbasierte Bioassays zu verfolgen.

Mit der hier vorgestellten SIPMS-Technik, bei der wir gezielt isotopenmarkierte Oligopeptide aus dem SNAP-25 als Substrat einsetzen, ist der sichere Nachweis von < 10 Mauseinheiten des Toxins gelungen. Nach einer Reaktionszeit von 30 min kann das Spaltprodukt erstmals detektiert werden. Seine Konzentration steigt im Verlauf der enzymatischen Reaktion bis zu einem Maximum nach ca. 10 h an. Im Gegensatz zu den bisher publizierten Verfahren haben wir das erwartete Spaltprodukt des Substrates als isotopenmarkierten internen Standard eingesetzt, um für die Übertragung des Testsystems auf Lebensmittelextrakte bzw. Gewebeflüssigkeiten, Sputum und Urin eine Markersubstanz zur Verfügung zu haben. Das Verfahren stellt somit eine Fortentwicklung der von Boyer und Barr publizierten Methode dar [13, 14]. Im Zuge der weiteren Optimierung des Verfahrens gilt es jedoch, auf der einen Seite die Empfindlichkeit weiter zu verbessern, um Aktivitäten < 1 Mauseinheit sicher quantifizieren zu können und andererseits das Verfahren auf reale Proben zu übertragen.

5. Schlussfolgerungen 

Der Nachweis der Botulinumtoxine Toxine in Lebensmitteln, biologischem Material und sonstigen wehrmedizinisch relevanten Proben ist bis heute eine Herausforderung. Da Btx potenzielle B-Kampfstoffe sind, stehen sie aus wehrmedizinischer Sicht nach wie vor im Mittelpunkt des Interesses. Die hier vorgestellte Stable Isotope Peptide Mass Spectrometry für den Nachweis der Aktivität von Btx A auf der Basis isotopenmarkierter Olipopeptide aus dem SNAP-25 und Standardaddition kann dabei einen Beitrag zur Entwicklung alternativer Verfahren für den Mäusetest leisten.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Verfahren zum massenspektrometrischen Nachweis im Bereich < 10 Mauseinheiten in vitro geeignet ist. Nachdem Btx A insbesondere in der Behandlung der Cerebralparese eine wichtige Rolle spielt und nach wie vor die Mechanismen der Toxinwirkungen abseits der behandelten Muskeln ungeklärt sind, könnte auch hier der Einsatz isotopenmarkierter Peptide und Standardsubstanzen die Grundlage zur Entwicklung effektiver Nachweisverfahren bilden. Es ist deshalb geplant, das Testverfahren weiter zu optimieren und zur Untersuchung von klinischen Speichel- und Urinproben einzusetzen, da diese im Falle einer Btx-Intoxikation von besonderer wehrmedizinischer Bedeutung sind.

 

Literatur: 

  1.  Ergbuth FJ, Naumann M: Neurology 1999; 53: 1850 
  2. Fazili Z, Marsh H, Masood S, Kent G: J Urol. 2010; 183 (4): 436 
  3. Arnon SS, et al.: JAMA 2001; 285: 1059 
  4. Russmann H: Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch- Gesundheitsschutz 2003; 46: 989 
  5. Van Baar BLM, Hulst AG, Roberts B, Wils ERJ: Anal Biochem 2002; 301: 278 
  6. Van Baar BLM, Hulst AG, Roberts B, De Jong AL, Wils ERJ: J Chromatogr A 2002; 970: 95 
  7. Van Baar BLM, Hulst AG, Roberts B, De Jong AL, Wils ERJ: J Chromatogr A 2004; 97: 1035 
  8. DIN 10102, Nachweis von Clostridium botulinum und Botulinum-Toxin 
  9. Sharma SK, Fen-Ni F, Singh BR: J Protein Chem 1999; 18: 29 
  10. Sagane Y, Watanabe T, Kouguchi H et al.: J Protein Chem 2000; 19: 575 

 

Weitere Literaturhinweise bei den Verfassern.

Datum: 18.10.2010

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2010/10

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