Die Krankenhausapotheke Hamburg
Das therapeutische Team – mulitidisziplinär/interdisziplinär – als pharmazeutische Dienstleistung
Die neue Pers-STAN ermöglicht es den BwKrhs-Apotheken, sich verstärkt vom Versorger zum interdisziplinären Partner aller klinischen Professionen zu wandeln.
Eigenständig ist nun das Qualitätsmanagement abgebildet. Die BwKrhs-Apotheke Hamburg ist bereits seit 2012 nach der Norm DIN EN ISO 9001:2015 zertifiziert und seitdem mehrfach rezertifiziert worden. Von diesem Ankerpunkt werden alle klinisch-pharmazeutischen Schnittstellen betrachtet, einer Risikoanalyse im Qualitätsregelkreis Plan-Do-Check-Act unterworfen und Möglichkeiten des Handelns – Einkauf, Pharmaökonomie, Versorgung, Herstellung und klinische Dienstleistungen – abgeleitet. Die BwKrhs-Apotheke ist seit Jahren so fest und strukturiert im klinischen Gefüge verankert.
Basierend auf den anspruchsvollen und zeitintensiven Pfeilern Beschaffung und Versorgung, werden Freiräume für klinisch-pharmazeutische Tätigkeiten, die letztlich mittlerweile auch vom Gesetzgeber eingefordert werden, geschaffen. Dieses Fundament ist in allen BwKrhs-Apotheken gelebter Alltag.
Forciert wird der Ansatz, sich in den klinischen Alltag zum Wohle der Patienten einzubringen. Dazu befindet sich der Apotheker auf Station, der klinische Pharmazeut, am Patienten und in der Teilhabe am therapeutischen Team. Im Schwerpunkt beteiligen sich die Pharmazeuten an klinisch-pharmazeutischen Visiten mit ihrem multidisziplinären Ansatz. Eigenständig von den Kliniken können pharmazeutische Konsile auf digitalem Wege eingestellt werden. Beide Dienstleistungen sind von hoher Einsatzrelevanz, letztere kann sogar von der Basis Inland unterstützend angeboten werden. Der klinisch erfahrene und weitergebildete Apotheker ist hier besonders gefragt. Nicht nur aufgrund eines limitierten Angebots an Arzneimitteln und Medizinprodukten ist eine fachlich fundierte Beratung der Ärzte im Einsatz besonders wichtig. Eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit für die Patienten im Inland und im Einsatz durch eine klinisch-pharmazeutische Unterstützung ist daher Kern pharmazeutischer Bemühungen, wissenschaftlich gut belegt und internationaler Standard.Ein kompletter digitaler Zugriff auf Patientendaten ist für eine fundierte pharmazeutische Beratung von zentraler Bedeutung. Die Teilnahme an zentralen Kommissionen in den Häusern wie die Arzneimittelkommission, Hygienekommission, TFG-Kommission, POCT-Kommission und die ABS-Kommission sowie am CIRS findet seit Jahren in der BwKrhs-Apotheke Hamburg statt und vernetzt so die Pharmazie mit der Medizin.
Geleitet von den Inhalten des ABS-Gedankens nehmen in Hamburg seit Jahren SanStOffz Apotheker an der klinisch-mikrobiologischen Visite der Intensivstation und weiterer Stationen teil. Ein gutes Gefühl, da mehr als 80 % der betrachteten Patienten mehr als 10 verschiedene Arzneimittel erhalten und in der Regel multimorbid sind. Interdisziplinär sind auch komplizierte Fälle zu lösen. Von zentraler Bedeutung bleibt ein funktionierendes Krankenhausinformationssystem (KIS) des Hauses.
Herstellung als pharmazeutische Dienstleistung
Arzneimittel(therapie)sicherheit findet nicht nur „bedside“ und in fachlichen Diskussionen mit ärztlichem und pflegerischem Personal statt, sondern Ansätze dafür bietet auch eine qualitätsgesicherte Herstellung von besonderen Spezialitäten und nicht oder nicht sicher marktverfügbaren Arzneimitteln. Dabei findet keine Herstellung ohne begleitende pharmazeutische Beratung statt.
Ein besonderer Schwerpunkt der Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg liegt in der Bereitstellung von nicht marktverfügbaren „Notfallspritzen“. Hierbei handelt es sich um anwendungsfertig in Spritzen aufgezogene Arzneimittel, die sowohl im Krankenhaus (z. B. Notaufnahme, Intensivstation) als auch im Rettungsdienst eingesetzt werden. Für den Anwender bedeuten die fertigen Spritzen in solchen Situationen eine enorme Arbeitserleichterung und besonders eine Steigerung der Arzneimittelsicherheit, da eine hektische Zubereitung des Arzneimittels am Patienten entfällt und die Spritzenproduktion kontrolliert und qualitätsgesichert unter aseptischen Bedingungen in der Apotheke erfolgt.Der Versorgungsprozess als pharmazeutische Dienstleistung: Unit Dose und Closed Loop of Medication Management
Der traditionelle Prozess der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus ist komplex, häufig papierbasiert, durch viele Medienbrüche gekennzeichnet und deshalb fehleranfällig. Nach Infektionsgefahren stellen Medikationsfehler das größte Risiko für Krankenhauspatienten dar. Wenn Ärzte ohne elektronische Unterstützung Arzneimittel verordnen müssen, Pflegekräfte Verordnungen in unterschiedliche Dokumente manuell übertragen und auf dieser Basis Arzneimittel – meist in der Nacht – für den Patienten stellen und wenn der Krankenhausapotheker als eigentlicher Arzneimittelfachmann in diesen Prozess gar nicht involviert ist, sind Fehler vorprogrammiert.
Ziel sowohl der traditionellen als auch der modernen Arzneimittelversorgung ist es, dass der richtige Patient, das richtige Arzneimittel, in der richtigen Dosierung, in der richtigen Arzneiform, zum richtigen Zeitpunkt, richtig informiert und dokumentiert erhält.
Eine moderne Arzneimittelversorgung wird durch den geschlossenen Medikationsprozess, dem sogenannten Closed Loop of Medication Management (CLOMM) beschrieben.
In den Closed Loop werden Patienten durch den Aufnahmeprozess (Arzneimittelanamnese, Umstellung auf die Arzneimittelliste) ein- und durch den Entlassungsprozess (Entlass-Management, Mediaktionsplan, Entlassrezept, Arztbrief) ausgeschleust. Zentrale Elemente des CLOMM sind:
Die Arzneimittelverordnung wird direkt vom Arzt in ein elektronisches System eingegeben.
Klinische Pharmazeuten prüfen die Verordnung und geben sie im System frei.
Die Krankenhausapotheke verarbeitet die elektronische Verordnung und liefert die Arzneimittel patientenbezogen aus.
Der Pflegedienst verabreicht die Arzneimittel und dokumentiert die Verabreichung oder mögliche Abweichungen im System mittels Barcode-Scan.
Der Arzt berücksichtigt die Hinweise der klinischen Pharmazeuten und die Dokumentation der Arzneimittelgabe bei der Folgeverordnung.
Für eine wirksame, sichere und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie aller Patienten im Krankenhaus sind eine durchgängige Digitalisierung des Verordnungsprozesses verbunden mit dem Einsatz von Stationsapothekern Voraussetzung. Beide Instrumente unterstützen Arzt und Pflege bei der Arzneimitteltherapie auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und optimieren die Arzneimitteltherapiesicherheit.
Auf dem Weg zu CLOMM wurde das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg durch Kommandeur Gesundheitseinrichtungen beauftragt, ein Unit-Dose-Versorgungssystem zu etablieren. Dies ist kein alleiniges Projekt der Krankenhausapotheke, sondern erfordert aufgrund der vielfältigen Schnittstellen sowie eines abteilungsübergreifenden Ressourcen- und Organisationsbedarfs einen multidisziplinären Ansatz. In der Projekt-Arbeitsgruppe sind daher neben der Krankenhausapotheke und einer Pilotstation die KIS-Administration, der Pflegedienst und die S6-Abteilung vertreten.
Mit dem Umzug der Krankenhausapotheke in neue Räumlichkeiten wurden u. a. die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung gemäß Apothekenbetriebsordnung geschaffen.
Nächster Projektschritt ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr die Beschaffung der notwendigen maschinellen Ausstattung (Dispensierautomat, Entblistergerät, optisches Kontrollsystem) einzuleiten. Nach Auslieferung sind diese Maschinen mit den Schnittstellen sowohl zum Krankenhausinformationssystem (NEXUS) als auch zum Warenbewirtschaftungssystem (SASPF) zu qualifizieren. Daneben sind neue Prozesse innerhalb der Apotheke risikoorientiert zu definieren und zu beschreiben.
Ein Krankenhaus braucht einen sicheren und effizienten geschlossenen Medikationsprozess. Der Wandel ist nur mit dem Einsatz ausgereifter Verordnungs- und Dokumentationssysteme, effizienter Automation und dem Stationsapotheker als Manager des CLOMM zu schaffen. Hieran werden Krankenhäuser in Zukunft sowohl von Patienten, Kostenträgern und auch von den Mitarbeitern gemessen werden.
¹ Aus der Abteilung XXIV Krankenhausapotheke (Leiter: Oberstapotheker O. Zube) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Kommandeur und Ärztlicher Direktor: Admiralarzt Dr. K. Reuter)
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Verfasser:
Oberstapotheker Olaf Zube MBA
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Lesserstraße 180, 22049 Hamburg
E-Mail: OlafZube@Bundeswehr.org
Datum: 04.05.2020
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2020